OLG Koblenz, Beschluss vom 17.07.2018 - 1 OWi 6 SsBs 19/18
Fundstelle
openJur 2020, 20657
  • Rkr:
Tenor

1. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts - Bußgeldrichterin - Koblenz vom 15. November 2017 wird als unbegründet verworfen.

2. Der Antrag des Betroffenen auf Zulassung seiner Rechtsbeschwerde gegen das vorbezeichnete Urteil wird als unbegründet verworfen.

3. Der Betroffene hat die Kosten seiner Rechtsmittel zu tragen.

Gründe

I.

Gegen den Betroffenen wurde im Verfahren 2010 Js 66317/16 mit Bußgeldbescheid vom 9. August 2016 wegen einer am 3. Juni 2016 begangenen Überschreitung der außerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 41 km/h (§ 24 StVG, § 49 Abs. 3 Nr. 4, § 41 Abs. 1 StVO in Verbindung mit Anlage 2, Nr. 49 [Zeichen 274]) eine Geldbuße von 160 € verhängt; daneben wurde gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat unter Bestimmung einer Abgabefrist nach § 25 Abs. 2a StVG angeordnet. Im Verfahren 2010 Js 18094/16 setzte die Verwaltungsbehörde wegen einer am 7. Dezember 2015 begangenen Überschreitung der außerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 24 km/h mit Bußgeldbescheid vom 17. Februar 2016 eine Geldbuße in Höhe von 70 € fest.

Nach jeweiligem Einspruch des Betroffenen, mehrfacher mündlicher Verhandlung in beiden Sachen und Verfahrensverbindung unter Führung des Verfahrens 2010 Js 18094/16 wurde der Betroffene mit dem angegriffenen Urteil wegen der - wie in den Bußgeldbescheiden festgestellten, von dem Amtsgericht jeweils als fahrlässig bewerteten - Geschwindigkeitsüberschreitungen vom 7. Dezember 2015 und 3. Juni 2016 zu den bereits in den Bußgeldbescheiden festgesetzten Rechtsfolgen verurteilt. Das Amtsgericht hat beweiswürdigend im Wesentlichen ausgeführt, dass die Geschwindigkeitsmessungen jeweils mit dem System ES 3.0 durchgeführt wurden und sich nach sachverständiger Beurteilung keine Anhaltspunkte für eine Fehlmessung ergeben hätten.

Gegen seine Verurteilung wegen der Tat vom 3. Juni 2016 wendet sich der Betroffene mit seiner auf die näher ausgeführte Sachrüge und eine Verfahrensrüge gestützten Rechtsbeschwerde; zugleich behauptet er das Vorliegen eines Verfahrenshindernisses. Hinsichtlich der Verurteilung wegen der Tat vom 17. Februar 2016 begehrt er die Zulassung der Rechtsbeschwerde wegen einer behaupteten Gehörsverletzung; daneben erhebt er die Sachrüge. Die Generalstaatsanwaltschaft hat auf die Verwerfung beider Rechtsmittel als unbegründet angetragen, hinsichtlich der Rechtsbeschwerde mit der Maßgabe einer Schuldspruchberichtigung dahin, dass der Betroffene wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit zu verurteilen sei.

II.

Die hinsichtlich der Verurteilung wegen der Tat vom 3. Juni 2016 nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthafte und in zulässiger Weise angebrachte Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die Überprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Rechtsbeschwerdebegründung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO; § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG).

1. Verfahrenshindernisse sind nicht erkennbar.

Dem gerichtlichen Verfahren und der Verurteilung des Betroffenen liegt ein wirksamer Bußgeldbescheid zugrunde, der geeignet war, die Verfolgungsverjährung nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9, Abs. 3 Satz 1 OWiG zu unterbrechen, wie innerhalb der Dreimonatsfrist des § 26 Abs. 3 StVG auch rechtzeitig geschehen. Anders als der Betroffene meint, bleibt auf die Wirksamkeit des Bußgeldbescheides ohne Einfluss, dass die Verwaltungsakte im anfänglichen Verfahrensstadium ausschließlich digital geführt wurde.

Zwar fehlt es im Landesrecht von Rheinland-Pfalz nach wie vor an einer Rechtsgrundlage, welche eine elektronische Aktenführung durch die Verwaltungsbehörde in Bußgeldverfahren ermöglicht. Eine Rechtsverordnung auf Grundlage der Verordnungsermächtigungen in § 110a Abs. 1 OWiG n.F. oder § 110b OWiG a.F. ist nicht erlassen; vielmehr findet § 110a OWiG in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung weiter Anwendung (vgl. § 134 OWiG; § 1 Abs. 2 der "Landesverordnung zur Ausführung des § 15 des Einführungsgesetzes zur Strafprozessordnung und des § 134 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten" vom 6. November 2017, GVBl. RLP 2017, S. 246; s. bereits Senat, Beschluss vom 6. September 2016 - 1 OWi 3 SsRs 93/16 = BeckRS 2016, 20697). Die rein elektronische Führung einer Bußgeldakte kommt damit - noch - nicht in Betracht; das Vorhalten nur digitaler Unterlagen bildet keine prozessordnungsgemäße Dokumentation des Verfahrensgegenstandes und -verlaufes.

Die hiernach rechtswidrige Handhabung der Verwaltungsbehörde, alle verfahrensrelevanten Dokumente zunächst nur digital zu speichern und erst bei Bedarf auszudrucken, hat sich auf das Verfahren jedoch nicht ausgewirkt. Mit vollständigem Ausdruck der gespeicherten Verfahrensunterlagen ist die Verwaltungsbehörde zu einer Aktenführung in Papierform übergegangen. Die Ausdrucke bilden eine ausreichende Grundlage des weiteren Verwaltungs- und des gerichtlichen Verfahrens, zumal ein Großteil der Unterlagen von vornherein nur in digitaler Form ohne Papierurschrift - wie etwa die Messdaten - oder jedenfalls nicht als Originalurkunde - wie etwa der Eichschein oder Schulungsnachweise - vorlagen (s. näher Senat a.a.O.). Auch der Bußgeldbescheid ist ausgedruckt und in Papierform an den Betroffenen versandt worden; in dieser Gestalt bildet er die nach §§ 65 f. OWiG erlassene Urschrift. Einer Unterschrift oder besonderen aktenmäßigen Dokumentation seines Erlasses bedarf es nicht (§ 51 Abs. 1 Satz 2 OWiG, § 66 OWiG; vgl. BGHSt 23, 280; BGH NJW 1997, 1380). Dass der Bescheid auf einem individuellen Entschluss des bei der Bußgeldbehörde befassten Sachbearbeiters beruht, geht aus der Akte hinlänglich hervor.

Der von der Rechtsbeschwerde vermissten elektronischen Signatur bedarf es nicht. § 110c OWiG ist auf den vorliegenden Fall, in dem keine elektronische Aktenführung erfolgt und mangels einer hierzu ermächtigenden Verordnung des Landesgesetzgebers in rechtlich zulässiger Weise auch nicht erfolgen kann, unanwendbar. Etwaige Abweichungen übermittelter Dokumente von den aktenkundigen sind damit in herkömmlicher Weise festzustellen. Dies gilt auch für die Authentizität des aktenkundigen Bußgeldbescheides. Der Betroffene, welcher Akteneinsicht hatte, behauptet im Übrigen nicht, dass der an ihn versandte Bußgeldbescheid mit dem aktenkundig erlassenen inhaltlich nicht übereinstimmt.

2. Die erhobene Verfahrensrüge geht fehl. Sie ist bereits nicht in zulässiger Weise angebracht worden. Auch in der Sache hätte sie voraussichtlich keine Erfolgsaussicht gehabt.

a) Die Begründung der Rüge genügt nicht den Anforderungen von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG.

Hiernach muss der Betroffene die zugrunde liegende Tatsachen so genau und vollständig mitteilen, dass dem Rechtsbeschwerdegericht allein anhand der Begründungsschrift und ohne Rückgriff auf den Akteninhalt eine Beurteilung ermöglicht wird, ob der Mangel vorliegt, wenn die Tatsachen erwiesen wären (stg.Rspr., s. etwa BGHSt 3, 213, 214; 19, 273, 277; 21, 334, 340; 29, 203; BGH NStZ-RR 2013, 222; BGH NJW 2009, 605; Hadamitzky, in: Karlsruher Kommentar, OWiG, 5. Aufl., § 79 Rdn. 88 ff. m.w.Nachw.). Dies ist hier nicht der Fall. Der Senat ist allein aufgrund der Ausführungen in der Rechtsbeschwerdebegründung nicht in der Lage, den der Rüge zugrunde liegenden Verfahrenssachverhalt zu erfassen. Dies gilt unabhängig von der Zielrichtung der Rüge, namentlich, ob sie bei sachgerechtem Verständnis als Beanstandung eines Gehörsverstoßes oder der Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren aufzufassen ist, oder ob der Betroffene mit ihr einen Rechtsbeschwerdegrund nach § 338 Nr. 8 StPO, § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG geltend macht.

aa) Der Betroffene hat seine Rechtsbeschwerde und den Zulassungsantrag hinsichtlich seiner weiteren Verurteilung in einer einheitlichen Rechtsmittelbegründungsschrift zusammengefasst. Er beanstandet mit der im Anschluss an die Begründung des Zulassungsantrages (S. 2 - 12 Begründungsschrift, Bl. 307 ff. d.A.) ausgeführten Rechtsbeschwerde (S. 12 ff. Begründungsschrift, Bl. 317 ff. d.A.) als eine Verletzung des Anspruches auf rechtliches Gehör, dass ihm die "Dateien der Messserie" - gemeint sind offenbar solche Daten, die am Tag der verfahrensgegenständlichen Messung mit demselben Messgerät von anderen Verkehrsteilnehmern erfasst und gespeichert wurden - nicht zur Verfügung gestanden hätten. Die Rüge begründet er im Wesentlichen mit Rechtsausführungen, indem er unter umfangreicher Zitierung ausgewählter Rechtsprechung darlegt, dass ihm nach seiner Auffassung ein Anspruch auf Herausgabe entsprechender Daten insbesondere nach dem Konfrontationsrecht zugestanden hätte (Bl. 319 ff. d.A.).

Tatsachenvortrag zu dem der Rüge zugrunde liegenden konkreten Verfahrensgeschehens hält der Betroffene nicht. Insbesondere fehlt es an jeglicher zusammenhängenden Darstellung, ob und auf welche Weise die Daten der Messreihe zum Gegenstand des Verfahrens geworden sind, insbesondere, ob sie etwa aktenkundig zur Verfügung standen, welche Bemühungen der Betroffene zu ihrem Erhalt entfaltet hat, und wie diese durch das Amtsgericht beschieden wurden. Aus dem - durch die parallel erhobene Sachrüge zur Kenntnis des Senats gebrachten - Inhalt des angefochtenen Urteils ergibt sich lediglich, dass die Messreihe dem herangezogenen Sachverständigen zur Verfügung stand, indes keine darüber hinausreichenden Verfahrensumstände. Eine Beurteilung der Rüge ist auf dieser Grundlage nicht möglich.

bb) Allerdings hat der Betroffene im Rahmen seines Zulassungsantrages zu dem nach seiner Auffassung unrechtmäßig verweigerten Zugang zu den Daten näher vorgetragen. Seine diesbezüglichen Ausführungen können ohne weiteres jedoch nicht zur Ergänzung der Begründung der Rechtsbeschwerde herangezogen werden.

Bereits für eine einheitliche Revision- oder Rechtsbeschwerdebegründung gilt nach dem Maßstab von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG der Grundsatz, dass jede erhobene Verfahrensrüge ihrer eigenen Begründung bedarf (vgl. Gericke, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 7. Aufl., § 344 Rdn. 39; Wiedner, in: BeckOK StPO, Ed. 29, § 344 Rdn. 59). Auf Verfahrensgeschehen, das im Rahmen einer anderweitigen Rüge vorgetragen wurde, kann zur Vermeidung doppelten Vorbringens zwar verwiesen werden (vgl. BGH StV 2010, 676); die Zuordnung von Tatsachenvortrag zu bestimmten Rügen muss sich jedoch eindeutig ergeben. So reicht es nicht aus, ein zur Begründung einer anderweitigen Rüge vorgebrachtes Verfahrensgeschehen pauschal in Bezug zu nehmen, wenn dieses auch für die anderweitige Rüge relevante Vorgänge umfasst (vgl. BGH NStZ 2005, 463; Urteil vom 4. September 2014 - 1 StR 75/14 [Rdn. 66 ff., juris] = BeckRS 2014, 23581, jeweils zur Revision). Versteht sich nicht von selbst, dass zwei Rügen ein identisches Verfahrensgeschehen zugrunde liegt, muss seitens des Rechtsmittelführers klargestellt werden, welche Verfahrensvorgänge aus welchem Grund auch für die weitere Rüge erheblich sind. Denn anderenfalls bliebe es dem Rechtsbeschwerdegericht überlassen, den Vortrag zu einzelnen Rügen aus den vorangestellten Unterlagen an jeweils passender Stelle zu ergänzen und dabei den notwendigen Sachzusammenhang selbst herzustellen. Dies ist jedoch nicht seine Aufgabe (vgl. BGH a.a.O.; BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Formerfordernis 1).

Im vorliegenden Fall fehlt es schon an einer ausdrücklichen oder konkludenten Bezugnahme in der Rechtsbeschwerdebegründung auf bestimmte Ausführungen in der Begründung des Zulassungsantrages, so dass schon aus diesem Grund nicht erkennbar ist, ob und in welchem Umfang der Betroffene letztere auch zur Begründung der Rechtsbeschwerde heranziehen möchte. Darüber hinaus besteht die Besonderheit, dass es sich bei dem Zulassungsantrag und der Rechtsbeschwerde um gesonderte Rechtsmittel handelt, die zwei unterschiedliche Verurteilungen des Betroffenen wegen verschiedener Taten zum Gegenstand haben, und deren Begründungen von den Betroffenen nur äußerlich in einem Schriftsatz zusammengefasst wurden. Die Verfahren wurden bis zu ihrer Verbindung getrennt voneinander geführt. Die Verurteilungen beruhen auf unterschiedlichen Geschwindigkeitsmessungen an verschiedenen Tagen und verschiedenen Messstellen; damit bestanden zugleich notwendigerweise unterschiedliche Messreihen, in die der Betroffene Einsicht begehrt.

Damit lag auch in der Sache nicht nahe, geschweige denn auf der Hand, dass das der einen Verurteilung zugrunde liegende Verfahrensgeschehen in gleicher Weise die andere Verurteilung betrifft. Insbesondere wich der tatsächliche Gegenstand des der Rechtsbeschwerde zugrunde liegenden Verfahrens und der mit ihr verfolgten Rüge offensichtlich von jenem des Zulassungsverfahrens ab. Der Betroffene hätte daher - neben der bereits fehlenden Bezugnahme - zumindest klarstellen müssen, welche in dem Zulassungsantrag dargestellten Verfahrenshandlungen beide Verfahren und beide Datensätze betrafen. Dies wäre umso vordringlicher gewesen, als die Begründung des Zulassungsantrages über die Zuordnung der dort dargestellten Verfahrenshandlungen keinen Aufschluss gibt. So bezieht sich der dort wiedergegebene, vor Verfahrensverbindung gestellte Antrag der Verteidigung vom 17. Mai 2017 (S. 2 Begründungsschrift, Bl. 307 f. d.A.) zwar auf die Messung vom 3. Juni 2016, wurde von dem Amtsgericht jedoch - gleichfalls vor Verfahrensverbindung - im Verfahren 2010 Js 18094/16 beschieden (S. 4 Begründungsschrift, Bl. 309 d.A.). Entsprechender Vortrag ist aber nicht gehalten.

Ist das Rechtsmittelgericht bereits bei einer einheitlichen Rechtsbeschwerdebegründung zur rügeübergreifenden Berücksichtigung von Sachvortrag nicht befugt, gilt dies erst recht bei unterschiedlichen Rechtsmitteln. Der Senat vermag daher Ausführungen, die nach der Rechtsmittelschrift ausschließlich zur Begründung des Zulassungsantrages dienen sollten, nicht auch zur Begründung der Rechtsbeschwerde heranzuziehen. Er ist insbesondere nicht gehalten, fehlenden Rügevortrag aus rechtsmittelfremdem Vorbringen des Betroffenen und - wie hier zudem erforderlich wäre - aus den Akten an passender Stelle zu ergänzen und dabei einen Sachzusammenhang selbst herzustellen.

cc) Der Senat bemerkt, dass selbst bei Berücksichtigung des zur Begründung des Zulassungsantrages gehaltenen Vortrages die Verfahrensrüge nicht abschließend geprüft werden könnte.

Dies gilt bereits hinsichtlich der äußerlichen Form des Vortrages. Der Betroffene hat in die Begründung des Zulassungsantrages einen Schriftsatz seines Verteidigers, ein gerichtliches Hauptverhandlungsprotokoll und einen Gerichtsbeschluss in Form stark verkleinerter Kopien eingefügt. In der Abschrift, die am 22. Januar 2018 innerhalb der Frist nach § 345 Abs. 1 StPO, § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG per Telefax an das Amtsgericht übermittelt wurde, sind die Unterlagen - wie vorhersehbar - durch die Übermittlung weiter verkleinert worden und danach nicht mehr zu entziffern (Bl. 289 ff. d.A.). Selbst das nach Ablauf der Begründungsfrist eingegangene Original der Begründungsschrift ist teilweise nicht lesbar (Bl. 310 d.A.). Die Erfordernisse von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG sind damit nicht gewahrt (vgl. BGHSt 33, 44).

Inhaltlich beschränkt sich der Vortrag in dem Zulassungsantrag auf die Wiedergabe von Anträgen der Verteidigung, die sich auf die Herausgabe der Messdaten und Statistikdatei bezüglich aller gemessenen Fahrzeuge richteten, und ihrer Bescheidung durch das Amtsgericht. Zudem ergibt sich aus den Darlegungen sowie aus dem angefochtenen Urteil, dass dem gerichtlich beauftragten Sachverständigen die Daten der Messserie zur Verfügung standen. An jeglicher sonstigen Darlegung des zugrunde liegenden Verfahrensverlaufes fehlt es jedoch. Nicht mitgeteilt ist insbesondere, welcher Gutachtenauftrag dem Sachverständigen erteilt wurde, aufgrund welcher Besonderheiten des Messvorganges und welchen Vortrages des Betroffenen die Beauftragung erfolgte, und wo sich die Daten der Messreihe befanden, insbesondere, ob sie dem Amtsgericht zur Verfügung standen und es sich um bereits amtlich verwahrte Beweisstücke für das vorliegende Verfahren handelte (vgl. § 147 Abs. 1 und 4 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG). Vorgetragen ist weiter nicht, auf welche Weise der Sachverständige in den Besitz der Daten gelangt ist, ob sie ihm etwa durch das Amtsgericht zur Verfügung gestellt wurden oder sie von dem Sachverständigen ohne gerichtliche Aufforderung selbst angefordert wurden. Für eine etwaige Versagung rechtlichen Gehörs kommt es jedoch maßgeblich darauf an, ob und in welcher Weise der Zugang zu verfahrensgegenständlichen enthalten verwehrt wurde, insbesondere, ob diese aktenkundig waren. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen es der Grundsatz fairen Verfahrens - auch in seiner Ausprägung als absoluter Rechtsbeschwerdegrund nach § 338 Nr. 8, StPO, § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG - gebietet, die einem Sachverständigen verfügbaren Anknüpfungstatsachen der Verteidigung zugänglich zu machen, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls, namentlich nach der hieraus dem Gericht obliegenden Aufklärungspflicht (BGH StV 1995, 565). In der Beurteilung können sich Unterschiede etwa nach der Reichweite des Gutachtensauftrages oder danach ergeben, ob das fragliche Datenmaterial bereits gerichtlicher Aktenbestandteil gewesen ist und das Gericht hiernach selbst Veranlassung zu seiner Überprüfung gesehen hat.

Schließlich ist nicht vorgetragen, welche Auswirkungen auf die ergangene Entscheidung sich aus der verweigerten Übermittlung der Messdaten ergeben könnten (vgl. OLG Bamberg DAR 2016, 337). Der Senat verkennt nicht, dass das Begehren des Betroffenen sich darauf richtet, die Daten der Messserie zur Verfügung gestellt zu bekommen, um erst hieraus Einwendungen gegen die zu Grunde liegende Messung herleiten zu können, so dass ihm konkreter Sachvortrag verschlossen bleibt. Eine Verletzung des Anspruches auf rechtliches Gehör setzt jedoch voraus, dass der behauptete Gehörsverstoß sich in entscheidungserheblicher Weise zumindest ausgewirkt haben kann. Auch § 338 Nr. 8 StPO erfordert zumindest die Möglichkeit eines kausalen Zusammenhangs zwischen dem geltend gemachten Verfahrensverstoß und dem Urteil; gleiches gilt für den - relativen - Revisionsgrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens. Im Rahmen der Begründung müssen daher Tatsachen vorgetragen werden, aufgrund derer wenigstens die Möglichkeit des Beruhens des ergangenen Urteils auf dem behaupteten Verfahrensfehler durch das Revisions- oder Rechtsbeschwerdegericht geprüft werden kann (vgl. BGHSt 30, 131, 135; BGH NStZ 2014, 347; OLG Bamberg a.a.O.). Vorliegend ist schon im Grundsatz nicht erkennbar, inwieweit die Überprüfung anderweitiger Verkehrsverstöße am Messtag oder statistisches Material hierüber, etwa die Verwerfungsrate des zum Einsatz gelangten Messgerätes, Rückschlüsse auf eine Fehlerhaftigkeit der verfahrensgegenständlichen Messung zulassen könnte; dies gilt zumal dann, wenn diese anhand des konkreten Falldatensatz einer sachverständigen Überprüfung unterlegen hat. Die Begründung der Rechtsbeschwerde trägt hierzu außer durch einen Verweis auf die "Messbeständigkeit" (S. 10 Begründungsschrift, Bl. 315 d.A.) nichts bei. Auch die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen erhellen nicht, unter welchen Umständen die Daten der Messserie für die verfahrensgegenständliche Messung von Belang sein könnten.

b) Über den sachlichen Gehalt der Rüge muss damit nicht befunden werden. Der Einzelrichter des Senats bemerkt allerdings:

aa) Ein Anspruch eines Betroffenen auf Beiziehung der digitalen Messreihe besteht grundsätzlich weder unter Aufklärungsgrundsätzen noch aus dem Recht auf ein faires Verfahren.

(1) Eine Geschwindigkeitsmessung unter Einsatz einer Messanlage des Systems ES 3.0 ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung als standardisiertes Messverfahren anerkannt (vgl. Senat, Beschlüsse vom 15. Dezember 2016 - 1 OWi 4 SsBs 83/16, vom 8. Juli 2016 - 1 OWi 4 SsRs 63/16, und vom 25. Juni 2018 -1 SsBs 43/18; OLG Koblenz [2. StrS] ZfSch 2014, 530; OLG Köln NZV 2013, 459; OLG Zweibrücken ZfSch 2013, 51; OLG Hamm, Beschluss vom 29. Januar 2013 - III-1 RBs 2/13 [juris]) Um ein derartiges Verfahren handelt es sich, wenn die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind (vgl. BGHSt 39, 291; 43, 277, 283 f.). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, entscheidet sich durch die Zulassung des Gerätesystems und der Messmethode oder einer entsprechenden Konformitätserklärung, nachdem das Messverfahren geprüft und das Gerätesystem in Testreihen auch unter atypischen Szenarien auf seine Zuverlässigkeit und Störungsresistenz untersucht worden ist (vgl. zum Konformitätsbewertungsverfahren § 9 MessEV; zum alten Recht OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. Juli 2015 - IV-1 RBs 200/14; OLG Frankfurt, Beschluss vom 4. Dezember 2014- 2 Ss-OWi 1041/14 [jeweils juris]; s. näher die PTB-Anforderungen für Messgeräte im öffentlichen Verkehr - Geschwindigkeitsüberwachungsgeräte [PTB-A 12.01] vom Oktober 2015, abrufbar unter https://www.ptb.de/cms/ptb/fachabteilungen/abt1/fb-13/ag-131/archiv-der-ptb-anforderungen.html).

Das vor Zulassung oder der Konformitätserklärung durchgeführte Prüfverfahren führt zu einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit, dass das geprüfte Gerätemuster innerhalb der Verkehrsfehlergrenzen zuverlässige Ergebnisse erbringt; gleiches gilt für jedes in Serie produzierte baugleiche Gerät, das von der Eichbehörde geprüft worden ist. Bei Einsatz derartiger Geräte besteht damit eine entsprechend hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass keine systemimmanenten Fehlerquellen vorliegen, und dass eine Messung bei Einhaltung der vorgesehenen Betriebsbedingungen ein innerhalb der Verkehrsfehlergrenzen zutreffendes Ergebnis geliefert hat. In Massenverfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten ist diese Wahrscheinlichkeit für die richterliche Überzeugungsbildung regelmäßig ausreichend; einer Gewissheit der Geschwindigkeitsüberschreitung oder der Dokumentation ihres exakten naturwissenschaftlichen Nachweises bedarf es nicht. Der Tatrichter hat nur dann Veranlassung, die Zuverlässigkeit von Messungen zu überprüfen, die mit einem standardisierten Messverfahren gewonnen worden sind, wenn sich konkrete Tatsachen ergeben, die geeignet sind, Zweifel an der Richtigkeit des Messergebnisses zu wecken (std.Rspr. seit BGHSt 39, 291, 297; s. etwa BGHSt 43, 277; OLG Köln NZV 2003, 100, 101; NZV 2013, 459; OLG Stuttgart NZV 2008, 43; OLG Hamm NZV 2002, 282).

Vor diesem Hintergrund kann die Beiziehung und Auswertung der Daten einer Messreihe nur dann veranlasst sein, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich aus derartigen Daten oder ihrer sachverständigen Untersuchung Umstände ergeben, welche die Richtigkeit der verfahrensgegenständlichen Messung in Frage stellen. Dies ist regelmäßig nicht der Fall. Vielmehr liegt entsprechenden Anträgen regelmäßig - wie auch im zugrunde liegenden Verfahren - die nicht tatsachengestützte und allgemein gehaltene Behauptung zugrunde, dass das verfahrensgegenständliche Messgerät nicht zuverlässig funktioniere, etwa weil an ihm zwischen Eichung und Messung Veränderungen eingetreten sein könnten, die Einfluss auf das Messergebnis haben können, oder dass die konkrete Handhabung des Gerätes bei der Messung fehlerträchtig gewesen sein könnte. Zugleich wird behauptet, dass derartige Unregelmäßigkeiten aus der Untersuchung einer mehr oder weniger großen Anzahl verfahrensfremder Messvorgänge abzuleiten sein könnten, ohne dass hierfür Anhaltspunkte bezeichnet werden.

(2) Die Äußerung einer derartigen - doppelten - Vermutung begründet keine verfahrensrechtliche Verpflichtung der Gerichte, die Daten beizuziehen und auszuwerten oder sie dem Betroffenen zur Verfügung zu stellen. Nach gefestigter Rechtsprechung sind die Straf- und Bußgeldgerichte nicht verpflichtet, bei inkonkreten und spekulativen Behauptungen ins Blaue hinein Beweis-, Beweisermittlungsanträgen oder Beweisanregungen nachzukommen (BGH NStZ 2009, 226; NStZ 2006, 405; NStZ 1992, 397; NStZ 1993, 293; NStZ 1989, 334; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 244 Rdn. 20a m.w.Nachw.). Ebenso wenig existiert eine geschriebene Regelung oder ein ungeschriebener Grundsatz, der eine Verfolgungsbehörde oder ein Gericht verpflichtetet, einem Betroffenen bei der Suche nach möglichen Verteidigungsansätzen behilflich zu sein, indem ihm eine Vielzahl verfahrensfremder Daten zur Verfügung gestellt wird.

Es trifft auch nicht zu, dass anderes aus angeblichen Besonderheiten beim Nachweis von Geschwindigkeitsverstößen abzuleiten sein könnte (so indes VerfGH Saarbrücken, Beschluss vom 27. April 2018 - 1 Lv 1/18; dagegen zutreffend OLG Bamberg, Beschluss vom 13. Juni 2018 - 3 Ss OWi 626/18 [juris]; s. bereits OLG Frankfurt NStZ-RR 2016, 320). Die Verfolgung straßenverkehrsrechtliche Ordnungswidrigkeiten erfolgt auf Grundlage derselben Verfahrensgrundsätze wie in sonstigen Bußgeld- und Strafverfahren, namentlich unter Beachtung der Unschuldsvermutung und des rechtsstaatlichen Grundsatzes, dass es den Verfolgungsbehörden und Gerichten obliegt, einem Angeklagten oder Betroffenen eine Tatbegehung nachzuweisen. Die Voraussetzungen für einen derartigen Nachweis sind bei Vorliegen eines standardisierten Messverfahrens weder herabgesetzt, noch besteht in diesem Fall eine - im Straf- und Bußgeldverfahren von vornherein ausgeschlossene - "Richtigkeitsvermutung", die mit einer "Darlegungs- und Beibringungslast" des Betroffenen einherginge (so indes VerfGH Saarbrücken a.a.O.). Vielmehr bieten die Zulassung oder Konformitätsbewertung von Geräten und Methoden, die Vornahme einer regelmäßigen Eichung und die Berücksichtigung eines Toleranzwertes eine hinreichende tatsächliche Grundlage dafür, von der Richtigkeit des Messergebnisses auszugehen, es im Wege des Zeugen-, Urkunds- und/oder Augenscheinsbeweises in die Hauptverhandlung einzuführen und darauf beweiswürdigend eine Verurteilung zu stützen. Der Bußgeldrichter ist hierzu nicht anders legitimiert als ein Strafgericht, das eine unter Einsatz geprüfter Untersuchungsgeräte vorgenommene Bestimmung der Blutalkoholkonzentration, eines DNA-Profils, des Wirkstoffgehaltes von Betäubungsmitteln oder das Ergebnis anderweitiger chemischer, biologischer oder physikalischer Untersuchungen seiner Überzeugungsbildung zugrunde legt.

Die gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO, § 71 Abs. 1 OWiG) ist durch ein derartiges Vorgehen nicht suspendiert (s. auch § 77 Abs. 1 Satz 1 OWiG). Sie ist inhaltlich aber von vornherein darauf beschränkt, tatsächlich vorhandenen Ermittlungsansätzen nachzugehen, die ein zu Lasten des Angeklagten oder Betroffenen gehendes vorläufiges Ermittlungsergebnis entkräften könnten. Bieten sich solche nicht, ist ein Straf- oder Bußgeldgericht nicht gehalten, Ermittlungen vorzunehmen, die sich auf die nur theoretische, nicht tatsachengestützte Möglichkeit einer Entlastung gründen. Die Mitwirkungsrechte des Betroffenen reichen hierüber nicht hinaus; ihm steht weder ein verfahrensrechtlicher Anspruch auf derartige Ermittlungen zu. Eine Darlegungs- oder gar Beweislast ist ihm hierdurch nicht auferlegt (OLG Bamberg, Beschluss vom 13. Juni 2018 - 3 Ss OWi 626/18 [juris]). Auch der Grundsatz des fairen Verfahrens ist nicht berührt (vgl. BGHSt 30, 131, bestätigt durch BVerfGE 63, 45).

(3) In tatsächlicher Hinsicht ist aber nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die Beiziehung und Auswertung verfahrensfremder Daten geeignet sein könnten, die Überzeugungsbildung des Tatrichters zu beeinflussen.

Der Begriff der "Messreihe" ist unbestimmt. Hierunter werden gemeinhin die personen- und fahrzeugbezogenen Daten verstanden, die im Zeitraum zwischen Inbetriebnahme und Abbau eines mobilen Messgerätes am Tag und Ort der verfahrensgegenständlichen Messung von anderen Verkehrsteilnehmern zum Nachweis eines Verkehrsverstoßes gewonnen und gespeichert worden sind; ihre Anzahl kann sich zwischen Null und mehreren Tausend Datensätzen bewegen. Bei stationären Messanlagen in Dauerbetrieb hilft der Begriff nicht weiter; es müsste eine willkürliche Anzahl von Messvorgängen vor und nach der verfahrensgegenständlichen Messung herausgegriffen werden.

Nur die Messdatei des konkreten Verkehrsvorganges bezieht sich auf den verfahrensgegenständlichen Vorwurf und ist Beweismittel für diesen. Warum die Messung eines anderen Verkehrsvorganges Aufschluss darüber geben, ob die verfahrensgegenständliche Messung zutreffend ist, erschließt sich ohne weiteres nicht. Die Daten einer Messreihe belegen allein, dass es neben dem Betroffenen noch weitere Personen gab, deren Fahrzeuge während eines bestimmten Zeitraumes mit demselben Gerät als zu schnell gemessen wurden. Daneben erlauben die statistischen Daten der anderweitigen Messungen die Aussage darüber, mit welcher Rate das Messgerät andere Messungen aufgrund einer internen Fehlerkontrolle storniert hat. Selbst eine hohe Annullierungsrate belegt aber nur, dass das Gerät bei anderen Messungen Unregelmäßigkeiten festgestellt und die Messung sodann verworfen hat. Einen Rückschluss darauf, dass die verfahrensgegenständliche Messung unzutreffend sei, lässt sich hieraus nicht ziehen; eher könnte im Umkehrschluss gefolgert werden, dass bei nachweislicher Funktion der Selbstkorrektur des Gerätes bei der verfahrensgegenständlichen Messung keine Unregelmäßigkeiten festgestellt wurden, die das Gerät zu ihrer Verwerfung veranlassen konnten.

Ein die Messreihe insgesamt betreffender Fehler, der sich in anderen Dateien abbildet, müsste dagegen auch in der Messdatei des konkreten Verkehrsverstoßes zu erkennen sein. So würde ein geräteimmanenter Mangel aus den Messdaten gleichermaßen hervorgehen, mithin auch aus der verfahrensgegenständlichen, so dass von der Auswertung verfahrensfremder Messdaten kein weiterreichender Erkenntnisgewinn zu erwarten wäre. Gleiches gilt für etwaige Aufbaufehler, sofern sich solche - wie bei Einsatz von ES 3.0 regelmäßig nicht - überhaupt aus der Messdatei ablesen und nicht nur über die Aussagen oder Dokumentationen der Messbeamten feststellen ließen. Ergeben sich aus den verfahrensgegenständlichen Daten keine Besonderheiten, kann daher von Besonderheiten in anderen Falldateien nicht ohne weiteres auf eine Fehlerhaftigkeit der Messung geschlossen werden.

(4) Schließlich stehen auch Belange des Datenschutzes der Herausgabe einer Vielzahl verfahrensfremder Messdaten entgegen (s. bereits OLG Frankfurt NStZ-RR 2016, 320). Jede anderweitige Falldatei einer Messreihe enthält ebenso wie die verfahrensgegenständliche ein digitales Beweisfoto mit personenbezogenen Informationen in Form des Fahrzeuges, seines Kennzeichens und einer Abbildung des Fahrers; über diesen wird nicht nur bekannt, dass er einen bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt passiert hat, sondern auch, dass dies höchstwahrscheinlich mit überhöhter Geschwindigkeit geschehen ist, und dass er deshalb als Betroffener in einem anderweitigen Bußgeldverfahren einer Ordnungswidrigkeit beschuldigt wird. Die Beiziehung derartiger verfahrensfremder Daten - und ihre hiernach den Verfahrensbeteiligten über § 147 StPO zustehende Einsicht - knüpft § 474 Abs. 1, Abs. 4 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG daran, dass sie für Zwecke der Rechtspflege erforderlich ist. Die Erforderlichkeit ist Ausprägung des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprinzipes (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 474 Rdn. 4); sie ist von der Akteneinsicht begehrenden Justizbehörde zu prüfen und in ein Verhältnis zu dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und dem hieraus abgeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung der anderweitigen Verkehrsteilnehmer zu setzen (vgl. Gieg, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 7. Aufl., vor § 474 Rdn. 1b, § 474 Rdn. 3; Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. vor § 474 Rdn. 1). Die Übermittlung einer Vielzahl - bei langandauernden Messungen bis hin zu Tausenden - personenbezogener Daten könnte sich hiernach allenfalls dann rechtfertigen, wenn sie für das Verfahren vor der anfordernden Behörde gesichert von Bedeutung wäre; ansonsten käme sie unter Aufklärungsgesichtspunkten nicht in Betracht (s. auch § 77 Abs. 1 Satz 2 OWiG).

bb) Ob im vorliegenden Fall ausnahmsweise anderes geboten ist, weil ein von dem Amtsgericht herangezogener Sachverständiger sich - nach Aktenlage ohne Anweisung des Amtsgerichts - die Daten der Messreihe von der Verwaltungsbehörde verschafft und in sein Gutachten einbezogen hat, ohne dass er hieraus jedoch Verfahrenserhebliches abzuleiten vermochte, unterliegt durchgreifenden Zweifeln, kann letztlich aber offen bleiben.

Zwar müssen Befundtatsachen, die das Gericht durch Übernahme eines Sachverständigengutachtens verwerten will, den Verfahrensbeteiligten grundsätzlich zugänglich sein (vgl. (BVerfG NJW 1995, 40 für Zivilverfahren). Allerdings besteht ein unbedingter, keinen Beschränkungen unterliegender Anspruch eines Verfahrensbeteiligten auf Vorlage und Zugänglichmachung sämtlicher zur Vorbereitung eines Sachverständigengutachtens dienender Arbeitsunterlagen im Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren nicht. Ob der Tatrichter die Offenlegung der Arbeitsunterlagen des Sachverständigen verlangen muss, bestimmt sich nach seiner Verpflichtung, das Gutachten in seinen Grundlagen und Schlussfolgerungen auf seine Richtigkeit in nachvollziehbarer Weise zu würdigen. Ob und inwieweit das Gericht und die Verfahrensbeteiligten Kenntnis von den vorbereitenden Unterlagen haben müssen, ist Frage des Einzelfalles nach Maßstab der tatrichterlichen Aufklärungspflicht (BGH StV 1995, 565; BVerfG a.a.O.). Hiernach sprechen der - auch nach dem Inhalt des eingeholten Gutachtens - fehlende Erkenntniswert der Messreihe und die berührten datenschutzrechtlichen Belange dagegen, dass die Daten offenzulegen gewesen wären. Dies gilt zumal deshalb, weil die Verteidigung die Gelegenheit hatte, den gerichtlich bestellten Sachverständigen in der Hauptverhandlung zum Inhalt und Beweiswert der Messreihe zu befragen, hierauf gestützt das Untersuchungsergebnis kritisch zu würdigen und dabei auch zu verdeutlichen, warum die Daten von Bedeutung sind und einer Würdigung bedurft hätten. Im vorliegenden Fall ist auch keine - möglicherweise vorrangige - tatrichterliche Einschätzung dahin erkennbar, dass die Daten zur Aufklärung des Sachverhaltes erforderlich waren. Denn die Daten sind weder durch die Bußgeldrichterin selbst beigezogen worden, noch hatte diese den Sachverständigen zu ihrer Beiziehung angewiesen. Sie befanden sich auch zu keinem Zeitpunkt in der Verfügungsgewalt des Gerichtes.

3. In sachlich-rechtlicher Hinsicht ist das angefochtene Urteil gleichfalls nicht zu beanstanden.

a) Ob das Vorbringen, dem angefochtenen Urteil fehle es an einer hinreichenden Unterschrift des Tatrichters, nur im Wege einer ausgeführten Verfahrensrüge und sodann als Revisionsgrund nach § 338 Nr. 7 StPO Berücksichtigung finden könnte (vgl. Wiedner, in: BeckOK StPO, Ed. 29, § 338 Rdn. 171 ff.), bedarf keiner Entscheidung. Ein Mangel liegt jedenfalls nicht vor. Die Unterschrift der Bußgeldrichterin unter dem angefochtenen Urteil trägt deutlich individualisierte Züge und genügt damit den an sie zu stellenden Anforderungen; lesbar braucht sie nicht zu sein (vgl. (BGHSt 12, 317, 318;BGHR StPO § 275 Abs. 2 S. 1 Unterschrift 1).

b) Die Beweiswürdigung des Amtsgerichts hält rechtlicher Überprüfung stand. Insbesondere ist die Fahrereigenschaft des Betroffenen hinreichend belegt. Der von der Bußgeldrichterin vorgenommene Verweis auf die aktenkundigen Lichtbilder von dem Betroffenen genügt trotz der fehlenden Angabe der genauen Aktenfundstelle noch den Anforderungen von § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO, § 71 Abs. 1 OWiG, da über den Gegenstand der Bezugnahme nach Lage des Falles (vgl. BGH NStZ-RR 2016, 178), insbesondere der näheren Bezeichnung der Bilder im Urteil und dem Aktenaufbau, kein Zweifel bestehen kann.

Die Geschwindigkeitsüberschreitung hat das Amtsgericht zutreffend auf das Ergebnis der mit einem standardisierten Verfahren durchgeführten Geschwindigkeitsmessung, die nach den Ausführungen des herangezogenen Sachverständigen aus technischer Sicht nachvollzogen werden konnte, unter Abzug einer hinreichenden Messtoleranz gestützt. Bei der unzutreffenden Angabe des Namens des Sachverständigen auf Seite 4 der Urteilsgründe (richtige Bezeichnung dagegen auf Seite 6) handelt es sich ersichtlich um einen Schreibfehler, auf dem das Urteil nicht beruhen kann.

c) Die Rechtsfolgenbemessung ist nicht zu beanstanden. Insbesondere steht der Zeitablauf seit Tatbegehung der Verhängung eines Fahrverbotes nicht entgegen. Insoweit ist in der Rechtsprechung eine Dauer von zwei Jahren zwischen der Tat und der erstinstanzlichen Entscheidung anerkannt, ab welchem zumindest Anlass zur Erörterung besteht, ob der spezialpräventive Zweck der Maßnahme nach den Umständen des Einzelfalls noch erreicht werden kann (vgl. OLG Stuttgart NZV 2017, 341; OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2007, 323; OLG Saarbrücken VRS 126 [2014], 203; OLG Hamm, Beschluss vom 24. Januar 2012 - III-3 RBs 364/1; OLG Naumburg, Beschluss vom 13. Juni 2017 - 2 Ws 132/17 [jeweils juris]; zu § 44 StGB vgl. BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2001 - 5 StR 439/01 [juris] = wistra 2002, 57; OLG Stuttgart NZV 2016, 292; OLG Hamm NZV 2004, 598; VRS 109 [2005], 19; OLG Düsseldorf, NZV 1993, 76). Dieser Zeitraum ist hier nicht erreicht; zwischen Tat und dem Erlass des angefochtenen Urteils liegen knapp ein Jahr und sechs Monate. Nicht außer Betracht bleiben kann in diesem Zusammenhang auch, dass der Betroffene das erstinstanzliche Verfahren durch eine Mehrzahl erkennbar unbehelflicher Anträge - etwa: die Akten anderweitiger Bußgeldverfahren beizuziehen und dort befasste Richter zu vernehmen (Bl. 128 d.A.), oder das Verfahren zum Zwecke einer Vorlage an den EuGH und dortiger Entscheidung über Fragen der Auslegung der Europäischen Menschenrechtskonvention (sic) auszusetzen (Bl. 239 d.A.) - und die Einlegung unzulässiger Beschwerden (Bl. 109, 219 d.A.) selbst nicht unerheblich verzögert hat.

4. Dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft auf Vornahme einer Schuldspruchberichtigung dahingehend, dass der Betroffene nicht - wie von dem Amtsgericht angenommen - einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung, sondern einer vorsätzlichen Tatbegehung schuldig ist, war nicht nachzukommen.

a) Ob dem Betroffenen eine vorsätzliche oder fahrlässige Begehungsweise anzulasten ist, unterliegt tatrichterlicher Beurteilung auf Grundlage einer Gesamtwürdigung aller in Betracht kommenden Beweisanzeichen. Dem auf eine Rechtskontrolle beschränkten Revisions- oder Rechtsbeschwerdegericht ist die eigene Vornahme einer derartigen Bewertung grundsätzlich verwehrt. Dies gilt auch dann, wenn der Rückschluss auf eine vorsätzliche Tatbegehung nach den im Urteil mitgeteilten Tatumständen möglich gewesen wäre oder er sich sogar aufgedrängt hätte (vgl. hierzu Senat, Beschlüsse vom 6. Oktober 2014 - 1 OWi 3 SsBs 51/14 und vom 13. Juli 2015 - 1 OWi 4 SsBs 39/15; OLG Koblenz [2. StrS], Beschluss vom 14. Oktober 2013 - 2 SsBs 14/13). Soweit § 79 Abs. 6 OWiG eine eigene Sachentscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erlaubt, ist diese auf Fälle beschränkt, in denen es keine eigenen tatsächlichen Feststellungen zur Schuld- oder Straffrage treffen muss (vgl. Seitz/Bauer, in: Göhler, Ordnungswidrigkeitengesetz, 17. Aufl., § 79 Rdn. 47; Hadamitzky, in: Karlsruher Kommentar, OWiG, 5. Aufl., § 79 Rdn. 153).

b) Neue Feststellungen auf Grundlage eines tatsächlichen Bewertungsaktes wären hier vor einer Umstellung des Schuldspruches aber erforderlich gewesen.

In dem angefochtenen Urteil ist ausdrücklich ein fahrlässiges Verhalten des Betroffenen festgestellt worden (UA S. 3), weil das Amtsgericht aus den vorliegenden Anknüpfungstatsachen den Rückschluss auf einen Vorsatz nicht ziehen wollte. Diese Bewertung beruht zwar auf einer lückenhaften Beweiswürdigung. Denn es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass Verkehrsteilnehmer geschwindigkeitsbeschränkende Vorschriftszeichen, welche ordnungsgemäß - nach den Feststellungen hier beidseitig der Fahrbahn (UA S. 3) - aufgestellt sind, auch wahrnehmen (BGHSt 43, 241, 250 f.; Senat, Beschluss vom 24. Juni 2014 - 1 OWi 3 SsBs 31/14; OLG Koblenz [2. StrS], Beschluss vom 24. September 2010 - 2 SsBs 108/10); Gegenteiliges ist vorliegend nicht geltend gemacht. Der Betroffene hat die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h auch um 41 km/h überschritten, woraus sich ein beweiskräftiges Indiz für seine Kenntnis von der gefahrenen Geschwindigkeit ergibt (vgl. Senat, Beschluss vom 6. Oktober 2014 - 1 OWi 3 SsBs 51/14; OLG Koblenz [2. StrS], Beschluss vom 2. Oktober 2009 - 2 SsBs 100/09 [in NZV 2010, 212 nur teilweise abgedruckt]; KG NZV 2005, 596; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2006, 249; OLG Celle NZV 2011, 618). Die Grenze zu besonders massiven, "qualifizierten" Geschwindigkeitsüberschreitungen, bei denen im Normalfall allein aus ihrem objektiven Ausmaß auf eine vorsätzliche Tatbegehung geschlossen werden kann, liegt im außerörtlichen Bereich bei einer absoluten Überschreitung um 40 km/h (vgl. Senat a.a.O.; OLG Koblenz [2. StrS] NStZ 2000, 58; Beschluss vom 2. Oktober 2009 - 2 SsBs 100/09 [juris, Rdn. 27]).

All dies ändert jedoch nichts daran, dass die festgestellten Tatsachen die Annahme einer vorsätzlichen Begehungsweise zwar nahe-, aber nicht derart belegen, dass sie aus den Feststellungen ohne weiteres folgen würde, wie für eine Schuldspruchberichtigung erforderlich. Vielmehr bedürfte es einer Ergänzung der beweiswürdigenden Bewertung des Amtsgerichts. Zu der Behebung eines Darlegungsmangels durch eigene Beweiswürdigung ist das Rechtsbeschwerdegericht gerade nicht befugt.

III.

Der statthafte (§ 80 Abs. 1, Abs. 2 OWiG) und in zulässiger Weise angebrachte Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde erzielt gleichfalls keinen Erfolg. Eine Zulassung wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör oder zum Zweck einer Rechtsfortbildung in sachlich-rechtlicher Hinsicht, wie angesichts der Verurteilung zu einer Geldbuße von nicht mehr als 100 € allein in Betracht kommt (§ 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG), ist nicht veranlasst.

1. Die Rüge eines Gehörsverstoßes ist nicht - wie auch im Rahmen des Zulassungsantrages indes erforderlich gewesen wäre (§ 80 Abs. 3 Satz 3 OWiG; s. etwa Senat, Beschlüsse vom 9. Juni 2006 - 1 Ss 161/06, vom 25. Juni 2012 - 1 SsRs 47/12, und vom 28. Januar 2016 - 1 OWi 3 SsRs 129/15; Hadamitzky, in: Karlsruher Kommentar, OWiG, 5. Aufl., § 79 Rdn. 88 ff., § 80 Rdn. 40c, 41b m.w.Nachw) - in einer den Anforderungen von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Weise ausgeführt worden. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die Ausführungen zu der von dem Betroffenen zugleich erhobenen Rechtsbeschwerde (oben I. 2. lit. a) cc)); er ergänzt, dass der von dem Betroffenen im Rahmen der Begründung des Zulassungsantrages wiedergegebene Beweisantrag und seine Bescheidung durch das Amtsgericht sich nicht auf die Messung am 7. Dezember 2015, welche zu der dem Zulassungsantrag zugrunde liegenden Verurteilung geführt hat, und die entsprechende Messreihe bezieht, so dass sich seine verfahrenserhebliche Bedeutung ohne weiterreichenden Vortrag nicht erschließt.

2. Grundsätzliche und abstraktionsfähige Fragen des sachlichen Rechts, welche zu rechtsfortbildenden Ausführungen des Senates drängen würden, wirft die angefochtene Entscheidung nicht auf.

3. Die von dem Betroffenen geltend gemachten Verfahrenshindernisse sind im Zulassungsverfahren gemäß § 80 Abs. 5 OWiG unbeachtlich. Mit ihrer Prüfung sind auch keine grundsätzlichen Rechtsfragen verbunden, so dass die Rechtsbeschwerde auch insoweit nicht zuzulassen ist (vgl. Seitz/Bauer, in: Göhler, Ordnungswidrigkeitengesetz, 17. Aufl., § 80 Rdn. 24).

IV.

Die mit dem Zulassungsantrag vorsorglich eingelegte Rechtsbeschwerde gilt mit der Antragsverwerfung als zurückgenommen (§ 80 Abs. 4 Satz 4 OWiG). Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich beider Rechtsmittelverfahren auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG.