AG Pirmasens, Beschluss vom 31.03.2014 - 1 Ls 4329 Js 8997/13 jug
Fundstelle
openJur 2020, 20594
  • Rkr:
Tenor

1. Die Sache wird gemäß § 270 Abs. 1 S. 1 StPO an das Landgericht Zweibrücken verwiesen.

2. Der Haftbefehl des Amtsgerichts Zweibrücken vom 05.09.2013 (Gs 980/13) wird aus den nach wie vor fortgeltenden Gründen aufrecht erhalten.

Gründe

Mit Anklageschriften der Staatsanwaltschaft Zweibrücken vom 29.05.2013 (4392 Js 1673/13) und vom 03.06.2013 (4392 Js 1672/13) war dem Angeklagten jeweils ein Diebstahl, begangen am 14.01.2013 in P..., mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Zweibrücken vom 02.12.2013 (4329 Js 8997/13) eine gefährliche Körperverletzung zum Nachteil der Nebenklägerin, begangen am 05.09.2013 durch Beibringung von zwei Schnitten am Hals der Nebenklägerin, vorgeworfen worden.

Nach der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass sich der Angeklagte zweier tatmehrheitlicher (§ 53 StGB) Diebstähle gemäß § 242 Abs. 1 StGB, beide begangen am 14.01.2013 im ... sowie im ... in der Fußgängerzone in P..., sowie am 05.09.2013 im Hinblick auf die heimtückische Begehungsweise eines versuchten Mordes gemäß §§ 212 Abs. 1, 211 Abs. 1, Abs. 2, 22, 23 StGB tateinheitlich (§ 52 StGB) mit gefährlicher Körperverletzung gemäß §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nrn. 2 und 5 StGB zum Nachteil der Nebenklägerin schuldig gemacht hat, so dass gemäß § 74 Abs. 2 Nr. 4 GVG das Landgericht Zweibrücken zur Entscheidung berufen ist, weswegen die Sache an dieses zu verweisen war.

Nach der durchgeführten Beweisaufnahme geht das Gericht hinsichtlich des Vorwurfs aus der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Zweibrücken vom 02.12.2013 (4329 Js 8997/13) davon aus, dass der Angeklagte sich am Tag vor dem 05.09.2013 überwiegend in der Wohnung der Nebenklägerin, seiner leiblichen Mutter, in der ... in P... aufhielt. Zuvor war der Angeklagte im April 2013, nachdem er sich aufgrund des durch Beschluss des Amtsgericht Pirmasens vom 21.02.2013 (4 BRs 213/12 jug.) ausgesprochenen Widerrufs der Strafaussetzung zur Bewährung sowie des gleichzeitig ergangenen Sicherungshaftbefehls bis zur Aufhebung des Widerrufsbeschlusses durch das Landgericht Zweibrücken kurzzeitig in der JSA Schifferstadt aufgehalten hatte, von der Nebenklägerin in deren Haushalt, im sich noch sechs Kinder - allesamt jüngere Geschwister oder Halbgeschwister des Angeklagten - aufhielten, aufgenommen worden.

Nachdem die weiteren Kinder der Nebenklägerin am 04.09.2013 bereits zu Bett gegangen waren und schliefen, verhielt es sich so, dass sich die auf der Couch sitzende Nebenklägerin mit ihrem Laptop beschäftigte. Irgendwann schlief die Nebenklägerin hierüber ein, wobei ihr Kopf mit überstrecktem Hals auf der Rückenlehne der Couch zu liegen kam. Gegen etwa kurz nach 03:00 Uhr nahm der Angeklagte die in einer Vase stehende rote Rose - ein Geschenk von ... und dem vom Angeklagten im Brief an das Jugendamt der Stadt P... zumindest mit Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in Verbindung gebrachten ... -, riss deren Blütenblätter ab und verstreute diese auf und vor der schlafenden Nebenklägerin. Sodann trat der Angeklagte gegen 03:20 Uhr in dem Zimmer, das zu diesem Zeitpunkt nur spärlich vom Licht einer Straßenlaterne erleuchtet wurde, mit seinem Küchenmesser mit etwa 10 cm langer, einseitig geriffelter Klinge an die schlafende Nebenklägerin heran und fügte dieser zunächst mit Verletzungsabsicht im Bereich der rechten Schulter, die sich aufgrund des Umstandes, dass die Nebenklägerin lediglich ein Kleidungsstück mit Schulterträger trug, nackt darbot, einen einige Zentimeter langen Schnitt zu, der jedoch nicht dazu führte, dass die Nebenklägerin aufwachte. Unmittelbar hierauf setzte der Angeklagte, der zu diesem Zeitpunkt entweder hinter oder links neben der auf der Couch schlafenden Nebenklägerin stand, das von ihm geführte Messer links von der Körpermittellinie an der Vorderseite des Halses und somit auch über der Luftröhre an und fügte der Nebenklägerin unmittelbar nacheinander zwei etwa 20 cm lange, Richtung rechter Halsseite und somit über den Bereich, in dem die arteria carotis interna liegt, verlaufenden und jeweils etwa 3 cm tiefe Schnittwunden zu. Hierbei wusste der Angeklagte trotz der zu diesem Zeitpunkt bei ihm vorhandenen Blutalkoholkonzentration, die zwischen 0,713 und 1,36 Promille lag, dass eine solche Verletzung tödlich sein kann und nahm dies auch zumindest billigend in Kauf. Die Klägerin erwachte aufgrund eines stechenden Schmerzes und griff sich instinktiv an die rechte Halsseite, wobei sie - ohne in diesem Moment zu wissen, um was es konkret sich handelte - das Messer berührte, das sich zu diesem Zeitpunkt aufgrund des vom Angeklagten gerade geführten zweiten Schnittes noch am Hals befand und das dann, da der Angeklagte aufgrund des Erwachens der Nebenklägerin, mit dem er nicht gerechnet hatte, erschrocken war, so dass das Messer zu Boden fiel. Die Nebenklägerin, zwar noch benommen aufgrund des gerade erfolgten Erwachens, jedoch schon wahrnehmend, dass der Angeklagte sie verletzte hatte, richtete die Worte "..., was machst Du?" an diesen, worauf hin der Angeklagte die Nebenklägerin kurz ansah und sich sodann, ohne ein Wort zu sagen, in Richtung Wohnungseingangstür wandte und aus der Wohnung flüchtete. Zu diesem Zeitpunkt hielt es der Angeklagte aufgrund des Wissens um die Schwere der durch ihn der Nebenklägerin zugefügten Verletzungen und mangels anderweitiger Anhaltspunkte für möglich, dass diese, wenn auch nicht unmittelbar durch die Schnitte zu Tode gekommen, so doch lebensgefährlich verletzt war und schon allein wegen einer möglichen Verletzung der blutführenden Arterie und somit wegen des damit einhergehenden Blutverlustes zeitnah würde versterben können.

Nachdem der Angeklagte bereits die Wohnung verlassen hatte, gelang es der Nebenklägerin, die Polizei zu verständigen, wobei das Telefonat nach kurzer Zeit von deren Tochter, der Zeugin ..., übernommen wurde.

Die Nebenklägerin wurde in der Folge in das Städtische Krankenhaus in P... verbracht, in welchem sie von etwa 03:54 Uhr bis 05:58 Uhr von den Zeugen Dr. ..., ... und Dr. ... operiert wurde.

Der Angeklagte wurde gegen 07:20 Uhr im Hauptbahnhof P... von den Zeugen PK ..., PK’ in ... und PKA ... angetroffen, als er gerade im Begriff war, sich an der dort befindlichen Bäckerei etwas zu essen zu kaufen und von den vorgenannten Zeugen vorläufig festgenommen, ohne sich diesen gegenüber zu äußern und auch nicht nach dem Zustand seiner Mutter zu erkundigen. Die dem Angeklagten um 08:02 Uhr entnommene Blutprobe wies eine BAK von 0,26 Promille auf. Weiter zeigte sie ein positives Ergebnis hinsichtlich Cannabis (THC: <0,5 ng/mL; Hydroxy-THC: < 1 ng/mL; THC-Carbonsäure: ca. 4 ng/mL). In der dem Angeklagten am 20.09.2013 entnommenen Haarprobe wurde 0,38 ng/mg Amphetamin nachgewiesen.

Der Angeklagte räumte im Rahmen der Hauptverhandlung ein, dass er seiner Mutter die Verletzungen am Hals mit dem sichergestellten Messer zufügte, machte darüber hinaus, insbesondere zu seinen internen Gedankengängen oder Motivlage, jedoch zunächst keine weiteren Angaben. Am dritten Hauptverhandlungstag gab er an, dass er zu dem, was bei ihm während der Tat "im Kopf" vorgegangen sei, keine Angaben machen könne.

Das Gericht sieht es im Hinblick auf diese Einlassung des Angeklagten, hinsichtlich derer keine auch nur irgendwie gearteten Anhaltspunkte vorhanden sind, warum sich der Angeklagte diesbezüglich zu unrecht belasten sollte, sowie im Hinblick auf die Bekundungen der Nebenklägerin, die, nachdem sie aufgewacht war, den Angeklagten zu einem Zeitpunkt ansprach, als dieser das Messer noch am Hals der Nebenklägerin führte, sowie im Hinblick auf das Behördengutachten des Landeskriminalamtes, wonach sich an dem sichergestellten und im Rahmen der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Messer Spurenmaterial der Nebenklägerin als auch des Angeklagten befand, ohne vernünftigen Zweifel als erwiesen an, dass der Angeklagte seiner Mutter die vorstehend beschriebenen Verletzungen zufügte.

Das Gericht hat zudem keine vernünftigen Zweifel daran, dass der Angeklagte, als er der Nebenklägerin die beiden Schnittwunden am Hals zufügte, deren Tod zumindest billigend in Kauf nahm. Bei den vorliegend in Rede stehenden Verletzungen, die letzten Endes nur aufgrund des glücklichen Umstandes lediglich deswegen nicht in engem zeitlichem Rahmen nach Begehung der Tat tödlich verliefen, weil die Nebenklägerin über eine ausgeprägte Fettschicht in dem Bereich des Halses verfügte, in dem der Angeklagte die Schnitte setzte, und die in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang in das Städtische Krankenhaus in P... verbracht und dort operiert wurde. Im Hinblick auf den Umstand, dass es sich beim menschlichen Hals um ein gegenüber derartigen Angriffen äußerst sensiblen Bereich handelt, insbesondere im Hinblick darauf, dass beide Schnitte sowohl über die Luftröhre als auch über die rechtsseitig gelegene arteria carotis interna geführt wurden, handelt es sich um eine äußerst gefährliche Gewalthandlung. Auch wenn Stiche gegen erkennbar schützendes Fettgewebe gegen das voluntative Element eines Tötungsvorsatzes sprechen können (vgl. etwa BGH, Urteil vom 20.09.2012 - 3 StR 140/12, in: NStZ-RR 2013, S. 76 f. (77)), liegt dies nach Auffassung des Gerichts bei wie hier im Raum stehenden Verletzungen des Halses anders, da es bei diesem selbst für fachkundige Personen von außen - im Gegensatz zu anderen Körperregionen wie beispielsweise dem Bauch - wenn überhaupt nur schwer abschätzbar ist, ob bei zwei derart tiefen Schnitten wie hier lebenswichtige Organe wie die Luftröhre oder die Hauptschlagader getroffen und verletzt werden. Dies wurde gerade auch durch die sachverständigen Zeugen Dr. ... und ... bestätigt. Beide Zeugen gaben an, dass sie zunächst mit einer schwerwiegenderen Verletzung bei der Nebenklägerin gerechnet hätten. Wenn somit für die Ärzte zu Beginn der Operation das Ausmaß der Verletzung nicht feststand, konnte der - nicht sachverständige - Angeklagte bei Verlassen des Tatortes gerade nicht davon ausgehen, dass die Nebenklägerin die Verletzungen überleben würde bzw. dass diese nicht schwerwiegend waren.

Auch die verhältnismäßig geringe Alkoholisierung lässt vorliegend nicht den Schluss zu, dass der Angeklagte aufgrund dessen unüberlegt handelte und sich möglicher nahe liegender tödlicher Folgen dieser Verletzungen nicht bewusst war. Gleiches gilt auch im Hinblick auf den Umstand, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt möglicherweise unter dem Eindruck einer drogeninduzierten Psychose stand, da diese nicht dazu führte, dass der Angeklagte sein Handeln nicht wahrnahm.

Das Gericht ist der Überzeugung, dass der Angeklagte bei Zufügen der beiden Schnitte am Hals der Nebenklägerin deren Tod zumindest billigend in Kauf nahm. Bedingt vorsätzliches Verhalten setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fern liegend erkennt, ferner, dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung zumindest abfindet. Hierbei müssen im Hinblick auf die Abgrenzung zur bewussten Fahrlässigkeit bei der Annahme des bedingten Vorsatzes beide Elemente der inneren Tatseite, also sowohl das Wissens- als auch das Willenselement, umfassend geprüft und gegebenenfalls durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen liegt es nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit, das Opfer könne durch diese zu Tode kommen, rechnet und, weil er gleichwohl sein gefährliches Handeln fortsetzt, auch einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt. Deshalb ist in derartigen Fällen ein Schluss von der objektiven Gefährlichkeit der Handlungen des Täters auf bedingten Tötungsvorsatz trotz der hohen Hemmschwelle bei der Tötung eines Menschen grundsätzlich möglich. Angesichts der hohen Hemmschwelle gegenüber einer Tötung ist jedoch immer auch in Betracht zu ziehen, dass der Täter die Gefahr der Tötung nicht erkennt oder jedenfalls darauf vertraut haben könnte, ein solcher Erfolg werde nicht eintreten, was insbesondere bei spontanen, unüberlegten, in affektiver Erregung ausgeführten Handlungen in Betracht kommt, so dass aus dem Wissen um den möglichen Erfolgseintritt nicht ohne Berücksichtigung der sich aus der Tat und der Persönlichkeit des Täters ergebenden Besonderheiten geschlossen werden kann, dass auch das voluntative Vorsatzelement gegeben ist (vgl. BGH, Urteil vom 28.01.2010 - 3 StR 533/09, zitiert nach juris, Rn. 5; BGH, Urteil vom 27.08.2009 - 3 StR 246/09, zitiert nach juris, Rn. 5 f.; BGH, Urteil vom 25.11.2010 - 3 StR 364/10, zitiert nach juris, Rn. 5; BGH, Beschluss vom 27.08.2013 - 2 StR 148/13, zitiert nach juris, Rn. 11; BGH, Urteil vom 23.02.2012 - 4 StR 608/11, zitiert nach juris, Rn. 13; BGH, Urteil vom 20.09.2012 - 3 StR 158/12, zitiert nach juris, Rn. 5; BGH, Urteil vom 22.03.2012 - 4 StR 558/11, zitiert nach juris, Rn. 34; BGH, Urteil vom 20.09.2012 - 3 StR 140/12, in: NStZ-RR 2013, S. 76 f. (77)).

Das Gericht hat nach der durchgeführten Beweisaufnahme nach Vornahme der gebotenen Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände (vgl. BGH, Urteil vom 28.01.2010 - 3 StR 533/09, zitiert nach juris, Rn. 7; BGH, Urteil vom 26.04.2012 - 4 StR 599/11, zitiert nach juris, Rn. 9; BGH, Urteil vom 25.11.2010 - 3 StR 364/10, zitiert nach juris, Rn. 5) keine begründeten Zweifel daran, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt der Ausführung der Schnitte (vgl. BGH, Urteil vom 28.01.2010 - 3 StR 533/09, zitiert nach juris, Rn. 9) den Tod der Nebenklägerin zumindest billigend in Kauf nahm und die Gefahr der Tötung erkannte als auch zumindest billigte. Es sind keine durchgreifenden Gründe ersichtlich, die dafür sprechen könnten, dass der Angeklagte bei Ausführung der Schnitte in den überstreckten und somit gespannten Hals der schlafenden Nebenklägerin nicht erkannt haben könnte, dass diese für die Nebenklägerin tödlich enden könnten. Gerade bei - wie hier - gezielten, mehrfachen Angriffen in die für tödliche Verletzungen in hohem Maße anfällige Halspartie liegt die Billigung des Todes nahe (vgl. BGH, Urteil vom 27.08.2009 - 3 StR 246/09, zitiert nach juris, Rn. 6).

Auch handelt es sich nicht um eine Spontantat oder eine solche, die aus einem Affekt heraus begangen wurde. Dagegen spricht schon der Umstand, dass der Angeklagte vor der Tat die Blütenblätter einer roten Rose abzupfte und diese auf bzw. vor der Nebenklägerin verstreute. Dass dies vor Begehung der Tat geschah schließt das Gericht - entgegen der persönlichen Auffassung des Zeugen ..., der aufgrund nicht näher erläuterter kriminalistischer Erfahrung davon ausging, dass dies danach geschehen sei - daraus, dass zwischen dem Erwachen der Nebenklägerin - zu diesem Zeitpunkt war das vom Angeklagten geführte Messer nach Aussage der Nebenklägerin noch an deren Hals angesetzt - und der Flucht des Angeklagten nur kurze Zeit verging und die Nebenklägerin auch nichts dahingehend schilderte, dass der Angeklagte in diesem Zeitraum Rosenblätter verstreute. Auch die Zeuginnen ... und ..., die beide angaben, dass sie, nachdem sie wach geworden seien, den Angeklagten hinter bzw. neben der Couch, auf der ihre Mutter geschlafen habe, haben stehen sehen, bekundeten nichts Dahingehendes. Vielmehr spricht das "Arrangement" der Rosenblätter unter drei Aspekten dafür, dass der Angeklagte die Nebenklägerin zum Tatzeitpunkt töten wollte.

Zum einen wohnt einer roten Rose insbesondere im Zusammenhang mit der Situation des Abschieds auf Beerdigungen eine symbolische Bedeutung inne, zum anderen handelte es sich bei der roten Rose um ein Geschenk des ... bzw. dessen Lebensgefährtin, den der Angeklagte in einem Brief an das Jugendamt der Stadt P... zumindest in Verbindung mit einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung zum Nachteil seiner Geschwister brachte und der Nebenklägerin zugleich vorwarf, dass sie diesem Umgang mit den Kindern gestattete und sich nicht hinreichend um diese kümmere. Auch vor diesem Hintergrund könnte dem "Arrangement" - die Zerstörung des Geschenk des ... bzw. dessen Lebensgefährtin und Beladung der Nebenklägerin mit dessen Resten - eine symbolhafte Bedeutung zukommen, die für einen Tötungswillen des Angeklagten spricht. Dass der Angeklagte die Nebenklägerin lediglich - gleichsam als Warnfunktion - verletzen wollte, ist nicht erkennbar. Zum einen spricht hiergegen schon, dass er zu dieser - auch nachdem sie für den Angeklagten erkennbar erwacht war - kein Wort sagte, so dass die Nebenklägerin, mit der es - dies ergab sich durchgängig während der gesamten Hauptverhandlung - seit April 2013 und auch nicht am Tattag zu keinem Streit gekommen war, überhaupt keinen sicheren Rückschluss hätte ziehen können, vor was der Angeklagte sie hätte warnen wollen. Auch eine mögliche Überlegung des Angeklagten dahingehend, die Nebenklägerin lediglich verletzen zu wollen, damit die Kinder - zeitweise - in eine neue Familie verbracht werden - auch insofern wird auf die Ausführungen des Angeklagten im Brief an das Jugendamt vom September 2013 Bezug genommen - liegt im Hinblick auf die Schwere der Verletzung nicht nahe, zumal die Kinder nach Ausheilung der Verletzung der Nebenklägerin auch wieder in deren Haushalt zurückgekehrt wären.

Als weiteres Motiv des Angeklagten, die Nebenklägerin töten zu wollen, käme zudem in Betracht, dass dieser seinerseits sein Leben durch die Nebenklägerin gefährdet sah. So wurde im Rahmen der Hauptverhandlung bekundet, dass der Angeklagte angegeben habe, die Nebenklägerin wolle ihn mit einer Salami vergiften. Selbst wenn der Angeklagte zum Zeitpunkt der Begehung der Tat unter dem Eindruck einer drogeninduzierten Psychose gehandelt haben sollte, könnte zwar von einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit auszugehen sein, nicht jedoch, dass er Angeklagte nicht mehr wusste, was er tat.

Im Hinblick auf die vorstehend ausgeführten möglichen Motive - der Angeklagte selbst machte hierzu keine konkreten Angaben - hätte es sich aus Sicht des Angeklagten im Falle des Eintritts des Todes der Nebenklägerin auch nicht um eine hochgradig interessenwidrige Tatfolge gehandelt, die gegen einen - zumindest bedingten - Tötungsvorsatz des Angeklagten gesprochen hätte (vgl. BGH, Urteil vom 27.08.2009 - 3 StR 246/09, zitiert nach juris, Rn. 8).

Dafür, dass der Angeklagte aufgrund der Alkoholisierung oder einer drogeninduzierten Psychose die Gefährlichkeit seines Handelns nicht erkannt haben könnte, ergaben sich nach der durchgeführten Beweisaufnahme gerade keine hinreichenden Anhaltspunkte. Ebenso sind im Hinblick auf das vorangegangene "Arrangement" die Rosenblätter betreffend als auch im Hinblick auf die mehrfach und gezielt ausgeführten massiven und tiefen Schnitte keine begründeten Anhaltspunkte vorhanden, die dafür sprechen könnten, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgehoben gewesen sein könnte.

Allein der Umstand, dass die Verletzungen der Nebenklägerin ex post nicht akut lebensbedrohend waren, steht einem bedingten Tötungsvorsatz, für den es auf den Tatzeitpunkt ankommt, nicht entgegen (BGH, Urteil vom 23.02.2012 - 4 StR 608/11, zitiert nach juris, Rn. 16).

Vor diesem Hintergrund war es auch weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. BGH, Urteil vom 26.04.2012 - 4 StR 599/11, zitiert nach juris, Rn. 9).

Nach der durchgeführten Beweisaufnahme geht das Gericht weiter davon aus, dass vorliegend ein beendeter Versuch des Angeklagten vorlag, von dem dieser nicht durch bloßes Nichtweiterhandeln zurücktreten konnte.

Die Annahme eines fehlgeschlagenen Versuchs kam vorliegend nicht in Betracht, da der Angeklagte nach Erwachen der Nebenklägerin ohne zeitliche Zäsur - auch wenn das Messer zwischenzeitlich zu Boden gefallen war - nochmals einen Angriff gegen die Nebenklägerin hätte ausführen können.

Bei Beantwortung der Frage, ob ein beendeter oder unbeendeter Versuch vorliegt, ist maßgebend die Vorstellung des Täters nach der letzten Ausführungshandlung ("Rücktrittshorizont"). Hält er in diesem Zeitpunkt den Tod des Opfers schon auf Grund seines bisherigen Handelns für möglich oder macht er sich in diesem Zeitpunkt über die Folgen seines Tuns keine Gedanken, so ist der Versuch beendet (vgl. BGH, Beschluss vom 03.02.1999 - 2 StR 540/98, zitiert nach juris, Rn. 4).

Für die Abgrenzung des unbeendeten vom beendeten Versuch unter Beachtung des "Rücktrittshorizonts" kommt es darauf an, ob der Täter den Erfolgseintritt für möglich hält. Den Erfolgseintritt hält auch für möglich, wer die tatsächlichen Umstände erkennt, die diesen nach der Lebenserfahrung nahelegen. Bei gefährlichen Gewalthandlungen und schweren Verletzungen, deren Wirkungen der Täter wahrgenommen hat, liegt es auf der Hand, dass der Täter die lebensgefährdende Wirkung und die Möglichkeit des Erfolgseintritts erkennt. Hierbei sind an die Voraussetzungen für die Annahme eines noch unbeendeten Versuchs, der Täter habe den Erfolgseintritt nicht für möglich gehalten, strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BGH, Beschluss vom 11.02.1999 - 1 StR 694/98, zitiert nach juris, Rn. 4; BGH, Urteil vom 22.08.1985 - 4 StR 326/85, zitiert nach juris, Rn. 13; BGH, Beschluss vom 09.07.1997 - 3 StR 297/97, zitiert nach juris, Rn. 4).

Für die Erfüllung des Merkmals des Fürmöglichhaltens ist es unerheblich, ob der Angeklagte den Erfolgseintritt nach Feststellung der Verletzung noch wollte oder billigte. Er braucht auch nicht die Gewissheit des Erfolgseintritts zu haben. Maßgeblich ist nur, ob er die naheliegende Möglichkeit erkannte, sein Opfer werde die Verletzung(en) nicht überleben, was bei bestimmten schweren Verletzungen - wie hier - auf der Hand liegt (vgl. BGH, Urteil vom 22.08.1985 - 4 StR 326/85, zitiert nach juris, Rn. 15).

Ist der Handlungsablauf dagegen nicht oder jedenfalls aus der Sicht des Täters nicht geeignet, den Erfolg herbeizuführen, so ist der Versuch, wenn er nicht endgültig gescheitert ist, unbeendet (vgl. BGH, Urteil vom 22.08.1985 - 4 StR 326/85, zitiert nach juris, Rn. 13). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.

Dem Angeklagten musste klar sein, dass die von ihm zugefügten Verletzungen, wenn schon nicht unmittelbar tödlich, so doch schon allein aufgrund des Blutverlustes und im Raum stehender Verletzung der Luftröhre und Hauptschlagader zum Tode der Nebenklägerin führen konnten. Davon, dass - wie sich im Nachhinein herausstellte - bei der Nebenklägerin weder Hauptschlagader noch Luftröhre verletzt waren und sich auch der Blutverlust bei der Nebenklägerin in Grenzen hielt, so dass keine Bluttransfusion erforderlich war, konnte der Angeklagte unmittelbar nach der Tat gerade nicht ausgehen. Insofern war bezeichnend, dass der sachverständige Zeuge ... äußerte, dass er, nachdem er die Wunde erstmals in Augenschein genommen hatte, zunächst davon ausgegangen sei, dass bei der Nebenklägerin eine schwerwiegendere Verletzung vorlag. Vor diesem Hintergrund entschieden die sachverständigen Zeugen Dr. ... und ... auch, die Nebenklägerin direkt zu operieren. Wenn somit für die Ärzte zu Beginn der Operation das Ausmaß der Verletzung nicht feststand, konnte der - nicht sachverständige - Angeklagte bei Verlassen des Tatortes gerade nicht davon ausgehen, dass die Nebenklägerin die Verletzungen überleben würde.

Ein unbeendeter Versuch kommt allerdings auch dann in Betracht, wenn der Täter nach seinem Handeln den Erfolgseintritt zwar für möglich hält, unmittelbar darauf aber zu der Annahme gelangt, sein bisheriges Tun könne den Erfolg doch nicht herbeiführen und er nunmehr von weiteren fortbestehenden Handlungsmöglichkeiten zur Herbeiführung des Erfolges absieht (vgl. BGH, Beschluss vom 08.07.2008 - 3 StR 220/08, zitiert nach juris, Rn. 5).

Für die denkbare Annahme des Angeklagten, dass die von ihm der Nebenklägerin beigefügten Verletzungen nicht zu deren Tode führen, könnte vorliegend allenfalls der Umstand sprechen, dass diese, während der Angeklagte bei Zufügung des zweiten Schnittes noch das Messer an deren Hals führte, erwachte, sich reflexhaft an den Hals griff und sich mit den Worten "..., was machst Du" an den Angeklagten wandte.

Demgegenüber steht jedoch der Umstand, dass der Angeklagte um die auch für ihn evident wahrnehmbare Schwere der Verletzungen am für derartige Angriffe besonders empfindlichen Hals wusste und aus dem Verhalten der Nebenklägerin - Aussprechen weniger Worte (vgl. BGH, Urteil vom 22.08.1985 - 4 StR 326/85, zitiert nach juris, Rn. 7, 13 ff., betreffend einen Fall, in welchem das Opfer nach einem Schuss ins Gesicht den Kopf in die ursprüngliche Position zurück drehte, seine Hände vor das Gesicht nahm und sich mit den Worten an den Täter wandte, was für eine "Scheiße" dieser mache) ohne sonstige körperliche Gegenwehr - sowie insbesondere angesichts des Umstandes, dass er diese nur noch wenige Augenblicke nach der Tat sah und sodann flüchtete, so dass ihm eine grundlegende Beurteilung der Tatauswirkung gar nicht möglich war (vgl. BGH, Beschluss vom 11.02.1999 - 1 StR 694/98, zitiert nach juris, Rn. 6), gerade nicht schließen konnte, dass die von ihm beigebrachten Verletzungen - auch wenn die Schnitte nicht unmittelbar tödlich waren - nicht zum Tode der Nebenklägerin führen konnten.

Allein der Umstand, dass sich die Nebenklägerin an den Hals griff und in diesem Zusammenhang vier Worte an den Angeklagten richtete, konnten daher beim Angeklagten, der sich unmittelbar darauf vom Tatort entfernte und somit auch gar nicht wissen konnte, ob die Nebenklägerin beispielsweise - was nach deren Einlassung zumindest kurzfristig der Fall war - in Ohnmacht fiel und somit auch keineswegs sicher war, ob die in der Wohnung anwesenden minderjährigen Kinder von der Nebenklägerin geweckt werden konnten und in Anbetracht der Umstände in der Lage sein würden, Hilfe zu alarmieren, keine geeigneten Zweifel (vgl. BGH, Beschluss vom 08.07.2008 - 3 StR 220/08, zitiert nach juris, Rn. 5) daran aufkommen lassen, alles zur Erreichung des gewollten Erfolges, getan zu haben, zumal - Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte dies nicht gewusst haben könnte, sind nicht ersichtlich - da die vom Angeklagten der Nebenklägerin zugefügten Verletzungen nicht unmittelbar tödlich waren, der Erfolg der Tatbestandsverwirklichung, was auf der Hand lag, angesichts des drohenden großen Blutverlustes nach wie vor bestand und die Nebenklägerin ohne baldige ärztliche Hilfe allein schon aufgrund dessen hätte sterben können. Darauf, dass sich die Situation im Nachhinein als nicht derart gravierend darstellte, kommt es für den hier maßgebenden Zeitpunkt des "Rücktrittshorizontes" nicht an.

Dafür, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt des Verlassens der Wohnung der Nebenklägerin das Vorliegen einer lebensgefährlichen Verletzung und somit den Eintritt des Todes der Nebenklägerin für möglich hielt, sprechen auch die Ausführungen des Angeklagten im Brief an die Nebenklägerin vom 04.02.2014. In diesem schildert der Angeklagte, dass er, nachdem er mitbekommen habe, dass die Nebenklägerin nicht lebensgefährlich verletzt worden sei und keine anderen bleibenden Schäden davongetragen habe, sehr erleichtert gewesen sei. Hieraus ergibt sich jedoch, dass er sich zum Zeitpunkt des Verlassens des Tatortes der Lebensgefährlichkeit der von ihm der Nebenklägerin zugefügten Verletzungen bewusst war. Somit liegt es auf der Hand, dass er zu diesem Zeitpunkt den Eintritt des Todes der Nebenklägerin für möglich hielt.

Die in der Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Fallgruppe des unbeendeten Versuchs diskutierte Fallgestaltung, dass mehrere Handlungsabschnitte vorliegen und die Wahrnehmung des Täters nur für den ersten Handlungsabschnitt festgestellt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 09.07.1997 - 3 StR 297/97, zitiert nach juris, Rn. 4; BGH, Beschluss vom 21.10.2008 - 3 StR 401/08, zitiert nach juris, Rn. 2), ist vorliegend nicht gegeben, da nach Zufügung der Schnitte und Erwachen der Nebenklägerin mit Ansprache des Angeklagten kein weiterer Handlungsabschnitt in diesem Sinne vorliegt, der, wie bereits ausgeführt, allein schon im Hinblick auf die stark blutende Verletzung im Bereich der Hauptschlagader, geeignet sein konnte, die zunächst vorhandene Vorstellung des Angeklagten, der sich unmittelbar nach Aufwachen der Nebenklägerin vom Tatort entfernte, alles zur Erreichung des gewollten Erfolges getan zu haben, zu erschüttern. Dies ergibt sich, wie bereits ausgeführt, auch aus dem Brief des Angeklagten an die Nebenklägerin vom 04.02.2014.

Der Angeklagte konnte daher Straffreiheit für das Tötungsdelikt nicht schon dadurch erlangen, dass er davon Abstand nahm, den (unmittelbaren) Tod der Nebenklägerin durch weitere Verletzungen herbeizuführen. Vielmehr war erforderlich, dass er die Vollendung der Tat verhinderte (§ 24 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. StGB) oder dass er, wenn die Tat ohne sein Zutun nicht vollendet wurde, sich freiwillig und ernstlich bemühte, den Eintritt des Erfolges zu verhindern (§ 24 Abs. 1 S. 2 StGB). Dies hat der Angeklagte jedoch nicht getan.

Vor diesem Hintergrund kommt es auch nicht mehr darauf an, ob der Angeklagte im Fall der Annahme eines unbeendeten Versuchs die weitere Ausführung der Tat freiwillig aufgab oder, sei es, weil seine Mutter aufwachte und ihn ansprach, sei es, weil er befürchtete, die Nebenklägerin könnte schreien und somit die Kinder wecken, er aus inneren oder äußeren Zwängen von weiteren Handlungen absah.

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