OLG Koblenz, Urteil vom 21.11.2007 - 1 Ss 293/07
Fundstelle
openJur 2020, 19989
  • Rkr:
Tenor

1. Auf die Revision der Angeklagten L. wird das Urteil der 1. kleinen Strafkammer des Landgerichts Trier vom 25. Juni 2007 im Rechtsfolgenausspruch, soweit er die Beschwerdeführerin betrifft, mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Kammer des Landgerichts Trier zurückverwiesen. Die weitergehende Revision der Angeklagten L. wird als unbegründet verworfen.

2. Die Revision des Angeklagten P. gegen das vorbezeichnete Urteil wird als unbegründet verworfen.

Die Kosten seines Rechtsmittels fallen ihm selbst zur Last (§ 473 Abs. 1 S. 1 StPO).

Gründe

I.

Das Amtsgericht verurteilte die Angeklagten wegen Meineids, den Angeklagten zu 2. darüber hinaus in Tateinheit wegen versuchter Strafvereitelung zu Freiheitsstrafe von zehn Monaten (Angeklagte zu 1.) bzw. einem Jahr (Angeklagter zu 2.). Die Vollstreckung der Strafen setzte es zur Bewährung aus.

Nachdem dagegen sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Angeklagten Rechtsmittel eingelegt hatten, hat die Strafkammer auf die Berufung der Angeklagten die Höhe der Freiheitsstrafen auf sieben (Angeklagte zu 1.) bzw. acht Monate (Angeklagter zu 2.) ermäßigt und das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft als unbegründet verworfen.

Nach den Feststellungen des Urteils machten die Angeklagten in einem gegen den Ehemann der Angeklagten zu 1., einem Landwirt, wegen Tierquälerei geführten Strafverfahren bei ihrer zeugenschaftlichen Vernehmung in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht falsche Angaben. Der Vorwurf der Tierquälerei bezog sich auf ein Rind, das zwischen dem 1. Oktober 2004 und seiner Euthanasierung durch einen Tierarzt am 15. Oktober 2004 keiner tierärztlichen Behandlung zugeführt worden war, obwohl es sich in dieser Zeit in einem kranken und hochgradig abgemagerten Zustand befunden, in der Zeit vom 13. bis zum 15. Oktober 2004 sogar auf der Weide festgelegen hatte. Während die Angeklagten als Zeugen aussagten, dass in der fraglichen Zeit mit Sicherheit kein Rind auf der Weide festgelegen habe und dies anschließend beeideten, gelangte der damals tätige Amtsrichter zu gegenteiliger Überzeugung und verurteilte den Landwirt wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz zu einer Geldstrafe. In der Berufungsinstanz wurde das Verfahren gemäß § 153a Abs. 2 StPO gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt. Dass das Tier tatsächlich in der beschriebenen Art und Weise festgelegen hatte, ist auch die Auffassung der Kammer. Die Angeklagten waren sich, so die Kammer weiter, der Unwahrheit ihrer Angaben bewusst und beabsichtigten mit ihrer falschen Aussage und Eidesleistung, eine Verurteilung des Ehemanns der Angeklagten zu 1. wegen Tierquälerei zu verhindern.

Die Angeklagten haben sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache eingelassen. Die Kammer hält sie aufgrund von Zeugenaussagen und des Sachverständigengutachtens eines Tierarztes für überführt. Der Strafzumessung hat sie den für minder schwere Fälle des Meineids geltenden Strafrahmen des § 154 Abs. 2 StGB zugrunde gelegt. Die Annahme eines minder schweren Falls stützt sie darauf, dass den Zeugenaussagen im Ergebnis keine ausschlaggebende Bedeutung zugekommen und seitens des Gerichts ein Eidesverbot nach § 60 Nr. 2 StPO nicht erwogen worden sei.

Gegen diese Entscheidung wenden sich die Angeklagten jeweils mit der Revision, die die Angeklagte zu 1. lediglich mit der Sachrüge, der Angeklagte zu 2. nur mit Verfahrensrügen begründet.

Die Angeklagte zu 1. beanstandet die Beweiswürdigung der Kammer als unvollständig, weil sie die in der Hauptverhandlung gem. § 325 StPO verlesene erstinstanzliche Zeugenaussage des Tierarztes Dr. H., der am 15. Oktober 2004 die Euthanasierung des Rindes vorgenommen hatte, nicht berücksichtigt habe. Nach Ansicht des Angeklagten zu 2. hat die Kammer ihre gerichtliche Aufklärungspflicht gem. § 244 Abs. 2 StPO verletzt, indem sie darauf verzichtet hat, den Zeugen H. in der Berufungshauptverhandlung persönlich zu vernehmen. Außerdem habe sie einen von der Angeklagten zu 1. gestellten Beweisantrag auf Vernehmung dieses Zeugen rechtsfehlerhaft abgelehnt.

Der Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft hatte mit Übersendung der Akten zunächst beantragt, auf die Revisionen der Angeklagten das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben und im Übrigen die Rechtsmittel als offensichtlich unbegründet zu verwerfen. In der Revisionsverhandlung hat er beantragt, beide Revisionen insgesamt als unbegründet zu verwerfen, hilfsweise, die gegen die Angeklagte zu 1. verhängte Strafe angemessen herabzusetzen.

II.

Das Rechtsmittel der Angeklagten zu 1. hat einen zumindest vorläufigen Teilerfolg.

1. Der die Beschwerdeführerin betreffende Rechtsfolgenausspruch ist aufzuheben, weil die Kammer eine in Betracht zu ziehende Strafmilderungsvorschrift außer Betracht gelassen hat.

Nach den Urteilsfeststellungen hat die Angeklagte deswegen unter Eid falsch ausgesagt, weil sie ihren Ehemann vor einer Bestrafung wegen Tierquälerei schützen wollte. Für einen solchen Fall gibt das Gesetz in § 157 StGB dem Gericht die Möglichkeit, die Strafe nach seinem Ermessen zu mildern (§ 49 Abs. 2 StGB). Die Urteilsgründe müssen erkennen lassen, dass das Gericht sich dieser Möglichkeit bewusst war (BGHR StGB § 154 Abs. 1 Selbstbegünstigung 3). Daran fehlt es hier. Die Kammer hat den Milderungsgrund weder in die Bewertung des Meineids als minder schweren Fall einbezogen, noch als weiteren, selbstständigen Gesichtspunkt bei der Strafrahmenwahl berücksichtigt (vgl. hierzu nur Tröndle/Fischer, StGB, § 50 Rdn. 4 m.w.N.). Die unterlassene Erörterung ist ein Rechtsmangel (BGH a.a.O.), der hier zur Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch mit den dazu getroffenen Feststellungen (§ 353 Abs. 1 und 2 StPO) führt.

Die Überzeugungsbildung der Kammer von der Unrichtigkeit der Zeugenaussage und die ihr zugrunde liegende Beweiswürdigung sind nicht zu beanstanden. Die Rüge der Angeklagten, die Kammer habe die Aussage des Zeugen Dr. H. nicht berücksichtigt, ist revisionsrechtlich nicht von Erheblichkeit. Die Urteilsgründe weisen aus, dass die Aussage des Zeugen im Zusammenhang mit dem erstatteten Sachverständigengutachten gewürdigt worden ist, so dass schon deswegen von einer Nichtverwendung des Beweismittels nicht die Rede sein kann. Soweit die Angeklagte eine Nichtausschöpfung der Zeugenaussage geltend machen will, kann sie damit kein Gehör finden (vgl. BGH NJW 1992, 2840, 2841). Es ist allein Sache des Tatgerichts, die Ergebnisse der Beweisaufnahme festzustellen und zu würdigen. Was im Urteil über das Ergebnis der Verhandlung zur Schuld- und Straffrage festgehalten ist, bindet das Revisionsgericht (BGH a.a.O.), ohne dass verlangt werden kann, der Tatrichter müsse alle in der Hauptverhandlung erörterten oder sonst benutzten Beweismittel in den schriftlichen Urteilsgründen anzuführen und sich dort über ihren Beweiswert äußern (BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 2 Beweisergebnis 3 m.w.N.). Allein aus der Tatsache, dass im Urteil nicht im Einzelnen auf eine Zeugenaussage eingegangen wird, kann daher nicht gefolgert werden, das Tatgericht habe sich mit ihr nicht ausreichend auseinandergesetzt. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn sich aus den Urteilsgründen ergibt, dass Widersprüche in einer Aussage ungeklärt oder sich aufdrängende Vorhalte unterblieben sind (BGH NJW 1992, 2840). Das ist hier aber nicht der Fall. Auch die Beschwerdeführerin selbst trägt dazu nichts vor.

III.

Die vom Angeklagten zu 2. erhobenen Verfahrensrügen haben keinen Erfolg.

1. Soweit er eine Verletzung der richterlichen Aufklärungspflicht beanstandet, ist die Rüge nicht in der gebotenen Form (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) begründet worden.

Die Darlegungen dazu reichen nicht aus, um dem Revisionsgericht eine Überprüfung des behaupteten Verfahrensmangels zu ermöglichen (vgl. nur Meyer-Goßner, StPO, § 344 Rdn. 21; KK-Kuckein, StPO, § 344 Rdn. 38, jeweils m.w.N.). Es fehlen Ausführungen dazu, zu welchem Beweisergebnis eine persönliche Vernehmung des Zeugen Dr. H. geführt hätte und weshalb sich dem Gericht diese Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen (vgl. zu den Begründungsanforderungen nur Meyer-Goßner a.a.O. § 244 Rdn. 81; KK-Kuckein a.a.O. Rdn. 51, jeweils m.w.N.).

Dass der Zeuge bei einer persönlichen Vernehmung andere Angaben als in seiner verlesenen Aussage aus der ersten Instanz gemacht oder sein Erscheinen in der Berufungshauptverhandlung sonst zu weitergehenden Erkenntnissen geführt hätte, geht aus der Beschwerdebegründung nicht hervor. Sie geht vielmehr davon aus, dass der Zeuge seine erstinstanzliche Aussage in zweiter Instanz wiederholt, seine persönliche Vernehmung das durch das Verlesen seiner Aussage erzielte Ergebnis mithin nur bestätigt hätte.

Zu einer solchen Beweiserhebung hätte die Kammer sich allenfalls dann gedrängt sehen müssen, wenn der Aussage prozessentscheidende Bedeutung zugekommen wäre (Meyer-Goßner a.a.O. § 325 Rdn. 12 m.w.N). Dass dies der Fall war, ist nicht ersichtlich. Der Beschwerdeführer selbst trägt dazu nichts vor. Die verlesenen, in der Rügebegründung wiedergegebenen Angaben des Zeugen aus erster Instanz lassen eine Entscheidungserheblichkeit nicht erkennen. Danach hatte er das Rind erstmals am Nachmittag des Tages der Euthanasierung gesehen, so dass er zu dem Zustand und Verhalten des Tieres in den hier interessierenden Tagen davor keine Wahrnehmungen getroffen haben konnte. Soweit er geäußert hat, dass das Rind seiner Auffassung nach nicht drei Tage gelegen habe, ist dieser Aussagegegenstand einem Zeugenbeweis nicht zugänglich, sondern betrifft eine durch Vernehmung eines Sachverständigen zu klärende Bewertungsfrage, der die Kammer durch Einholung des Gutachtens eines anderen Tierarztes nachgegangen ist. Die Schilderung des Zeugen, wonach das kranke Tier sich vor der Euthanasierung aggressiv verhalten habe, hat die Kammer aufgegriffen, indem sie diese Angabe zur Bewertung durch den Sachverständigen gestellt hat. Einen entscheidenden Aufklärungsbeitrag musste die Kammer bei dieser Beweislage aus der persönlichen Vernehmung des Zeugen nicht erwarten.

2. Die weiter erhobene Rüge, die Kammer habe einen in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrag zu Unrecht abgelehnt, ist zulässig, aber unbegründet.

Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass der abgelehnte Antrag von der Angeklagten zu 1. gestellt worden war und der Beschwerdeführer sich dem Antrag nicht ausdrücklich angeschlossen hatte. Er kann die Behandlung des Antrages dennoch rügen, weil das Beweisbegehren auch in seinem Interesse lag. Denn eine Bestätigung der Beweisbehauptung hätte beide Angeklagte, also auch ihn entlastet (BGH NStZ 1984, 372; Meyer-Goßner a.a.O. § 244 Rdn. 84 m.w.N.).

Die Kammer hat die beantragte Vernehmung des Zeugen Dr. H. zu Recht auf Grundlage des § 244 Abs. 2 StPO abgelehnt. An die gesetzlichen Ablehnungsgründe gem. § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO war sie nicht gebunden. Denn der gestellte Antrag war nicht als Beweisantrag, sondern lediglich als Beweisermittlungsantrag aufzufassen. Er hatte folgenden Wortlaut:

"Zum Beweis der Tatsache, dass die besagte Kuh nicht in den letzten Tagen vor der Tötung festliegend war, wird die Vernehmung des sachverständigen Zeugen Dr. H.... beantragt".

Dieser Negativbehauptung war nicht zu entnehmen, welche Tatsache Gegenstand der Wahrnehmung und Bekundung des Zeugen sein sollte (vgl. BGHSt 39, 251, 254/255). Eine Tatsachenbehauptung war auch nicht durch Auslegung zu ermitteln. Da sich aus der nach § 325 StPO verlesenen Aussage ergeben hat, dass der Zeuge in der fraglichen Zeit überhaupt keine Wahrnehmungen zur Beweisfrage hatte treffen können, war der Antrag ohne Bezeichnung einer konkreten, in das Wissen des Zeugen gestellten Tatsache nur dahin zu verstehen, dass die Antragstellerin darin lediglich das mit der Vernehmung angestrebte Beweisziel bezeichnet hat. Damit werden die an einen Beweisantrag zu stellenden Inhaltsanforderungen nicht erfüllt (BGH a.a.O.). Solche Anträge sind vielmehr nach § 244 Abs. 2 StPO zu behandeln. Dass die Kammer sich in Anwendung des an ihrer Aufklärungspflicht ausgerichteten Maßstabs zu einer persönlichen Vernehmung des Zeugen mangels prozessentscheidender Bedeutung der zu erwartenden Aussage nicht veranlasst gesehen hat, ist entsprechend den Ausführungen zu 1. nicht zu beanstanden.

Die Verfahrensrüge ist daher unbegründet.

IV.

Die materielle Rechtslage ist für die Erfolgsaussichten der vom Angeklagten zu 2. eingelegten Revision ohne Bedeutung.

Da er keine Sachrüge erhoben hat, ist eine revisionsrechtliche Überprüfung des ihn betreffenden Schuld- und Strafausspruches nicht vorzunehmen.

Entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Zuleitungsverfügung wirkt sich der zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs gegen die Angeklagte zu 1. führende Rechtsfehler nicht auch zugunsten des Angeklagten zu 2. aus. Eine Revisionserstreckung auf ihn gem. § 357 StPO scheidet aus, weil der festgestellte Rechtsfehler sich aus der Nichtberücksichtigung einer Strafmilderungsnorm ergibt, die ein besonderes persönliches Merkmal des Täters voraussetzt, das nur in der Person der Angeklagten zu 1., nicht jedoch in der des Angeklagten zu 2. vorhanden ist. § 157 Abs. 1 StGB, den die Kammer bei Bemessung der Strafe gegen die Angeklagte zu 1. nicht beachtet hat, begünstigt nur denjenigen, der mit seiner Falschaussage sich oder einen Angehörigen vor strafrechtlicher Verfolgung schützen will (§ 28 Abs. 2 StGB). Geschützt werden sollte vorliegend der Ehemann der Angeklagten zu 1., mit dem der Angeklagte zu 2. zwar befreundet, aber nicht als Angehöriger (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 StGB) verbunden ist. Der Aufhebungsgrund kann sich daher auf seine Person nicht auswirken, so dass der Rechtsmittelerfolg auf die Revision der Angeklagten zu 1. beschränkt bleibt (vgl. Meyer-Goßner a.a.O. § 357 Rdn. 15; KK-Kuckein a.a.O. § 357 Rdn. 14).

Die Revision des Angeklagten zu 2. ist daher in vollem Umfang mit der Kostenfolge des § 473 Abs. 1 S. 1 StPO als unbegründet zu verwerfen. Da die Generalstaatsanwaltschaft insoweit keinen Antrag nach § 349 Abs. 2 StPO gestellt hat, ist die Entscheidung durch Urteil und nicht im Beschlussweg zu treffen.