OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.06.2007 - 6 A 11527/06
Fundstelle
openJur 2020, 22132
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz vom 23. Juni 2006 - 4 K 82/06.MZ - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin ist Fachzahnärztin für Oralchirurgie mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Implantologie. Sie erstrebt mit ihrer Klage die Klärung der Frage, ob sie einer berufsrechtlichen Verpflichtung des Inhaltes unterliegt, Nachlässe jeglicher Art, die von Herstellern/Lieferanten auf von dort bezogene Zahnimplantate gewährt werden, an ihre Privatpatienten weiterzugeben, sofern dabei ein Barzahlungsrabatt von 3 % der Gestehungskosten überschritten wird.

Ihre diesbezügliche Anfrage vom 15. September 2005 beantwortete die Beklagte mit Schreiben vom 8. Dezember 2005 dahingehend, dass nach ihrem Verständnis des zahnärztlichen Gebührenrechtes solche Vergünstigungen zwingend den Privatpatienten zugute zu bringen seien.

Zur Absicherung ihres abweichenden Rechtsstandpunktes hat die Klägerin am 26. Januar 2006 Feststellungsklage erhoben und dazu im Wesentlichen vorgetragen: Hinsichtlich der aufgeworfenen Frage bestehe ein dringendes und aktuelles Klärungsbedürfnis; einerseits, weil sie, die Klägerin, sich in ihrem Abrechnungsverhalten rechtstreu zu verhalten gedenke und andererseits, weil die Einbehaltung der Rabatte für eine Implantologische Praxis von erheblicher betriebswirtschaftlicher Bedeutung sei. Nach ihrer Rechtsüberzeugung bestehe unter keinem denkbaren Gesichtspunkt eine Verpflichtung, die aus der Geschäftsbeziehung zum Implantathersteller erlangten Preisvorteile im Arzt-Patienten-Verhältnis weiterzugeben. Weder das zahnärztliche Gebühren- oder Berufsrecht noch Analogieschlüsse dazu rechtfertigten das Ansinnen der Beklagten. Vielmehr gewährleiste Art. 12 Abs. 1 GG die Freiheit, das Entgelt für berufliche Leistungen selbst festzusetzen oder mit denen, die an diesen Leistungen interessiert seien, auszuhandeln. Dieses Recht dürfe nur aus gemeinwohlspezifischen Gründen unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes beschränkt werden. Auch mit den Art. 3 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG sei die umstrittene Weitergabeverpflichtung nicht zu vereinbaren.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass zwischen ihr und der Beklagten kein Rechtsverhältnis bestehe, vermöge dessen die Beklagte von ihr verlangen könne, dass die Nachlässe auf den unverbindlich empfohlenen Bruttoverkaufspreis für Implantate (Rabatte, Naturalrabatte), die sie von Herstellern/Lieferanten von Zahnimplantaten beim Einkauf von Implantaten erhalte und die über einen Barzahlungsrabatt in Höhe von 3 % des Rechnungsbetrages hinausgingen, bei der Abrechnung gegenüber Privatpatienten an den jeweiligen Patienten weiterzugeben habe, ohne damit gegen berufsrechtliche Pflichten zu verstoßen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Feststellungsbegehren sei schon unzulässig. Damit wolle die Klägerin keine öffentlich-rechtlichen Streitfragen, sondern Probleme des zahnärztlichen Gebührenrechtes geklärt haben, wofür allein der Zivilrechtsweg eröffnet sei. Die Befugnis, Rabatte aus Materialbeschaffung für sich behalten zu dürfen, werde der Klägerin jedenfalls nicht in Anwendung berufsrechtlicher Vorgaben streitig gemacht.

Mit Urteil vom 23. Juni 2006 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Ob die Feststellungsklage zulässig sei, könne letztlich offen bleiben, denn der Rechtsbehelf sei jedenfalls unbegründet. Im Ergebnis laufe das Begehren der Klägerin nämlich darauf hinaus, das Recht für sich in Anspruch zu nehmen, Auslagen für Implantate und Implantatteile zu berechnen, die wegen der von den Herstellern gewährten Rabatten den Zahnärzten so nicht entstanden seien. Die Abrechnung solcher fiktiven Auslagen widerspreche der Angemessenheitsklausel des § 9 Abs. 1 Satz 1 der Berufsordnung für Zahnärzte. Der rechtliche Maßstab der Angemessenheit sei bei der Abrechnung von Implantaten einer analogen Anwendung von § 9 GOZ zu entnehmen, wonach der Zahnarzt nur die tatsächlich entstandenen Materialkosten in Ansatz bringen dürfe. Für die Erwirtschaftung von Gewinnen sei im Anwendungsbereich dieser Vorschrift mithin kein Raum. Etwas anderes könne auch nicht aus dem zahnärztlichen Insolvenz- und Vorfinanzierungsrisiko hergeleitet werden, weil es hinsichtlich der Beschaffung des Implantatmaterials vom Normgeber ausdrücklich der Rechtssphäre des Zahnarztes zugeordnet werde. Die Verpflichtung, die umstrittenen Rabattvorteile weiterzugeben, stehe auch nicht mit den Wertungen der insoweit einschlägigen Grundrechte in Widerspruch. Denn ihre Beachtung bewirke insoweit nichts anderes, als ein Gewinnerzielungsverbot, das den hergebrachten Grundsätzen eines freien Berufes ohnehin immanent sei.

Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin die vom Senat zugelassene Berufung eingelegt. Damit tritt sie der rechtlichen Wertung des Verwaltungsgerichts unter Bezugnahme und Vertiefung ihrer eigenen Problemsicht entgegen. Ferner hat sie in tatsächlicher Hinsicht klargestellt, dass ihre implantologischen Tätigkeiten innerhalb ihrer oralchirurgischen Praxis derzeit nur einen Umfang von etwa 10 v.H. ausmachten. Werde die anhängige Streitfrage in ihrem Sinne beantwortet, sei indessen beabsichtigt, die implantologische Tätigkeit um ca. 60 - 65 % zu steigern. Danach werde sie voraussichtlich zwischen 500 bis 700 Implantate pro Jahr einsetzen. Der Umfang der auf Implantate gewährten Rabatte bewege sich erfahrungsgemäß zwischen 25 und 50 % des Durchschnittsbruttopreises, der seinerseits bei ca. 360,00 € pro Implantat liege. Die wirtschaftlichen Risiken bei Implantaten seien allerdings beträchtlich. Vorwiegend wegen Materialproblemen müssten sie mit bis zu 25 % der Gestehungskosten angesetzt werden. Bei 500 bis 700 Implantaten pro Jahr erfordere dies eine betriebswirtschaftliche Risikovorsorge von ca. 30.000,00 bis 35.000,00 €. Die Rabattvorteile dafür zu nutzen, sei ein Gebot der wirtschaftlichen Vernunft. Das zahnärztliche Gebührenaufkommen eigne sich nicht dazu, die betriebswirtschaftlichen Risiken einer implantologischen Praxis aufzufangen, denn die krankenversicherungsrechtliche Erstattungspraxis ziehe der Möglichkeit enge Grenzen, solche Kostenfaktoren über das Honorar auf den Patienten abzuwälzen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Mainz vom 23. Juni 2006 - 4 K 82/06.MZ - nach ihrem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält an ihrem Einwand fest, dass die Feststellungsklage nicht zulässig sei. Auf die zwischen den Beteiligten bestehenden öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehungen komme es zur Beantwortung der streitgegenständlichen Rabattproblematik nicht an. Im Übrigen verkenne die Klägerin den elementaren Unterschied zwischen der Ausübung eines freien Berufes und eines Gewerbes, wenn sie sich zu Einkommenszwecken Rabattvorteile sichern wolle.

Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus den zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätzen in den Gerichtsakten. Ein Heft Verwaltungsakten der Beklagten lag dem Senat vor und wurde zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Auf diese Unterlagen wird gleichfalls Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Feststellungsklage zu Recht abgewiesen. Entgegen der Auffassung der Beklagten erweist sie sich aber nicht schon als unzulässig (1), sondern lediglich als sachlich nicht gerechtfertigt (2).

1. Für das Feststellungsbegehren ist der Rechtsweg zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten eröffnet. Bei zweckentsprechender Auslegung des Klageantrages geht es der Klägerin damit um keine spezifischen Fragen des zahnärztlichen Gebührenrechtes, die sich in Anwendung zivilrechtlicher Normen beantworten. Vielmehr steht dabei, abweichend vom Wortlaut des Klagebegehrens, die Frage im Vordergrund, welche Grenzen einem Zahnarzt kraft seines berufsrechtlichen Status im Zusammenhang mit der Inaussichtstellung von Rabattvorteilen auf Implantatmaterial gesetzt sind. Damit streiten die Beteiligten erkennbar um den Inhalt berufsrechtlicher Rechtssätze, zu deren Auslegung als Vorschriften des öffentlichen Rechtes die Verwaltungsgerichte berufen sind.

Die Feststellungsklage ist gemäß § 43 Abs. 1 VwGO auch statthaft. Es fehlt insbesondere nicht an dem nach dieser Vorschrift vorausgesetzten hinreichend konkretisierten Rechtsverhältnis (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Januar 1992 - 3 C 50.89 - NVwZ 1993, 64 ff [65 m.w.N.]). Denn zu beiden Aspekten der einschlägigen Problematik, der möglichen Zuwendung von Materialrabatten durch den Hersteller oder Lieferanten an den Zahnarzt und der evtl. Weitergabe dieser Zuwendungen vom Zahnarzt an seinen Patienten finden sich in § 1 Abs. 4 Zahnheilkundegesetz vom 27. Januar 1987 (BGBl. I S. 481) sowie in § 2 Abs. 1 und 6 der Berufsordnung für Zahnärzte im Lande Rheinland-Pfalz in der hier anwendbaren Fassung vom 19. November 2005 i.V.m. den §§ 20 bis 23 Heilberufsgesetz vom 20. Oktober 1978 (GVBl. S. 649) subsumtionsfähige berufsrechtliche Maßstäbe. Über das zutreffende Verständnis dieser rechtlichen Vorgaben und der daraus abzuleitenden Rechtsfolgen bestehen zwischen den Beteiligten beträchtliche Meinungsverschiedenheiten. So berühmt sich die Klägerin des Rechts, hinsichtlich der Annahme und Einbehaltung solcher Materialrabatte keinerlei Restriktionen zu unterliegen. Demgegenüber bezweifelt die Beklagte bereits die Annahmebefugnis der Klägerin, jedenfalls sei sie gehalten, evtl. Rabattvorteile ihren Privatpatienten zugute zu bringen.

An der Klärung der divergierenden Rechtsstandpunkte ist der Klägerin auch ein berechtigtes Interesse zuzubilligen. Sie möchte nämlich ihr künftiges Verhalten, soweit es die streitgegenständliche Rabattproblematik betrifft, an dem gerichtlichen Feststellungsausspruch orientieren und, wie sie mehrfach betont hat, sich rechtstreu verhalten. Dazu besteht nicht zuletzt deshalb Veranlassung, weil die Klägerin anderenfalls mit berufsrechtlichen Sanktionen rechnen muss, da es nach § 3 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 HeilBG Aufgabe der Beklagten ist, die Einhaltung der Berufspflichten der Kammermitglieder zu überwachen und die zur Beseitigung berufsrechtswidriger Zustände notwendigen Maßnahmen zu treffen. Dass es zu solchen möglicherweise berufsrechtswidrigen Zuständen bisher noch nicht gekommen ist - die Klägerin hat sich nach ihrem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen noch keine Materialrabatte gewähren lassen - steht der Bejahung eines speziellen vorbeugenden Feststellungsinteresses nicht entgegen. Die Verweisung auf nachträglichen Rechtsschutz kann der Klägerin nämlich nicht zugemutet werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. September 1999 - 3 C 39.98 - Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 130 m.w.N.). Denn zur Erlangung nennenswerter Rabattvorteile ist eine Schwerpunktverlagerung der zahnärztlichen Praxis mit weitreichenden personellen und organisatorischen Umstellungen erforderlich, die sich nicht ohne Weiteres rückgängig machen lässt und die nur bei hinreichender Beständigkeit des gesamten Vorhabens wirtschaftlich sinnvoll bleibt.

Ebenso wenig wie die Klägerin sich auf repressiven Rechtsschutz verweisen lassen muss, steht ihr nach Maßgabe von § 43 Abs. 2 VwGO eine die Feststellungsklage verdrängende anderweitige Rechtsschutzmöglichkeit von gleicher Effizienz zur Verfügung.

2. Die nach alledem zulässige Feststellungsklage hat in der Sache aber keinen Erfolg, denn die verlangte Rechtsfolgenfeststellung kann nicht getroffen werden. Gegenstand des Feststellungsbegehrens ist dabei nicht so sehr die Beantwortung der im Klageantrag ausdrücklich aufgeworfenen Frage nach der Verpflichtung, Nachlässe auf den unverbindlich empfohlenen Bruttoverkaufspreis für Implantate an den jeweiligen Patienten weiterzugeben. Vielmehr geht es der Klägerin, wie oben schon angedeutet, bei zweckentsprechender Auslegung ihres Antrages vorrangig um die Beantwortung der zeitlich und sachlich vorausliegenden Frage nach ihrer Berechtigung, derartige Preisnachlässe, soweit sie die Bagatellgrenze des früheren § 2 RabattG überschreiten, anzunehmen und für sich zu behalten.

In dieser modifizierten Form ist die Fragestellung indessen eindeutig zu verneinen, weil Zahnärzte kraft ihres berufsrechtlichen Status bereits an der Annahme solcher wirtschaftlichen Vergünstigungen gehindert sind. Dies folgt ohne Weiteres aus der autonomen berufsrechtlichen Regelung der Beklagten in § 2 Abs. 6 ihrer Berufsordnung (BO) vom 19. November 2005. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung ist es dem Zahnarzt nicht gestattet, u.a. für die Empfehlung von Materialien von dem Hersteller oder Händler eine wirtschaftliche Vergünstigung anzunehmen, so dass sich das Problem einer evtl. Weitergabeverpflichtung von Rabattvergünstigungen nicht stellt.

Das Feststellungsbegehren der Klägerin fällt in den zeitlichen und sachlichen Anwendungsbereich dieser Vorschrift. Sie bestimmt zusammen mit dem Zahnheilkundegesetz und dem Heilberufsgesetz den berufsrechtlichen Status der Klägerin als frei praktizierender Zahnärztin in dem für die gerichtliche Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Die Vorschrift ist auch von ihrem Regelungsgegenstand einschlägig, denn sie normiert für wirtschaftliche Vergünstigungen ein Annahmeverbot, das die Klägerin aber nicht gegen sich gelten lassen möchte. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieses Annahmeverbotes sind hier indessen gegeben. Die ihr von den Herstellern oder Händlern in Aussicht gestellten Nachlässe auf den Bruttoverkaufspreis für Implantate stellen nach den entsprechenden Erläuterungen der Klägerin im Berufungsverfahren über den Umfang der möglichen Rabattgewährung wirtschaftliche Vergünstigungen von beträchtlichem Wert dar. Ihre Vergabe wird von § 2 Abs. 6 BO deshalb rechtlich missbilligt, weil der Zuwendungsanlass ersichtlich darin besteht, finanzielle Anreize für die ärztliche Empfehlung eines bestimmten Implantatmaterials zu setzen. Ein solches Prämien- oder Gratifikationssystem begründet aber die Gefahr, dass der Zahnarzt in die Abhängigkeit der erwerbswirtschaftlichen Interessen der Materialhersteller oder -händler gerät. Dies liegt bei einem durchschnittlichen jährlichen Rabattvolumen, das sich nach den Angaben der Klägerin in ihrem Falle auf etwa 81.000,00 € belaufen dürfte, ohne Weiteres auf der Hand. Die Klägerin geht nämlich bei ihrer Kalkulation davon aus, dass sie nach Billigung ihres Rechtsstandpunktes durchschnittlich 600 Implantate pro Jahr setzen wird. Bei Erwerbskosten in Höhe von 360,00 € pro Implantat und einer Rabattspanne zwischen 25 und 50 % der Gestehungskosten ergebe dies eine wirtschaftliche Vergünstigung von 81.000,00 € pro Jahr. In der betrieblichen Wirklichkeit einer zahnärztlichen Praxis dürfte die Verfügbarkeit eines Geldbetrages in dieser Größenordnung aller Erfahrung nach Rücksichtnahmen begründen, denen der Praxisinhaber sich schwerlich entziehen kann. Vielmehr spricht alles dafür, dass der Zwang zur Beibehaltung der einmal erworbenen Gratifikation unwiderstehlich sein wird. Vor solchen Zwangslagen möchte § 2 Abs. 6 BO nach seinem Sinn und Zweck den Zahnarzt dadurch bewahrt wissen, dass er bereits der Entstehung von wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnissen vorbeugt.

Im System der zahnärztlichen Berufsordnung stellt die Neuregelung des § 2 Abs. 6 keinen normativen Fremdkörper dar, wie die Klägerin meint. Das Verbot, wirtschaftliche Vergünstigungen anzunehmen, ist vielmehr ein Wesenselement des Rechtsinstitutes der freien Berufe, das seinerseits mit dem Verbot der gewerblichen Betätigung korrespondiert. Im Berufsrecht der Zahnärzte finden sich die Rechtsprinzipien des freien Berufes und des Gewerbeverbotes u.a. verankert in § 1 Abs. 4 ZahnheilkG, in der Präambel sowie in §§ 1 Abs. 1 Sätze 2 und 3, 17 Abs. 1 Satz 1 der aktuellen Berufsordnung. Die genannten Bestimmungen sollen jeweils für sich, ebenso wie durch ihr Zusammenwirken gewährleisten, dass auf den Gebieten des Gesundheitswesens, die so wie die ärztlichen Berufe uneingeschränkt freiberuflich konstituiert sind (vgl. BFH, Beschluss vom 14. Januar 1998 - IV B 48/97 - BB 1998, 777 ff.; Urteil vom 21. März 1995 - XI R 85/93 - NJW 1995, 3078 ff.; Urteil vom 1. Februar 1990 - IV R 140/88 - NJW 1991, 783 f.), ausschließlich Dienste höherer Art erbracht und berufliche Einkünfte nur aus solchen Dienstleistungen erzielt werden. Einkünfte, die, so wie die streitgegenständlichen Preisnachlässe auf Implantatmaterial, nicht das Ergebnis einer regelmäßig auf einer Hochschulausbildung beruhenden, unmittelbaren und individuellen Arbeitsleistung des Freiberuflers darstellen, sondern Ausdruck einer geschäftlichen Tüchtigkeit sind, haben einen gewerblichen Charakter und sind deshalb als berufsfremd zu bewerten. Sie waren mithin schon vor dem In-Kraft-Treten des § 2 Abs. 6 BO wegen der Ausrichtung der zahnärztlichen Tätigkeit auf die Prinzipien des freien Berufes rechtlich missbilligt.

Das berufsrechtliche Unwerturteil über die Erschließung gewerblicher Einkunftsquellen seitens eines Freiberuflers steht auch mit höherrangigem Recht in Einklang. Es liegt insbesondere kein unzulässiger Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit vor. Soweit die Klägerin rügt, dass dadurch ihre durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Freiheit unzumutbar beeinträchtigt werde, das Entgelt für berufliche Leistungen selbst festzusetzen oder mit denen, die an diesen Leistungen interessiert sind, auszuhandeln, kann ihr nicht gefolgt werden. Zwar fällt diese Rechtsposition nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschluss vom 15. Dezember 1999 - 1 BvR 1226/94 - BVerfGE 101, 331 [347]; Beschluss vom 25. Oktober 2004 - 1 BvR 1437/02 - NJW 2005, 1036 ff.) in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG, doch geht es bei der der Klägerin berufsrechtlich auferlegten Restriktion bei der Annahme von Rabatten um kein Entgelt für berufliche Leistungen. Als solches sind bei Zahnärzten nur deren Honorareinkünfte zu verstehen, denn allein diese beruhen unmittelbar auf der Entfaltung von Diensten höherer Art. In die gebührenrechtliche Gestaltungsfreiheit des Zahnarztes greift die Rechtsfolge des § 2 Abs. 6 BO aber nicht ein.

Durch die Beachtung des in § 2 Abs. 6 BO vorgegebenen Annahmeverbotes wird der Klägerin auch kein verfassungsrechtlich inakzeptabler Zwang zu einem wirtschaftlich unvernünftigen Verhalten auferlegt. Zwar mag es zutreffen, dass durch die Entgegennahme der in Rede stehenden Rabattangebote niemand geschädigt wird, sondern dem Vorhaben ein ökonomisch sinnvoller Interessenausgleich zugrunde liegt. Dies schließt jedoch die normative Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit, um die es bei dieser Regelung alleine geht, nicht aus, wenn der Normgeber damit einen vernünftigen Gemeinwohlbelang mit verhältnismäßigen Mitteln verfolgt. So liegen die Dinge hier.

Schutzzweck des Annahmeverbotes ist die Wahrung der Integrität des Rechtsinstitutes der freien Berufe in ihrer jeweils überkommenen Erscheinungsform. Sie sollen, jedenfalls bei den medizinischen Heilberufen, von ökonomischen Beeinflussungen und Rücksichtnahmen freigestellt werden, indem die Berufsinhaber ausschließlich auf die ärztlichen Honorareinkünfte verwiesen werden (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 2004 - 1 BvR 1437/02 - NJW 2005, 1036 ff.). Damit dient das Regelungsanliegen einem vernünftigen Gemeinwohlbelang, weil die Allgemeinheit ein lebhaftes Interesse daran hat, dass der ärztliche Berufsstand ausschließlich der Volksgesundheit dient und von keinen wirtschaftlichen Sonderinteressen durchsetzt wird.

Entgegen der Auffassung der Klägerin hat sich der Normgeber bei der Verfolgung seiner Zwecke auch verhältnismäßiger Mittel bedient. Das vollständige Verbot der Annahme wirtschaftlicher Vergünstigungen verstößt nicht gegen das Übermaßverbot. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang darauf hinweist, dass in der Rechtsprechung, beispielsweise bei dem Heilberuf des Apothekers, eine gewerbliche Betätigung als mit dem Grundsatz des freien Berufes vereinbar erachtet werde (so BVerfG, Urteil vom 30. Mai 1956 - 1 BvF 3/53 - BVerfGE 5, 25 [29 f.]; Urteil vom 11. Juni 1958 - 1 BvR 596/56 - BVerfGE 7, 377 [389 f.]; Urteil vom 13. Februar 1964 - 1 BvL 17/61 u.a. - BVerfGE 17, 232 [239]), übersieht sie, dass das Recht der Berufsfreiheit die überkommenen Eigenarten eines Berufsbildes unberührt lässt und dass es innerhalb der Kategorie der freien Berufe des Gesundheitswesens solche mit einem gewerblichen Einschlag ebenso wie nicht gewerbliche freie Berufe gibt. Während für den freien Beruf des Apothekers eine die Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr einschließende "gemischte" Erwerbstätigkeit (vgl. dazu BFH, Urteil vom 24. April 1997 - IV R 60/95 - NJW 1997, 2404 ff.) kennzeichnend ist, zeichnen sich die ärztlichen Berufe allein durch die Erbringung von persönlichen Dienstleistungen höherer Art aus und rechnen deshalb zu den nicht gewerblichen freien Berufen (so auch BFH, Beschluss vom 14. Januar 1998 - IV B 48/97 - BB 1998, 777 ff.). Angesichts dieser Differenzierung ist es unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nicht zu beanstanden, wenn im Anwendungsbereich des ärztlichen Berufsrechtes auf Typenreinheit geachtet und eine gewerbliche Betätigung des Freiberuflers unterbunden wird.

Schließlich ist es im Hinblick auf die Berufsfreiheit des Zahnarztes auch nicht angezeigt, zur Kompensation von besonderen durch das ärztliche Gebührenrecht angeblich nicht mehr abgedeckten Risiken der implantologischen Tätigkeit das Verbot der gewerblichen Betätigung aufzuheben oder zu lockern. Ob dazu ein unabweisbares Bedürfnis besteht, weil der Implantologe zur wirtschaftlichen Bewältigung des Bevorratungsaufwandes und zur Vorfinanzierung des teuren Implantatmaterials eine weitreichende betriebswirtschaftliche Vorsorge treffen muss, die aus dem zahnärztlichen Honoraraufkommen nicht zu bestreiten ist, erscheint nach höchstrichterlicher Rechtsprechung der Zivilgerichte zum zahnärztlichen Gebührenrecht zumindest zweifelhaft. Nach dem Ergebnis dieser Rechtsprechung soll nämlich der Bevorratungsaufwand für das Implantatmaterial als Praxiskosten mit den Gebühren abgegolten sein (vgl. dazu BGH, Urteil vom 27. Mai 2004 - III ZR 264/03 - NJW-RR 2004, 1198 ff.).

Aber selbst wenn die dieser Rechtsprechung zugrunde liegende Annahme der Auskömmlichkeit des zahnärztlichen Honorars zur Bewältigung dieser Gefahren und der dazu eventuell noch hinzutretenden Gewährleistungs- und Insolvenzrisiken nicht (mehr) zutreffen sollte - immerhin ist das zahnärztliche Gebührenrecht in seinem Kern seit Jahrzehnten unverändert geblieben - könnte ein eventuelles Defizit auf diesem Gebiet nicht dadurch sachgerecht ausgeglichen werden, dass dem Implantologen gewerbliche Einkünfte erlaubt werden. Im Ergebnis liefe dieser Vorschlag nämlich darauf hinaus, den Typus des freien ärztlichen Berufes als solchen aufs Spiel zu setzen, um einen Schwachpunkt von begrenzter Tragweite innerhalb der normativen Ausgestaltung dieses Berufsbildes zu korrigieren. Einem solchen Vorhaben fehlt die rechtsstaatliche Eignung, denn als systemgerechte Aushilfe kommt nur eine den gewandelten Verhältnissen entsprechende Umgestaltung des zahnärztlichen Gebührenrechtes in Betracht.

Eine grundrechtsgestützte Befugnis der Klägerin zur Entgegennahme von Rabattvorteilen auf Implantatmaterial lässt sich auch nicht aus den Art. 2 Abs. 1 und 3 Abs. 1 GG herleiten. Denn diese Bestimmungen gehen in ihrer Schutzintensität nicht über Art. 12 Abs. 1 GG hinaus (vgl. BVerfGE 4, 52 [57]; 6, 55 [71, 82]; 13, 290).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils stützt sich auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 ZPO.

Die Entscheidung über die Zulassung der Revision ergibt sich aus § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; ihr liegt soweit ersichtlich die höchstrichterlich noch nicht thematisierte Frage nach der grundrechtlichen Kompensationsfähigkeit berufsrechtlicher Normierungsdefizite durch Aufhebung oder Lockerung des Status der Freiberuflichkeit der zahnärztlichen Berufsausübung zugrunde.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird unter entsprechender Abänderung des Streitwertbeschlusses des Verwaltungsgerichts im Urteil vom 23. Juni 2006 von Amts wegen für das Verfahren beider Rechtszüge auf jeweils 50.000,00 € festgesetzt; diesem Wertansatz liegen die nach den Informationen der Klägerin ermittelten Rabattvorteile in Höhe von etwa 81.000,00 € pro Jahr abzüglich der jährlichen Rückstellungen für das Gewährleistungs- und Insolvenzrisiko in Höhe von ca. 30.000,00 € bis 35.000,00 € zugrunde (vgl. §§ 52 Abs. 1, 47 Abs. 1, 63 Abs. 3 Satz 1 GKG).

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