OLG Zweibrücken, Urteil vom 01.10.2002 - 5 UF 58/02
Fundstelle
openJur 2020, 21395
  • Rkr:
Tenor

Das Urteil des Amtsgerichts " Familiengericht " Kaiserslautern vom 3. März 2002 wird in Ziffer VI (vorläufige Vollstreckbarkeit) teilweise geändert:

Der Beklagte darf eine Vollstreckung der Klägerin aus Ziffer IV des Urteils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet, mit Ausnahme der Vollstreckung wegen eines monatlichen Unterhalts in Höhe von 150 EUR für die Zeit ab 13. September 2002; insoweit ist das Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die weitergehenden Anträge der Parteien werden abgelehnt.

Gründe

1. Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute.

Durch das vom Beklagten mit seiner Berufung angefochtene Urteil des Amtsgerichts " Familiengericht " Kaiserslautern vom 8. März 2002 wurden Unterhaltsbeträge für die Zeiträume Oktober 1998 bis Februar 2001 (Urteilstenor Ziffern I-III) sowie laufender Unterhalt ab März 2001 in Höhe von 634,-- EUR monatlich (Urteilstenor Ziffer IV) zugunsten der Klägerin tituliert.

Ziffer VI des Urteils lautet:

"Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Hinsichtlich der Ziffern I und II ist der Beklagte berechtigt, gegen Sicherheitsleistung von 3 500,-- Euro die Vollstreckung abzuwenden, wenn nicht die Klägerin in gleicher Höhe Sicherheit leistet".

Durch Teilurteil vom 23. Juli 2002 hat der Senat auf Antrag des Beklagten das Urteil des Familiengerichts in seiner Ziffer VI hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus Ziffer I teilweise geändert.

Die Parteien haben im Termin des Senats vom 3. September 2002 zur Hauptsache verhandelt. Hierauf hat der Senat am 17. September 2002 einen Beweisbeschluss verkündet.

Mit Antrag vom 3. September 2002 begehrt der Beklagte eine weitere Änderung von Ziffer VI des angefochtenen Urteils dahingehend, dass ihm die Möglichkeit eingeräumt wird, die Zwangsvollstreckung aus Ziffer IV gegen Sicherheitsleistung abzuwenden, da das Erstgericht insoweit § 711 ZPO nicht bedacht habe. Die Klägerin betreibe zwischenzeitlich die Zwangsvollstreckung aus Ziffer IV des angefochtenen Urteils.

Die Klägerin beantragt, den Antrag des Beklagten vom 3. September 2002 zurückzuweisen, hilfsweise, das Urteil erster Instanz gemäß § 710 ZPO für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung zu erklären.

2. Der Antrag des Beklagten ist gemäß § 718 ZPO zulässig, in der Sache erzielt er einen Teilerfolg.

Einer erneuten Entscheidung des Senats über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils des Familiengerichts steht das Teilurteil vom 23. Juli 2002, das bereits über einen ersten Antrag des Beklagten nach § 718 ZPO entschieden hat, nicht entgegen. Dieses Urteil betrifft die vorläufige Vollstreckbarkeit aus Ziffer I des angefochtenen Urteils; vorliegend geht es um die vorläufige Vollstreckbarkeit aus Ziffer IV. Die beiden Anträge nach § 718 ZPO betreffen somit unterschiedliche Streitgegenstände. Der gesetzlichen Regelung lässt sich nicht entnehmen, dass im Rahmen des § 718 ZPO über die vorläufige Vollstreckbarkeit eines angefochtenen Urteils nur einheitlich und insgesamt (im Rahmen des Umfangs der Berufung) zu entscheiden wäre. Der Antrag nach § 718 ZPO ist im Gesetz weder befristet noch davon abhängig, dass in der Hauptsache noch nicht verhandelt wäre. Das Verfahren nach § 718 ZPO ermöglicht lediglich eine Vorabentscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit, soweit der Hauptsachestreit nicht entscheidungsreif ist. Eine Grenze findet die Möglichkeit, mehrere Anträge gemäß § 718 ZPO nacheinander zu verschiedenen Teilen eines angefochtenen Urteils zu stellen, demnach lediglich an dem Einwand des Rechtsmissbrauchs. Ein solcher ist vorliegend weder erhoben noch ersichtlich.

Das Familiengericht hat dem Beklagten hinsichtlich des titulierten laufenden Unterhalts entgegen § 711 ZPO keine Abwendungsbefugnis bei einer Vollstreckung durch die Klägerin eingeräumt. Ein Antrag nach §§ 711 Satz 3, 710 ZPO, das Urteil ohne Abwendungsbefugnis für vorläufig vollstreckbar zu erklären, war von der Klägerin in erster Instanz nicht gestellt.

Die Klägerin hat den Schutzantrag nach §§ 711 Satz 3, 710 ZPO nunmehr im Rahmen des Verfahrens nach § 718 ZPO nachgeholt. Hiermit hat sie im vorliegenden Fall jedenfalls hinsichtlich einer Teilvollstreckung Erfolg.

In Rechtsprechung und Literatur ist streitig, ob ein Schutzantrag nach § 710 ZPO, der in erster Instanz nicht gestellt wurde, im Berufungsrechtszug nachgeholt werden kann.

Verneint wird eine solche Nachholungsmöglichkeit mit Hinweis auf den Wortlaut von § 714 ZPO, nach dem Schutzanträge zur vorläufigen Vollstreckbarkeit vor Schluss der mündlichen Verhandlung zu stellen sind, auf die das Urteil ergeht, der systematischen Stellung dieser Vorschrift und der Problematik, dass über eine mit einem erstmaligen Schutzantrag verbundene Anschlussberufung durch Teilurteil zu entscheiden wäre (vgl. etwa: KG, MDR 2000, 478; OLG Karlsruhe, NJW-RR 1989, 1470; Zöller/Herget, ZPO, 23. Aufl., § 714 Rdnr. 1; Musielak/Lackmann, ZPO, 3 Aufl., § 714 Rdnr. 2; MüKo/Krüger, ZPO, 2. Aufl., § 714 Rdnr. 2, jeweils m. w. N.).

Nach der Gegenansicht schließt der Wortlaut von § 714 ZPO eine Nachholung des Antrags im Berufungsrechtszug nicht aus. Selbst wenn in der Stellung eines Antrags nach § 710 ZPO eine Anschlussberufung zu sehen sei, wäre insoweit ein Teilurteil gemäß § 718 Abs. 1 ZPO ausdrücklich zugelassen. Im Übrigen bestehe ein praktisches Bedürfnis für die Möglichkeit, einen Schutzantrag nachzuholen, insbesondere bei nachträglichen Änderungen der Verhältnisse (vgl. hierzu etwa: Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl., § 714 Rdnr. 5; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 59. Aufl., § 714 Rdnr. 2; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 21. Aufl. 1994, § 714 Rdnr. 3 a und § 718 Rdnr. 2; OLG Stuttgart, MDR 1998, 858, jeweils m. w. N.).

Die Streitfrage muss im vorliegenden Fall durch den Senat nicht grundsätzlich entschieden werden. Im Rahmen des vom Beklagten gestellten Antrags nach § 718 ZPO kann jedenfalls die Klägerin den in erster Instanz versäumten Schutzantrag nach §§ 711 Satz 3, 710 ZPO in zulässiger Weise nachholen.

Dem Wortlaut des § 714 ZPO, wonach Anträge nach den §§ 710, 711 Satz 3, 712 ZPO vor Schluss der mündlichen Verhandlung zu stellen sind, auf die das Urteil ergeht, lässt sich unmittelbar nicht entnehmen, ob diese Beschränkung lediglich für die jeweilige Instanz oder darüber hinaus für folgende Rechtszüge gelten soll. Das Gesetz sieht einen endgültigen Ausschluss des Antrags jedenfalls nicht ausdrücklich vor. Allerdings teilt der Senat die Bedenken, die gegen die unbeschränkte Nachholungsmöglichkeit eines in erster Instanz versäumten Antrags ansonsten vorgebracht werden. § 718 ZPO soll eine Vorabentscheidung bei fehlerhaftem Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ermöglichen, nicht aber die Nachholung eines versäumten Schutzantrags. Vorliegend wäre die Nachholung eines Antrags durch die Klägerin im Wege der unselbständigen Anschlussberufung auch wegen Versäumung der Frist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO unzulässig.

Hier besteht indes die Besonderheit, dass das erstinstanzliche Urteil eine vorläufige Vollstreckbarkeit bereits ohne Abwendungsbefugnis für den Beklagten einräumt, mithin die Nachholung des Schutzantrags lediglich der Verteidigung  insoweit dient und keinen selbständigen Berufungsangriff gegen das Urteil des Familiengerichts beinhaltet. Vorliegend wurde der Antrag auf Entscheidung nach  § 718 ZPO vom Beklagten gestellt. Für den Senat sind keine rechtlichen Bedenken dagegen ersichtlich, in diesem Rahmen die erstmalige Stellung eines Schutzantrags durch die Klägerin zuzulassen.

Es ist unstreitig, dass die Klägerin aufgrund ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht in der Lage ist, ihrerseits Sicherheit für die Vollstreckung des laufenden Unterhalts zu leisten, so dass ihrem Antrag nach § 711 Satz 3 ZPO entsprechend eine Abwendungsbefugnis für den Beklagten  ausscheiden muss, soweit die Klägerin auf eine Vollstreckung des laufenden Unterhalts ab Antragstellung ( 13. September 2002) zur Sicherung ihrer Lebenshaltung dringend angewiesen ist. Mit Rücksicht auf ihr Renteneinkommen in Höhe von 582.- EUR ist eine Vollstreckung wegen eines monatlichen Teilbetrages von 150.- EUR  zuzulassen. Für die Bemessung der Sicherheitsleistung zur Abwendung einer darüber hinausgehenden Vollstreckung gilt § 752 ZPO (Zöller/Herget aaO § 710 Rdnr.2).

Nebenentscheidungen sind im vorliegenden Teilurteil nicht zu treffen.