AG Pirmasens, Beschluss vom 20.01.2015 - 1 Ls 4117 Js 13049/14
Fundstelle
openJur 2020, 20584
  • Rkr:
Tenor

1. Die Anklage der Staatsanwaltschaft Zweibrücken vom 15.12.2014 (4117 Js 13049/14) wird zur Hauptverhandlung zugelassen.

2. Das Hauptverfahren wird vor dem Amtsgericht - Strafrichter - Zweibrücken eröffnet.

3. Die Fortdauer der Untersuchungshaft wird angeordnet.

Gründe

1. Durch Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Zweibrücken vom 15.12.2014 (4117 Js 13049/14) wird der Angeklagten vorgeworfen, zwischen dem 10.10.2014 und 22.10.2014 durch 23 selbständige Handlungen in fünf Fällen einen gewerbsmäßigen Diebstahl und in 18 Fällen, wobei es in 10 dieser Fälle beim Versuch blieb, einen gewerbsmäßigen Computerbetrug begangen zu haben.

Im Ergebnis ist jedoch allenfalls (vgl. hierzu Ziffer 2.2. dieses Beschlusses) von 12 selbständigen Taten auszugehen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes stehen zeitlich eng zusammenhängende Abhebungen bzw. Abhebungsversuche mit derselben Bankkarte in natürlicher Handlungseinheit (vgl. BGH, Beschluss vom 10.07.2001 - 5 StR 250/01, zitiert nach juris, Rn. 4; BGH, Beschluss vom 21.11.2002 - 4 StR 448/02, zitiert nach juris, Rn. 4, 6; BGH, Beschluss vom 19.12.2007 - 2 StR 457/07, zitiert nach juris, Rn. 3 f.).

1.1 Unter Beachtung dieser Grundsätze ergibt sich vorliegend, dass hinsichtlich der unter I. 3. bis I. 9. der Anklageschrift geschilderten Taten lediglich ein vollendeter Computerbetrug vorliegt. Die als selbständige Handlungen angeklagten Taten wurden mit derselben Karte am 10.10.2014 zwischen 12:00:55 Uhr und 12:05:10 Uhr und somit innerhalb von weniger als fünf Minuten in der ... Bank in der ... Straße in ... begangen.

1.2 Hinsichtlich des unter III. 13. bis III. 18. geschilderten Geschehens gilt Folgendes:

a) Bezüglich der versuchten Abhebevorgänge betreffend die Bankkarte des Geschädigten ... in der ...-Bank in der ...-Straße ... in ... am 22.10.2014 um 15:18 Uhr, 15:19 Uhr und 15:20 Uhr liegt lediglich eine versuchte Tat im materiell-rechtlichen Sinne vor.

b) Gleiches gilt, sofern der Angeklagten in diesem Zusammenhang vorgeworfen wird, mit der Bankkarte der Geschädigten ... am 22.10.2014 um 15:25 Uhr und 15:26 Uhr in der ... Bank in der ...Straße ... in ... zweimal versucht zu haben, Geld abzuheben. Auch hier liegt lediglich eine versuchte Tat vor.

1.3 Sofern der Angeklagten unter V. 22. und V. 23. vorgeworfen wird, am 16.10.2014 in der ... Bank in der ... Straße ... in ... mit der Bankkarte der Geschädigten ... um 12:31 Uhr und 12:32 Uhr 500,00 Euro bzw. 350,00 Euro abgehoben zu haben, ist auch diesbezüglich nur von einer (vollendeten) Tat auszugehen.

2. Weiter ergehen folgende Hinweise:

2.1 Sofern der Angeklagten unter den Ziffern I. 1., II. 10., III. 12., IV. 19. und V. 21. jeweils Diebstähle vorgeworfen werden, kommt, sollten die der Angeklagten vorgeworfenen Diebstähle nicht mit hinreichender Sicherheit nachgewiesen werden können, im Hinblick auf die der Angeklagten vorgeworfenen Benutzungen der verschiedenen Bankkarten auch, was insbesondere im Hinblick auf die Aussage der Geschädigten ... bzw. die Feststellungen der Polizei in ... (vgl. Bl. 18 und 81 der Fallakte III) und angesichts des Umstandes, dass sich die Angeklagte in zeitlicher Nähe zum Tatzeitpunkt ausweislich den Feststellungen der Polizei in ... (vgl. Bl. 107 der Fallakte III) in Begleitung in Deutschland aufhielt und auch bereits zuvor bei der Begehung von im Raum stehenden Straftaten in Begleitung unterwegs war (vgl. Bl. 120 der Fallakte III), gilt, jeweils - von der Nachweismöglichkeit einer bandenmäßigen Begehung geht auch die Staatsanwaltschaft Zweibrücken nicht aus (vgl. Seite 15 der Anklageschrift) - eine Hehlerei gemäß § 259 Abs. 1 StGB in Betracht.

2.2 Hinsichtlich der unter I. 2. der Anklageschrift geschilderten Tat betreffend die Abhebung von 200,00 Euro um 11:59 Uhr ergibt sich aus der Anklageschrift nicht eindeutig, ob der auf der gegenständlichen ec-Karte befindliche Geldchip bereits vor der im Raum stehenden Gewahrsamsbegründung durch die Angeklagte aufgeladen war oder erst von dieser aufgeladen wurde. Die Aussagen der Geschädigten ... Bl. 4 f. und 14 d.A. und der Bericht der Polizei Bl. 7 d.A. ("die auf den Chip der Bankkarte geladen worden waren") verhalten sich hierzu nicht. In ersterem Fall kommt in Betracht, dass der angeklagte Computerbetrug als mitbestrafte Nachtat zurücktritt (vgl. Fischer, StGB, 60. Auflage, § 263a StGB, Rn. 38; Beckemper in: BeckOK StGB, § 263a, Rn. 54). Sollte der Betrag durch die Angeklagte auf den Geldchip gebucht und sodann abgehoben worden sein, kommt in Betracht, dass diese Tat zusammen mit den nachfolgenden Taten - vgl. Ziffer 1.1. dieses Beschlusses - eine einheitliche Tat darstellt.

3. Angesichts des verminderten Umfangs des der Angeklagten vorgeworfenen Taten, von denen 4 lediglich versucht wurden, so dass insofern jeweils gemäß § 23 Abs. 2 StGB eine Strafrahmenverschiebung gemäß § 49 Abs. 1 StGB in Betracht kommt, ist auch unter Berücksichtigung der Voreintragungen in den Registerauszügen - Auszug aus dem ... Strafregister vom 19.11.2014, Auskunft des Bundeszentralregisters vom 11.12.2014 betreffend in ... ergangene Entscheidungen im Zeitraum 2001 bis 2007 sowie insbesondere die Auskunft aus dem Bundeszentralregister vom 11.12.2014 betreffend die Verurteilung zu einer 18-monatigen zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe durch das Landesgericht Leoben vom 31.07.2012 - selbst bei Nachweis aller vorliegend im Raum stehenden Taten keine höhere Strafe als zwei Jahre Freiheitsstrafe zu erwarten, so dass insofern die Zuständigkeit des Strafrichters gemäß § 25 Nr. 2 GVG eröffnet war.

4. Im Hinblick auf § 2 Abs. 1 Nrn. 1 und 2, Abs. 2 Nr. 8 StrafZustV RP war das Hauptverfahren vor dem Amtsgericht - Strafrichter - in Zweibrücken zu eröffnen. Dem stand vorliegend auch nicht § 209 Abs. 1 StPO, der nach seinem Wortlaut eine Eröffnung vor einem Gericht niedrigerer Ordnung grundsätzlich nur im Bezirk des den Eröffnungsbeschluss erlassenden Gerichts zulässt, entgegen (vgl. Ritscher in: Graf, StPO, 2. Auflage, § 209 StPO, Rn. 7 zur insoweit vergleichbaren Situation im Fall eines gemeinsamen Schöffengerichts). Die StrafZustV RP stellt eine Rechtsverordnung im Sinne von § 58 Abs. 1 GVG dar und begründet in zur Zuständigkeit des Strafrichters gehörenden Haftsachen einen besonderen Gerichtsstand. Insofern betrifft die Eröffnung des Hauptverfahrens vor dem Amtsgericht Zweibrücken auch nicht eine anderweitige örtliche Zuständigkeit. Vielmehr tritt das Amtsgericht - Strafrichter - Zweibrücken in Haftsachen aufgrund der Regelung der StrafZustV RP an die Stelle der jeweils örtlich zuständigen Strafrichter der anderen Amtsgerichte des Landgerichtsbezirks. Nach Sinn und Zweck will und kann die StrafZustV RP die in § 209 Abs. 1 StPO vorgesehene Möglichkeit der Eröffnung des Hauptverfahrens vor einem Gericht niedrigerer Ordnung nicht einschränken, so dass vorliegend das Hauptverfahren vor dem Amtsgericht - Strafrichter - Zweibrücken eröffnet werden konnte.