AG Montabaur, Urteil vom 15.01.2008 - 15 C 195/07
Fundstelle
openJur 2020, 20403
  • Rkr:
Tenor

1. Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien keinerlei vertragliche Verpflichtungen aus einem Vertragsverhältnis betreffend einen DSL-Netzanschluss bestehen (Kundennummer: ....).

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Berufung gegen das Urteil wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger hat bei der Beklagten, die Dienstleistungen im Telekommunikationsbereich anbietet, im Januar 2007 einen DSL-Netzanschluss beauftragt. Der Vertrag wurde ausschließlich unter Verwendung des Telefons abgeschlossen. Der Kläger wurde gefragt, ob er eine schnellstmögliche Schaltung des DSL-Netzanschluss wolle. Dies bejahte dieser. Die Beklagte übersandte dem Kläger ein sog. DSL-Paket einschließlich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten.

Der Kläger beabsichtigte, den Anschluss privat zu benutzen und handelte als Verbraucher. Innerhalb der Widerrufsfrist nach §§ 312 d Abs. 2, 355 Abs. 1 S. 2 BGB widerrief der Kläger mit Schreiben vom 31.1.2007 seine Willenserklärung. Hinsichtlich des näheren Inhalts des Schreibens wird auf die zur Akte gereichte Kopie (Blatt 7 GA) Bezug genommen. Mit Schreiben vom 7.2.2007 bestätigte die Beklagte den fristgemäßen Eingang der Kündigung beziehungsweise des Widerrufs. Die Beklagte teilte jedoch mit, dass sie eine Kündigung erst zum 30.1.2009 berücksichtigt habe.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 26.2.2007 wurde die Beklagte aufgefordert, den DSL-Port bis zum 27.2.2007 freizugeben. Dem kam die Beklagte zunächst nicht nach.

Mit Schreiben des Rechtsanwalts (...) im Auftrage der Beklagten wurde der Kläger unter dem 17.4.2007 zur Zahlung einer angeblich offenen Forderung in Höhe von 176,51 € aufgefordert; insoweit wird auf die Kopie des Schreibens (Blatt 52 GA) Bezug genommen. Dem Kläger wurde eine Zahlungsfrist bis zum 24.4.2007 gesetzt.

Zum 25.4.2007 kündigte die Beklagte aufgrund offener Forderungen gegenüber dem Kläger das Vertragsverhältnis.

Der Kläger trägt vor,

aufgrund seines wirksamen Widerrufs sei ein Vertrag mit der Beklagten nicht zustande gekommen. Die Vorschrift des § 312d Abs. 3 BGB sei einschränkend dahingehend auszulegen, dass die Vorschrift nur bei unteilbaren Dienstleistungen gelte. Bei teilbaren Dienstleistungen bleibe dahingegen ein Widerrufsrecht für die Zukunft erhalten. Des Weiteren habe die Beklagte den Port erst zum 11.8.2007 freigegeben.

Zunächst hat der Kläger beantragt, zum einen festzustellen, dass eine Verpflichtung des Klägers gegenüber der Beklagten nicht besteht sowie zum anderen die Beklagte zu verurteilen, den Netzanschluss des Klägers freizuschalten. Nachdem die Beklagte mit Schriftsatz vom 7.6.2007 mitgeteilt hat, dass der Port bereits freigegeben sei, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 7.9.2007 den Antrag hinsichtlich der Freigabe des DSL-Ports für erledigt erklärt. Die Beklagte hat sich der Teilerledigterklärung mit Schriftsatz vom 1.10.2007 angeschlossen.

Nunmehr beantragt der Kläger,

festzustellen, dass keinerlei vertragliche Verpflichtungen gegenüber der Beklagten bestehen aus einem etwaig abgeschlossenen Vertrag.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor,

dem Kläger stehe kein Widerrufsrecht zu, da er die Beklagte mit der schnellstmöglichen DSL-Schaltung beauftragt habe. Zum Zeitpunkt des Widerrufs sei das Widerrufsrecht des Klägers bereits erloschen gewesen. Der Port sei bereits zum 14.5.2007 freigegeben worden.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I.

Der Feststellungsantrag ist zulässig, da der Kläger das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ausreichend dargelegt hat. Auch wenn die Beklagte mittlerweile selbst gegenüber dem Kläger eine Kündigung erklärt hat, so besteht aufgrund der seitens der Beklagten geltend gemachten Forderungen aus dem vermeintlichen Vertragsverhältnis ein Interesse des Klägers an der Feststellung, dass aus dem behaupteten Vertrag der Beklagten keinerlei Ansprüche zustehen. Bisher hat die Beklagte gegenüber dem Kläger jedenfalls nicht ausdrücklich auf die Geltendmachung etwaiger Forderungen verzichtet.

Der Klageantrag ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht "unsubstantiiert". Nach Ansicht des Gerichts genügt er dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass die Klägerseite den Antrag mit Schriftsatz vom 4.7.2008 (Bl. 29 GA) präzisiert hat.

II.

1. Der Antrag ist auch begründet, da nach Auffassung des Gerichts der Kläger fristgerecht den zunächst zustande gekommenen Vertrag wirksam widerrufen hat.

Unstreitig liegt ein Fernabsatzvertrag im Sinne des § 312d Abs. 1 S. 1 BGB vor. Es liegt ein Vertrag über die Erbringung einer Dienstleistung, nämlich die Bereitstellung eines DSL-Anschlusses, vor. Unstreitig handelte es sich zudem um ein Rechtsgeschäft zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher. Auch kam der Vertrag unstreitig unter Verwendung des Telefons zustande.

Der Kläger hat den Widerruf auch fristgerecht erklärt. Zwar lässt sich der Akte nicht entnehmen, wann genau der Kläger seine Willenserklärung im Hinblick auf den Abschluss eines Vertrages mit der Beklagten abgegeben hat. Jedenfalls hat die Beklagte den Vortrag der Klägerseite, dass das klägerische Schreiben vom 31.1.2007 der Beklagten rechtzeitig zugegangen sei, nicht bestritten. Zweifel an einer hinreichend deutlich zum Ausdruck gebrachten Widerrufserklärung hat das Gericht nicht. Zwar spricht der Beklagte von einer Kündigung des Vertrages. Andererseits findet sich auch ein Hinweis des Kläger auf das "Widerrufsrecht 10.1 der AGB von (...)" (vgl. Bl. 7 GA). Es genügt eine Äußerung des Verbrauchers, aus der sich ergibt, dass er den Vertrag nicht mehr gelten lassen will. Dies ist hier der Fall.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Widerrufsrecht auch nicht erloschen gemäß § 312d Abs. 3 Nr. 2 BGB. Nach dieser Vorschrift erlischt das Widerrufsrecht bei einer Dienstleistung, wenn der Unternehmer mit der Ausführung der Dienstleistung mit ausdrücklicher Zustimmung des Verbrauchers vor Ende der Widerrufsfrist begonnen oder der Verbraucher diese selbst veranlasst hat. So trägt der Kläger selbst vor, dass der er bei der Frage nach der schnellstmöglichen Schaltung des DSL-Netzanschlusses einen entsprechenden Willen geäußert hat. Daraufhin hat die Beklagte bereits die Aufschaltung des DSL-Anschlusses bei ihrem Technologiepartner, der (...), beantragt. Eine bloße Vorbereitungshandlung für die Ausführung der Dienstleistung ist darin wohl nicht mehr zu sehen; vielmehr liegt der Beginn der Ausführung wohl in der Freischaltung des Anschlusses (vgl. hierzu auch Schmidt-Räntsch, in: Bamberger/Roth, BGB, § 312d Rn. 28).

In Rechtsprechung und Literatur ist es jedoch umstritten, ob bei der Anwendung der Vorschrift des § 312d Abs. 3 Nr. 2 BGB möglicherweise zwischen teilbaren und unteilbaren Dienstleistungen zu differenzieren ist.

Nach einer Auffassung soll es auf die Teilbarkeit der Dienstleistung gerade nicht ankommen (Grüneberg, in: Palandt, BGB, 65. Auflage, § 312d Rn. 7a). Das Widerrufsrecht erlischt nach dieser Auffassung vollständig und nicht nur für die Vergangenheit (Schmidt-Räntsch, a.a.O.).

Nach der Gegenansicht ist die Vorschrift dahingehend teleologisch zu reduzieren, dass der Ausschluss des Widerrufsrechts nur bei unteilbaren Dienstleistungen gilt. Insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen - wie z.B. bei einem Miet-, Provider- oder Mobilfunkvertrag - sei es dem Unternehmer zuzumuten, den Vertrag bei Widerruf des Verbrauchers ex nunc zu beenden. Lediglich im Hinblick auf die Vergangenheit bleibe es dabei, dass eine Rückabwicklung nicht stattfindet (AG Elmshorn, NJW 2005, 2404 f.; Wendehorst, in: Münchener Kommentar, 5. Auflage, § 312d Rn. 56; Thüsing, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2005, § 312d Rn. 36).

Der letztgenannten Ansicht schließt sich das erkennende Gericht an. Der Sinn und Zweck des § 312d Abs. 3 Nr. 2 BGB ist es gerade, eine den Unternehmer belastende Rückabwicklung zu verhindern; Dienstleistungen können im Gegensatz zu gelieferten Waren nicht ohne weiteres problemlos rückabgewickelt werden. Der Verbraucher soll zudem nicht einerseits die Vorteile einer raschen Leistungserbringung seitens des Unternehmers haben und andererseits den Vertrag noch widerrufen können.

Eine unzumutbare Belastung des Unternehmers vermag das Gericht bei teilbaren Dienstleistungen jedoch nicht zu erkennen. Das Problem einer Rückabwicklung stellt sich im Hinblick auf bereits erbrachten Teilleistungen des Unternehmers nicht. Vielmehr erscheint gerade der Verbraucher schutzwürdig, insbesondere wenn er sich für eine längere Zeit - im Bereich der Telekommunikationsdienstleistungen zumeist für eine Mindestvertragslaufzeit zu Beginn von 24 Monaten - bindet. Die bereits erbrachte Teilleistung kann der Unternehmer nach wie vor abrechnen; lediglich die zukünftigen Dienstleistungen braucht der Verbraucher nicht in Anspruch zu nehmen. Oftmals kann der Verbraucher bei Fernabsatzgeschäften auch erst nach der erstmaligen Erbringung der Dienstleistung deren wirkliche Brauchbarkeit für ihn bzw. die Qualität der Dienstleistung beurteilen.

Der vom erkennenden Gericht vertretenen Auffassung steht auch nicht das Urteil des BGH vom 16.3.2006 (BGHZ 166, 369 ff.) entgegen. Der dem Urteil zugrunde liegende Sachverhalt bezieht sich gerade auf eine unteilbare Dienstleistung (Annahme eines R-Gesprächs). Zu der Frage einer differenzierenden Betrachtung hat sich der BGH insoweit nicht geäußert.

2. Hinsichtlich des für erledigt erklärten Antrags bzgl. der Freigabe des Ports war über die Kosten gem. § 91a ZPO zu entscheiden. Insoweit hat die Beklagte die Kosten zu tragen, da ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses der Kläger obsiegt hätte. Mangels wirksamen Vertragsschlusses war die Beklagte zur Freigabe des Ports verpflichtet. Für die Kostenentscheidung ist es unerheblich, ob die Freigabe nun im Mai oder erst im August 2007 erfolgte.

Hinsichtlich des Feststellungsantrages ergibt sich die Verpflichtung zur Kostentragung aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

§ 713 ZPO ist aufgrund der Zulassung der Berufung nicht anwendbar.

Die Berufung war gem. § 511 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 ZPO zuzulassen, da die hier entschiedene Rechtsfrage über die Rechtssache hinaus Bedeutung hat (vgl. Gummer/Heßler, in: Zöller, 25. Auflage, § 511 Rn. 37 f.).

Der Streitwert wird festgesetzt auf: bis 600 €.