OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23.10.2013 - 3 A 10719/13.OVG
Fundstelle
openJur 2020, 23044
  • Rkr:
Tenor

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Trier - Kammer für Landesdisziplinarsachen - vom 28. Mai 2013 (3 K 315/13.TR) wird gegen den Beklagten eine Kürzung der Dienstbezüge in Höhe von 20 v.H. auf die Dauer von zwei Jahren verhängt.

Im Übrigen wird die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen der Kläger und der Beklagte jeweils die Hälfte.

Tatbestand

Der Beklagte wendet sich mit seiner Berufung gegen seine disziplinarische Entfernung aus dem Dienst des klagenden Landes.

Der 1980 geborene Beklagte ist ledig und absolvierte nach dem Besuch der Hauptschule eine Ausbildung zum Straßenbauer. Von Anfang September 2000 bis Ende Juni 2001 leistete er Grundwehrdienst und war sodann bis Ende August 2006 Zeitsoldat bei der Bundeswehr. Außerdem arbeitete er zwischen Juni 2001 und Juli 2003 zeitweise als Straßenbauer und Sicherheitsmitarbeiter bei einer Wachfirma. Am 2. Oktober 2006 stellte ihn der Kläger in den Vorbereitungsdienst für den allgemeinen Vollzugsdienst als Justizvollzugsobersekretäranwärter ein. Nach bestandener Laufbahnprüfung mit der Note "gut" wurde er Ende Oktober 2008 in das Beamtenverhältnis auf Probe übernommen. Seinen Dienst versah er zunächst in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Wittlich. Eine zum 16. März 2009 erfolgte Abordnung an die JVA Diez wurde Mitte August 2009 wegen unzureichender Leistungen vorzeitig beendet. Die dienstliche Beurteilung vom 31. August 2009 schloss mit der Gesamteinschätzung ab, dass er sich während der Zeit der Abordnung nicht bewährt habe. Vom 9. Juli bis zum 9. Oktober 2009 war der Beklagte dienstunfähig erkrankt. Nach einer positiven dienstlichen Beurteilung vom 17. August 2010 ernannte man ihn mit Wirkung vom 1. November 2010 zum Justizvollzugsobersekretär unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit.

Seit dem 2. November 2010 verrichtet der straf- und disziplinarrechtlich nicht vorbelastete Beklagte keinen Dienst mehr.

Auf die nach einem Gutachten der Zentralen Medizinischen Untersuchungsstelle (ZMU) Mainz vom 11. April 2011 zehn Tage später erteilte Weisung des Klägers, sich unverzüglich in eine stationäre psychiatrisch-psychotherapeutische oder psychosomatische Behandlung einer Fachklinik zu begeben, besuchte der Beklagte zunächst vom 14. bis 16. Juni 2011 die Tagesklinik Idar-Oberstein. Die Therapiemaßnahme wurde von ihm mit der Begründung abgebrochen, dass es sich hierbei um eine Psychiatrie handele, wo man ihm bei der Bewältigung seiner gesundheitlichen Probleme nicht helfen könne, sondern diese im Gegenteil noch verschlimmere. Einen stationären Aufenthalt in der AHK-Klinik Münchwies beendete der Beklagte nach einem fünftägigen Aufenthalt vom 21 bis 28. November 2011 ebenfalls vorzeitig. Die ZMU empfahl nach einer weiteren Untersuchung laut einer gutachterlichen Stellungnahme der Amtsärztin Dr. D.... vom 15. März 2012 eine Therapie in einer psychosomatischen Fachklinik. Nach einer drei- bis viermonatigen Behandlung sei von einer Wiederherstellung der Gesundheit und einer Dienstfähigkeit auszugehen.

Bereits zuvor, am 1. Juli 2011, hatte der Kläger ein Disziplinarverfahren gegen den Beklagten eingeleitet, das mit Schreiben vom 23. August 2012 erweitert wurde. Im Einzelnen warf man dem Kläger folgende Dienstpflichtverletzungen vor:

1.

Der Weisung vom 21. April 2011 sei der Kläger trotz mehrfacher Mahnungen, unter anderem unter Fristsetzung zunächst bis zum 27. Mai 2011 und dann bis zum 10. Juni 2011 erst im November 2011 und damit mit erheblicher Verspätung nachgekommen. Darüber hinaus habe er die verspätet angetretene stationäre Therapie bereits nach einer Woche eigenmächtig abgebrochen.

2.

Einer Aufforderung vom 16. Mai 2012 zu einem Personalgespräch am 29. Mai 2012 zu erscheinen, sei der Beklagte unter Hinweis auf gesundheitliche Gründe zu Unrecht nicht nachgekommen. Darüber hinaus habe er die im Schreiben vom 8. August 2012 ausgesprochene Verpflichtung zur Teilnahme an einem für den 15. August 2012 vorgesehenen weiteren Gespräch unbeachtet gelassen.

3.

Schließlich habe sich der Kläger der Anordnung, am 6. August 2012 seinen Dienst wieder anzutreten, verweigert. Seit diesem Tag sei der Tatbestand des unentschuldigten Fernbleibens vom Dienst erfüllt.

Am 21. Juni 2012 hatte sich der Kläger einer ärztlichen Untersuchung zur Feststellung der Dienstfähigkeit bei der ZMU unterzogen. In einer gutachterlichen Stellungnahme vom 11. Juli 2012 verneinte die Amtsärztin Dr. S.... (Fachärztin für Psychosomatik und psychotherapeutische Medizin) eine dauernde Dienstunfähigkeit. Dagegen hielt sie eine Polizeidienstunfähigkeit für gegeben und führte hierzu in einer beigefügten Anlage aus:

Aus fachärztlicher Sicht ist Herr W.... nicht einzusetzen bei Tätigkeiten, bei denen Gewalt zu verhindern ist oder bei denen Gewalt ausgeübt wird. Er kann keine Tätigkeiten ausüben, die mit entsprechenden gewaltgeladenen Aggressionen verbunden sein können. Er wird aber für fähig gehalten, im allgemeinen Verwaltungsdienst ohne Einschränkung bei den körperlichen Fähigkeiten entsprechend seiner Ausbildung vollschichtig tätig zu sein.

In einer Anlage zu einer vom Beklagten vorgelegten ärztlichen Stellungnahme vom 1. August 2012 gab die Diplompsychologin und psychologische Psychotherapeutin M.... an:

Herr W.... befindet sich wegen einer Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion infolge beruflicher Belastungssituation seit dem 30.07.2009 in meiner ambulanten psychotherapeutischen Behandlung. Die Symptomatik hat sich seitdem wesentlich verbessert. Allerdings besteht aus psychotherapeutischer Sicht im Falle der Rückkehr an den Arbeitsplatz eine deutliche Rückfallgefahr. Herr W.... sollte daher aus meiner Sicht nicht mehr im Justizvollzugsdienst beschäftigt werden, die Umsetzung in den allgemeinen Verwaltungsdienst außerhalb des Justizvollzuges (in eine andere Behörde) wird befürwortet.

Hierzu sowie zum Vorbringen des Beklagten, die Amtsärztin habe ihm mündlich gesagt "Keine Sorge, ich werde Sie nicht mehr in die JVA zurückschicken" nahm Frau Dr. S.... mit Schreiben vom 14. August 2012 wie folgt Stellung:

Der ZMU obliegt lediglich die medizinische Beurteilung des Gesundheitszustands und der Dienstfähigkeit eines Beamten. Es entzieht sich selbstverständlich unserer Kenntnis, welche Dienstorte bzw. spezifische Einsatzmöglichkeiten von Seiten des Dienstherrn zur Verfügung stehen. Insofern habe ich mir sicherlich nicht erlaubt, Versprechungen bezüglich eines spezifischen Einsatzortes des Beamten abzugeben. Insbesondere kann ich die Möglichkeiten, die sich für Herrn W.... zu einer Umschulung ergeben, keineswegs beurteilen. Aufgrund der psychischen Gesamtverfassung von Herrn W.... in der Untersuchungssituation muss es sich um ein bedauerliches Missverständnis gehandelt haben.

Aus der Anlage zur gutachterlichen Stellungnahme geht hervor, dass Herr W.... bei Tätigkeiten, die mit entsprechenden gewaltgeladenen Aggressionen verbunden sein können, nicht einzusetzen ist. Für einen Verwaltungsdienst, der nicht an die JVA angegliedert ist, ist eine vollständige Dienstfähigkeit ohne Einschränkungen entsprechend seiner Ausbildung gegeben.

Die Bescheinigung von Dipl.-Psych. M.... vom 01.08.2012 schließe ich mich voll inhaltlich an. Auch ich befürworte die Umsetzung in den allgemeinen Verwaltungsdienst außerhalb des Justizvollzugs.

Mit Verfügung vom 26. September 2012 ordnete der Kläger die vorläufige Dienstenthebung des Beklagten und die Einbehaltung von 35 v.H. der Dienstbezüge an. Seinen hiergegen gerichteten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 24. Oktober 2012 (3 L 1148/12.TR) ab. Die Beschwerde wies der Senat mit Beschluss vom 30. November 2012 (3 B 11179/12.OVG) zurück.

Anfang Dezember 2012 eröffnete der Kläger dem Beklagten das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen. Eine Mitbestimmung des Hauptpersonalrats - Bereich Strafvollzug - wurde nicht beantragt.

Am 4. März 2013 hat der Kläger daraufhin die vorliegende Disziplinarklage erhoben, mit der er ihm die vorgenannten Pflichtverletzungen vorwarf und die Ansicht vertrat, das Dienstvergehen wiege derart schwer, dass er aus dem Beamtenverhältnis entlassen werden müsse. Der Beklagte habe neben den festgestellten Verstößen immer wieder beständig darauf hingewiesen, dass er ohnehin keinen Dienst mehr leisten und auch eine Justizvollzugsanstalt nicht mehr betreten wolle. Hinsichtlich seiner Therapiebedürftigkeit und Einsatzfähigkeit habe er seine subjektive Einschätzung über diejenige der Amtsärzte und seines Dienstvorgesetzten gestellt. Insgesamt habe er sich unbelehrbar gezeigt und zum Ausdruck gebracht, dass er durch disziplinarische Maßnahmen unterhalb der Entfernung aus dem Dienst nicht mehr beeindruckt werden könne.

Der Beklagte legte zwei weitere ärztliche Stellungnahmen des ihn behandelnden Arztes Dr. med. H.... (Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie) vom 9. August und 8. November 2012 vor und machte geltend, es lägen weder die tatsächlichen noch die rechtlichen Voraussetzungen für eine Entfernung aus dem Dienst vor. Der Kläger habe sich fehlerhafterweise nicht mit der Frage beschäftigt, ob ihn - den Beklagten - ein Verschulden an den unterstellten Vorwürfen treffe. Von ihm gestellte Beweisanträge, weitere Gutachten durch die ZMU unter Zuhilfenahme eines psychiatrischen Fachgutachtens einzuholen, seien zurückgewiesen worden. Hierdurch hätte bestätigt werden können, dass er wegen seiner psychischen Erkrankung nicht in der Lage sei, jeglichen Dienst in einer geschlossenen JVA abzuleisten, dagegen in vollem Umfang Dienst innerhalb der allgemeinen Justizverwaltung leisten könne. Dies ergebe sich insbesondere auch bereits aus den Bescheinigungen der Diplom-Psychologin M.... und dem unter dem 14. August 2012 verfassten Schreiben von Dr. S.... . Hinsichtlich des Abbruchs der von ihm begonnenen Therapien habe der Dienstherr pflichtwidrig davon abgesehen, weitere Nachforschungen nach den Hintergründen der Behandlung anzustellen. Obwohl dieser noch im Mai 2012 von der Notwendigkeit ausgegangen sei, dass eine stationäre Behandlung in die Wege geleitet werden müsse, sei seitens des Dienstherrn danach nichts weiter veranlasst worden, außer Druck aufzubauen, was seiner Genesung nicht förderlich gewesen sei. Aus Gründen der Fürsorgepflicht sei der Kläger gehalten gewesen, ihm einen leidensgerechten Arbeitsplatz zuzuweisen. Zu diesem Zweck habe er auch das sogenannte betriebliche Eingliederungsmanagement nach § 84 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - SGB IX - durchführen müssen, was von ihm jedoch rechtswidrig unterlassen worden sei.

Mit aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28. Mai 2013 ergangenem Urteil hat das Verwaltungsgericht Trier den Beklagten aus dem Dienst entfernt und zur Begründung ausgeführt: Das der Disziplinarklage vorangegangene förmliche Disziplinarverfahren leide zunächst nicht an einem beachtlichen Verfahrensfehler. Ein Eingliederungsmanagement nach § 84 Abs. 2 SGB IX sei nämlich unabhängig von der Frage, ob diese Bestimmung überhaupt auf Beamte anwendbar sei, keine formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Durchführung eines Disziplinarverfahrens. In der Sache stehe fest, dass ein Dienstvergehen des Beklagten vorliege, da er gegen die Pflicht, seine Dienstfähigkeit zu erhalten und wiederherzustellen (§ 34 Satz 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Statusrechts der Beamten und Beamtinnen in den Ländern - BeamtStG -), die dienstlichen Anordnungen seiner Vorgesetzten auszuführen (§ 35 Satz 2 BeamtStG) sowie dem Dienst nicht ohne Genehmigung fernzubleiben (§ 81 Landesbeamtengesetz - LBG -), verstoßen habe. So sei die Weisung des Klägers vom 21. April 2011 hinsichtlich der geforderten "stationären Therapie" unmissverständlich formuliert gewesen. Auch sei es ihm möglich gewesen, den Aufforderungen zu zwei Personalgesprächen nachzukommen. Ins Gewicht falle ferner sein unentschuldigtes Fernbleiben vom Dienst. Gegen die Rechtmäßigkeit der an den Beklagten erteilten Weisung, seinen Dienst am 6. August 2012 anzutreten, bestünden keine rechtlichen Bedenken. Dies ergebe sich vor allem aus den gutachterlichen Stellungnahmen der Amtsärztin Dr. S.... vom 11. Juli und 14. August 2012. Danach sei allein entscheidend, dass der Beklagte bei Tätigkeiten, die mit gewaltgeladenen Aggressionen verbunden sein könnten, nicht eingesetzt werden dürfe. Ein solcher leidensgerechter Dienstposten könne dem Beklagten jedoch in der JVA Trier zur Verfügung gestellt werden. Insofern stehe dem Kläger ein Einschätzungsvorbehalt zu. Dies habe die Amtsärztin im Hinblick auf ihre Äußerung, dass es sich ihrer Kenntnis entziehe, welche Dienstorte bzw. spezifischen Einsatzmöglichkeiten von Seiten des Klägers zur Verfügung gestellt werden könnten, ebenfalls so gesehen. Die Einlassung des Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung, dass es ihm nicht möglich sei, in geschlossenen Räumen mit Gittern und innerhalb der geschlossenen JVA zu arbeiten, sei zu unsubstantiiert. Davon abgesehen habe er vor der Kammer erklärt, dass eine Dienstverrichtung im Bereich der Anstalt ohne vergitterte Fenster für ihn nicht ausgeschlossen sei. Das nach dem Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens zu würdigende Fehlverhalten wiege insgesamt so schwer, dass der Beklagte - auch unter Berücksichtigung des sich hierin widerspiegelnden Persönlichkeitsbildes - aus dem Dienst entfernt werden müsse. Dabei liege das Schwergewicht des Vergehens in der beharrlichen Weigerung des Beklagten, seine Dienstfähigkeit wiederherzustellen. Dieser Pflicht habe er sich trotz intensiver Bemühungen seines Dienstherrn im Rahmen seiner Fürsorgepflicht, den Beklagten auf dem Weg einer Gesundung zu begleiten, widersetzt. Statt sich den geforderten Behandlungsbemühungen zu stellen, ziehe sich das Zurückziehen des Beklagten auf einen vermeintlichen "Anspruch auf Krankbleiben" wie ein roter Faden durch das Dienstverhältnis. Im Verhandlungstermin sei der Beklagte ersichtlich bestrebt gewesen, eine von Anfang an gegen ihn gerichtete Mobbingsituation zu schildern, die durch nichts belegt sei. Zwar moniere er, dass zu keinem Zeitpunkt eine ordnungsgemäße Diagnose seines tatsächlichen Krankheitsbildes stattgefunden habe, jedoch habe er dies selbst durch den Abbruch der stationären Behandlung in der psychosomatischen Klinik Münchwies unterbunden. Seine Uneinsichtigkeit habe er zuletzt in einem Schreiben vom 7. Februar 2013 dahingehend zum Ausdruck gebracht, dass er sämtliche Bemühungen des Klägers um ihn als "Drohungen" und seine Suspendierung als "menschenverachtende Schweinerei" bezeichnet habe. Von daher sei festzustellen, dass er durch seine Verweigerungshaltung gegenüber dem Dienstherrn alle Brücken zu diesem abgebrochen habe und das Vertrauensverhältnis zu ihm bereits aus diesem Grund unwiederbringlich zerstört sei. Dies gelte umso mehr, als er seinen Dienst bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht wieder angetreten habe. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass sein Verhalten dem Ansehen des Beamtentums zutiefst schade.

Der Beklagte hat gegen das ihm am 17. Juni 2013 zugestellte Urteil am 10. Juli 2013 Berufung eingelegt. Er hält daran fest, dass vorliegend ein betriebliches Eingliederungsmanagement nach § 84 Abs. 2 SGB IX hätte durchgeführt werden müssen. Darüber hinaus sei das Verwaltungsgericht seiner Aufklärungspflicht nicht nachgekommen. Denn er habe sich immer wieder darauf berufen, dass es ihm aus gesundheitlichen und damit nicht verschuldeten Gründen unmöglich gewesen sei, Dienst in einer JVA zu leisten. Dies ergebe sich auch aus den ärztlichen Stellungnahmen der Amtsärztin Dr. S.... und der von ihm vorgelegten Bescheinigung der Diplom-Psychologin M...., deren Inhalt eindeutig zu seinen Gunsten spreche. Entgegen der Darstellung der Vorinstanz habe er zu keinem Zeitpunkt erklärt, dass ihm eine Dienstverrichtung im Anstaltsbereich ohne vergitterte Fenster möglich sei. Wenn die ZMU bestätige, dass er im allgemeinen Verwaltungsdienst dienstfähig sei, bedürfe es auch keiner weiteren psychologischen, psychosomatischen oder sonstigen Behandlung. Einzelne Ärzte seien sich zudem nicht einig gewesen, welche Untersuchungen zur Diagnose seiner Erkrankung Erfolg versprochen hätten.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 28. Mai 2013 aufzuheben

und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angegriffene Entscheidung für rechtmäßig und tritt den Ausführungen des Beklagten mit eigenen Darlegungen entgegen.

Der Senat hat über den sich aus den ärztlichen Stellungnahmen vom 11. Juli und 14. August 2012 ergebenden Umfang der Dienstunfähigkeit des Beklagten Beweis erhoben durch Vernehmung der Amtsärztin Dr. S.... als sachverständige Zeugin. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift verwiesen.

Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus den zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätzen einschließlich der Anlagen, den Personalakten des Beklagten, den Disziplinarakten (2 Bände), einem Vorgang "Gesundheitsamt/ZMU" sowie den Gerichtsakten 3 A 10719/13.OVG (3 L 1148/12.TR) und 3 B 11179/12.OVG (3 L 900/12.TR). Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Gründe

Die zulässige Berufung hat zum Teil Erfolg. Unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils vom 28. Mai 2013 war gegen den Beklagten eine Kürzung der Dienstbezüge in der sich aus dem Tenor ergebenden Höhe zu verhängen. Im Übrigen ist die Berufung zurückzuweisen.

I.

Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Mängel auf. Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten bedurfte es keiner Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 84 Abs. 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IX -.

Nach dieser Vorschrift gilt: Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, klärt der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessenvertretung im Sinne des § 93 SGB IX, bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (betriebliches Eingliederungsmanagement).

Zwar ist mit dem Beklagten davon auszugehen, dass der persönliche Anwendungsbereich der Regelung nicht nur Schwerbehinderte, sondern alle Beschäftigte - und damit auch Beamte - erfasst (vgl. BAG, Urteil vom 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/07 -, DB 2008, 189; HessVGH, Beschluss vom 6. März 2008 - 1 TG 2730/07 -, juris), das Unterbleiben eines betrieblichen Eingliederungsmanagements hat jedoch regelmäßig keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit einer Disziplinarmaßnahme.

Ziel des § 84 Abs. 2 SGB IX ist es, durch eine geeignete Gesundheitsprävention das Arbeits- bzw. Dienstverhältnis möglichst dauerhaft zu sichern, namentlich durch gemeinsame Anstrengung aller Beteiligten Lösungen zu finden, wie eine (etwaige) Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden kann und welche Leistungen und Hilfen zur Unterstützung des Betroffenen erforderlich sind (vgl. BT-Drucks.15/1783, S. 15 f.). Ob für den Bereich des Beamtenrechts Vergleichbares mit Blick auf den Erlass einer krankheitsbedingten Versetzung in den Ruhestand gilt, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Jedenfalls ist für ein betriebliches Eingliederungsmanagement im Geltungsbereich des rheinland-pfälzischen Landesdisziplinargesetzes wegen der Wesensverschiedenheit zwischen dem Disziplinarrecht einerseits und der arbeitsrechtlichen Kündigung bzw. der beamtenrechtlichen Zurruhesetzung andererseits kein Raum.

Das Disziplinarrecht erfüllt als Teil des Beamtenrechts eine Ordnungsfunktion und dient der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit und Integrität des Beamtentums. In Erfüllung dieser Aufgabe regelt es die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Beamter ein Dienstvergehen begeht, auf welche Weise ein solches Dienstvergehen aufzuklären und wie auf dieses zu reagieren ist. Zugleich hat das Disziplinarrecht eine Schutzfunktion für den Beamten, dem durch die Ausgestaltung sowohl des behördlichen als auch des gerichtlichen Disziplinarverfahrens ein hohes Maß an verfahrensrechtlichen Garantien gewährt wird (vgl. Gansen, Disziplinarrecht, Teil II.1 Rn. 1). Diese Garantien sind im Landesdisziplinargesetz im Einzelnen geregelt, so dass es eines Rückgriffs auf § 84 Abs. 2 SGB IX schon aus diesem Grund nicht bedarf. Hinzu kommt, dass das betriebliche Eingliederungsmanagement eine Konkretisierung des dem gesamten Kündigungsschutzrecht inne wohnenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes darstellt und selbst gegenüber tarifgebundenen Beschäftigten nicht als formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für den Ausspruch einer Kündigung angesehen wird (BAG, a.a.O.). Die dem Arbeitgeber oder dem Dienstherrn obliegende Verpflichtung, der Gefährdung von Arbeits- und sonstigen Beschäftigungsverhältnissen vorzubeugen (vgl. § 84 Abs. 1 SGB IX), lässt deshalb unabhängig davon die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme als eine nachträgliche Sanktion für eine schuldhafte Pflichtverletzung des Beamten ohne weiteres zu.

II.

In der Sache steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Beklagte ein Dienstvergehen nach § 47 Abs. 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Statusrechts der Beamten und Beamtinnen in den Ländern - BeamtStG - vom 17. Juni 2008 (BGBl. I S. 1010) begangen hat. Anders als das Verwaltungsgericht meint, ist eine Dienstpflichtverletzung allerdings nicht deshalb gegeben, weil er einer Aufforderung zum Dienstantritt am 6. August 2012 nicht Folge geleistet hat (1.). Dagegen liegt eine Verletzung von Dienstpflichten in den verspätet und zum Teil weisungswidrig angetretenen ärztlichen Behandlungstherapien und dem zuletzt erfolgten vorzeitigen Abbruch im November 2011 sowie in seiner Weigerung, zu zwei Personalgesprächen am 29. Mai und 15. August 2012 zu erscheinen (2.). Das in diesem Umfang nachgewiesene Dienstvergehen rechtfertigt nicht mehr die Entfernung aus dem Dienst, sondern nur noch eine Kürzung der Dienstbezüge (3.).

1.) Soweit der Beklagte der mit Schreiben vom 24. Juli 2012 erfolgten Weisung des Klägers, sich am 6. August 2012 um 08:00 Uhr zum Dienstantritt in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Wittlich zu melden, nicht Folge geleistet hat, ist ihm in disziplinarrechtlicher Hinsicht nicht vorzuwerfen, gegen seine Pflicht, die dienstlichen Anordnungen seiner Vorgesetzten auszuführen (§ 35 Satz 2 BeamtStG) sowie dem Dienst nicht ohne Genehmigung fernzubleiben (§ 81 Abs. 1 Landesbeamtengesetz - LBG -) verstoßen zu haben. Denn nach dem Ergebnis der amtsärztlichen Untersuchung, den vom Beklagten vorgelegten Bescheinigungen und der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme ist von einer andauernden Dienstunfähigkeit auszugehen, jedenfalls in der vorgenannten Justizvollzugsanstalt (JVA) Dienst zu verrichten, so dass er der Weisung nicht nachzukommen brauchte. Dies gilt auch für die Verrichtung eines reinen Verwaltungsdienstes innerhalb der Anstalt.

Ausweislich der fachärztlichen Stellungnahmen des Neurologen und Psychiaters Dr. H.... vom 9. August 2012 leidet der Beklagte vor allem an einer schwer ausgeprägten rezidivierenden depressiven Störung (F 33.9 G), einer Anpassungsstörung mit emotional-vegetativer Symptomatik (F 43.26), einer Antriebsminderung mit Beeinträchtigung der Berufs- und Alltagskompetenzen (F 48.06), an Angst- und Spannungszuständen (F 41.16), einem Grübelzwang (F 42.26) sowie an einer neuroserelevanten Persönlichkeitsorganisation (F 60.86). Eine von ihm beschriebene und erlebte Mobbingsituation komme vom Schweregrad der Symptomatik einem Wahnsyndrom gleich. Hierdurch ausgelöst sei eine immense Angst mit sichtlicher Verzweiflung und ausgeprägter Todessehnsucht, verstärkt durch eine persönlichkeitsimmanente erhöhte Irritabilität festzustellen. Die hochgradig angstbesetzte Zwangskognitionen mit echter Verzweiflung und immenser krankheitsrelevanter Frustration verhinderten aus gesundheitlichen Gründen eine Rückkehr des Patienten in jegliche Tätigkeit als Mitarbeiter einer JVA. Für übrige Tätigkeiten sei er glaubhaft motiviert, schnellstmöglich eine Arbeitstätigkeit wieder aufzunehmen und eine dauerhafte Dienstunfähigkeit zu vermeiden.

Damit inhaltlich übereinstimmend geht aus der Stellungnahme der Amtsärztin Dr. S.... vom 14. August 2012 ebenfalls eindeutig hervor, dass eine (vollständige) Dienstfähigkeit des Beklagten nur für einen Verwaltungsdienst, "der nicht an die Justizvollzugsanstalt angegliedert ist", besteht. Darüber hinaus schloss sich die Amtsärztin ausdrücklich der Bescheinigung der Dipl.-Psychologin M.... vom 1. August 2012 "vollinhaltlich" an. Diese hatte eine Umsetzung des Beklagten in den allgemeinen Verwaltungsdienst außerhalb des Justizvollzuges befürwortet und dabei deutlich gemacht, dass der Dienst bei einer anderen Behörde verrichtet werden soll.

Im Verhandlungstermin vor dem Senat bestätigte die Amtsärztin ihre bisherigen Feststellungen. Auf Vorhalt des Gerichts, wonach in der JVA Wittlich ein eigener, vom Justizvollzugsdienst getrennter Verwaltungsbereich bestehe, erläuterte Frau Dr. S...., es gehe im Fall des Beklagten nicht nur darum, dass er mit Gefangenen, sondern auch mit den Kolleginnen und Kollegen des Vollzugsbereichs in Berührung komme. Gesundheitlich unbedenklich sei sein Einsatz im Verwaltungstrakt der JVA Wittlich dann, wenn er nicht in Verbindung mit Bediensteten des Justizvollzugs trete. So sei es für ihn unzumutbar, wenn er etwa Beschwerden von Justizvollzugsbeamten aufnehmen müsse. Die Ursache hierfür sei nicht in einer Phobie, z.B. hinsichtlich der Örtlichkeiten, Uniformen und bestimmten Personen, sondern in den Folgen seiner "Behandlung" durch Kolleginnen und Kollegen zu suchen. Letztlich gehe es insoweit um Aggressionen, innere Unruhe und den befürchteten Verlust der Impulskontrolle. Eine nochmalige teilstationäre oder stationäre Behandlung des Beklagten halte sie nicht für erfolgversprechend.

Damit hat die Amtsärztin - ebenso wie vorher bereits die Fachärzte Dr. H.... und M.... - nachvollziehbar erklärt bzw. klargestellt, dass sich eine Dienstunfähigkeit nicht allein auf Tätigkeiten beschränkt, in denen der Beklagte "gewaltgeladenen Aggressionen" durch Gefangene ausgesetzt ist. Vielmehr lassen ihre Ausführungen zweifelsfrei erkennen, dass er gesundheitlich auch nicht in der Lage ist, Dienst im Verwaltungsbereich der JVA Wittlich zu verrichten. Insofern ist in Rechnung zu stellen, dass der Beklagte trotz der räumlichen Trennung zwischen Vollzugs- und Verwaltungseinrichtungen auf dem Gelände der Anstalt zwangsläufig ständig mit Vollzugsbeamten in einen näheren Kontakt treten wird. Gerade dies hält die Amtsärztin jedoch in Übereinstimmung mit den vorgenannten Fachärzten ebenfalls für unzumutbar. Ein disziplinarrechtlich relevanter Vorwurf kann dem Beklagten daher schon objektiv nicht gemacht werden.

Darüber hinaus ist unter den gegebenen Umständen aber auch nicht davon auszugehen, dass der Beklagte schuldhaft dem Dienst fern geblieben ist. Angesichts der Äußerungen der Amtsärztin Dr. S.... anlässlich seiner Untersuchung vom 21. Juni 2012, er solle nicht mehr in den Justizvollzugsdienst geschickt werden, sowie den Stellungnahmen der Fachärzte M.... und Dr. H.... vom 1. und 9. August 2012, die sich im Nachhinein als zutreffend erwiesen haben, kann ihm jedenfalls ein subjektiv vorwerfbares Verhalten nicht zur Last gelegt werden.

Dem vom Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung des Senats hilfsweise gestellten Beweisantrag, ein fachärztliches Gutachten zu der Behauptung einzuholen, dass er aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sei, in einem Gebäude einer Justizvollzugsanstalt tätig zu sein, brauchte nach allem nicht entsprochen zu werden. Der ihm insoweit allein zur Last gelegte Vorwurf, dem Dienst in der JVA Wittlich unerlaubt fern geblieben zu sein, ließ sich anhand der vorhandenen ärztlichen Stellungnahmen hinreichend klären, sodass es einer weiteren Beweiserhebung nicht bedurfte.

2.) Ein schweres Dienstvergehen liegt demgegenüber darin, dass der Beklagte sowohl der Aufforderung des Klägers, sich ärztlich untersuchen zu lassen, nicht in der gebotenen Weise nachgekommen ist, als auch die zweimalige Vorladung zu einem Personalgespräch außer Acht gelassen hat. Hierzu hat das Verwaltungsgericht Folgendes festgestellt:

"Unabhängig davon, dass die Gehorsamspflicht (§ 35 S. 2 BeamtStG) des Beamten auch bei vermeintlich rechtswidrigen Anordnungen besteht, erfolgte die Weisung vom 21. April 2011 in Anbetracht der bereits seit November 2010 andauernden dienstunfähigen Erkrankung und der Empfehlung der Zentralen Medizinischen Untersuchungsstelle in jedem Fall zu Recht, so dass der Beklagte der Anordnung unverzüglich hätte nachkommen müssen. Zwar hat der Beklagte zunächst eine ambulante bzw. teilstationäre Therapie angetreten - eine weisungsgemäße Unterrichtung des Dienstherrn hierüber unterließ er pflichtwidrig -, jedoch entsprach diese Therapie einerseits nicht der von Seiten des Dienstherrn angeordneten. Die Weisung des Dienstherrn vom 21. April 2011 war hinsichtlich der geforderten "stationären Therapie" unmissverständlich formuliert und es hätte - selbst bei einer gegenteiligen Beratung durch die Tagesklinik in Idar-Oberstein - zur Aufnahme einer ambulanten oder teilstationären Therapie jedenfalls einer Rücksprache des Beamten mit dem Dienstherrn bedurft, da allein dessen Weisung für ihn verbindlich ist. Andererseits kann der Antritt der ambulanten Therapie den verspäteten Beginn der geforderten Heilmaßnahme auch deswegen nicht entkräften, da er diese unstreitig ohnehin bereits am zweiten Tag wieder abgebrochen hat. Insofern verfangen auch die Ausführungen des Gesundheitsamtes des Landkreises Trier-Saarburg vom 17. April 2012 zur Eindeutigkeit der fachmedizinischen Empfehlung vom 11. April 2011 und 15. März 2012 nicht - worauf der Beklagte sich im Termin zur mündlichen Verhandlung zum berechtigten Abbruch der teilstationären Therapie erneut beruft - da es jedenfalls bei den gegebenen Umständen beim Vorwurf des verzögerten Beginns der Heilbehandlung verbleibt.

Durch den Abbruch der am 21. November 2011 begonnenen Therapie nach nur einer Woche und fortbestehender Arbeitsunfähigkeit hat der Beklagte sich schließlich der dienstlichen Anordnung endgültig verweigert.

Insgesamt hat der Beamte mit dem gezeigten Verhalten nicht nur seiner Pflicht, dienstliche Weisungen unverzüglich zu befolgen, zuwider gehandelt (§ 35 Satz 2 BeamtStG), sondern auch gegen seine aus der Pflicht zum vollen persönlichen Einsatz folgende Gesunderhaltungspflicht (§ 34 Satz 1 BeamtStG) verstoßen. Die Folgepflicht des Beamten gilt grundsätzlich unabhängig von der Rechtmäßigkeit der dienstlichen Weisung. Dem Beamten steht diesbezüglich lediglich ein Recht auf Remonstration zu. Bleibt sodann die dienstliche Anordnung aufrechterhalten, ist der Beamte verpflichtet, die Weisung zu befolgen (§ 36 Abs. 2 BeamtStG). Wäre es in das Belieben eines jedem Beamten gestellt, über die Recht- und Zweckmäßigkeit einer erfolgten Anordnung nach eigenem Gutdünken zu befinden, wäre die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung nicht mehr gewährleistet. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass eine Weisung - wie hier nach den Empfehlungen des Amtsarztes - auf die Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit gerichtet ist.

Die Pflicht zur Gesunderhaltung des Beamten ist Ausfluss der beamtenrechtlichen Treuepflicht. Ist ein Beamter, egal ob verschuldet oder - wie meist - unverschuldet, krank geworden, hat er die Pflicht, alles ihm Zumutbare zu tun, um die Dienstfähigkeit wiederherzustellen. Hierzu gehört auch, dass der Beamte eine ärztlicherseits als angezeigt eingestufte Therapie antreten muss, was auch eine längerfristige stationäre Unterbringung mit den damit verbundenen Einschränkungen einschließt. Daraus folgt zugleich, dass eine schuldhafte Weigerung, die Dienstfähigkeit durch eine derartige Therapie wiederherzustellen, ein Dienstvergehen darstellt, welches in der Regel schwer wiegt, weil die öffentliche Verwaltung zur Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben auf in körperlicher und geistiger Hinsicht hinreichend einsetzbare Beamte unabdingbar angewiesen ist (vgl. Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, Kommentar, zu § 13, Randnr. 45 b).

Ein vorsätzlicher Abbruch einer bereits begonnenen Therapie stellt ebenso einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Pflicht zur Gesunderhaltung dar, insbesondere dann, wenn - wie hier - eine Entlassung in die weitere Dienstunfähigkeit erfolgt.

Angesichts der Einleitung des Disziplinarverfahrens am 1. Juli 2011 war dem Beklagten vorliegend deutlich vor Augen geführt, dass er aufgrund seiner Gesunderhaltungspflicht dringend zur Mitwirkung in Gestalt der Durchführung der aufgegebenen Maßnahmen des Dienstherrn verpflichtet war, so dass er den Pflichtenverstoß vorsätzlich begangen hat.

(....)

Einen weiteren gravierenden Pflichtenverstoß (§ 35 Satz 2 BeamtStG) hat der Beklagte dadurch begangen, dass er nachfolgend der Aufforderung vom 16. Mai 2012, am 29. Mai 2012 zu einem Personalgespräch zu erscheinen, unter Hinweis auf "gesundheitliche Gründe" nicht nachgekommen ist.

Aufgrund dieser unmissverständlichen Anordnung war der Beklagte zum persönlichen Erscheinen zum Personalgespräch unabhängig von seiner privatärztlicherseits erfolgten Krankschreibung verpflichtet. Denn die Gespräche waren - wie ihm bekannt - wegen seiner bereits seit Monaten ununterbrochen andauernden Fehlzeiten dringend erforderlich, um über seine weitere dienstliche Verwendung entscheiden zu können. Dieser Notwendigkeit hat sich der Beklagte trotz schuldhaftem Abbruch der Therapie und dem weiteren Bemühen des Dienstherrn, ihn wieder zum Dienst zu motivieren, bewusst verschlossen. Mit Schreiben vom 6. Dezember 2011 bat der Beklagte um ein erneutes Gespräch mit dem Amtsarzt bei der ZMU in Mainz. Dem kam der Dienstherr nach, indem eine Untersuchung des Beklagten angeordnet wurde. Als auch diese erneut eine möglichst rasche Einleitung einer stationären Behandlung in einer psychosomatischen Fachklinik befürwortete und durch das Gesundheitsamt mit Schreiben vom 17. April 2012 bestätigt worden war, dass es sich bei der Fachklinik Münchwies, Neunkirchen, um eine geeignete psychosomatische Fachklinik handle, die zur adäquaten Behandlung des Störungsbildes des Beklagten geeignet sei, hat sich der Dienstherr dazu entschlossen, den Beklagten zunächst zu einem Personalgespräch am 29. Mai 2012 einzubestellen. Dies war angesichts des Abbruchs der Therapie und der nunmehr erforderlichen Suche nach einem angemessenen Therapieplatz auch geboten. Damit war Gegenstand der rechtmäßigen Anordnung mithin keine Dienstverrichtung des Beklagten, sondern lediglich eine Erörterung seiner gesundheitlichen Situation, der erforderlichen Therapiemaßnahme sowie der beruflichen Situation, weshalb die Anordnung schon deshalb nicht im Widerspruch zu der ihm privatärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit stand (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 24. Februar 2012, 3 A 11286/11.OVG).

Vor dem dargestellten Hintergrund handelte der Beklagte auch hinsichtlich dieses Weisungsverstoßes vorsätzlich, zumal zudem nicht ersichtlich ist, weshalb es ihm jeweils trotz Krankheit möglich gewesen ist, den Amtsarzt aufzusuchen, er jedoch nicht in der Lage gewesen sein will, sich einem Gespräch mit der Behördenleitung zu stellen. Gleichzeitig hat der Beklagte mit diesem Verhalten, weitergehende Bemühungen des Klägers, die Wiederherstellung seiner Gesundheit zu fördern, unterbunden, so dass ihm diesbezüglich neben dem bloßen Weisungsverstoß auch ein weiterer Verstoß gegen seine Pflicht zur Gesunderhaltung vorzuwerfen ist (§§ 35 Satz 2 und 34 Satz 1 BeamtStG)."

Nichts anderes gilt im Hinblick auf das fehlende Erscheinen des Beklagten zu dem für den 15. August 2012 anberaumten Gespräch. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf diese Ausführungen der Vorinstanz Bezug (§ 21 LDG i.V.m. § 11). Der Beklagte hat keine Gesichtspunkte vorgetragen, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten. Sein Einwand, die ärztlichen Untersuchungen hätten seine Dienstfähigkeit für den allgemeinen Verwaltungsdienst ergeben, sodass es keiner weiteren psychologischen, psychosomatischen oder sonstigen Behandlung bedurft hätte, ist unerheblich. Über Art und Ausmaß seiner Erkrankung sowie etwaige in Frage kommenden Therapien lagen für den Kläger nämlich zunächst keine Erkenntnisse vor. Eine fachärztliche Abklärung des Gesundheitszustandes des Beklagten und dessen Mitwirkung in der vom Kläger geforderten Weise waren deshalb geboten.

3.) Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme sind alle Umstände des Einzelfalls, die be- und entlastenden Gesichtspunkte sowie die Persönlichkeit des Beamten zu bewerten und zu würdigen. Auch können die Motive des Fehlverhaltens eine Rolle spielen sowie die Prognose auf sein zukünftiges Verhalten. Es sind aber auch Sinn und Zweck des Disziplinarverfahrens in die Würdigung einzubeziehen. Dieses dient der Wahrung der Integrität und dem Ansehen der Beamtenschaft sowie dem Erhalt der Funktionsfähigkeit der Verwaltung.

Die Gesamtwürdigung ergibt hier, dass die Verhängung einer Gehaltskürzung als Pflichtenermahnung noch ausreicht, aber auch erforderlich ist, um die Dienstverfehlung des Beklagten zu ahnden. Die Kürzung der Dienstbezüge ist nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 LDG die drittschwerste Maßnahme. Sie besteht in der anteilmäßigen Verminderung der monatlichen Dienstbezüge des Beamten um höchstens ein Fünftel und ist auf längstens drei Jahre begrenzt (§ 6 Abs. 1 Satz 1 LDG). Die vorliegend festgesetzte Kürzung bewegt sich im oberen Bereich des nach der vorgenannten Vorschrift maßgebenden Rahmens.

Ausschlaggebend für die konkrete Festsetzung ist zunächst der Umstand, dass ein erheblicher Vorwurf weggefallen und den vom Beklagten begangenen Dienstpflichtverletzungen daher insgesamt ein geringeres Gewicht beizumessen ist, so dass eine Entfernung aus dem Dienst nicht mehr gerechtfertigt erscheint. Gravierend ins Gewicht fällt jedoch die fortgesetzte Weigerung des Beklagten, eine ärztlicherseits für notwendig erachtete stationäre Behandlung anzutreten sowie diese ohne nachvollziehbaren Grund eigenmächtig abzubrechen. Die Klärung des Gesundheitszustandes ist, wie angesprochen, für eine funktionsfähige Verwaltung und damit für eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung von zentraler Bedeutung. Der Dienstherr, dem grundsätzlich der Nachweis der Dienstfähigkeit obliegt, ist dabei zwingend auf die Mitwirkung des Beamten angewiesen. In diesem Zusammenhang hat der Beamte insbesondere auf die Vorschläge der ihn untersuchenden Amtsärzte und des Dienstvorgesetzten wegen deren Sachkunde auch dann einzugehen, wenn er meint, noch ohne eine stationäre Behandlung auskommen zu können. Er darf sich nicht von seiner eigenen Einstellung leiten lassen, sondern muss - im Fall der Zumutbarkeit - den Rat der Fachärzte und die Hinweise der Dienstvorgesetzten befolgen. Vor diesem Hintergrund ist festzuhalten, dass sich der Beklagte schon nach der Begutachtung vom 11. April 2011 durch die ZMU trotz Aufforderungen und Fristsetzungen, die mit dem eindeutigen Hinweis auf seine Gesunderhaltungspflicht verbunden waren, beharrlich nicht bei seinem Dienstherrn gemeldet und eine dann doch erfolgte Behandlungsbemühung bereits nach zwei Tagen beendet hat. Selbst die Einleitung des Disziplinarverfahrens mit Schreiben vom 1. Juli 2011 als dringend erforderliche Maßnahme, um die Motivation zur Behandlung zu schaffen, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, beeindruckte ihn nicht. Sein Vortrag, er habe erst abklären müssen, ob er für eine Untersuchung Beihilfeleistungen in Anspruch nehmen könne, und Wartezeiten in Kauf nehmen müsse, erscheint demgegenüber vorgeschoben. Derartige Umstände rechtfertigen vor allem nicht seinen eigenmächtigen Behandlungsabbruch, ohne sich vorher mit seinen Dienstvorgesetzten ins Benehmen zu setzen. Erschwerend hinzukommt, dass er sich darüber hinaus zweimal einem persönlichen Gespräch mit seinem Dienstvorgesetzten verweigert hat, obwohl ihm ein Erscheinen trotz seines Gesundheitszustandes ohne weiteres möglich gewesen wäre. Auch kann den Beklagten nicht entlasten, dass er immerhin zu den amtsärztlichen Untersuchungsterminen erschienen ist, da dies seine fehlende Bereitschaft an geeigneten stationären Maßnahmen zur Abklärung seines Gesundheitszustandes nicht entschuldigt. Unter Berücksichtigung der festgestellten Dienstpflichtverletzungen ist daher eine deutliche disziplinarische Reaktion angezeigt, damit sich der Beklagte seiner beamtenrechtlichen Pflichten bewusst wird.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 100 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 LDG und entspricht dem Maß des jeweiligen Obsiegens bzw. Unterliegens.

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