VG Neustadt an der Weinstraße, Beschluss vom 08.11.2019 - 5 L 1029/19.NW
Fundstelle
openJur 2020, 24266
  • Rkr:
Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 03. September 2019 gegen die bauordnungsrechtliche Verfügung der Antragsgegnerin vom 16. August 2019 wird wiederhergestellt.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen eine bauordnungsrechtliche Verfügung der Antragsgegnerin.

Die Antragstellerin gehört der G Unternehmensgruppe an und ist auf Bauschuttaufbereitung, Herstellung und Vertrieb von Recyclingbaustoffen und Kompost, Übernahme, Aufbereitung und Verwertung von teerhaltigem Straßenaufbruch und PAK-haltigen Böden spezialisiert. Im Oktober 1981 richtete sie im Einvernehmen mit der Antragsgegnerin im Neustadter Stadtviertel Branchweiler auf dem im Eigentum der Antragsgegnerin stehenden Gelände der Deponie "Haidmühle - Maifischgraben" (Flurstück-Nr. ...), das auch unter dem Namen "Abfallwirtschaftszentrum" (AWZ) bekannt ist, u.a. eine Bauschuttrecyclinganlage ein und nahm den Probebetrieb auf. Zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin - diese führt ihre Einrichtung der Abfallentsorgung als Eigenbetrieb unter dem Namen "Eigenbetrieb Stadtentsorgung Neustadt an der Weinstraße (ESN) - besteht eine vertragliche Beziehung, die die Antragsgegnerin inzwischen im Oktober 2018 aufgekündigt hat. Das Räumungsverfahren ist derzeit beim Landgericht Frankenthal (Aktenzeichen ...) anhängig. Der zuletzt geschlossene Vertrag vom 16. März 2010 nimmt weitgehend Bezug auf den zuvor gültigen Vertrag vom 27. Januar 2000.

In dessen Präambel werden die Besitzer von u. a. Bauschutt, Straßenaufbruch und Bodenaushub als berechtigt bezeichnet, diesen im Rahmen der vom ESN festgelegten Benutzungsordnung zur Deponie zu bringen. Der ESN bediene sich dabei der Antragstellerin als Dritter im Sinne des Abfallrechts. Nach § 1 des Vertrages verpachtet der ESN der Antragstellerin das Deponiegelände. Diese verpflichtet sich, die Bauschuttdeponie zu betreiben. Ferner wird der Antragstellerin gestattet, auf dem Gelände eine Bauschuttaufbereitungsanlage auf der Grundlage des Bescheids vom 15. Oktober 1997 (dazu siehe unten) aufzustellen und zu betreiben. Nach § 2 des Vertrages muss der Betrieb der Deponie und der Bauschuttaufbereitungsanlage im Einvernehmen mit dem ESN und nach den näher aufgeführten Genehmigungsbescheiden erfolgen. In diesem Rahmen handele die Firma in eigener Regie und auf ihre Kosten. Zukünftige behördliche Auflagen zur Bauschuttaufbereitungsanlage seien von der Firma in eigener Verantwortlichkeit und Kostenlast zu erfüllen.

Mit abfallrechtlichem Bescheid vom 25. Januar 1985 hatte die damalige Bezirksregierung Rheinhessen-Pfalz gegenüber der Antragsgegnerin u.a. den Plan für die Errichtung und den Betrieb der Bauschuttaufbereitungsanlage nach Abfallrecht festgestellt. Weitere Genehmigungsbescheide gegenüber der Antragsgegnerin ergingen u.a. am 20. März 1987 (Erweiterung des bestehenden Deponiegeländes), am 15. Oktober 1997 (neue Genehmigung der Bauschuttrecyclinganlage auf der Grundlage des Bundesimmissionsschutzgesetzes) sowie am 23. Januar 1998 (Abhilfebescheid).

Nach Beschwerden aus der Nachbarschaft beschränkte die Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd (SGD Süd) mit Bescheid vom 09. April 2013 gegenüber der Antragsgegnerin die Brecherlaufzeiten an der stationären Brech- und Siebanlage auf 4 Stunden 15 Minuten täglich bei einer 5-Tage-Woche oder auf 3 Stunden 30 Minuten täglich bei einer 6-Tage-Woche. Ferner wurde die Inputmenge von 180.000 t/a auf 68.400 t/a reduziert.

Im Sommer 2017 nahm die Staatsanwaltschaft Frankenthal strafrechtliche Ermittlungen gegen Mitarbeiter der Antragstellerin wegen des Verdachts illegaler Abfallbeseitigung auf. Die Ermittlungen sind bisher nicht abgeschlossen.

Im Januar 2018 bat die SGD Süd die Antragsgegnerin um nähere Angaben zur Betriebsorganisation. Daraufhin antwortete die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 18. April 2018, sie sei nicht die Betreiberin der Anlage zur Aufbereitung von Bauschutt, sondern die Antragstellerin. Die ebenfalls um Erteilung einer Auskunft gebetene Antragstellerin teilte der SGD Süd mit Schreiben vom 22. Mai 2018 mit, sie sei in der Vergangenheit lediglich Drittbeauftragte gewesen; Betreiber der Bauschuttaufbereitungsanlage sei die Antragsgegnerin.

Daraufhin stellte die SGD Süd mit für sofort vollziehbar erklärtem Bescheid vom 29. Juni 2018 gegenüber der Antragsgegnerin fest, dass sie Betreiberin der Abfallanlagen des Abfallwirtschaftszentrums Neustadt sei. Die Antragsgegnerin legte dagegen Widerspruch ein, über den bis heute nicht entschieden wurde.

Mit Bescheid vom 11. Juli 2019, modifiziert am 12. August 2019, verlangte die SGD Süd von der Antragsgegnerin die Vorlage prüffähiger Unterlagen zur Bauschuttrecyclinganlage und der daraus resultierenden Emissionen und untersagte ihr zugleich mit sofortiger Wirkung die Behandlung von Abfällen mittels der Bauschuttaufbereitungsanlage bis zur Vorlage der Unterlagen (vgl. hierzu die Beschlüsse der Kammer vom 21. August 2019 - 5 L 813/19.NW -, juris und vom OVG Rheinland-Pfalz vom 23. Oktober 2019 - 8 B 11329/19.OVG -). Die Anlage ist Ende Juli 2019 stillgelegt.

Am 31. Juli 2019 nahmen Bedienstete der Antragsgegnerin und ein Vertreter der Antragstellerin und der Statiker P einen Ortstermin an der Bauschuttaufbereitungsanlage vor. Dabei stellten die Mitarbeiter der Antragsgegnerin mehrere Mängel an der Anlage fest, die in einem Protokoll vom 01. August 2019 festgehalten wurden. Im Fazit über den Ortstermin heißt es in dem Protokoll, die bei der unteren Bauaufsicht vorhandenen Fachkenntnisse reichten nicht aus, um eine Bewertung der Standsicherheit vorzunehmen. Deshalb würden verschiedene Maßnahmen für erforderlich gehalten.

Daraufhin gab die Bauaufsichtsbehörde der Antragsgegnerin der Antragstellerin mit für sofort vollziehbar erklärtem Bescheid vom 16. August 2019 auf, als Pächterin des Grundstücks Flurstück-Nr. ..., der darauf befindlichen baulichen Anlagen und Gebäude, sowie als Besitzerin der betroffenen Brecheranlage und als allein Verfügungsberechtigte einen Standsicherheitsnachweis für die Brecheranlage inklusive ihrer Gründungen, die im Umfeld der Brecheranlage vorhandenen Stützwände und Böschungen und für das sich westlich der Brecheranlage befindende Gebäude der Tankanlage zu erbringen und näher beschriebene Grundstücksflächen nicht mehr zu betreten und zu befahren. Zur Begründung führte die Antragsgegnerin u.a. aus, der Zustand der Brecheranlage, der Stützmauern, Böschungen und des Tankgebäudes gefährdeten zweifelsfrei die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Vorliegend bestehe der dringende Verdacht, dass die erforderliche, ausreichende Verkehrs- und Standsicherheit der beschriebenen baulichen Anlagen zumindest zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr gegeben sei. Zwar stehe das Einschreiten nach den §§ 59 und 81 Landesbauordnung - LBauO - grundsätzlich im Ermessen der Behörde. Aufgrund des baulichen Zustands und der damit verbundenen Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung bestehe jedoch dringender Handlungsbedarf, so dass ein bauaufsichtliches Einschreiten unerlässlich sei. Als Pächterin und allein Verfügungsberechtigte biete die Antragstellerin die Gewähr für die Durchführung der Maßnahmen und sei daher als Inhaberin der tatsächlichen Gewalt vorrangig in Anspruch zu nehmen.

Mit weiterem an sich selbst gerichteten, für sofort vollziehbar erklärtem Bescheid vom 16. August 2019 gab die Antragsgegnerin der Stadt Neustadt/Wstr. als Eigentümerin des Grundstücks Flurstück-Nr. ... auf, die an die Antragstellerin übersandte Bauordnungsverfügung vom 16. August 2019 zu dulden. Ferner wurde der Stadt Neustadt/Wstr. untersagt, den Absperr- und Gefahrenbereich gemäß der Verfügung vom 16. August 2019 an die Antragstellerin zu betreten oder Dritte das Betreten des Absperr- und Gefahrenbereichs zu ermöglichen.

Die Antragstellerin hat am 03. September 2019 Widerspruch gegen die an sie gerichtete Verfügung vom 16. August 2019 eingelegt und am 20. September 2019 um gerichtlichen Eilrechtsschutz nachgesucht.

Die Antragstellerin macht geltend, es bestehe tatsächlich keiner der in der Anordnung vom 16. August 2019 von der Antragsgegnerin angeführten Anhaltspunkte für objektive Zweifel an der Standsicherheit der Bauschutttaufbereitungsanlage, welche die Vorlage von Standsicherheitsnachweisen in dem von der Antragsgegnerin geforderten Umfang rechtfertigten könnten. Damit entfalle auch die Tatbestandsvoraussetzung für die streitige bauordnungsrechtliche Anordnung. Da die Antragsgegnerin sowohl Bauherrin als auch Grundstückseigentümerin sei, sei die streitige Anordnung, jedenfalls für die Beibringung etwaig erforderlicher Nachweise, nicht an die Antragstellerin, sondern an die Antragsgegnerin zu richten.

Die Antragsgegnerin tritt dem Begehren der Antragstellerin entgegen. Sie wendet ein, die Bauschuttaufbereitungsanlage verstoße in ihrem derzeitigen Zustand gegen die Vorschriften der §§ 3, 13 LBauO. Eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit sei anzunehmen, wenn aufgrund objektiver Anhaltspunkte Zweifel an der Standsicherheit einer baulichen Anlage bestünden. Dies sei hier der Fall. Für die Beurteilung der Standsicherheit sei aufseiten der Antragsgegnerin gerade keine besondere Sachkunde erforderlich. Sie habe die Verfügung im Rahmen ihrer Zuständigkeit aufgrund ihrer eigenen Beurteilung der Standsicherheit der baulichen Anlagen erlassen dürfen. Eine - bis heute nicht erfolgte - abschließende Prüfung der Standsicherheit habe durch die Antragstellerin zu erfolgen, um die bestehenden Bedenken auszuräumen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die von den Beteiligten zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze sowie die Verwaltungsakten der Antragsgegnerin verwiesen.

II.

Der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 2.Halbsatz Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - statthafte und auch ansonsten zulässige Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs vom 02. September 2019 gegen die bauordnungsrechtliche Verfügung der Antragsgegnerin vom 16. August 2019 ist auch in der Sache begründet.

1. Allerdings ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Nrn. 1 bis 4 des Tenors des Bescheids vom 16. August 2019 in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden.

Insbesondere hat die Antragsgegnerin die Anordnung der sofortigen Vollziehung des genannten Bescheids ausreichend nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet. Hierzu hat die Antragsgegnerin ausgeführt, vorliegend überwiege das besondere Interesse daran, dass Menschen vor den Gefahren, die vom Zustand der Brecheranlage, Böschungen, Stützmauern und Tankgebäude ausgehen könnten, geschützt werden, die privaten Interessen der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung möglicher Widersprüche. Den potentiellen Nutzern sei es nicht zuzumuten, die durch deren Zustand entstandene Gefahr für Leib, Leben und Gesundheit von Menschen hinzunehmen. Ein Zuwarten bis zur Bestandskraft der Verfügung könne zur Folge haben, dass in der Zwischenzelt bei einem (Teil-) Einsturz der genannten baulichen Anlagen Personen verletzt würden oder Eigentum beschädigt werde. Damit liegt eine auf den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügende auf den konkreten Einzelfall abgestellte und nicht lediglich formelhafte Begründung des besonderen Vollzugsinteresses vor. Ob die von der Antragsgegnerin angeführte Begründung inhaltlich zutreffend ist und die Anordnung der sofortigen Vollziehung zu rechtfertigen vermag, ist im Rahmen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO unbeachtlich; dies ist erst bei der gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vom Gericht eigenständig vorzunehmenden Interessenbewertung zu erörtern (z. B. OVG Rheinland-Pfalz, Beschlüsse vom 10. Juli 2018 - 7 B 10698/18.OVG - und vom 3. April 2012 - 1 B 10136/12.OVG -, BauR 2012, 1362).

2. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Nrn. 1 bis 4 des Tenors des Bescheids vom 16. August 2019 ist jedoch in materieller Hinsicht rechtswidrig.

2.1. Für das Interesse des Betroffenen, einstweilen nicht dem Vollzug der behördlichen Maßnahmen ausgesetzt zu sein, sind zunächst die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs von Belang. Ein überwiegendes Interesse eines Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist in der Regel anzunehmen, wenn die im Eilverfahren allein mögliche und gebotene summarische Überprüfung ergibt, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist. Denn an der Vollziehung eines ersichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakts kann kein öffentliches Vollzugsinteresse bestehen. Ist der Verwaltungsakt dagegen offensichtlich rechtmäßig, so überwiegt das Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers nur dann, wenn zusätzlich ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts besteht. Kann aufgrund der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Überprüfung nicht festgestellt werden, ob der Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig oder offensichtlich rechtswidrig ist, so beschränkt sich die verwaltungsgerichtliche Kontrolle des Sofortvollzuges des Verwaltungsakts auf die Durchführung einer Interessenabwägung, die je nach Fallkonstellation zugunsten des Antragstellers oder des Antragsgegners ausgehen kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 2007 - 2 BvR 695/07 -, NVwZ 2007, 1176).

2.2. Nach diesen Grundsätzen überwiegt vorliegend das private Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die für sofort vollziehbar erklärte Verfügung vom 16. August 2019 das öffentliche Interesse der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung dieser Anordnung. Denn diese erweist sich bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtswidrig.

2.2.1. Ohne näher auf die formelle Rechtmäßigkeit der Verfügung vom 16. August 2019 einzugehen, sind nach Auffassung der Kammer jedenfalls die Voraussetzungen für ein bauaufsichtliches Einschreiten der Antragsgegnerin gegen die Antragstellerin nicht gegeben.

Gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 Landesbauordnung - LBauO - haben die Bauaufsichtsbehörden bei der Errichtung, Änderung, Instandhaltung, Nutzung, Nutzungsänderung und dem Abbruch baulicher Anlagen sowie anderer Anlagen und Einrichtungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 LBauO darüber zu wachen, dass die baurechtlichen und sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die aufgrund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen eingehalten werden; sie haben zu diesem Zweck nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Ferner können nach § 85 Abs. 1 LBauO bei rechtmäßig begonnenen oder bestehenden baulichen Anlagen sowie anderen Anlagen und Einrichtungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 nachträglich Anforderungen nur gestellt werden, wenn dies zur Abwehr von erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere für Leben oder Gesundheit, erforderlich ist. Bei Gefahr im Verzug kann bis zur Erfüllung dieser Anforderungen die Benutzung der Anlagen und Einrichtungen eingeschränkt oder untersagt werden.

2.2.2. Vorliegend war die Antragsgegnerin als Bauaufsichtsbehörde allerdings nicht von vornherein daran gehindert, bauordnungsrechtliche Maßnahmen zu ergreifen. Zwar wurde die streitgegenständliche Bauschuttrecyclinganlage am 15. Oktober 1997 nach immissionsschutzrechtlichen Vorschriften genehmigt. Ferner hat bereits die SGD Süd als nach § 1 Abs. 1 und Nr. 1.1.8 der Anlage der Landesverordnung über Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Immissionsschutzes - ImSchZuVO - sachlich zuständige Behörde gegenüber der Antragsgegnerin auf der Grundlage des § 17 Abs. 1 BImSchG verfügt, dass die Bauschuttaufbereitungsanlage zur Behandlung von Abfällen bis zur Vorlage prüffähiger Unterlagen zu der Anlage und der daraus resultierenden Emissionen nicht genutzt werden darf. Dies schließt jedoch nicht aus, dass die zuständige Bauaufsichtsbehörde nach Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bauordnungsrechtlich gegen die genehmigte Anlage einschreiten darf.

Nach dem Wortlaut des § 17 Abs. 1 Satz 1 BImSchG beschränkt sich die Ermächtigung zum Erlass nachträglicher Anordnungen nämlich auf die Erfüllung immissionsschutzrechtlicher Verpflichtungen, also der Pflichten zur Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen i.S.v. § 5 BImSchG. Hinsichtlich der Pflichten aus anderen Vorschriften außerhalb des BImSchG sind zu deren Vollzug die hierfür zuständigen Behörden berufen. Die Konzentrationswirkung bei der Genehmigung von genehmigungsbedürftigen Anlagen nach § 13 BImSchG erstreckt sich nur auf die präventive Kontrolle; nach Erteilung der Genehmigung fällt die Zuständigkeit zum Vollzug der öffentlich-rechtlichen Vorschriften außerhalb des Immissionsschutzrechts wieder an die zum Vollzug dieser Vorschriften zuständigen Behörden zurück (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 03. August 2016 - 8 A 10377/16 -, BauR 2016, 2064 m.w.N.). Die Berechtigung hierzu hängt von der Zielrichtung der Maßnahme ab. Dient eine Maßnahme der Durchsetzung baurechtlicher Anforderungen, so ist - jedenfalls auch - die Bauaufsichtsbehörde zuständig (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 03. August 2016 - 8 A 10377/16 -, BauR 2016, 2064; Hansmann/Ohms, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Juni 2019, § 17 Rn. 44). Vorliegend beruft sich die Antragsgegnerin unter Bezugnahme auf die §§ 3, 13 LBauO darauf, es bestehe der dringende Verdacht, dass die erforderliche, ausreichende Verkehrs- und Standsicherheit der Brecheranlage, der Stützmauern, Böschungen und des Tankgebäudes zumindest zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr gegeben sei. Damit dient die Verfügung vom 16. August 2019 der Durchsetzung baurechtlicher Anforderungen.

2.2.3. Allerdings sind die Voraussetzungen für ein bauaufsichtliches Einschreiten der Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin nach Auffassung der Kammer nicht gegeben. Dabei kann offenbleiben, ob im Hinblick auf den Umstand, dass die Bauschuttrecyclinganlage am 15. Oktober 1997 immissionsschutzrechtlich genehmigt worden war, die Verfügung nur auf § 85 Abs. 1 LBauO oder im Hinblick darauf, dass die Anlage eventuell von Anfang an nicht genehmigungskonform errichtet worden ist, auf § 59 Abs. 1 LBauO gestützt werden kann.

2.2.4. Nach Ansicht der Kammer ist die Verfügung jedenfalls ermessensfehlerhaft zustande gekommen.

2.2.4.1. Dabei spricht schon Einiges dafür, dass es an der Erforderlichkeit der in den Ziffern 1 und 2 des Bescheids vom 16. August 29019 getroffenen Maßnahme fehlt, weil die SGD Süd der Antragsgegnerin als Betreiberin der Anlage die Nutzung der Anlage bestandskräftig untersagt hat, die Anlage auch tatsächlich stillsteht und außerdem der Pachtvertrag mit der Antragstellerin gekündigt worden ist.

Zwar ist die Anordnung der Beibringung eines Standsicherheitsnachweises eine grundsätzlich geeignete Maßnahme, die nach § 59 Abs. 1 LBauO von dem Verantwortlichen verlangt werden kann, um den Umfang einer bestehenden Gefahr zur Vorbereitung der eigentlichen Gefahrenabwehrmaßnahme weiter aufzuklären (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 28. Juli 2016 - 8 A 10303/16.OVG -). Denn die Beweislast dafür, dass eine bestimmte bauliche Anlage standsicher ist, hat der jeweilige Bauherr bzw. Grundstückseigentümer (Jeromin, in: Jeromin, Landesbauordnung ERhPf, 4. Auflage 2016, § 13 Rn. 22a). Gemäß § 65 Abs. 4 LBauO wird vermutet, dass die bauaufsichtlichen Anforderungen insoweit erfüllt sind, wenn der Bauherr Bescheinigungen einer sachverständigen Person im Sinne der Rechtsverordnung nach § 87 Abs. 5 LBauO vorlegt.

Mit der ebenfalls auf § 87 Abs. 5 LBauO gestützten Landesverordnung über Prüfsachverständige für Standsicherheit - PrüfSStBauVO - sind die umfassenden Voraussetzungen für die Ausstellung von Bescheinigungen nach § 65 Abs. 4 LBauO auch für die Standsicherheit gegeben (s. auch Jeromin, in: Jeromin, a.a.O., § 65 Rn. 13). Die einzelnen Anforderungen an die Ausführung von Prüfaufträgen für Prüfsachverständige für Standsicherheit sind in § 9 Abs. 1 PrüfSStBauVO geregelt. Die Prüfsachverständigen für Standsicherheit erhalten für die Ausführung des Prüfauftrags gemäß § 10 Abs. 4 PrüfSStBauVO i.V.m. der Anlage 3 (Vergütungstafel) eine Vergütung.

Da hier die Bauschuttrecyclinganlage schon stillgelegt ist und die Erstellung eines Standsicherheitsnachweises zusätzliche Kosten verursachen würde, dürfte es nach Ansicht der Kammer an der Erforderlichkeit der der Antragstellerin aufgegebenen Maßnahme fehlen. Sollte die Wirksamkeit der Kündigung des Pachtvertrages gerichtlich festgestellt werden, bedürfte es des Standsicherheitsnachweises ohnehin nicht mehr, da das Gelände dann geräumt würde. Um Gefahren für die öffentliche Sicherheit im Zusammenhang mit der Bauschuttrecyclinganlage auszuschließen, genügt die Absperrung des Gefahrenbereichs, so dass Dritte das Gelände nicht mehr betreten oder befahren können. Dies kann die Antragsgegnerin als Grundstückseigentümerin, der von der SGD Süd als Betreiberin der Anlage deren Nutzung ohnehin bestandskräftig untersagt worden ist, selbst vornehmen.

2.2.4.2. Das Gericht hält die Inanspruchnahme der Antragstellerin jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des Auswahlermessens für derzeit rechtsfehlerhaft. Gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 LBauO sind die Bauherrin oder der Bauherr sowie die Eigentümerin oder der Eigentümer dafür verantwortlich, dass bauliche Anlagen sowie Grundstücke den baurechtlichen Vorschriften entsprechen. Wer die tatsächliche Gewalt über eine bauliche Anlage oder ein Grundstück ausübt, ist nach § 54 Abs. 2 Satz 3 LBauO neben der Person, die das Eigentum innehat, verantwortlich.

Demnach ist hier davon auszugehen, dass die Antragstellerin als Pächterin des Geländes immer noch Inhaberin der tatsächlichen Gewalt ist, während die Antragsgegnerin sowohl Grundstückseigentümerin als auch "Bauherrin" im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 LBauO ist. Zwar enthält die rheinland-pfälzische Landesbauordnung keine Legaldefinition des Bauherrenbegriffs. Es besteht aber Einigkeit, dass Bauherr ist, wer auf seine Verantwortung eine bauliche Anlage vorbereitet oder ausführt, vorbereiten oder ausführen lässt. Dies setzt unausgesprochen voraus, dass Bauherr nur derjenige sein kann, dessen Wille rechtlich die Bauvorbereitung und -ausführung beherrscht (vgl. Schmidt, in: Jeromin a.a.O., § 55 Rn. 2; Würfel, in: Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Stand August 2019, Art. 50 Rn. 7 f.). Wer sich durch die Unterschrift auf dem Bauantrag (§ 63 Abs. 3 LBauO) als Bauherr ausgibt, den treffen die damit verbundenen Verpflichtungen, selbst wenn der Bau nicht in seinem Auftrag und auf seine Rechnung ausgeführt werden soll (Schmidt, in: Jeromin a.a.O., § 55 Rn. 3 m.w.N.). Da nach dem Wortlaut des § 54 Abs. 2 Satz 1 LBauO u.a. der Bauherr dafür verantwortlich ist, dass bauliche Anlagen sowie Grundstücke den baurechtlichen Vorschriften entsprechen, endet die Bauherreneigenschaft nicht mit der Fertigstellung des Vorhabens. Die einmal begründete Verantwortlichkeit des Bauherrn für die Maßnahmen, die er durchgeführt hat, bleibt daher auch danach bestehen (VG Neustadt, Urteil vom 16. September 1999 - 2 K 53/99.NW -; Kerkmann/Schmidt in: Jeromin, a.a.O., § 54 Rn. 18).

Hiernach ist die Antragsgegnerin als "Bauherrin" anzusehen. Denn sie hat sämtliche Genehmigungen für die Bauschuttrecyclinganlage beantragt und erhalten (s. die Genehmigungen vom 25. Januar 1985, vom 15. Oktober 1997 und der Abhilfebescheid vom 23. Januar 1998), so dass sie die damit verbundenen Verpflichtungen getroffen hat. Die zuletzt ergangene immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 15. Oktober 1997 schloss gemäß § 13 Abs. 1 BImSchG andere die Anlage betreffende Entscheidungen ein. Eingeschlossen war die erforderliche Baugenehmigung (vgl.BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1989 - 4 C 36/86 -, NVwZ 1990, 464; Jarass, in: Jarass, BImSchG, 12. Auflage 2017, § 13 Rn. 6a).

Damit steht der Bauaufsichtsbehörde der Antragsgegnerin ein Auswahlermessen zu, gegen wen sie bauaufsichtlich einschreitet. Das Auswahlermessen wird nicht dadurch eingeschränkt, dass die Antragsgegnerin ein Hoheitsträger ist und nicht gegen sich selbst bauaufsichtlich einschreiten kann. Denn es ist rechtlich möglich, einen sog. "In-sich-Verwaltungsakt" zu erlassen (näher dazu s. Niesler, in: Brandt/Domgörgen, Handbuch Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozess, 4. Auflage 2018, D 61; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Auflage 2018, § 34 Rn. 190).

Die folglich bestehende Störerauswahl richtet sich nach Art und Dringlichkeit der Gefahr sowie der erforderlichen Maßnahme (vgl. Kerkmann in: Jeromin, a.a.O., § 81 Rn. 70); ob auf Seiten des Betroffenen Verschulden vorliegt, ist unerheblich (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11. Januar 2007 - 8 E 11465/06.OVG -).Soweit mehrere Verantwortliche in Betracht kommen, muss die Behörde die Ausübung ihres Auswahlermessens grundsätzlich auch tatsächlich zum Ausdruck bringen (vgl. Bay.VGH, Beschluss vom 24. Juli 2015 - 9 ZB 14.1291 -, juris; VG Neustadt, Beschluss vom 14. November2016 - 3 L 935/16.NW -). Ein generelles Rangverhältnis zwischen der Inanspruchnahme des Verhaltens- und des Zustandstörers besteht nicht, die Entschließung, wer als Pflichtiger heranzuziehen ist, ist vielmehr an den Umständen des Einzelfalles, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und auch dem Gebot effektiver und schneller Gefahrenbeseitigung auszurichten (vgl. VG Trier, Beschluss vom 25. Juni 2015 - 5 L 1703/15.TR -, juris; s. aber auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 27. Januar 2004 - 8 A 10051/04.OVG - und Urteil vom 25. Januar 1990 - 1 A 77/87 -, juris, wonach regelmäßig der Handlungsstörer als der unmittelbare Verursacher der Störung vorrangig vor dem Zustandsstörer zur Beseitigung heranzuziehen sei).

Für eine Inanspruchnahme der Antragstellerin als Inhaberin der tatsächlichen Gewalt könnte sprechen, dass sie nach Errichtung der Bauschuttrecyclinganlage offensichtlich Veränderungen an der Anlage vorgenommen hat, wodurch der Zurechnungszusammenhang unterbrochen sein könnte. Dem braucht jedoch nicht weiter nachgegangen zu werden. Denn die Kammer hält die Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts jedenfalls deshalb für fehlerhaft, weil die Antragsgegnerin zu Unrecht annimmt, die Antragstellerin sei als Pächterin allein Verfügungsberechtigte und biete deshalb die Gewähr für die Durchführung der Maßnahmen. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist die Antragstellerin aber nicht allein verfügungsberechtigt. Vielmehr gilt die Antragsgegnerin als Anlagenbetreiberin im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes, denn dies hat die SGD Süd mit für sofort vollziehbar erklärtem Bescheid vom 29. Juni 2018 ausdrücklich festgestellt (s. näher dazu die Ausführungen der Kammer im Beschluss vom 21. August 2019 - 5 L 813/19.NW -, juris). Nach § 2des Vertrages vom 27. Januar 2000, auf den der am 16. März 2010 geschlossene Vertrag Bezug nimmt, muss der Betrieb der Bauschuttaufbereitungsanlage im Einvernehmen mit dem ESN und nach den näher aufgeführten Genehmigungsbescheiden erfolgen. Damit kann der Antragstellerin die alleinige Verfügungsgewalt nicht zustehen. Da die Antragsgegnerin in der streitgegenständlichen Verfügung aber ausschließlich darauf abgestellt hat, die Antragstellerin sei allein verfügungsberechtigt, hat sie ihr bestehendes Auswahlermessen zumindest defizitär ausgeübt.

Die Kammer hält die Entscheidung der Antragsgegnerin, nicht sich selbst, sondern die Antragstellerin bauaufsichtlich heranzuziehen, auch unter dem Gesichtspunkt der Effektivität der Gefahrenabwehr nicht für sachgerecht, denn einerseits hat die Antragsgegnerin gerade das Pachtverhältnis mit der Antragstellerin gekündigt, andererseits hat sie die Entscheidung der SGD Süd, sie und nicht die Antragstellerin immissionsschutzrechtlich für den Betrieb der Bauschuttaufbereitungsanlage heranzuziehen, akzeptiert. Die Antragsgegnerin hatte auch bereits in dem Erörterungstermin vom 12. August 2019 erklärt, sie werde gegen die Verfügungen der SGD Süd vom 11. Juli 2019 und 18. Juli 2019 keinen Rechtsbehelf einlegen. Somit stand fest, dass die Bauschuttaufbereitungsanlage nicht mehr betrieben werden durfte. Insofern ist die Gefährdung der Standsicherheit unter dem Gesichtspunkt der Effektivität der Gefahrenabwehr schon dadurch zu beseitigen, dass die Antragsgegnerin, die Eigentümerin des Geländes ist, die von ihr gegenüber der Antragstellerin geforderte Maßnahme selbst ausführt.

Die fehlerhafte Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin in Bezug auf die in Ziffer 1 angeordnete Maßnahme schlägt auch auf die Ziffern 2 bis 4 des Bescheids vom 16. August 2019 durch, denn diese hat die Antragsgegnerin mit der Ziffer 1 verknüpft. Folglich war dem Eilantrag vollumfänglich stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.

Die Wertfestsetzung richtet sich nach §§ 53 Abs. 2 i. V. m. § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz - GKG -.