VG Trier, Beschluss vom 25.04.2018 - 7 L 1947/18.TR
Fundstelle
openJur 2020, 23947
  • Rkr:
Tenor

Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, das Verfahren zur Besetzung der Stelle der Leiterin/des Leiters der Polizeiinspektion ... zum 1. Februar 2018 gemäß der Stellenausschreibung unter Berücksichtigung der Bewerbung des Antragstellers vom 13. Oktober 2017 fortzuführen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 29.703,30 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Antragstellers, der zurzeit als Polizeihauptkommissar in der Funktion des Dienstgruppenleiters bei der Polizeiinspektion ... in der Besoldungsgruppe A 12 beschäftigt ist, mit dem er die Fortführung des Auswahlverfahrens zur Besetzung der Stelle der Leiterin/des Leiters der Polizeiinspektion ... unter der Berücksichtigung seiner Bewerbung vom 13. Oktober 2017 begehrt, ist zulässig.

Insbesondere ist der Antragsteller dabei der Obliegenheit zur zeitnahen Rechtsverfolgung binnen der Frist von einem Monat nach Zugang der Abbruchmitteilung nachgekommen (BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2014 - 2 A 3.13 -, Rn. 24, juris, m. w. N.). Mitgeteilt worden ist ihm der Abbruch des Auswahlverfahrens unter dem 20. Februar 2018; sein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ging am 20. März 2018 bei Gericht ein.

Er ist auch in der Sache begründet. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Lässt die im Eilverfahren vorzunehmende summarische Prüfung bereits erkennen, dass das von dem Antragsteller behauptete Recht zu seinen Gunsten nicht besteht, so ist nach § 123 Abs. 1 VwGO eine einstweilige Anordnung nicht möglich, da es an einer sicherungsfähigen und -würdigen Rechtsposition fehlt. Voraussetzung hierfür ist, dass der Antragsteller einen Anordnungsgrund sowie einen Anordnungsanspruch im Sinne von § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 936 Zivilprozessordnung - ZPO - glaubhaft macht. Dies ist dem Antragsteller vorliegend gelungen.

Zunächst steht dem Antragsteller vorliegend ein Anordnungsgrund für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu. Dies erfordert das Gebot des effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 des Grundgesetzes - GG -, da der Bewerber die Möglichkeit erhalten muss, das Erlöschen seines Bewerbungsverfahrensanspruchs infolge eines sachlich nicht gerechtfertigten Abbruchs des Auswahlverfahrens zu verhindern (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 29. November 2012 - 2 C 6/11 -, Rn. 12, juris). Ist der Bewerbungsverfahrensanspruch erst erloschen, kann der Bewerber nicht mehr verlangen, dass ihm die ausgeschriebene Stelle übertragen wird. Im Falle eines Abbruchs kann jeder Bewerber eine einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO mit dem Ziel anstreben, den Dienstherrn zur Fortführung des Stellenbesetzungsverfahrens zu verpflichten. Nur mit dem Eilantrag kann er verhindern, dass ohne tragfähigen Grund ein neues Verfahren eingeleitet, die Stelle also nochmals ausgeschrieben wird; daran hat er ein berechtigtes Interesse, denn der Dienstherr kann damit die Zusammensetzung des Bewerberkreises verändern oder ggf. sogar bewusst steuern. (vgl. zu Vorstehendem: BVerwG, Beschluss vom 10. Mai. 2016 - 2 VR 2.15 -, Rn. 12, juris, m. w. N.).

Der Antragsteller hat auch glaubhaft gemacht, dass ihm ein Anordnungsanspruch zur Seite steht. Der Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers aus Art. 33 Abs. 2 GG, § 9 des Beamtenstatusgesetzes vom 17. Juni 2008 (BGBl I 2008, 1010) - BeamtStG - bzw. § 10 Abs. 1 des Landesbeamtengesetzes vom 20. Oktober 2010 (GVBl. S. 319), zuletzt geändert durch Gesetz (Art. 8) vom 30. Juni 2017 (GVBl. S. 137) - LBG - ist vorliegend verletzt, da der Dienstherr einen den Abbruch des Auswahlverfahrens rechtfertigenden sachlichen Grund nicht hinreichend substantiiert dargelegt hat.

Dem Bewerbungsverfahrensanspruch ist auch bei einer Entscheidung über den Abbruch eines laufenden Auswahlverfahrens Rechnung zu tragen. Dem Dienstherrn kommt hinsichtlich des vorzeitigen Abbruchs eines eingeleiteten Bewerbungs- und Auswahlverfahrens ein weiter organisations- und verwaltungspolitischer Ermessensspielraum zu; dieser unterscheidet sich wesentlich von dem im Rahmen einer Stellenbesetzung zu beachtenden Auswahlermessen. Die Durchführung einer Stellenausschreibung zwingt den Dienstherrn nicht dazu, den Dienstposten auch tatsächlich zu besetzen; denn die Ausschreibung ist lediglich ein Hilfsmittel zur Gewinnung geeigneter Bewerber. Der Dienstherr ist demnach rechtlich nicht gehindert, ein eingeleitetes Bewerbungs- und Auswahlverfahren aus sachlichen Gründen jederzeit zu beenden und von einer ursprünglich geplanten Stellenbesetzung abzusehen. Genügt die Abbruchentscheidung diesen Vorgaben nicht, ist sie unwirksam und das in Gang gesetzte Auswahlverfahren fortzuführen; eine Neuausschreibung darf dann nicht erfolgen. (vgl. zu Vorstehendem: BVerwG, Urteil vom 25. April 1996 - 2 C 21/95 -, BVerwGE 101, 112-116, Rn. 21, juris; BVerwG, Beschluss vom 23. November 2011 - 2 BvR 1181.11 -, juris; BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2014 - 2 A 3/13 -, Rn. 19, juris).

Nach Maßgabe dieser Rechtsgrundsätze werden an die Rechtmäßigkeit der Abbruchentscheidung formelle sowie materielle Anforderungen gestellt (vgl. BVerwG Urteil vom 26. Januar 2012 - 2 A 7.09 -, juris):

In formeller Hinsicht sind die Bewerber von dem Abbruch durch den Dienstherrn rechtzeitig und in geeigneter Form in Kenntnis zu setzen. Dabei muss er unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er das Auswahlverfahren ohne Stellenbesetzung endgültig beenden will. Der für den Abbruch maßgebliche Grund ist, sofern er sich nicht evident aus dem Vorgang selbst ergibt, schriftlich zu dokumentieren (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2012 - 2 A 7.09 -, Beschluss vom 10. Mai 2016 - 2 VR.15 -; BVerfG, Beschluss vom 28. November 2011, a.a.O., juris). Dem ist der Antragsgegner vorliegend nachgekommen. So sind in den Verwaltungsakten die einzelnen Schritte des Entscheidungsprozesses des Antragsgegners über den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens, wie etwa die Einholung der Zustimmung des Gesamtpersonalrats sowie letztlich die Mitteilung an den Antragsteller mit Schreiben vom 20. Februar 2017 unter Darlegung der für den Abbruch ausschlaggebenden Gründe vollumfänglich dokumentiert.

Allerdings bestehen vorliegend mit Blick auf die materiellen Anforderungen durchgreifende rechtliche Bedenken, da die Feststellungen des Antragsgegners nicht genügen, um den Abbruch des Auswahlverfahrens - vor dem Hintergrund des Art. 33 Abs. 2 GG - sachlich zu rechtfertigen.

Der Abbruch eines Auswahlverfahrens kann zum einen aus der Art. 33 Abs. 2 GG vorgelagerten Organisationsgewalt des Dienstherrn gerechtfertigt sein. Danach hat der Dienstherr darüber zu entscheiden, ob und wann er welche Statusämter zur Besetzung bereithält (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 - 2 C 11.11 -, Urteil vom 29. November 2012, a.a.O., juris). So kann der Dienstherr etwa das Verfahren abbrechen, weil er die Stelle, die dem erfolgreichen Bewerber übertragen werden sollte, nicht mehr besetzen will. Ebenso stellt es einen sachlichen, dem Organisationsermessen zugehörigen Grund für einen Abbruch dar, wenn der Dienstherr sich entschlossen hat, die Stelle neu zuzuschneiden (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. November 2012, a.a.O.).

Zum anderen ist der Dienstherr berechtigt, ein Stellenbesetzungsverfahren aus Gründen abzubrechen, die aus Art. 33 Abs. 2 GG hergeleitet werden. So kann er aufgrund seines Beurteilungsspielraums bei der Bewerberauswahl das Verfahren abbrechen, wenn kein Bewerber seinen Erwartungen entspricht oder das Verfahren womöglich nicht (mehr) zu einer rechtsfehlerfreien Auswahlentscheidung führen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2012 - 2 A 7.09 -, juris). Er kann das Verfahren aber auch dann abbrechen, wenn er erkannt hat, dass das Stellenbesetzungsverfahren fehlerbehaftet ist. Der Abbruch soll dann sicherstellen, dass die Bewerbungsverfahrensansprüche der Bewerber in einem weiteren, neuen Verfahren gewahrt werden (BVerfG, Beschluss vom 28. November 2011 - 2 BvR 1181.11 -, juris).

Dabei müssen die von dem Dienstherrn für den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens angeführten Gründe auch die tatsächlich tragenden Gründe sein, sie dürfen nicht bloß vorgeschoben sein, etwa um eine in Wirklichkeit - allein oder maßgebend - auf anderen Beweggründen beruhende Entscheidung zu rechtfertigen (Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 8. Oktober 2009 - 1 B 509/09 -, Rn. 24, juris), zum Beispiel um einen unerwünschten Kandidaten aus leistungsfremden Erwägungen von der weiteren Auswahl für die Stelle auszuschließen oder einen bestimmten Bewerber bei der späteren Auswahlentscheidung zu bevorzugen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. November 2011, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2012 - 2 A 7/09 -, Rn. 27, juris).

Will der Dienstherr - wie hier - die Stelle weiterhin vergeben, hält er hierfür aber ein neues Auswahlverfahren für erforderlich, ist die Wirksamkeit der Abbruchentscheidung nur an den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG zu messen (BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2014, a. a. O., Rn. 17, juris). Danach ist der Abbruch eines Auswahlverfahrens gerechtfertigt, wenn infolge einer Ausschreibung eine Bewerbersituation entstanden ist, aufgrund derer der Dienstherr nach sachgerechter Prüfung zu der Auffassung gelangt, dass die Beförderung des (verbleibenden) Bewerbers dem Maßstab der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung nicht gerecht werde und/oder dem Grundsatz der Bestenauslese für den zu besetzenden Dienstposten zuwiderliefe (vgl. OVG RLP, Beschluss vom 6. November 1997 - 10 B 12387/97 -, Rn. 3, juris; Herrmann, "Anforderungen des Leistungsprinzips gem. Art. 33 Abs. 2 GG zu Beginn und beim Abbruch eines beamtenrechtlichen Auswahlverfahrens" in LKV 2015, 97; abrufbar unter beck-online).

Soweit der Dienstherr vorliegend den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens damit begründet, dass eine erneute Ausschreibung erforderlich sei, um eine hinreichende Anzahl leistungsstarker Bewerber zu erhalten (vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2014 - 2 A 3/13 -, Rn. 19, juris; BVerwG, Beschluss vom 10. Mai 2016 - 2 VR 2/15 -, BVerwGE 155, 152-161, Rn. 18, juris), genügt dies in Anbetracht der Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG für sich genommen nicht, um die Entscheidung über den Abbruch sachlich zu rechtfertigen. Denn damit muss nicht einhergehen, dass der Zweck eines Auswahlverfahrens - die Vergabe des Dienstpostens an den am besten geeigneten Bewerber zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes - nicht mehr erreicht werden kann.

Allein die - wenn auch - erhebliche Reduzierung des Bewerberkreises im laufenden Auswahlverfahren oder aber das Abweichen der tatsächlichen von der erhofften Bewerberzahl berechtigen den Dienstherrn nicht, das Auswahlverfahren abzubrechen.

Grund dessen ist die dynamische Natur eines Auswahlverfahrens; die Zahl der Bewerber kann sich im laufenden Auswahlverfahren nicht nur reduzieren, sondern auch erweitern (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 25. Januar 2017 - 2 BvR 2076/16 -, Rn. 26, juris). Seinem Begehren nach einer Auswahl unter mehreren qualifizierten Bewerbern kann der Dienstherr daher dadurch Rechnung tragen, dass er auch nach Ablauf der Bewerbungsfrist weitere Bewerber in das (ggf. fortgeschrittene) Auswahlverfahren einbezieht oder die Suche nach dem am besten geeigneten Bewerber fortführt (BVerwG, Nichtannahmebeschluss vom 24. September 2015 - 2 BvR 1686/15 -, Rn. 19, juris). Denn Bewerbungsfristen sind keine Ausschlussfristen, sondern dienen allein dem Interesse des Dienstherrn an einer zügigen Stellenbesetzung (BVerwG, Urteil vom 29. November 2012 - 2 C 6/11 -, BVerwGE 145, 185-194, Rn. 30, juris). Der Dienstherr kann sogar nach Sichtung der fristgerechten Bewerbungen unter Umständen von sich aus weitere Beamten ermuntern, sich zu bewerben (Schnellenbach/Bodanowitz, in: Beamtenrecht in der Praxis, 9. Aufl. 2017, S. 76, RdNr. 83). Dabei gilt es stets zu vermeiden, die konkrete Stellenausschreibung nur als "Probe-Ausschreibung" zur Sichtung von Bewerbern zu verwenden (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 28. Februar 2007 - 2 BvR 2494/06 -, Rn. 7, juris).

Dass der Antragsgegner eine solche Erweiterung hier überhaupt in Erwägung gezogen hat und dabei zu der Annahme gelangt ist, eine Erweiterung bzw. Aktualisierung nur im Wege einer förmlichen Neuausschreibung erreichen zu können, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

Angesichts des kurzen Zeitraums zwischen dem Ende der Bewerbungsfrist am6. November 2017 und dem internen, unter Einholung der Zustimmung des Gesamtpersonalrats, gefassten Entschluss zum Abbruch am 9. Februar 2018 (Bl. 103 ff. der Verwaltungsakte - Vorgang 1) von ca. drei Monaten konnte nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass durch einen Abbruch des Auswahlverfahrens und eine Neuausschreibung eine Vergrößerung des Bewerberkreises eintreten würde (vgl. OVG RLP, Beschluss vom 6. November 1997 - 10 B 12387/97 - juris). Entsprechende konkrete Anhaltspunkte lassen sich dem pauschalen Hinweis des Antragsgegners auf die ständige Personalfluktuation innerhalb der rheinland-pfälzischen Polizei nicht entnehmen.

An dem so gefundenen Ergebnis ändert auch nichts, dass es sich bei dem Antragsteller, um den einzigen im Auswahlverfahren verbleibenden Bewerber handelt. Ein solcher Umstand genügt nur dann den Anforderungen an einen sachlichen Grund i. S. v. Art. 33 Abs. 2 GG, wenn der Dienstherr den einzigen für den konkreten Dienstposten in Betracht kommenden Bewerber nicht uneingeschränkt für geeignet hält (BVerwG, Urteil vom 25. April 1996 - 2 C 21/95 -, Rn. 23, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 10. März 1999 - 2 A 12877/98.OVG -) oder wenn während eines Auswahlverfahrens alle Mitbewerber bis auf einen - ungeeigneten - ihre Bewerbung zurückgezogen haben (BVerwG, Urteil vom 22. Juli 1999 - 2 C 14/98 -, juris), da andernfalls der Dienstherr genötigt wäre, die ausgeschriebene Stelle mit einem ungeeigneten Bewerber zu besetzen. Demgegenüber existiert kein Grundsatz, der allein die Reduzierung des Bewerberkreises auf einen geeigneten Bewerber als sachlichen Grund genügen lässt.

Ein derartiger Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Der Antragsteller verfügt über eine die Ausübung des Amtes erfordernde positive Eignungsprognose, da er die im Anforderungsprofil festgelegten Kriterien erfüllt (Bl. 25 f. der Verwaltungsakte - Vorgang 1). Gegenstand eines Eignungsurteils ist die Prognose darüber, ob und wie der Beamte die Dienstaufgaben in Würdigung seiner bisherigen Leistung und der Eigenschaften, die seine Befähigung ausmachen, voraussichtlich erfüllen wird. Ausgehend davon wurde er in der Anlassbeurteilung vom 24. November 2017 von seinem Erst- und Zweitbeurteiler als "geeignet" zur Übernahme dieses Dienstpostens eingestuft; die Leistungen im Einzelnen wurden durchschnittlich mit der Note "B" (= Übertrifft die Anforderungen) bewertet (vgl. Bl. 56-66 der Verwaltungsakte - Vorgang 1). Im Stellenbesetzungsvorschlag sah der Antragsgegner den mit ihm um den Beförderungsdienstposten konkurrierenden Bewerber im Vergleich zwar als "besser", den Antragsteller aber nicht als ungeeignet an (vgl. Bl. 87 f. der Verwaltungsakte - Vorgang 1). Überdies zieht der Antragsgegner ausweislich seiner Argumentation in der Abbruchmitteilung sowie der Antragserwiderung nicht in Zweifel, dass der Antragsteller über die für den Dienstposten erforderliche Eignung verfügt.

An der positiven Eignungsprognose ändert auch das bereits fortgeschrittene (Dienst-)Alter des Antragstellers nichts. Erst wenn ein Beamter mit Überschreiten einer bestimmten Altersgrenze typischerweise den Anforderungen des Amtes nicht mehr genügt (vgl. zu Vorstehendem: BVerfG, Beschluss vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12 -, juris) oder für die auf dem Dienstposten zu erbringende Leistung überhaupt nicht oder aller Voraussicht nach nicht mehr in nennenswertem zeitlichem Umfang zur Verfügung steht (Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 02. Juli 2007 - 1 A 1920/06 -, Rn. juris), kann einem Bewerber die Eignung für einen Dienstposten abgesprochen werden. Eine derartige Fallgruppe liegt indes nicht vor, da der Antragsteller die im Anforderungsprofil aufgestellten Kriterien erfüllt und bei hypothetischer Dienstpostenübertragung zum 1. Februar 2018 für dessen Ausübung faktisch 20 Monate zur Verfügung gestanden hätten - zumal er diese Funktion gegenwärtig bereits vertretungshalber wahrnimmt (Bl. 56 der Verwaltungsakte - Vorgang 1).

Es kann hier offenbleiben, ob innerhalb von Auswahlverfahren konzeptionell personalpolitische Erwägungen, wie etwa die Optimierung einer sachgerechten Personalplanung, als legitimes Interesse für die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung wegen des Alters i. S. v. Art. 6 Satz 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf - Richtlinie 2000/78/EG - herangezogen werden könnten und ob ein solches Konzept mit dem Leistungsgrundsatz vereinbar wäre, denn es ist weder hinreichend substantiiert dargelegt noch sonst ersichtlich, dass der Antragsgegner seinen Auswahlverfahren im Allgemeinen ein derartiges Konzept zugrunde legt. Insbesondere ergibt sich ein solches nicht aus der "Dienstvereinbarung zur Durchführung von Auswahlverfahren im Polizeipräsidium ..." (Bl. 39 ff. der Gerichtsakte).

An diesem Ergebnis vermag auch die kurze "Restdienstzeit" des Antragstellers nichts zu ändern. Entscheidungen über Einstellung, Übertragung von Beförderungsdienstposten, Beförderung und Zulassung zur Qualifizierung sind entsprechend dem Leistungsgrundsatz gemäß § 4 der Laufbahnverordnung für den Polizeidienst vom 10. Mai 2016 (GVBl. 2016, 251), zuletzt geändert mit Gesetz vom 7. Februar 2018 (GVBl. S. 9) - LbVOPol - "nur" nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu treffen. Anderweitige Kriterien dürfen einer Auswahl- wie auch einer Abbruchentscheidung, die bei nur einem (verbleibenden) Bewerber faktisch die Funktion einer vorgelagerten Auswahlentscheidung einnimmt, grundsätzlich nicht zugrunde gelegt werden.

Ausgangspunkt für die Heranziehung der Restdienstzeit als Auswahlkriterium kann ein nur im Ausnahmefall anzunehmendes berechtigtes Bedürfnis des Dienstherrn an Kontinuität, also einer längerfristigen Funktionsausübung, sein (so auch: BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 2010 - 1 WB 18/10 - juris; BVerwG, Beschluss vom 9. April 2014 - 1 WDS-VR 23/13 -, juris). Ein solches Bedürfnis kann sich entweder aus dem Tätigkeitsfeld als solchem oder dem Tätigkeitsort, also den Besonderheiten der konkret von der Ausschreibung betroffenen Dienststelle, ergeben. Demgegenüber liefe eine pauschale Bezugnahme des Dienstherrn auf das Interesse an Kontinuität dem Leistungsgrundsatz zuwider.

Ein derartiges besonderes Bedürfnis an Kontinuität besteht hier unter keinem Gesichtspunkt.

Dies gilt zunächst mit Blick auf das konkrete Tätigkeitsfeld. Bei besonders herausgehobenen und exponierten Positionen mag der berechtigte Wunsch des Dienstherrn nach einer längerfristigen Besetzung begründbar sein. So etwa bei der Stelle eines Polizeipräsidenten oder auch der Leitung einer Direktion, die von einem überdurchschnittlich komplexen Aufgabenkreis und einem bedeutenden Maß an Außenwirkung gekennzeichnet sind. Ein solcher Fall liegt jedoch bei einem Inspektionsleiter, der die kleinste zu organisierende Untereinheit der rheinland-pfälzischen Polizei führt, nicht generell vor. Dabei ist er typischerweise für eine überschaubare Mitarbeiterzahl in kleineren Einsatzgebieten verantwortlich.

Ebenso wenig besteht ein besonderes Interesse an Kontinuität mit Blick auf den Tätigkeitsort, da der Antragsgegner nicht substantiiert dargelegt hat, dass die konkrete Struktur der Polizeiinspektion ... eine Leitung über mehr als 20 Monate erfordert. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Polizeiinspektion ... von einer besonders hohen Personalfluktuation oder fachlich überdurchschnittlichen Anforderungen geprägt wäre.

Derartiger Ausführungen hätte es umso mehr bedurft, da sich der Antragsteller bereits langjährig in der Führung der Polizeiinspektion ... bewährt hat und damit grundsätzlich dem Bedürfnis nach Stabilität auf Führungsebene ausreichend nachgekommen wäre. So übernahm er - neben der stellvertretenden Dienststellenleitung - bereits zentrale, einem Inspektionsleiter typischerweise zuteilwerdende, Aufgaben, wie etwa die Führung einer Dienstgruppe, die Dienst- und Fachaufsicht über nachgeordnete Mitarbeiter oder die Steuerung und Koordination von Einsätzen (Bl. 56 der Verwaltungsakte - Vorgang 1).

Aus diesen Feststellungen folgt zugleich, dass die im Soldatenrecht herangezogenen Erwägungen zur Kontinuität nicht auf den hier vorliegenden Fall eines anderen Personalsegments übertragen werden können (u. a. BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 2010 - 1 WB 18/10 - juris; BVerwG, Beschluss vom 9. April 2014 - 1 WDS-VR 23/13 -, juris).

Soweit das Auswahlkriterium der "Restdienstzeit" zusätzlich mit einem Interesse des Dienstherrn an dienstlicher Förderung und der Perspektive des Bewerbers auf eine ruhegehaltsfähige Beförderung begründet wird, stellen diese Erwägungen in der Kombination keinen sachlichen Grund dar. Denn jedenfalls das Interesse an einer Ruhegehaltsfähigkeit von Dienstbezügen gem. § 12 Abs. 3 des Landesbeamtenversorgungsgesetzes vom 18. Juni 2013 (GVBl. 2013, 157), in der Fassung vom 7. Februar 2018 (GVBl. S. 9) - LBeamtVG - steht mit dem Leistungsgrundsatz nicht im Einklang und würde diesen konterkarieren. Denn eine solche Praxis hätte zur Folge, dass Beförderungsdienstposten - ungeachtet der Eignung - nur noch an Bewerber vergeben würden, die den Dienstposten für noch mindestens zwei Jahre bekleiden könnten. Zudem würde daraus mittelbar eine Beförderungssperre in den letzten beiden Dienstjahren resultieren, welche in Anbetracht des Verbots der Altersdiskriminierung gemäß Art. 2 Abs. 2 lit. a) der Richtlinie 2000/78/EG einer besonderen Rechtfertigung bedürfte, die vorliegend nicht ersichtlich ist.

Sofern letztlich der eigentlich für den Abbruch ausschlaggebende Grund der war, dass der für den Dienstposten vorgesehene Bewerber, dem die Stelle ausdrücklich angetragen wurde, nach der Anlassbeurteilung seine Bewerbung zurückgezogen hat, reicht dies für sich genommen nicht, um den aufgezeigten Anforderungen an einen sachlichen Grund zu genügen (so auch: VG Hannover, Beschluss vom 14. Oktober 2015 - 13 B 4397/15 - Rn. 44, juris).

Bestehen mithin durchgreifende Bedenken an der Rechtmäßigkeit des Abbruchs des Auswahlverfahrens, ist der Antragsgegner dazu angehalten, das abgebrochene Auswahlverfahren fortzuführen, ohne es erneut an den im hiesigen Verfahren vorgebrachten und - wie ausgeführt - unzureichenden Erwägungen scheitern zu lassen. Ein abermaliger Abbruch aus sachlichen Gründen ist damit freilich nicht ausgeschlossen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1, 6 des Gerichtskostengesetzes - GKG -. Ausgangsgröße ist die Summe der für ein Jahr als Endgrundgehalt zu zahlenden Bezüge der erstrebten Besoldungsgruppe (hier A 13) mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen (OVG RP, Beschluss vom 23. Dezember 2013 - 2 B 11209/13 -, Rn. 18, juris). Hierbei ist vorliegend ebenso wie beamtenrechtlichen Konkurrenten- und Beförderungsstreitverfahren der sogenannte kleine Gesamtstatus (Ziff. 10.2 des Streitwertkataloges) für die Streitwertberechnung maßgeblich. Da der Antragsteller hier der einzige verbleibende Bewerber ist, kommt seinem Antrag nämlich im Ergebnis eine vergleichbare Bedeutung zu, wie einem auf die Verhinderung der Besetzung eines Beförderungsdienstpostens gerichteten Antrag, § 52 Abs. 6 Satz 1 GKG (OVG RP, Beschluss vom 7. November 2017 - 2 E 11715/17 -). Vorliegend betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amtes, weshalb der Streitwert gemäß § 52 Abs. 6 Satz 4 GKG auf die Hälfte des sich aus Satz 1 der Vorschrift ergebenden Betrages zu reduzieren ist (OVG RP, Beschluss vom 23. Dezember 2013, a. a. O., juris). Der sich hieraus ergebende Wert ist nicht nach Ziff. 1.5 des Streitwertkataloges nochmals zu vermindern, da Eilverfahren mit derartigem Streitgegenstand nach aktueller Rechtsprechung regelmäßig die Funktion des Hauptsacheverfahrens übernehmen (OVG RP, Beschluss vom 14. September 2017 - 2 B 11207/17 -, Rn. 64, juris).

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