OLG Zweibrücken, Beschluss vom 26.02.2020 - 1 OLG 2 Ss 14/20
Fundstelle
openJur 2020, 20346
  • Rkr:
Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 3. Kleinen Strafkammer des Landgerichts Kaiserslautern vom 18. November 2019 aufgehoben,

a. soweit der Angeklagte wegen Bedrohung zum Nachteil der Zeugin N. verurteilt worden ist (Fall II.3.3 der Urteilsgründe); insoweit wird das Verfahren eingestellt,

b. mit den zugrundeliegenden Feststellungen im Fall II.3.2 der Urteilsgründe (Tat vom 7. Juni 2016) und

im Ausspruch über die Gesamtstrafe;

in diesem Umfang wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht - Schöffengericht II - Kaiserslautern hat den Angeklagten am 12. Juni 2018 unter Freisprechung im Übrigen schuldig gesprochen "einer gefährlichen Körperverletzung, zweier Bedrohungen und einer Beleidigung" und ihn zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht am 18. November 2019 mit der Maßgabe verworfen, dass die Gesamtfreiheitsstrafe auf ein Jahr und drei Monate ermäßigt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird. Die dagegen gerichtete, auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision erzielt den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.

II.

1.

Soweit sich das Rechtsmittel gegen die Verurteilung im Fall II.3.1 (Tat vom 1. April 2016) wegen gefährlicher Körperverletzung sowie wegen einer im Oktober 2017 zum Nachteil der Zeugin N. begangenen Beleidigung richtet, sind der Schuld- und Rechtsfolgeausspruch jeweils frei von den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehlern (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Senat schließt sich insbesondere den Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft aus der Antragsschrift vom 8. Februar 2020 an, dass das von der Geschädigten unterzeichnete Vernehmungsprotokoll vom 14. Oktober 2017 den nach § 194 Abs. 1 S. 1 StGB i.V.m. § 158 Abs. 2 StPO notwendigen Strafantrag enthält.

2.

Soweit der Angeklagte wegen einer ebenfalls im Oktober 2017 zum Nachteil der Zeugin N. begangenen Bedrohung verurteilt worden ist, war das angegriffene Urteil aufzuheben und das Verfahren wegen Fehlens der Verfahrensvoraussetzung einer wirksamen Anklageschrift und demzufolge eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses einzustellen.

a) Durch die mit Beschlüssen des Amtsgerichts vom 24. Januar 2018 (Bl. 84 der Tatheft 4) und vom 26. April 2018 (Bl. 210 der Hauptakte 6310 Js 8873/16) unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklage vom 30. November 2017 (Az.: 6310 Js 18000/17, Tatheft 4) hat die Staatsanwaltschaft Kaiserslautern dem Angeklagten u.a. zur Last gelegt, "im Oktober 2017 (...) einen Menschen mit der Begehung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten Verbrechens bedroht zu haben". Hierzu ist im konkreten Anklagesatz ausgeführt: "Zudem drohte er ihr [der Zeugin N.] an, sie umzubringen. Er gab an, er werde ihren ´Kopf mit einer Axt spalten´."

b) Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

"Im Oktober 2017 geriet der Angeklagte mit F. N. aus K. wegen eines Handyverkaufs von N. an eine ´Schutzperson´ des Angeklagten in Streit. Der Angeklagte (...) droht, dass er ihre Kinder erschießen und ihr das Handy mit Ladekabel in ihre Fotze schieben werde."

c) Damit ist die Identität zwischen der abgeurteilten Tat und dem von der Anklageschrift erfassten Lebenssachverhalt nicht gewahrt.

Die Tat als Prozessgegenstand ist zwar nicht nur der in der Anklageschrift umschriebene Geschehensablauf; zur Tat gehört vielmehr das gesamte Verhalten des Angeklagten, soweit es mit dem durch die Anklage bezeichneten geschichtlichen Vorgang nach der Lebensauffassung ein einheitliches Vorkommnis bildet. Verändert sich im Laufe des Verfahrens der Lebenssachverhalt, wie er in der zugelassenen Anklageschrift beschrieben ist, so bemisst sich die Frage, ob die Identität der prozessualen Tat trotz Veränderung des Tatbildes noch gewahrt ist, nach den Kriterien der sog. "Nämlichkeit" der Tat. Dabei wird die prozessuale Tat im Wesentlichen durch Tatort, Tatzeit und das Tatbild umgrenzt und insbesondere durch das Täterverhalten sowie die ihm innewohnende Angriffsrichtung sowie das Tatopfer bestimmt (zu allem: BGH, Beschluss vom 13.02.2019 - 4 StR 555/18, juris Rn. 5 m.w.N.).

Gemessen hieran steht nicht fest, dass es sich bei der abgeurteilten Tat (noch) um die in der Anklage beschriebene prozessuale Tat handelt. Zwar ist der Adressat der Äußerung derselbe (Zeugin N.). Auch ist der in der Anklageschrift bezeichnete Tatzeitraum ("im Oktober 2017") identisch. Letzterer stellt für die Beurteilung der "Nämlichkeit" der Tat aber schon deshalb kein geeignetes Kriterium dar, weil er weit gefasst und daher zur Identifizierung der Tat nur ganz eingeschränkt geeignet ist. Die Identität der Tat bestimmt sich hier vielmehr in erster Linie nach dem Inhalt der gegenüber der Geschädigten getätigten Äußerung. Dass es sich bei der in der Anklageschrift zitierten Drohung dabei (noch) um denselben Lebenssachverhalt handelt, den das Landgericht seiner Verurteilung zu Grunde gelegt hat, liegt nach deren völlig unterschiedlichem Wortlaut fern. Dies gilt erst Recht vor dem Hintergrund, dass der Angeklagte im angegebenen Zeitraum mehrere WhatsApp-Sprachnachrichten an die Geschädigte gesendet hat. Es ist deshalb zumindest nicht auszuschließen, dass die abgeurteilte Bedrohung und die in der Anklageschrift bezeichnete Äußerung bei unterschiedlichen Gelegenheiten versandt wurden und es sich folglich bei dem abgeurteilten Verhalten um eine weitere, von der Anklage nicht erfasste Handlung handelt.

Da eine Nachtragsanklage (§ 266 StPO) nicht erhoben ist, muss das Verfahren daher von Amts wegen eingestellt werden (§ 206a StPO).

3.

Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet auch die Verurteilung wegen Bedrohung zum Nachteil des Zeugen G.

a) Das Landgericht hat hierzu festgestellt:

"Am 7. Juni 2016 sprach der Pfarrer G. von der ...-Gemeinde in K. beim Angeklagten vor, um die Taufe eines Kindes der A. M. zu besprechen. Der Angeklagte fühlte sich vom Pfarrer bedrängt und drohte an, ihn in seiner Kirche neben Jesus ans Kreuz zu nageln, wenn er nicht umgehend verschwinde. Der Pfarrer nahm die Drohung ernst."

b) Damit hat das Landgericht die tatbestandlichen Voraussetzungen der Bedrohung i.S.d. § 241 StGB nicht belegt.

aa) Voraussetzung der Drohung mit einem Verbrechen im Sinne der Vorschrift ist, dass der Täter objektiv den Eindruck der Ernstlichkeit erweckt und will, dass die Drohung vom Bedrohten ernst genommen wird. Unerheblich ist, ob der Täter tatsächlich in der Lage ist, die Bedrohung zu realisieren bzw. ob er dies überhaupt beabsichtigt. Wegen des objektiven Maßstabes werden jedoch all die Ankündigungen aus dem Deliktsbereich ausgeschlossen, die nicht als objektiv ernst zu nehmende Bedrohung mit einem Verbrechen angesehen werden können, selbst wenn der Bedrohte sich davon hat beeindrucken lassen (BGH, Beschluss vom 15.01.2015 - 4 StR 419/14, NStZ 2015, 394 mit Anm. Nestler; Schluckebier in LK, 12. Aufl. 2015, § 241 Rn. 10; Sinn in MünchKomm-StGB, 3. Aufl. 2017, § 241 Rn. 4 m.w.N.).

bb) Die Wertung des Landgerichts, in der Äußerung "ans Kreuz nageln" liege objektiv die ernst gemeinte Androhung eines Tötungsdelikts, ist angesichts ihres grotesken, ersichtlich übersteigerten Inhalts auch unter Berücksichtigung des - in den Urteilsgründen nur bruchstückhaft wiedergegeben - Gesamtgeschehens bereits nicht ohne weiteres nachvollziehbar. Das Landgericht weist im Rahmen der Strafzumessung selbst zutreffend darauf hin, dass die Äußerung "auch als Wutrede ohne realen Hintergrund verstanden werden" kann (UA S. 11). Momentane Erregungszustände, bei denen die Ankündigung eines bestimmten Verhaltens nach den Umständen aus der Sicht eines objektiven Durchschnittsmenschen nicht ernst zu nehmen ist, scheiden aus dem Tatbestand jedoch aus (Sinn aaO. Rn. 4 m.w.N.). Es hätte deshalb einer näheren tatrichterlichen Bestimmung des objektiven Erklärungsgehalts der Äußerung bedurft. Eine entsprechende Würdigung ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen.

cc) Zudem fehlen Feststellungen dazu, wie der Angeklagte seine Äußerung verstanden hat und welche Vorstellungen er davon hatte, wie diese von dem Geschädigten aufgefasst wird (vgl. Senat, Beschluss vom 20.10.2014 - 1 OLG 1 Ss 40/14). Dass der Angeklagte, der sich dahingehend eingelassen hat, er habe die angedrohte Handlung "nicht vollziehen wollen" (UA S. 9), mit dem Willen gehandelt hat, die Drohung könne als ernst gemeint - und nicht lediglich als eine in drastische Worte gefasste Unmutsäußerung - aufgefasst werden, versteht sich zumindest nicht von selbst und hätte ebenfalls näherer Erörterung bedurft.

dd) Entsprechenden Darlegungen war das Landgericht auch nicht vor dem Hintergrund seiner Feststellung enthoben, dass "der Pfarrer (..) die Drohung ernst" nahm und sich "sofort" entfernte. Der Erklärungsgehalt der Bedrohung bestimmt sich nach rein objektiven Kriterien (BGH aaO. Rn. 9), weshalb es nicht entscheidend darauf ankommt, wie der Erklärungsempfänger die Äußerung verstanden hat (Schluckebier aaO. Rn. 10). Hinzu tritt, dass es dieser Feststellung an einer tragfähigen Beweisgrundlage mangelt. Ausweislich der Urteilsgründe beruhen die diesbezüglichen Feststellungen (allein) auf der Einlassung des Angeklagten. Diesem sind Angaben zu inneren Vorgängen des in der Berufungshauptverhandlung nicht vernommenen Geschädigten jedoch nicht möglich. Zwar steht es dem Tatrichter grundsätzlich frei, aus äußeren Umständen auf das Vorstellungsbild eines Geschädigten zu schließen (vgl. BGH, Beschluss vom 04.09.2014 - 1 StR 314/14, juris Rn. 23). Angesichts der Gesamtumstände der Tat - soweit in den Urteilsgründen dargestellt - und der verschiedenartigen Deutungsmöglichkeiten der Äußerung kann aus dem sich Entfernen des Geschädigten hier aber nicht ohne weiteres der Schluss gezogen werden, dieser habe die Bedrohung als ernstgemeint verstanden.

Zitiert0
Referenzen0
Schlagworte