VG Neustadt an der Weinstraße, Beschluss vom 07.08.2017 - 5 L 881/17.NW
Fundstelle
openJur 2020, 23790
  • Rkr:
Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 27. Juli 2017 gegen die Androhung von Zwangsmitteln in dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 27. Juli 2017 wird angeordnet. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

1. Das Begehren des Antragstellers bedarf zunächst der Auslegung nach § 88 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -. Der Antragsteller begehrt gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. VwGO die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs vom 27. Juli 2017 gegen den Bescheid vom 27. Juli 2017, soweit der Antragsteller sich gegen den für sofort vollziehbar erklärten Widerruf der Einweisung vom 8. Juni 2017 zum 27. Juli 2017 sowie die Anordnung der Räumung der Wohnung bis zum 28. Juli 2017 um 12 Uhr wendet. Dagegen hat der Widerspruch gegen die gleichzeitig verfügten Zwangsmittelandrohungen gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 20 Ausführungsgesetz zur Verwaltungsgerichtsordnung - AGVwGO - kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung. Statthaft ist insoweit daher der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO.

2. Die so verstandenen Anträge sind zulässig, insbesondere ist der Antragsteller als Adressat belastender Verwaltungsakte antragsbefugt gemäß § 42 Abs. 2 VwGO analog.

3. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 27. Juli 2017 ist in der Sache aber unbegründet.

3.1. Zunächst ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Widerrufs der Einweisung vom 8. Juni 2017 zum 27. Juli 2017 sowie der Anordnung der Räumung der Wohnung bis zum 28. Juli 2017 um 12 Uhr formell rechtmäßig. Insbesondere hat die Antragsgegnerin die Anordnung der sofortigen Vollziehung ausreichend nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet. Hierzu hat die Antragsgegnerin ausgeführt, das öffentliche Interesse werde dadurch begründet, dass die Allgemeinheit nicht zur Bereithaltung einer Notunterkunft herangezogen werden könne, wenn der Antragsteller die Unterkunft nicht nutze bzw. seine Obdachlosigkeit aus eigener Kraft abwenden könne. Damit liegt eine auf den konkreten Einzelfall abgestellte, substantiierte und nicht lediglich formelhafte Begründung des besonderen Vollzugsinteresses vor. Ob die von der Antragsgegnerin angeführte Begründung inhaltlich zutreffend ist und die Anordnung der sofortigen Vollziehung zu rechtfertigen vermag, ist im Rahmen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO unbeachtlich; dies ist erst bei der gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vom Gericht eigenständig vorzunehmenden Interessenbewertung zu erörtern (s. z.B. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 3. April 2012 - 1 B 10136/12.OVG -, BauR 2012, 1362).

3.2. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Widerrufs der Einweisung und der Räumungsanordnung ist auch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden.

3.2.1. Für das Interesse des Betroffenen, einstweilen nicht dem Vollzug der behördlichen Maßnahmen ausgesetzt zu sein, sind zunächst die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs von Belang. Ein überwiegendes Interesse eines Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist in der Regel anzunehmen, wenn die im Eilverfahren allein mögliche und gebotene summarische Überprüfung ergibt, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist. Denn an der Vollziehung eines ersichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakts kann kein öffentliches Vollzugsinteresse bestehen. Ist der Verwaltungsakt dagegen offensichtlich rechtmäßig, so überwiegt das Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers nur dann, wenn zusätzlich ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts besteht. Kann aufgrund der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Überprüfung nicht festgestellt werden, ob der Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig oder offensichtlich rechtswidrig ist, so beschränkt sich die verwaltungsgerichtliche Kontrolle des Sofortvollzuges des Verwaltungsakts auf die Durchführung einer Interessenabwägung, die je nach Fallkonstellation zugunsten des Antragstellers oder des Antragsgegners ausgehen kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 2007 - 2 BvR 695/07 -, NVwZ 2007, 1176).

3.2.2. Nach diesen Grundsätzen überwiegt vorliegend das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Widerrufs der Einweisung und der Räumungsverfügung das private Interesse des Antragstellers, diesen bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens einstweilen nicht nachkommen zu müssen. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung ergibt sich daraus, dass der angefochtene Widerruf und die Räumungsverfügung offensichtlich rechtmäßig sind und es nicht angezeigt erscheint, mit ihrer Durchsetzung bis zur Bestandskraft abzuwarten.

3.2.2.1. Verfahrensrechtliche Bedenken gegen den Widerruf der Einweisung und die Räumungsanordnung bestehen nicht.

Es kann zunächst nicht abschließend beurteilt werden, ob die Antragsgegnerin vor Erlass des Bescheids gegen § 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz - LVwVfG - i.V.m. § 28 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG - verstoßen hat. Danach ist einem Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in seine Rechte eingreift. Eine entsprechende Anhörung des Antragstellers vor Erlass des Widerrufs der Einweisung und der Räumungsanordnung soll ausweislich des Vermerks des Sachbearbeiters der Antragsgegnerin vom 27. Juli 2017 auf Blatt 19 der Verwaltungsakte unmittelbar vor Erlass des Bescheids stattgefunden haben.

Ob die Antragsgegnerin damit dem Anhörungserfordernis des § 1 LVwVfG i.V.m. § 28 Abs. 1 VwVfG - Gründe für ein Absehen von der Anhörungspflicht nach § 1 LVwVfG i.V.m. § 28 Abs. 2 und 3 VwVfG sind nicht ersichtlich - ausreichend nachgekommen ist, kann hier offenbleiben. Jedenfalls ist ein eventueller Anhörungsverstoß inzwischen gemäß § 1 LVwVfG i.V.m. § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG geheilt worden. Denn die erforderliche Anhörung, die bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens möglich ist, ist im vorliegenden Eilverfahren nachgeholt worden. Eine schriftsätzliche Stellungnahme der Behörde im gerichtlichen Aussetzungsverfahren kann eine Nachholung der Anhörung bewirken, wenn sich die Behörde in ihrem Schriftsatz nicht nur auf die Verteidigung der einmal getroffenen Verwaltungsentscheidung beschränkt, sondern eindeutig und klar zu erkennen gibt, dass sie ein etwaiges Vorbringen des Betroffenen zur Kenntnis genommen und gewürdigt hat, aber dennoch bei ihrer erneuten Entscheidung zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Verfügung aufrechterhalten bleibt (vgl. z.B. Bay. VGH, Beschluss vom 8. Oktober 2015 - 15 CS 15.1740 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. Februar 2014 - 15 B 69/14 -, NWVBl 2014, 322; OVG Sachsen, Beschluss vom 2. Februar 2012 - F 7 B 278/11 -, juris).

Hiervon ausgehend hat die Antragsgegnerin einen eventuellen Anhörungsmangel in ihrer Antragserwiderungsschrift geheilt. Die Antragsgegnerin hat darin zu erkennen gegeben, dass sie das Vorbringen des Antragstellers in dessen Widerspruchsschreiben und Antragsbegründung im Eilverfahren zur Kenntnis genommen und gewürdigt hat, aber dennoch bei der Entscheidung verblieben ist, den Widerruf aufrechtzuerhalten.

3.2.2.2. In materieller Hinsicht sind sowohl der Widerruf der Einweisung (a.) als auch die Anordnung der Räumung (b.) offensichtlich rechtmäßig.

a. Rechtsgrundlage für den Widerruf der Einweisung ist die Vorschrift des § 1 LVwVfG i.V.m. § 49 Abs. 2 VwVfG. Danach darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, u.a. dann ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft u.a. widerrufen werden, wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat (Nr. 2) oder wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde (Nr. 3).

Um eine Räumungsanordnung gegen den Antragsteller erlassen zu können, war hier der Widerruf der bis zum 30. September 2017 befristeten Obdachloseneinweisung des Antragstellers in die Wohnung "..." erforderlich. Durch die Einweisung eines Obdachlosen in eine gemeindliche Obdachlosenunterkunft entsteht ein öffentlich-rechtliches Gebrauchsüberlassungsverhältnis zwischen dem Obdachlosen und der einweisenden Gemeinde, die entweder Trägerin der Obdachlosenunterkunft ist oder - wie im vorliegenden Verfahren - selbst Wohnraum angemietet hat, den sie dann als Obdachlosenunterkunft zur Verfügung stellt. Will die Obdachlosenbehörde einen Obdachlosen, der aufgrund einer Einweisungsverfügung durch die Gemeinde eine Obdachlosenunterkunft rechtmäßig bezogen hat, aus dieser zwangsweise entfernen, so kann dies nur mittels einer gegen ihn zu erlassenden Räumungsverfügung - gegebenenfalls unter Anordnung des Sofortvollzugs verbunden mit der Androhung der Zwangsräumung - geschehen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 8. Februar 1996 - 1 S 147/96 -, DVBl 1996, 567). Falls der Obdachlose in die Unterkunft eingewiesen worden und die Einweisung nicht befristet war oder die in einer befristeten Einweisung genannte Frist - wie hier - noch nicht abgelaufen ist, bedarf es zusätzlich des Widerrufs der Einweisungsverfügung (VG Neustadt, Beschluss vom 24. Mai 2017 - 5 L 550/17.NW -).

Die Kammer lässt bezüglich des Umstands, dass der Antragsteller trotz Nichterfüllung der Auflagen, Abwesenheiten über einen Tag der Ordnungsbehörde zu melden und den Nachweis der Wohnungssuche zu führen, ausdrücklich offen, ob diese Verstöße einen Widerruf gemäß § 1 LVwVfG i.V.m. § 49 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG rechtfertigen. Jedenfalls sind hier die strengen Voraussetzungen des § 1 LVwVfG i.V.m. § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG gegeben.

Dem Antragsteller steht bei summarischer Prüfung kein Anspruch auf weitere Unterbringung in der gemeindlichen Obdachlosenunterkunft auf der sicherheitsrechtlichen Grundlage des § 9 Abs. 1 Satz 1 Polizei- und Ordnungsbehördengesetz- POG - zur Seite. Danach können u.a. die allgemeinen Ordnungsbehörden die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Fall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren. Dementsprechend ist die örtliche Ordnungsbehörde verpflichtet, die unfreiwillige Obdachlosigkeit als Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu verhindern bzw. zu beseitigen, wobei sie diese Aufgabe unter Berücksichtigung aller Umstände nach pflichtgemäßem Ermessen zu erfüllen hat (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 24. Februar 1993 - 1 S 279/93 -, VBlBW 1993, 304). Diese Verpflichtung erfüllt die zuständige Polizeibehörde durch die Einweisung des Obdachlosen in eine menschenwürdige Unterkunft.

Obdachlosigkeit setzt jedoch nicht nur objektiv das Fehlen einer Wohnmöglichkeit voraus (VG Augsburg, Beschluss vom 2. September 2015 - Au 7 E 15.1126 -, juris m.w.N.). Vielmehr besteht ein Anspruch des Obdachlosen auf sicherheitsrechtliches Einschreiten nur, soweit und solange er die Gefahr nicht selbst aus eigenen Kräften oder mit Hilfe der Sozialleistungsträger in zumutbarer Weise und Zeit beheben kann (vgl. VG Freiburg, Beschluss vom 16. Februar 2017 - 6 K 58/17 -, juris; VG Würzburg, Beschluss vom 7. April 2014 - W 5 E 14.306 - juris; VG Neustadt, Beschluss vom 27. Mai 2005 - 7 L 818/05.NW -). ). Die Selbsthilfe des Betroffenen hat daher stets Vorrang vor sicherheits-, polizei- und ordnungsrechtlichen Maßnahmen (VG Augsburg, Beschluss vom 2. September 2015 - Au 7 E 15.1126 -, juris m.w.N.; Ruder, VBlBW 2017, 1, 6 m.w.N.). Dabei ist darauf abzustellen, ob sich der Betreffende unter Ausschöpfung aller ihm zu Gebote stehenden zumutbaren Eigenmaßnahmen, auch finanzieller Art, selber eine nur vorübergehende und den Mindestanforderungen genügende Bleibe verschaffen kann (vgl. BayVGH, Beschluss vom 10. März 2005 - 4 CS 05.219 -, juris und Beschluss vom 13. Februar 2014 - 4 CS 14.125 -, juris; Ruder, VBlBW 2017, 1, 6, 7). Das wird z.B. in der Rechtsprechung für den Fall erwogen, dass der Betroffene über ein monatliches Einkommen in Höhe von mehr als 1.100 € verfügt und somit in der Lage sein dürfte, sich selbst eine kostengünstige, einfache Unterkunft zu verschaffen (vgl. VG München, Beschluss vom 7. September 2016 - M 22 E 16.1415 -, juris).

Hiernach ist der Antragsteller nach summarischer Prüfung zumindest seit einigen Wochen in der Lage, sich selbst aus eigenen Mitteln und in zumutbarer Weise auch kurzfristig eine Unterkunft zu beschaffen. Er arbeitet neuerdings nahezu durchgängig auf Montage und hält sich daher nur sporadisch in der Obdachlosenunterkunft in Germersheim auf. Er verdient nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben der Antragsgegnerin derzeit ca. 1.600 € brutto und ist deshalb inzwischen ohne weiteres in der Lage, eine eigene Wohnung auch kurzfristig anzumieten oder anderweitig, etwa in einem Hotel oder einer Pension unterzukommen (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 10. März 2005 - 4 CS 05.219 -, juris; VG Neustadt, Beschluss vom 29. August 2001 - 7 L 1814/01.NW -). Es kann nicht Aufgabe der Obdachlosenbehörde sein, ihre für vorübergehende Notfälle der Obdachlosigkeit - und nicht zur wohnungsmäßigen Versorgung - bereit gehaltenen Unterkünfte mit Personen zu belegen, die zur Selbsthilfe ohne weiteres in der Lage, aber nicht willens sind (Bay. VGH, Beschluss vom 10. März 2005 - 4 CS 05.219 -, juris).

b. Ist damit die Widerrufsverfügung offensichtlich rechtmäßig, so besteht auch kein Rechtsgrund dafür, dass der Antragsteller in der als Obdachlosenunterkunft angemieteten Wohnung weiter verbleiben kann. Insoweit ist die Anordnung der Räumung der Wohnung (Ziffer 2 der Verfügung) auf der Grundlage der §§ 1, 9 POG rechtlich nicht zu beanstanden.

3. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 27. Juli 2017 gegen die beiden Zwangsmittelandrohungen ist jedoch begründet.

3.1. Im Rahmen der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. i. V. m. Abs. 4 Satz 3 VwGO - den die Kammer im Falle des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO entsprechend anwendet (vgl. Gersdorf in: Posser/Wolff/Gersdorf, BeckOK VwGO Stand April 2017, § 80 Rn. 126; Schoch in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Oktober 2016, § 80 Rn. 303) -, gebotenen Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Vollziehung der Zwangsmittelandrohung und dem privaten Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs kann das Gericht die aufschiebende Wirkung grundsätzlich nur anordnen, wenn und soweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Zwangsmittelandrohung bestehen. Dies ist dann der Fall, wenn aufgrund einer summarischen Prüfung der Erfolg des Rechtsmittels im Hauptsacheverfahren wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg. Dies ist hier gegenwärtig der Fall.

3.2. In formeller Hinsicht sind die beiden Zwangsmittelandrohungen im Ergebnis allerdings nicht zu beanstanden.

3.2.1. Zwar hat die Antragsgegnerin gegen die Vorschrift des § 66 Abs. 6 Satz 1 Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz - LVwVG - verstoßen, wonach die schriftliche Androhung zuzustellen ist. Dies gilt auch dann, wenn sie mit dem zugrunde liegenden Verwaltungsakt verbunden und für ihn - wie hier - keine Zustellung vorgeschrieben ist (§ 66 Abs. 1 Satz 2 LVwVG). Vorliegend hat der Sachbearbeiter der Antragsgegnerin den Bescheid vom 27. Juli 2017 ausweislich des Aktenvermerks auf Blatt 19 der Verwaltungsakte dem in der Behörde anwesenden Antragsteller lediglich persönlich überreicht. Damit wurde aber der Zustellungsmangel gemäß § 1 Landesverwaltungszustellungsgesetz - LVwZG - i.V.m. § 8 Verwaltungszustellungsgesetz - VwZG - geheilt.

3.2.2. Eine Anhörung war gemäß § 1 LVwVfG i.V.m. § 28 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG entbehrlich.

3.3. Rechtsgrundlage für die Androhung, die Räumung der Wohnung unter Anwendung von unmittelbarem Zwang unter Mithilfe der Polizei durchzuführen, sind die §§ 66 LVwVG i.V.m. 65 LVwVG.

Nach § 66 Abs. 1 Satz 3 LVwVG hat die Androhung zur Erfüllung der Verpflichtung eine angemessene Frist zu bestimmen; eine Frist braucht nicht bestimmt zu werden, wenn eine Duldung oder Unterlassung erzwungen werden soll. Die Bestimmung einer Frist dient dazu, den Justizgewährungsanspruch, welcher in der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz - GG - enthalten ist, zu verwirklichen (BVerwG, Urteil vom 2. September 1963 - I C 142.59 -, NJW 1964, 314). Eine Frist ist angemessen, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalles das behördliche Interesse an der Schleunigkeit der Ausführung berücksichtigt und zugleich dem Betroffenen die nach der Lebenserfahrung erforderliche Zeit gibt, seiner Pflicht nachzukommen (vgl. VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 24. Januar 2012 - 19 L 1364/11 -, juris; Beckmann/Stollenwerk in: Praxis der Gemeindeverwaltung, Erl. zu § 66 LVwVG). Eine zu kurz bemessene Androhungsfrist setzt nicht zugleich eine angemessene Frist in Lauf; eine unzulängliche Fristsetzung kann deshalb nicht durch Zeitablauf geheilt werden (Troidl in: Engelhardt/App/Schlatmann, VwVG/VwZG, 11. Auflage 2017, § 13 Rn. 3). Die Bestimmung der Vollstreckungsfrist steht im Übrigen im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde (vgl. VG München, Beschluss vom 2. Januar 2017 - M 22 S 16.5528 -, juris;

Lemke in: Fehling/Kastner, Verwaltungsrecht, 2. Auflage 2010, § 13 VwVG, Rn. 10).

Vorliegend hat die Antragsgegnerin dem Antragsteller in dem Bescheid vom 27. Juli 2017 ohne Darlegung ihrer Ermessenserwägungen aufgegeben, die Wohnung bis spätestens 28. Juli 2017 um 12 Uhr zu räumen. Mit dieser Regelung hat die Antragsgegnerin Fristbeginn und Fristende auf einen Tag nach Bekanntgabe des Bescheids gesetzt und damit eine Fristsetzung vorgenommen, die einer Fristsetzung auf "sofort" nahekommt.

Eine Fristsetzung auf "sofort" darf im Hinblick auf den Anspruch des Bürgers auf wirksamen Rechtsschutz jedoch nur erfolgen, wenn zum einen die auferlegten Handlungspflichten in der gesetzten Frist auch tatsächlich erfüllt werden können und zum anderen eine sofortige Durchsetzung der Grundverfügung zur Gefahrenabwehr unabweisbar notwendig ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 8. Mai 2009 - 11 S 1013/09 -, DVBl 2009, 853). Die Voraussetzungen für eine Fristsetzung auf "sofort" sind somit kaum geringer als die des § 61 Abs. 2 LVwVG, der die Anwendung von Zwangsmitteln auch ohne vorausgehenden Verwaltungsakt ermöglicht, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr notwendig ist. Eine derartige, aus der Natur der Sache folgende Notwendigkeit zur Bemessung der Frist von nur einem Tag ist hier nicht erkennbar.

Soweit die Antragsgegnerin in ihrer Antragserwiderung vom 4. August 2017 darauf hingewiesen hat, die Räumungsfrist sei mündlich bis zum 3. August 2017 verlängert worden, führt dies nicht zur Rechtmäßigkeit der Zwangsmittelandrohung. Die Kammer hält vorliegend eine Räumungsfrist von ca. zwei Wochen für "angemessen".

3.4. Rechtsgrundlage für die Androhung, die Räumung der Wohnung unter Anwendung von unmittelbarem Zwang unter Mithilfe der Polizei durchzuführen, sind die §§ 66 LVwVG i.V.m. 65 LVwVG.

Die in der Verfügung vom 27. Juli 2017 ferner enthaltene Zwangsmittelandrohung in Form der Ersatzvornahme - Entfernung der Einrichtungsgegenstände - ist aus den in 3.3. genannten Gründen ebenfalls offensichtlich rechtswidrig. Es ist an der Antragsgegnerin, dem Antragsteller eine neue angemessene Frist zu setzen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Bei der Bemessung des Streitwerts geht die Kammer auf der Grundlage von den §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2, 63 Abs. 2 Gerichtskostengesetz - GKG - vom hälftigen Regelstreitwert für die Grundverfügung aus. Gemäß Ziffer 1.7.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom Juli 2013 bleibt die Androhung von Zwangsmitteln für die Streitwertfestsetzung außer Betracht.