OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21.01.2020 - 6 A 10583/19
Fundstelle
openJur 2020, 24302
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 8. März 2019 zuzulassen, wird abgelehnt.

Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 114,04 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

I. Die Zulässigkeit des Antrags ist gegeben, obwohl keiner der abschließend normierten Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO bezeichnet worden ist. Ein solches Versäumnis führt nur dann zur Verwerfung des Zulassungsantrags, wenn aus einer nicht auf einzelne Zulassungsgründe zugeschnittenen Begründung auch durch Auslegung nicht eindeutig ermittelt werden kann, auf welchen Zulassungsgrund der Antrag gestützt wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. August 2010 - 1 BvR 2309/09 -, BayVBl 2011, 338). Dies ist hier jedoch möglich. Die vorliegende Antragsbegründung des Klägers lässt erkennen, dass er ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend macht.

II. In der Sache bleibt der Antrag auf Zulassung der Berufung ohne Erfolg.

Die nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO gebotene Darlegung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils setzt voraus, dass ein tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung in der angefochtenen Entscheidung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt und aufzeigt wird, warum diese Erwägung des Verwaltungsgerichts im konkreten Fall entscheidungserheblich war, sodass die Entscheidung im Ergebnis unzutreffend ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Januar 2017 - 2 BvR 2615/14 -, juris). Daran fehlt es hier.

1. In dem angefochtenen Urteil ist die abgerechnete Umstellung der Straßenbeleuchtung auf LED-Technik zutreffend und mit überzeugender Begründung als beitragsfähiger Ausbau in Gestalt der Erneuerung im Sinne der §§ 10a Abs. 7, 9 Abs. 1 Satz 2 KAG angesehen worden. Unter einer Erneuerung versteht man im Straßenausbaubeitragsrecht die Ersetzung einer abgenutzten Anlage durch eine neue Anlage von gleicher räumlicher Ausdehnung, gleicher funktioneller Aufteilung und - soweit es um den Straßenbau geht - gleichwertiger Befestigungsart, d. h. eine Maßnahme, durch die eine erneuerungsbedürftige Anlage in einen im Wesentlichen der ursprünglichen Anlage vergleichbaren Zustand versetzt wird (hierzu OVG RP, Urteil vom 14. März 2007 - 6 A 11637/06.OVG -, AS 34, 241 = KStZ 2007, 236). Nach dieser Rechtsprechung des Senats ist die Abgrenzung zwischen Erneuerung und Instandsetzung einer Straße, also zwischen beitragsfähigem Straßenausbau und beitragsfreier Straßenunterhaltung, grundsätzlich nach dem Ausmaß der Arbeiten an der Verkehrsanlage vorzunehmen. Neben solchen quantitativen Aspekten der Differenzierung sind auch qualitative sowie funktionale Gesichtspunkte zu berücksichtigen. In quantitativer Hinsicht können beim Straßenausbau die Größe der betroffenen Fläche im Verhältnis zur Gesamtanlage sowie der Umfang der Arbeiten und der Kosten relevant sein. Ein qualitatives Kriterium der Abgrenzung kann die übliche Nutzungsdauer der ersetzten Teile sein; kann der ausgebaute Bestandteil eine eigenständige, von der Gesamtanlage unabhängige Lebensdauer haben, wie dies beispielsweise bei Straßenleuchten der Fall ist, liegt es nahe, eine Erneuerung anzunehmen. In funktionaler Hinsicht kann zu berücksichtigen sein, welche Bedeutung die Maßnahme für die Verkehrsanlage insgesamt hat oder welchen Teileinrichtungen sie zu dienen bestimmt ist (zum Ganzen: OVG RP, Urteil vom 14. März 2007 - 6 A 11637/06.OVG -, AS 34, 241 = KStZ 2007, 236).

2. Nach diesen Maßstäben hat das Verwaltungsgericht die Umstellung der Straßenbeleuchtung auf LED-Technik in den im Heranziehungsbescheid vom 15. März 2017 bezeichneten Straßen durch Austausch der kompletten Leuchtenköpfe einschließlich der Vorschaltgeräte zu Recht als beitragsfähige Maßnahme qualifiziert.

a) Dem Kläger kann nicht in der Auffassung gefolgt werden, es handele sich lediglich um eine nicht beitragsfähige Instandsetzung, weil eine Erneuerung nur vorliegen könne, wenn eine Anlage noch funktionsfähig, also nicht bereits schadhaft sei. Vielmehr ergibt sich ein Erneuerungsbedarf typischerweise aus dem Verschleiß und insbesondere aus Schäden an der Straße (oder einer Teileinrichtung), deren Behebung nach der Einschätzung der Gemeinde, für die ihr ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Spielraum zusteht (vgl. OVG RP, Urteil vom 21. August 2007 - 6 A 10527/07.OVG -, AS 35, 71), eine Ausbaumaßnahme erfordert.

b) Anders als der Kläger meint, setzt ein beitragspflichtiger Straßenausbau gemäß § 10a KAG auch nicht die Erneuerung, Erweiterung, den Umbau oder die Verbesserung der gesamten einheitlichen öffentlichen Einrichtung der Anbaustraßen voraus; Ausbaumaßnahmen an einzelnen Verkehrsanlagen reichen vielmehr aus (OVG RP, Urteil vom 16. März 2010 - 6 A 11146/09.OVG -, AS 38, 383). In den im Heranziehungsbescheid vom 15. März 2017 bezeichneten Straßen wurde jeweils die gesamte Straßenbeleuchtung auf LED-Technik umgestellt, während in anderen Straßen zum Teil nur die Leuchtmittel ausgewechselt und die dafür entstandenen Kosten zutreffend nicht als beitragsfähiger Aufwand betrachtet wurden.

c) Der Umstand, dass die Masten der Straßenlaternen und die in diesen verlaufenden Leitungen zu den Leuchtenköpfen nicht erneuert wurden, führt ebenfalls nicht auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Denn Gegenstand einer beitragsfähigen Maßnahme muss nicht stets die gesamte Anlage oder Teileinrichtung sein. Wie im Zusammenhang mit der Abgrenzung zwischen Erneuerung und Instandsetzung bereits erwähnt, kann sich ein beitragspflichtiger Ausbau auch auf den Bestandteil einer Teileinrichtung beziehen, dem unter funktionalen Gesichtspunkten eine gewisse Selbständigkeit zukommt (vgl. Driehaus in: Driehaus (Hrsg.), Kommunalabgabenrecht, Stand: 09/2019, § 8 Rn. 292b). Das trifft auf den Austausch des kompletten Leuchtenkopfes mit Vorschaltgerät zu. Denn damit ist eine vollständige technische Umstellung verbunden, auch wenn die - noch nicht erneuerungsbedürftigen - Masten, an denen die neuen LED-Lampen befestigt werden, sowie die Leitungen weiterverwendet werden. Hinsichtlich der Funktionalität der Straßenbeleuchtung kommt den Masten und Leitungen nur eine untergeordnete Funktion zu, während die Leuchtenköpfe mit den LED-Leuchtmitteln - neben ihrer Anzahl - von entscheidender Bedeutung für die Ausleuchtung der Straße sind (vgl. Driehaus in: Driehaus (Hrsg.), Kommunalabgabenrecht, Stand: 09/2019, § 8 Rn. 292b; Thielmann, KStZ 2012, 86). Dass noch funktionsfähige Teile der Beleuchtungsanlage nicht erneuert werden, entspricht zudem dem Grundsatz der Erforderlichkeit von Ausbaumaßnahmen (hierzu OVG RP, Urteil vom 9. April 1997 - 6 A 12010/96.OVG -, AS 25, 428 = DÖV 1997, 963).

d) Ernstliche Zweifel ergeben sich ferner nicht aus dem Vorbringen des Klägers, die Nutzungsdauer von Anlagen zur Straßenbeleuchtung betrage ungefähr 40 Jahre, also eine wesentlich längere Zeitspanne als 25 bis 30 Jahre, die die Beklagte angenommen habe. In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird die übliche Nutzungsdauer einer Straßenbeleuchtung mit etwa 30 Jahren veranschlagt (OVG NRW, Urteil vom 28. August 2001 - 15 A 465/99 -, KStZ 2002, 33; SächsOVG, Urteil vom 11. Dezember 2017 - 5 A 259/15 -, juris). Weist eine Beleuchtungsanlage nach einem Betrieb von mehr als 30 Jahren verschleißbedingte Schäden auf, ist eine Gemeinde berechtigt, sich unter Wahrung ihres Einschätzungsspielraums (hierzu OVG RP, Urteil vom 21. August 2007 - 6 A 10527/07.OVG -, AS 35, 71) für eine Erneuerung zu entscheiden. Dies war nach dem Aktenvermerk der Beklagten vom 6. Februar 2017 hier der Fall. Danach wurde die erneuerte Beleuchtungsanlage "in den Jahren 1983/84 bzw. noch früher" errichtet und die Leuchtenköpfe waren nach dem Ergebnis einer Überprüfung "tatsächlich verschlissen und dringend erneuerungsbedürftig". Dass die Beklagte von dem ihr bei der Frage, ob ein Erneuerungsbedarf vorliegt, zustehenden Einschätzungsspielraum einen fehlerhaften Gebrauch gemacht hat, legt die Antragsbegründung nicht dar.

e) Schließlich kann der Zulassungsantrag nicht deshalb Erfolg haben, weil der Kläger eine Verbesserung der Ausleuchtungssituation durch die neue LED-Technik und außerdem bezweifelt, dass Ersatzteile für die ersetzte Technik nicht mehr erhältlich gewesen seien. Für die Richtigkeit des angefochtenen Urteils, das nicht von einem Ausbau durch Verbesserung, sondern durch Erneuerung der Beleuchtungseinrichtung ausgeht, kommt es darauf nicht entscheidend an.

III. Der Antrag war nach alledem mit der sich aus § 154 Abs. 2 VwGO ergebenden Kostenfolge abzulehnen.

Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf §§ 52 Abs. 3, 47 Abs. 1 und 3 GKG.