OLG Koblenz, Beschluss vom 20.11.2014 - 7 WF 1000/14
Fundstelle
openJur 2020, 21398
  • Rkr:
Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Trier - Einzelrichter - vom 6. Oktober 2014 dahingehend abgeändert, dass dem Kläger für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsbestimmung bewilligt wird. Ihm wird Rechtsanwalt ... zur Vertretung in diesem Verfahren beigeordnet.

Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Idar-Oberstein vom 27.08.2014 wird zurückgewiesen.

Gründe

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 127 Abs. 2 ZPO zulässig und begründet.

Gemäß § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung zu tragen, Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen liegen vor.

1) Der Kläger verfolgt mit seiner Vollstreckungsabwehrklage gemäß §§ 767 Abs.2, 795 Abs. 1 Nr. 5 ZPO den Ausspruch der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde des Notars ...[A] vom 29. Mai 2007, Ur.-Nr. 828/2007 (Anlagenheft I, Bl. 50 ff.). Das Landgericht hat hierzu in seinem die Bewilligung von Prozesskostenhilfe verweigernden Beschluss ausgeführt, der Zwangsvollstreckung stehe nicht entgegen, dass die Beklagte nach Rücktritt vom Darlehensvertrag eine Vorfälligkeitsentschädigung als Schadensersatz verlange. Der Klageantrag zu 1), auf Unzulässigkeitserklärung der Zwangsvollstreckung aus vorbezeichneter Urkunde habe deshalb keinen Erfolg. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, dem Kläger die von ihm geleisteten Zins- und Tilgungsraten auf das Darlehen Zug um Zug gegen Übertragung der Immobilen auf die Beklagte zurück zu gewähren (Klageantrag zu 2). Der vom Kläger erklärte Widerruf der auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärungen sei nicht wirksam. Zum Zeitpunkt der Ausübung des Widerrufsrechts sei das Widerrufsrecht bereits abgelaufen gewesen. Der Kläger könne auch nicht auf einen Widerruf unter dem Aspekt des Haustürgeschäfts gemäß §§ 312 a ff. BGB berufen. Der Kläger könne auch nicht erfolgreich eine Sittenwidrigkeit des Darlehensvertrages gemäß § 138 Abs. 1 BGB geltend machen. Soweit der Darlehensvertrag zu einer Überforderung des Klägers geführt habe, sei es Sache des Schuldners selbst zu prüfen, wo die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit liegen. Die Grundsätze bezüglich einer krassen Überforderung von Bürgen seien auf eine Überforderung des Darlehensnehmers nicht übertragbar. Die Beklagte sei auch nicht wegen Verletzung der Aufklärungspflicht zum Schadensersatz verpflichtet. Eine Pflicht zur Aufklärung über eine eventuell an die Firma ...[B] gezahlte Provision bzw. ein entsprechender Auskunftsanspruch bestehe nicht, weil nicht ersichtlich sei, dass eine solche finanzielle Aufwendung zu einer wirtschaftlichen Belastung des Klägers im Rahmen des Darlehens geführt habe. Auch eine Haftung der Beklagten aus Aufklärungsverschulden unter dem Gesichtspunkt des Wissensvorsprungs hinsichtlich der vom Kläger behaupteten sittenwidrigen Überteuerung des Kaufpreises für die beiden Eigentumswohnungen sowie die Garage, welche nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) die Zwangsvollstreckung der Beklagten unzulässig machen und ihrem Darlehensrückzahlungsanspruch entgegenstehen würde, sei nicht gegeben. Die kreditgebende Bank müsse über die Risiken eines finanzierten Geschäfts nur unter ganz besonderen Voraussetzungen aufklären, wenn sie z.B. im Zusammenhang mit der Planung, der Durchführung oder dem Vertrieb des Projekts über ihre Rolle als Kreditgeber hinausgehe, wenn sie zu den allgemeinen wirtschaftlichen Risiken einen für den Kunden hinzutretenden besonderen Gefährdungstatbestand schaffe bzw. in Bezug auf spezielle Risiken einen konkreten Wissensvorsprung habe, sie erkenne, dass ein grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bestehe. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Eine Haftung der Beklagten ergebe sich auch nicht daraus, dass der Kläger geltend mache, seitens des Zeugen ...[C] getäuscht worden zu sein. Zu der Annahme eines institutionalisierten Zusammenwirkens der Beklagten mit dem Zeugen ...[C] in Bezug auf ein arglistiges Täuschen desselben fehlten jegliche Anhaltspunkte. Es sei kein Verzug der Beklagten mit der Einwilligung zur Auflassung und Zustimmung zur Eigentumsübertragung festzustellen (Klageantrag zu 2). Es bestehe kein Anspruch auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung der notariellen Urkunde an den Kläger (Klageantrag zu 3) und kein Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

2) Hiergegen wendet der Kläger mit seiner sofortigen Beschwerde zu Recht ein, dass zwar die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig gemacht werden dürfe, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Die Prüfung der Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung darf aber nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung selbst in das summarische PKH-Verfahren vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Die Rechtsverfolgung einer unbemittelten Partei wird dann unverhältnismäßig erschwert, wenn die Anforderungen an die Erfolgsaussicht überspannt werden. Wenn die Entscheidung in der Hauptsache von einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt, hat das Rechtsschutzbegehren in aller Regel hinreichende Aussicht auf Erfolg. Ist eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage ungeklärt und ihre Beantwortung schwierig, so läuft es dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zuwider, dem Unbemittelten wegen fehlender Erfolgsaussicht seines Begehrens Prozesskostenhilfe vorzuenthalten (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 6. März 2008 - 2 BvR 387/07 - zitiert nach Juris; Beschluss vom 13. März 1990 - 2 BvR 94/88 - BVerfGE 81, 347 ff. = NJW 1991, 413 ff.; BGH, Beschluss vom 11. September 2002 - VIII ZR 235/02 - NJW-RR 2003, 130 f. = MDR 2003, 109 f.; OLG Celle, Beschluss vom 15. August 2014 - 10 WF 42/14 - MDR 2014, 1105 f.).

Dass das Verfahren schwierige Rechtsfragen aufweist, ergibt sich bereits aus der unterschiedlichen Einschätzung der mit dieser Sache befassten Richter. So hat die Kammer durch die Richterin am Landgericht ...[D] mit Beschluss vom 6. August 2013 (GA 35 f.) die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde des Notars ...[A] vom 29. Mai 2007, Ur.-Nr. 828/2007, ohne Sicherheitsleistung einstweilen mit dem Hinweis eingestellt, das Rechtsmittel erscheine nicht völlig aussichtslos, während nach Richterwechsel die Kammer die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss des Richters am Landgericht ...[E] vom 6. Oktober 2014 (GA 208 ff.) mangels Erfolgsaussicht der Klage abgelehnt hat.

Hinzu kommt, dass auch die Frage, wann die Widerrufsfrist im Hinblick auf § 312 d Abs. 2 BGB, Art. 246 § 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 und 2 EGBGB überhaupt zu laufen beginnt, nicht eindeutig ist. Klärungsbedürftig ist auch, ob und inwieweit die Beklagte eine umsatzabhängige Provision aus den im Prospekt ausgewiesenen Vertriebskosten bzw. Kosten der Eigenkapitalbeschaffung offenzulegen hat (BGH, Urteil vom 8. April 2014 - XI ZR 341/12 - MDR 2014, 735 f. = BB 2014, 1553 ff.).

Die Frage, welche Anforderungen an ein institutionalisiertes Zusammenwirken der kreditgebenden Bank mit dem Verkäufer eines finanzierten Objekts zu stellen sind (vgl. BGH, Urteil vom 26. September 2006 - XI ZR 283/03 - ZIP 2006, 2258 ff. = WM 2006, 2347 ff. = NJW 2007, 361 ff.; Urteil vom 23. Oktober 2007 - XI ZR 167/05 - MDR 2008, 278 f. ) ist höchst komplex und im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zu erörtern und kann nicht in Prozesskostenhilfeverfahren vorverlagert werden.

Auch die Frage, ob der Schaden des Klägers ursächlich durch eine Pflichtverletzung der Beklagten hervorgerufen wurde, bedarf der Aufklärung.

Auf die sofortige Beschwerde war unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses dem Kläger Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Der Kläger ist nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung erster Instanz zu tragen.

Die zulässige sofortige Beschwerde des Antragsgegners ist nicht begründet.

Das Amtsgericht hat auf der Grundlage der nach Beendigung des Verfahrens (Vereinbarung vom 28.07.2014) bis zum 26.08.2014 - Fristablauf zur Nachreichung von Unterlagen war der 11.08.2014 - eingereichten Unterlagen zu Recht und mit zutreffender Begründung eine Ratenzahlung von 28 € monatlich angeordnet, wobei zugunsten des Antragsgegners die von ihm angegebenen Kosten für "Wohnen und Essen bei der Mutter" insgesamt als Wohnkosten berücksichtigt worden sind. Dies wird von der Beschwerde auch nicht angegriffen. Vielmehr werden mit der Beschwerde höhere Fahrtkosten sowie Kosten für Autoversicherung und Kraftfahrzeugsteuer vorgetragen und durch neue Unterlagen belegt.

Grundsätzlich kann Verfahrenskostenhilfe nach Beendigung des Verfahrens nur bewilligt werden, wenn der entsprechende VKH-Antrag zuvor vollständig mit den nach § 117 ZPO erforderlichen Anlagen bei Gericht eingereicht worden ist (vgl. Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 7. Aufl., Rn. 508). Auch wenn der Antrag vor Instanzende gestellt, die Belege aber erst nach Instanzbeendigung eingereicht werden, kann Verfahrenskostenhilfe nicht mehr bewilligt werden. Etwas anderes gilt nur, wenn das Gericht - großzügigerweise - die Nachreichung von Unterlagen gestattet und hierfür eine Frist setzt (vgl. Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, a.a.O., Rn. 504). In diesem Fall steht die Zeit der Nachreichung von Belegen allerdings nicht im Belieben des Beteiligten; vielmehr sind die gesetzten Fristen in jedem Fall zu beachten (vgl. Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, a.a.O., Rn. 508). Von daher war die Einreichung weiterer Belege nach Ablauf der gesetzten Frist und Erlass des angefochtenen Beschlusses nicht mehr möglich. Auch die grundsätzliche Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde nach Instanzabschluss führt nicht dazu, dass Tatsachen und Belege, die zur Vollständigkeit des VKH-Antrags gehören, nach Instanzende neu eingeführt werden können (vgl. Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, a.a.O., Rn. 509).

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