VG Neustadt an der Weinstraße, Urteil vom 25.01.2018 - 4 K 721/17.NW
Fundstelle
openJur 2020, 23869
  • Rkr:
Tenor

Der Bescheid vom 16. März 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Mai 2017 wird aufgehoben, soweit dem Kläger aufgegeben wurde, zukünftig die Errichtung von Werbeanlagen an anderer Stelle im Landkreis Bad Dürkheim ohne Vorlage einer bauaufsichtlichen Genehmigung zu unterlassen und hierfür die Ersatzvornahme angedroht wurde.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten je zur Hälfte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beteiligten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Aufhebung einer Beseitigungsverfügung betreffend zwei Schilder mit der Aufschrift "Die neue Weinstraße Erlebniswelt??? B 271 West neu?", die er im Außenbereich der Gemeinde A... aufgestellt hatte.

Er ist ein eingetragener Verein mit über 300 Mitgliedern, der sich seit über 20 Jahren für eine naturschonendere und kostengünstigere Straßenführung der B 271 einsetzt.

Als im Jahr 2015 die Detailplanung für den zweiten Abschnitt der "B 271 West" abgeschlossen wurde, stellte er die beiden genannten Schilder auf den Außenbereichsgrundstücken Flurstücknummern ..., ... und ... entlang der Bundesstraße B 271 auf. Das eine Schild stand direkt hinter der Leitplanke, das andere etwas weiter von der Straße entfernt, jedenfalls aber nicht weiter als 20 Meter.

Bei einer Ortskontrolle des Landesbetriebes für Mobilität am 27. Januar 2016 fielen die beiden Schilder auf und der Landesbetrieb meldete sie dem Beklagten. Der Beklagte erließ nach erfolgter Anhörung des Klägers am 16. März 2016 einen Bescheid, in dem er den Kläger aufforderte, bis zum 24. März 2016 die beiden Schilder ersatzlos zu beseitigen. Weiterhin wurde es ihm untersagt, zukünftig Schilder an anderer Stelle im Landkreis Bad Dürkheim ohne Vorlage einer bauaufsichtlichen Genehmigung zu errichten. Für den Fall der nicht fristgerechten Beseitigung bzw. einer Aufstellung einer Werbeanlage an anderer Stelle im Landkreis Bad Dürkheim ohne bauaufsichtliche Genehmigung drohte der Beklagte die Ersatzvornahme an und ordnete die sofortige Vollziehbarkeit des Bescheides an.

Hiergegen legte der Kläger am 23. März 2016 Widerspruch ein mit dem Antrag, den Bescheid vom 16. März 2016 aufzuheben und festzustellen, dass ihm ein Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung zustehe. Zudem entfernte er die Schilder.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Mai 2017, der am 22. Mai 2017 beim Klägervertreter einging, stellte der Kreisrechtsausschuss des Beklagten fest, dass ein Anspruch auf die Baugenehmigung für den Zeitraum bestehe, in dem die öffentliche Auslegung und die Einwendungsfrist im Planfeststellungsverfahren für den Neubau der B 271 auf der Gemarkung A... läuft, und wies den Widerspruch im Übrigen zurück.

Die Schilder seien genehmigungsbedürftige Hinweisschilder, die mit den in § 52 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 Landesbauordnung - LBauO - genannten baulichen Anlagen vergleichbar seien. Es handele sich nicht um Werbeanlagen, weil sie keinen gewerblichen Zweck verfolgten. Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz - GG - gebiete, dass der Kläger im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens seine Meinung äußern dürfe.

Die Meinungsfreiheit des Klägers überwiege zurzeit aber nicht das Interesse der Allgemeinheit, den Außenbereich grundsätzlich von baulichen Anlagen freizuhalten, denn zum Überwiegen der Meinungsfreiheit müsse es einen konkreten Anlass geben, warum der Kläger genau an einer bestimmten Stelle seine Meinung kundtun wolle. Dies sei nur der Fall, wenn der Plan öffentlich bekannt gemacht worden sei und die Einwendungsfrist zu laufen begonnen habe.

Der Kläger hat am 22. Juni 2017 Klage erhoben.

Er meint, die Verfügung verletze ihn in seinem Recht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, indem sie ihm jegliche gesellschaftliche und politische Äußerung durch das Aufstellen von Schildern ohne vorherige Einholung einer Baugenehmigung verbiete. Das Recht auf Meinungsfreiheit schütze auch die Form der Verbreitung einer Meinung. § 52 LBauO erfülle nicht die Anforderungen des Gesetzesvorbehalts des Art. 5 Abs. 2 GG. Er sei nicht meinungsneutral und mithin kein allgemeines Gesetz. § 52 Abs. 3 und Abs. 6 LBauO enthielten Privilegierungen für bestimmte Arten der Meinungsäußerung. Es sei nicht einzusehen, warum die in § 52 Abs. 3 und Abs. 6 LBauO privilegierten Personen und Körperschaften keine Genehmigung für das Aufstellen von Schildern im Außenbereich benötigten, der Bürger hierfür aber ein kostenpflichtiges Genehmigungsverfahren durchlaufen müsse.

Der Beklagte gehe lediglich gegen seine Schilder vor; er dulde in großem Umfang das Aufstellen von Werbeanlagen im Außenbereich. Zudem hätten die Befürworter der Westumfahrung gleich große Schilder im Außenbereich aufgestellt, ohne dass der Landesbetrieb für Mobilität dem Beklagten einen Hinweis darauf gegeben habe oder der Beklagte eingeschritten sei. Auch der Landesbetrieb für Mobilität stelle Werbeanlagen mit dem Motto "Wir bauen für Sie" im Außenbereich ohne Baugenehmigung auf. Die Beseitigungs- und Unterlassungsverfügung diene allein dem Zweck, eine Meinungsäußerung des Klägers zur geplanten Straßenführung zu verhindern.

Letztlich sei das generelle und unbegrenzte Verbot des Aufstellens von Schildern im Landkreis Bad Dürkheim ohne vorherige Baugenehmigung derart allgemein und von konkreten Störungen unabhängig, dass es unverhältnismäßig sei.

Der Kläger beantragt,

die Verfügung vom 16. März 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Mai 2017 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist zur Begründung auf die Verfügung vom 16. März 2016 und den Widerspruchsbescheid und führt weiter aus:

Die in Bezug genommenen anderen Werbeanlagen seien zum größten Teil entfernt worden bzw. würden in naher Zukunft entfernt. Über etwaige im Landkreis Bad Dürkheim aufgestellte Schilder bzgl. der Befürwortung einer Weststraße der B 271 liege ihm keine Information vor. Die Aufstellung von Hinweisschildern des LBM sowie von Wahlwerbeschildern für die Dauer des Wahlkampfes sei gem. § 52 Abs. 3 Nr. 4, Abs. 6 Nr. 4 LBauO zulässig.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Gründe

Die zulässige Klage hat nur teilweise Erfolg.

Der Bescheid vom 16. März 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Mai 2017 ist zum Teil rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).

I. Die auf der Grundlage von § 81 Abs. 1 der LBauO erlassene Beseitigungsverfügung (Ziffer 1 des Bescheides) ist rechts- und ermessensfehlerfrei ergangen. Nach dieser Vorschrift kann die Baubehörde, wenn bauliche Anlagen gegen baurechtliche oder sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften über die Errichtung, Änderung, die Instandhaltung oder die Nutzungsänderung dieser Anlagen verstoßen, deren teilweise oder vollständige Beseitigung anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können.

1. Die Schilder verstoßen gegen baurechtliche Vorschriften. Sie sind formell und materiell baurechtswidrig.

Sie sind formell baurechtswidrig, weil es sich dabei um gemäß § 61 LBauO genehmigungspflichtige Bauvorhaben handelt und keine Baugenehmigung dafür existiert. Sie sind auch materiell baurechtswidrig, weil sie nicht mit dem Bauordnungsrecht (a.), dem Bauplanungsrecht (b.) und dem im Genehmigungsverfahren zu beachtenden Straßenrecht (c.) vereinbar sind.

a. Die Schilder stehen nicht im Einklang mit der bauordnungsrechtlichen Vorschrift des § 52 Abs. 3 Satz 1 LBauO. Danach sind außerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile Werbeanlagen unzulässig.

Bei den Schildern handelt es sich um Werbeanlagen i.S.d. § 52 Abs. 1 Satz 1 LBauO, d.h. um ortsfeste Einrichtungen, die der Ankündigung oder Anpreisung oder als Hinweis auf Gewerbe oder Beruf dienen und vom öffentlichen Verkehrsraum aus sichtbar sind. "Schilder" sind in der Aufzählung in § 52 Abs. 1 Satz 2 LBauO explizit genannt. Entscheidend für den Charakter als Werbeanlage ist der Ankündigungs- oder Hinweischarakter dieser Einrichtung (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22. Januar 2003 - 8 A 11217/02, Rn. 16 juris). Die vom Kläger aufgestellten Schilder enthalten zwar keinen Hinweis auf ein Gewerbe oder einen Beruf, sondern Kritik an der geplanten neuen Straßenführung der B 271. Aus der allgemein gehaltenen Fassung der Vorschrift und der Bezugnahme auch auf kirchliche, kulturelle, politische, sportliche und ähnliche Veranstaltungen in Abs. 4 folgt aber, dass von ihr nicht nur die Wirtschaftswerbung erfasst werden soll, sondern auch die ideelle Werbung. Das ergibt sich auch insbesondere daraus, dass in Abs. 6 die Wahlwerbung ausdrücklich ausgenommen ist. Eine solche Ausnahme ist nur nötig, wenn Werbung zu politischen Zwecken grundsätzlich unter die Vorschrift fällt.

Die Schilder sind unzulässig, weil sie weder unter einen Ausnahmetatbestand im § 52 Abs. 3 LBauO fallen, noch gemäß § 52 Abs. 6 Nr. 4 LBauO vom Anwendungsbereich des § 52 LBauO ausgenommen sind. Die Schilder unterfallen insbesondere nicht § 52 Abs. 6 Nr. 4 LBauO, wonach die Bestimmungen dieses Gesetz nicht anzuwenden sind auf Wahlwerbung für die Dauer eines Wahlkampfes.

§ 52 Abs. 6 Nr. 4 LBauO ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht mit Blick auf die vom Bundesverfassungsgericht entwickelte sog. "Wechselwirkungslehre" (BVerfG, Urteil vom 15. Januar 1958 - 1 BvR 400/51, Rn. 33 juris), nach der aufgrund der fundamentalen Bedeutung der Meinungsfreiheit für die demokratische Grundordnung ein die Meinungsfreiheit beschränkendes Gesetz seinerseits im Lichte des Grundrechts der Meinungsfreiheit ausgelegt und in seiner das Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden muss, verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass er auf den diesem Rechtsstreit zugrunde liegenden Sachverhalt analog anzuwenden ist. Das Aufstellen von Schildern im Zuge einer politischen Auseinandersetzung mit der Änderung der Straßenführung einer Bundesfernstraße ist nicht zu vergleichen mit Wahlen. Bei Wahlen ist einerseits die in Art. 21 GG niedergelegte herausragende Stellung der Parteien in unserer Demokratie zu beachten, die der Kläger als eingetragener Verein nicht innehat. Zudem haben Wahlen ein ganz anderes Gewicht, weil es sich hierbei um das Kernelement der Ausübung von Staatsgewalt durch das Volk in einer repräsentativen Demokratie handelt, der eine plebiszitäre Entscheidung in Einzelfragen exekutiven Handelns außer in (verfassungs-)rechtlich besonders geregelten Fällen des Volks- oder Bürgerentscheids fremd ist.

Geht es "nur" um politische Einzelfragen wie hier, sind daher allenfalls bei Volksentscheiden und Bürgerentscheiden den politischen Parteien und Wählergruppen angemessene Werbemöglichkeiten einzuräumen. Bei Volksbegehren und Volksentscheiden stellt sich der Anspruch auf angemessene Wahlwerbung als Ausfluss ihres verfassungsrechtlich garantierten Initiativ- und Mitwirkungsrechts im Rahmen der Volksgesetzgebung gemäß Art. 107 ff. der Verfassung von Rheinland-Pfalz dar. Aber selbst dort gelten diese Rechte nicht unbeschränkt. Allerdings dürfen auch im Zuge eines Volksbegehrens die Belange der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs nicht missachtet werden, weil die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs die überragend wichtigen Rechtsgüter Leben und körperliche Unversehrtheit schützt (vgl. VG München, Beschluss vom 11. September 2013 - M 23 S 13.3868, Rn. 16, juris).

Hier geht es aber nicht um ein Volksbegehren, sondern um ein Planfeststellungsverfahren, in dem eine Bürgerbeteiligung im Entscheidungsprozess durch die besonderen Verfahrensregelungen des § 73 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG - vorgesehen ist, so dass darüber hinaus eine baurechtliche Privilegierung der politischen Werbung zu Einzelfragen exekutiven Handelns aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht geboten erscheint. Eine analoge Anwendung des § 52 Abs. 6 Nr. 4 LBauO scheidet daher aus.

b. Die vom Kläger aufgestellten Schilder sind auch planungsrechtlich unzulässig.

Gemäß § 35 Abs. 2 Baugesetzbuch - BauGB - können Vorhaben im Außenbereich, die nicht i.S.d. § 35 Abs. 1 BauGB privilegiert sind, im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.

Bei den Schildern, die sich unzweifelhaft im Außenbereich befinden und bodenrechtliche Relevanz im Sinne von § 29 Abs. 1 BauGB besitzen (vgl. nur Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand April 2013, § 29 Rdnr. 37 ff.), handelt es sich nicht um ein nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegiertes Vorhaben. Daher kommt eine Zulässigkeit nur in Betracht, wenn öffentliche Belange im Sinne der Abs. 2, 3 nicht beeinträchtigt sind. Dies ist hier jedoch der Fall, denn das Vorhaben des Klägers beeinträchtigt als sonstiges Vorhaben zumindest die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert und damit öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB. Die natürliche Eigenart der Landschaft im Außenbereich wird durch die naturgegebene (land- und forstwirtschaftliche) Bodennutzung sowie ihre Erholungseignung für die Bevölkerung geprägt. Wesensfremde und der Erholungseignung abträgliche Nutzungen beeinträchtigen daher grundsätzlich die natürliche Eigenart der Landschaft und sind unzulässig (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22. Juli 2009 - 8 A 10852/09.OVG -). Anderes gilt nur dann, wenn die Landschaft am umstrittenen Standort wegen ihrer natürlichen Beschaffenheit weder der naturgegebenen Bodennutzung noch der Erholung dient oder wegen Vorbelastung durch zahlreiche wesensfremde Eingriffe nicht mehr schutzwürdig ist (s. dazu BVerwGE 96, 95). Es ist nicht erforderlich, dass dem Bauherrn speziell für den vorgesehenen Standort des Vorhabens eine Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart nachgewiesen wird. Vielmehr reicht es für die Feststellung der Unzulässigkeit des Bauwerks im Außenbereich aus, wenn feststeht, dass es dort als nicht bevorrechtigtes Vorhaben verwirklicht worden ist. Denn alle Vorhaben, die nicht einer privilegierten Bodennutzung des Außenbereichs dienen, beeinträchtigen in der Regel die natürliche Eigenart der Landschaft (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13. April 2006 - 1 A 11578/05.OVG -). Für die Beurteilung, ob eine Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft und ihres Erholungswertes vorliegt, ist vorrangig auf eine funktionale Betrachtungsweise abzustellen (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 29. Januar 2013 - 8 A 11093/12.OVG -). Unerheblich ist, ob gleichzeitig eine optische Beeinträchtigung des Landschaftsbildes gegeben ist oder sich das Bauvorhaben möglicherweise als seiner Umgebung angepasst unauffällig darstellt (vgl. BVerwG, NJW 1970, 346).

Danach beeinträchtigen die Schilder die natürliche Eigenart der Landschaft in der näheren Umgebung. Diese ist geprägt durch landwirtschaftliche Nutzung (s. http://map1.naturschutz.rlp.de/kartendienste_naturschutz/index.php). Sie ist von baulichen Anlagen bisher völlig frei.

Diese Zweckbestimmung der Umgebung des Vorhabenstandortes würde erheblich beeinträchtigt, ließe man dort eine zweckfremde Nutzung durch die Schilder zu. Auf die weitergehende Frage, ob die Werbeanlage zusätzlich das Landschaftsbild verunstaltet, kommt es deshalb nicht mehr an.

c. Letztlich verstößt die Aufstellung der Schilder auch gegen Straßenrecht. Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 6 Satz 1 Bundesfernstraßengesetz - BFernStrG - dürfen Anlagen der Außenwerbung bei Bundesstraßen außerhalb der zur Erschließung der anliegenden Grundstücke bestimmten Teile der Ortsdurchfahrten in einer Entfernung bis zu 20 Meter, jeweils gemessen vom äußeren Rand der befestigten Fahrbahn, nicht errichtet werden. Das Anbauverbot ist im Baugenehmigungsverfahren zu berücksichtigen, weil eine ohne Dispens erteilte Baugenehmigung wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig ist (Grupp, in: FStrG Kommentar, 6. Auflage 2012, § 9 Rn. 19; Aust, in: Kodal, Straßenrecht, 7. Auflage 2010, Kap. 29 Rn. 62 f.). Bei der B 271 handelt es sich um eine Bundesstraße und auf den Bildern in der Verwaltungsakte, die die Aufstellungsorte der Schilder zeigen, ist klar erkennbar, dass die Schilder sich innerhalb des 20 m - Bereiches befinden.

2. Die Beseitigungsverfügung ist ermessensfehlerfrei ergangen. Nach § 59 Abs. 1 LBauO haben die Bauaufsichtsbehörden darüber zu wachen, dass die baurechtlichen und sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden. Damit ist den Bauaufsichtsbehörden die Aufgabe übertragen worden, auch - worauf es hier ankommt - den planungs- und ordnungsrechtlichen Vorschriften des Baurechts Geltung zu verschaffen. Sie sind daher gehalten, gegen baurechtswidrige Vorhaben einzuschreiten, so dass die Erfüllung dieses gesetzlichen Auftrages im Allgemeinen ermessensgerecht ist. Demgemäß hat der Beklagte in dem Bescheid vom 16. März 2016 zu Recht ausgeführt, es entspreche pflichtgemäßem Ermessen, die Beseitigung der Werbeanlage zu verlangen, da dies ein geeignetes und erforderliches Mittel sei, den fortdauernden Baurechtsverstoß zu beenden.

Dabei hat der Beklagte im Ergebnis nicht die Tragweite der von dem Kläger in Anspruch genommenen Grundrechte verkannt. Das wäre nur der Fall, wenn die Verfügung einen ungerechtfertigten Eingriff in den Schutzbereich eines Grundrechtes begründen würde, was vorliegend nicht zutrifft.

Von einer vom Kläger behaupteten willkürlichen Ungleichbehandlung kann keine Rede sein. Aus Art. 3 Abs. 1 GG lässt sich zwar die Forderung ableiten, das eingeräumte Ermessen in gleich gelagerten Fällen gleichmäßig auszuüben (vgl. BVerwG, BRS 60 Nr. 163). Jedoch hat der Kläger keine vergleichbaren Fälle genannt, aus denen sich eine willkürliche Ungleichbehandlung des Klägers durch den Beklagten herleiten ließe. Die vom Kläger zu der Gerichtsakte gereichten Lichtbilder zeigen zwar teilweise Werbeanlagen im Außenbereich, diese sind aber einerseits zum Teil schon nicht im 20 m - Bereich einer Bundesfernstraße aufgestellt. Andererseits hat das Gericht keinen Zweifel daran, dass der Beklagte auch gegen diese Werbeanlagen vorgegangen ist und auch in Zukunft vorgeht, sodass keine Ungleichbehandlung gegeben ist. Bei den vom Kläger angeführten Schilder des Landesbetriebes für Mobilität handelt es sich nicht um vergleichbare Werbeanlagen, weil diese nicht für einen bestimmten Zweck werben, sondern lediglich auf Baumaßnahmen und Ähnliches hinweisen. Daher sind sie in § 52 Abs. 3 Satz 3 Nr. 4 LBauO auch als "Hinweisschilder" bezeichnet.

Ebenso wenig handelt es sich bei der Beseitigungsverfügung um einen ungerechtfertigten Eingriff in die Meinungsfreiheit des Klägers aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

Es liegt zwar ein Eingriff in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit vor (a.), dieser ist jedoch gerechtfertigt (b.).

a. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit gewährleistet, ohne ausdrücklich zwischen Werturteil und Tatsachenbehauptung zu unterscheiden, jedermann das Recht, seine Meinung frei zu äußern. Bei Werturteilen handelt es sich stets um Meinungsäußerungen. Sie sind daher ohne weiteres von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt, und zwar unabhängig von ihrem Inhalt und ihren Gründen (BVerfG, Beschluss vom 09. Oktober 1991 - 1 BvR 221/90, Rn. 42 juris).

Das Schild gibt die Meinung des Klägers wieder, dass er die geplante neue Straßenführung der B 271 kritisch sieht. Er fällt auch unter den persönlichen Schutzbereich, da gemäß Art. 19 Abs. 3 GG die Grundrechte auch für inländische juristische Personen gelten, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Der Kläger ist als eingetragener Verein eine inländische juristische Person nach den §§ 21 ff. Bürgerliches Gesetzbuch. Er wurde gerade zu dem Zweck gegründet, eine gebündelte Meinungsäußerung einer größeren Gruppe in der Breite zu ermöglichen.

Ein Eingriff ist jedes staatliche Handeln, das dem Einzelnen ein Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, ganz oder teilweise unmöglich macht (BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 670/91, Rn. 77 ff., juris). Mit der Beseitigungsverfügung hat der Beklagte unterbunden, dass der Kläger seine Meinung auf den Schildern im Außenbereich kundtun kann und so in seine Meinungsfreiheit eingegriffen.

b. Gemäß § 5 Abs. 2 Grundgesetz kann die Meinungsfreiheit aufgrund eines allgemeinen Gesetzes beschränkt werden. Allgemeine Gesetze sind solche Gesetze, die sich nicht gegen die Meinungsfreiheit oder die Freiheit von Presse und Rundfunk an sich oder gegen die Äußerung einer bestimmten Meinung richten, sondern vielmehr dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung, zu schützenden Rechtsguts dienen (BVerfG, Urteil vom 15. Januar 1958 - 1 BvR 400/51, Rn. 35 juris).

Vorliegend ist der Kläger der Ansicht, die § 35 BauGB, § 52 LBauO und § 9 FStrG seien keine allgemeinen Gesetze. Insbesondere § 52 Abs. 3 und Abs. 6 LBauO enthielten Privilegierungen für bestimmte Arten der Meinungsäußerung. Es sei nicht einzusehen, warum die in § 52 Abs. 3 und Abs. 6 LBauO privilegierten Personen und Körperschaften keine Genehmigung für das Aufstellen von Schildern im Außenbereich benötigten, der Bürger hierfür aber ein kostenpflichtiges Genehmigungsverfahren durchlaufen müsse.

Dem kann nicht gefolgt werden. Die § 35 BauGB, § 52 LBauO und § 9 FStrG sind allgemeine Gesetze i.S.d. § 5 Abs. 2 GG. Die Schutzgüter, die diese Vorschriften im Auge haben, sind der Erhalt des Außenbereichs als Erholungsraum für die Bevölkerung bzw. die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs. Die Vorschriften sind meinungsneutral formuliert, d.h. sie begünstigen oder benachteiligen keine bestimmten Meinungen. Sie richten sich auch nicht gegen die Meinungsfreiheit an sich, weil sie nicht die Meinungsäußerung im Außenbereich in der Nähe von Bundesfernstraßen verbieten, sondern grundsätzlich jede Bebauung an Fernstraßen bzw. Werbeanlage im Außenbereich. Eine Steuerung der Meinungsbildung der Bevölkerung über das Baurecht ist daher nicht bezweckt. Überdies betrifft § 52 Abs. 3 LBauO nicht, wie der Kläger meint, die Genehmigungspflichtigkeit, d.h. die Frage, ob ein Baugenehmigungsverfahren überhaupt durchzuführen ist, sondern es handelt sich um eine bauordnungsrechtliche Vorschrift, die lediglich die Genehmigungsfähigkeit, d.h. die Frage der materiellen Legalität einer baulichen Anlage betrifft. Dass die LBauO gem. § 52 Abs. 6 Nr. 4 LBauO nicht auf Wahlwerbung für die Dauer des Wahlkampfes anzuwenden ist, ändert nichts an der Meinungsneutralität der Vorschrift. Sie steht auch hier nicht in Frage, weil durch § 52 Abs. 6 Nr. 4 LBauO keine bestimmte Partei oder Meinung bevorzugt oder benachteiligt wird, sondern jedwede Wahlwerbung im Wahlkampf vom Geltungsbereich der LBauO ausgenommen ist.

Der Grundrechtseingriff ist unter Berücksichtigung aller Umstände verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Recht zur Meinungsäußerung muss zurücktreten, wenn die Güter- und Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles ergibt, dass die Meinungsäußerung schutzwürdige Interessen von höherem Rang verletzt. Dies ist hier der Fall, weil die Beseitigungsanordnung der Abwehr von Gefahren für überragend wichtige Rechtsgüter dient.

Abzuwägen waren hier die Meinungsfreiheit des Klägers auf der einen Seite und Erhalt des Außenbereichs als Erholungsraum für die Bevölkerung und die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs auf der anderen.

Für ein Überwiegen der Meinungsfreiheit des Klägers spricht zwar, dass er mit den Schildern auf eine politische Angelegenheit aufmerksam machen will. Das Planfeststellungsverfahren, das bezüglich der Straßenführung der B 271 durchzuführen ist, sieht in § 73 Verwaltungsverfahrensgesetz gerade eine Bürgerbeteiligung vor. Der Kläger möchte daran aktiv teilnehmen und Einfluss auf die Meinungsbildung der Bevölkerung nehmen. Eine solche Aktivität ist in einer Demokratie enorm wichtig. Sie fördert auch die Beteiligung der Bevölkerung insgesamt.

Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Schilder nicht dauerhaft im Außenbereich stehen sollen und ohne Schäden für die Umwelt abgebaut werden können. Letztlich handelt es sich bei den Schildern um die einzigen baulichen Anlagen an der Straße.

Allerdings ist gerade bei einer einzigen Anlage die Ablenkung groß, weil sie aus der Umgebung heraussticht und so die Blicke der Verkehrsteilnehmer auf sich zieht. Auf einer Bundesstraße wird mit hoher Geschwindigkeit gefahren, was Ablenkungen umso gefährlicher macht. Die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs ist selbst als hohes Schutzgut einzustufen, denn sie dient dem Schutz der hochrangigen Rechtsgüter Leib und Leben. Auf der B 271 herrscht ein hohes Verkehrsaufkommen, weshalb ja gerade eine neue Straßenführung vorgesehen ist. Zudem befinden sich die Schilder in einer leichten Kurve, in der auch zwei Wirtschaftswege ihre Zufahrt zur B 271 haben, was ebenfalls das Gefahrpotential erhöht. Hinzu kommt, dass viele Ortsfremde (z.B. Touristen) auf der B 271 unterwegs sind, die sicher eine besondere Aufmerksamkeit auf Beschilderung richten, um die korrekte Abzweigung zu ihrem Ziel zu wählen.

Die Schilder mögen zwar nicht dauerhaft im Außenbereich stehen bleiben, doch haben sie trotzdem eine negative Vorbildwirkung. Zahlreiche Vereine und Organisationen verfolgen gewisse politische Ansichten und Ziele, die man mit Schildern im Außenbereich bewerben könnte. Würde man eine entsprechende Beschilderung zulassen, droht naheliegend eine vom Gesetzgeber gerade missbilligte Anhäufung von politisch motivierten Werbeanlagen im Außenbereich.

Dem Kläger wird seine Meinungsäußerung auch nicht per se unmöglich gemacht, sondern ihm bleiben viele Alternativen zur Beschilderung im Außenbereich. Zu nennen sind beispielhaft das Aufstellen von Schildern im Innenbereich, Anzeigen in regionalen Zeitungen oder die Verteilung von Flugblättern.

II. Die auf die Durchsetzung der Beseitigungsverfügung gerichtete Androhung der Ersatzvornahme (Ziffer 3 des Bescheides vom 16. März 2016) beruht auf den §§ 62, 63, 66 Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz - LVwVG - und ist nicht zu beanstanden.

III. Die in Ziffer 2 des Bescheides vom 16. März 2016 verfügte Unterlassungsanordnung ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Hierfür gibt es schon keine Rechtsgrundlage. Insbesondere § 81 LBauO und § 59 Abs. 1 S. 1 LBauO sehen ein rein anlassbezogenes Einschreiten vor und zwar erst dann, wenn bereits ein baurechtswidriger Zustand geschaffen worden ist. Die Bauaufsichtsbehörde kann ohne konkreten Verstoß gegen baurechtliche Vorgaben nicht mit vorbeugenden Verwaltungsakten vorsorgliche Unterlassungsgebote zu deren Einhaltung bestimmen, die im Falle der Zuwiderhandlung mit den Mitteln der Verwaltungsvollstreckung durchgesetzt werden können. Gerade auch im Hinblick auf die in Ziffer 3 des Bescheides angedrohte Ersatzvornahme kommt die Verfügung daher der Schaffung eines neuen Ordnungswidrigkeitstatbestandes nahe, zu der der Beklagte nicht befugt ist.

IV. Die auf die Durchsetzung der Unterlassungsanordnung gerichtete Androhung der Ersatzvornahme (Ziffer 3 des Bescheides vom 16. März 2016) ist ebenfalls rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, weil ihr durch die Kassation der Unterlassungsanordnung die Grundlage entzogen ist (§ 1 Abs. 1, § 2 LVwVG).

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Beschluss

1. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

2. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren durch den Kläger wird für notwendig erklärt.

Gründe

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 und 2 GKG.

Gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO ist die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten anzuerkennen, wenn sie vom Standpunkt einer verständigen, nicht rechtskundigen Partei im Zeitpunkt der Bestellung für erforderlich gehalten werden durfte, also - wie hier aus Sicht des Klägers - nicht willkürlich und überflüssig, sondern zweckdienlich erscheint. Dem Kläger war es vorliegend nach seinen persönlichen Verhältnissen nicht zumutbar, das Vorverfahren selbst zu führen. Das Vorbringen im Widerspruchsverfahren war nicht lediglich auf einen Tatsachenvortrag beschränkt, sondern es ging um die Klärung von Rechtsfragen in einem Rechtsgebiet, mit dem der Kläger nicht vertraut ist.

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