LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 29.01.2020 - 7 TaBV 14/19
Fundstelle
openJur 2020, 19700
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 8. Mai 2019, Az.: 7 BV 72/18, wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über Fahrt- und Parkkosten zur Betriebsräteschulung am 29. August 2018.

Der Beteiligte zu 1) ist der Vorsitzende des aus fünf Mitgliedern bestehenden, im April 2018 gewählten Betriebsrats (Beteiligter zu 3) im Betrieb der Beteiligten zu 2) in C-Stadt. Er gehörte, ebenso wie drei weitere Betriebsratsmitglieder, dem zuvor bestehenden Betriebsrat nicht an.

Unter dem 16. Juli 2018 lud die ver.di den Beteiligten zu 3) "zur Tagesschulung am Mittwoch 29.08.2018 ab 10:00 Uhr S." ein. In diesem Einladungsschreiben (Blatt 7 der Akte) heißt es:

"Hiermit laden wir die Betriebsräte für das Geld und Wertdienste in RLP und Saarland nach § 37 Abs. 2 u. 6 BetrVG zu einer Tagesschulung ein.

Thema sind die derzeitigen Tarifgespräche mit dem Arbeitgeberverband zu einem Bundesmanteltarifvertrag.

Wir werden den aktuellen Stand und auch die noch gültigen Länderspezifischen Tarifverträge und die Auswirkungen auf die Betriebsratsarbeit nach § 80 BetrVG erläutern.

Der Schulungsinhalt entspricht den gesetzlichen Bestimmungen zur Freistellung nach dem BetrVG.

Die Schulungskosten (Fahrtkosten und Freistellung) sind vom Arbeitgeber entsprechend den Vorschriften der § 37 BetrVG in Verbindung mit § 40 BetrVG zu tragen."

Am 17. Juli 2018 fasste der Beteiligte zu 3) folgenden Beschluss (Blatt 5 der Akte):

"Der Betriebsrat hat in seiner Sitzung am 17.07.2018 beschlossenMitglieder

D., B.

T. A.

Br., M.

S., J.

A..,

"auf eine Schulungsveranstaltung der ver.di mit dem Thema:Thema: derzeitige Tarifgespräche mit dem Arbeitgeberverband zum Bundesmanteltarifvertrag und seine Auswirkungen nach § 80 BetrVGgemäß § 37 Abs. 6 BetrVG und § 40 BetrVG zu schicken.Die Veranstaltung findet statt am 29.08.2018in S.Die in dem oben genannten Seminar vermittelten Kenntnisse sind für eine sach- und fachgerechte Betriebsratstätigkeit gemäß § 37 Abs. 6 BetrVG erforderlich. Die betrieblichen Belange hinsichtlich der zeitlichen Lage der Schulungsveranstaltung wurden berücksichtigt.Sollten wir innerhalb der nächsten 14 Tage nicht von Ihnen hören, gehen wir davon aus, dass der Seminarteilnahme aus Ihrer Sicht nichts entgegensteht".

Unmittelbar im Anschluss an diesen Betriebsratsbeschluss wurde die Beteiligte zu 2) vom Beteiligten zu 3) unterrichtet, wobei mit Datum vom 24. Juli 2018 seitens des Beteiligten zu 1) ein Antrag auf die Genehmigung einer Dienstreise mit einem Mietwagen (Blatt 6 der Akte) gestellt wurde.

Eine Reaktion seitens der Beteiligten zu 2) erfolgte nicht. In der Vergangenheit hatte die Beteiligte zu 2) inhaltsgleiche Schulungen jährlich genehmigt.

Unter anderem der Beteiligte zu 1) nahm an der Schulungsveranstaltung vom 29. August 2018 teil. Die Fahrt zum Schulungsort in S. unternahm der Beteiligte zu 1) mit seinem privaten Pkw, wobei er zwei weitere Betriebsratsmitglieder mitnahm. Die einfache Entfernung zwischen der Betriebsstätte und dem Schulungsort beträgt 193 km. Der Beteiligte zu 1) verauslagte Parkgebühren in Höhe von 4 €.

Nach Geltendmachung der Fahrtkosten durch den Beteiligten zu 1) erwiderte die Beteiligte zu 2) mit E-Mail vom 11. September 2018 (Blatt 10 der Akte), eine Vereinbarung zur Nutzung des privaten Pkw habe nicht vorgelegen. Der Beteiligte zu 1) wies daraufhin mit E-Mail vom 11. September 2018 (Blatt 9 der Akte) auf seinen entsprechenden Antrag hin. Mit E-Mail vom 12. September 2018 teilte die Beteiligte zu 2), mit, dass sie die Betriebsratstätigkeit für den Tag für nicht erforderlich und notwendig halte und daher die für den Tag angegebenen Stunden nicht vergüten werde. Auch die eingereichten Reisekosten würden abgelehnt.

Auf die nochmalige Geltendmachung der entstandenen Kosten mit Schreiben von ver.di vom 14. September 2018 reagierte die Beteiligte zu 2) nicht.

Der Beteiligte zu 1) nahm an den Lehrgängen BR 1 und BR 2 in der Zeit vom 3. Dezember 2018 bis 6. Dezember 2018 sowie vom 14. Januar 2019 bis zum 18. Januar 2019 teil. Vor der Schulung vom 29. August 2018 hat der Beteiligte zu 1) an keiner Betriebsräteschulung teilgenommen.

Mit seinem am 12. Dezember 2018 beim Arbeitsgericht eingegangenen, der Beteiligten zu 2) am 18. Dezember 2018 zugestellten Antrag begehrt der Beteiligte zu 1) die Verpflichtung der Beteiligten zu 2) zur Zahlung von Kilometergeld in Höhe von 115,80 € (386 km x 0,30 €) sowie der entstandenen Parkgebühren.

Der Beteiligte zu 1) hat vorgetragen,

die Schulungsteilnahme sei erforderlich gewesen, da er schulungsbedürftig gewesen sei, Schulungsinhalt der eintägigen Schulung seien die Auswirkungen der länderspezifischen Tarifverträge auf die Betriebsratsarbeit nach § 80 BetrVG gewesen. Insoweit handele es sich um eine aktuelle Problematik, für die er bislang keine Schulungsveranstaltung besucht habe. Auf der Tagesschulung seien folgende Themen behandelt worden: rechtliche Möglichkeiten des Betriebsrats bei der Mitbestimmung unter Berücksichtigung des Bundesmanteltarifvertrags sowie der Landesverträge, welche Informationen aus den laufenden Tarifverhandlungen dürften Betriebsräte an die Belegschaft weitergeben und welche nicht, Verhalten des Betriebsrates in einer Streikphase in Bezug auf die Ausübung von Mitbestimmungsrechten, Rechte der Mitarbeiter in der Streikphase sowie Betriebsratsmitglieder als Bindeglied während der Verhandlungsphase zwischen Belegschaft und Arbeitgeber. Diese Themen seien ganztägig in Gesprächen zwischen den Schulungsteilnehmern und dem Gewerkschaftssekretär R. behandelt worden.

Nachdem die Beteiligte zu 1) in der Vergangenheit inhaltsgleiche Schulungen genehmigt habe, könne zumindest verlangt werden, dass vor der Schulungsteilnahme eine Äußerung der Beteiligten zu 2) erfolge. Insgesamt sei es als treuwidrig anzusehen, Bedenken gegen eine Schulungsteilnahme trotz ordnungsgemäßer Unterrichtung erst nach Durchführung der Schulungsveranstaltung anzuführen.

Der Beteiligte zu 1) hat erstinstanzlich beantragt,

die Beteiligte zu 2) zu verpflichten, an ihn 119,80 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beteiligte zu 2) hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie war der Ansicht,

der Antrag sei schon unzulässig, da der Beteiligte zu 1) nicht darstelle, inwiefern die Gewerkschaftsveranstaltung Inhalte habe vermitteln sollen, welche für die Betriebsratsarbeit erforderlich seien. Es habe sich um reine Gewerkschaftsthemen bzw. Themen gehandelt, welche Gewerkschaftsmitglieder beträfen.

In den Vorjahren habe jeweils ein Betriebsratsmitglied an der Schulung teilgenommen. Eine jährlich sich wiederholende Schulung zu inhaltsgleichen Themen sei nicht für die Betriebsratsarbeit erforderlich.

Sie habe auch nicht treuwidrig gehandelt. Sie habe selbstverständlich keine Pflicht oder Obliegenheit, den Besuch der Schulung ausdrücklich abzulehnen. Es bedürfe keiner Zustimmung des Arbeitgebers zur Arbeitsbefreiung, eine "präventive Kontrolle" der Betriebsratsarbeit durch den Arbeitgeber sei faktisch nicht möglich. Auch aus diesem Grund könne dem Umstand, dass sie vorab nicht reagiert habe, keinerlei Rechtswirkung entnommen werden.

Das Arbeitsgericht Koblenz hat die Beteiligte zu 2) durch Beschluss vom 8. Mai 2019 verpflichtet, an den Beteiligten zu 1) 119,80 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. Dezember 2018 zu zahlen. Der Antrag sei zulässig, insbesondere sei der Beteiligte zu 1) antragsbefugt. Der Antrag sei auch begründet. Die Beteiligte zu 2) habe dem Beteiligten zu 1) die geltend gemachten Kosten gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG zu erstatten. § 40 Abs. 1 BetrVG begründe nicht nur ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber und verpflichte diesen zur Erstattung der durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstandenen Kosten, sondern räume zudem einem Betriebsratsmitglied, das die Aufwendungen bereits aus eigenen Sach- oder Geldmitteln vorgeleistet habe, einen unmittelbaren betriebsverfassungsrechtlichen Erstattungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber ein. Eine "Betriebsratstätigkeit" im Sinne von § 40 Abs. 1 BetrVG gemäß § 37 Abs. 6 Satz 1 BetrVG sei eine Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, soweit diese Kenntnisse vermittelten, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich seien. Diese Voraussetzungen seien erfüllt. Zwar könnten Zweifel berechtigt sein, ob das Thema "Derzeitige Tarifgespräche mit dem Arbeitgeberverband zum Bundesmanteltarifvertrag" die tägliche Arbeit des Beteiligten zu 1) beträfen und ihm in diesem Sinne "erforderliches" Wissen vermittele. Der Beteiligte zu 1) habe jedoch weitere Tagungsthemen benannt. Dazu zähle zunächst die Erläuterung von Auswirkungen der zum damaligen Zeitpunkt gültigen länderspezifischen Tarifverträge auf die Betriebsratsarbeit nach § 80 BetrVG. Hinzu kämen als weitere Themen "Rechtliche Möglichkeiten des Betriebsrats bei der Mitbestimmung unter Berücksichtigung des Bundesmanteltarifvertrags sowie der Landesverträge", die Stellung des Betriebsrats als Bindeglied zur Belegschaft während laufender Tarifverhandlungen sowie Verhaltensmöglichkeiten des Betriebsrats und Rechte der Mitarbeiter in Streikphasen. Dass es sich dabei um Themen mit Gewerkschaftsbezug handele, vermöge die Schulung nicht auf eine für Betriebsräte nicht erforderliche "reine Gewerkschaftsveranstaltung" zu reduzieren, sondern liege in der Natur der Sache. Schwerpunkt der Themen seien jedoch die "Auswirkungen auf die Betriebsratsarbeit nach § 80 BetrVG" bzw. die "rechtlichen Möglichkeiten des Betriebsrats bei der Mitbestimmung", also Fragen, die für die tägliche Betriebsratsarbeit unter Geltung der bestehenden Tarifverträge von Bedeutung seien. Dass die hier in Rede stehende Schulung von einer Gewerkschaft ausgerichtet werde, sei ebenfalls unerheblich. Zudem habe die Beteiligte zu 2) in der Vergangenheit keinen Anstoß an allgemein formulierten Themen genommen. Hinsichtlich der streikbezogenen Themen möge zwar zutreffen, dass es zum Schulungszeitpunkt keinen konkreten Anlass zur Annahme eines baldigen Streiks im Betrieb der Beteiligten zu 2) gegeben habe. Bereits an den unstreitig erforderlichen und gemeinhin üblichen Grundlagenschulungen für Betriebsräte im Arbeitsrecht und Betriebsverfassungsrecht zeige sich indes, dass nicht sämtliche in einer Fortbildung behandelten Themen stets in unmittelbarer zeitlicher Nähe zur Fortbildung in den Betrieben der teilnehmenden Betriebsräte virulent werden müssten. Damit weise jedenfalls die überwiegende Anzahl der vom Beteiligten zu 1) benannten Schulungsthemen einen Bezug zur Betriebsratsarbeit und den sich in deren Rahmen stellenden mitbestimmungsrechtlichen Fragen auf. Dies genüge, um eine Erforderlichkeit im Sinn von § 37 Abs. 6 Satz 1 BetrVG für die gesamte Tagesschulung zu bejahen. Hinzukomme, dass eine Erforderlichkeit nicht einmal notwendigerweise objektiv gegeben sein müsse, um die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers nach § 40 BetrVG auszulösen. Vielmehr genüge, dass die Fortbildung nach dem Urteil eines vernünftigen Dritten unter Berücksichtigung des Grundsatzes der vertrauensvollen Zusammenarbeit der Betriebspartner (§ 2 Abs. 1 BetrVG) bei gewissenhafter Abwägung aller Umstände habe für erforderlich gehalten werden dürfen, wobei dem Betriebsrat ein Beurteilungsspielraum zustehe. Vorliegend habe ein vernünftiger Dritter aus den dargelegten Gründen und unter Berücksichtigung des einzuräumenden Beurteilungsspielraums eine Erforderlichkeit der Schulung annehmen dürfen, da die Tagungsthemen überwiegend die laufende Betriebsratstätigkeit unter Berücksichtigung der geltenden Tarifverträge behandelten, die Beteiligte zu 2) in der Vergangenheit die Kosten für inhaltsgleiche Schulungen anstandslos übernommen habe und es sich bei dem Beteiligten zu 1) um ein neu gewähltes Betriebsratsmitglied handele. Auch habe der Beteiligte zu 1) auf den im Einladungsschreiben der Gewerkschaft enthaltenen Hinweis vertrauen dürfen, es handele sich um eine Schulung im Sinn von § 37 Abs. 2 und 6 BetrVG, deren Inhalte den gesetzlichen Freistellungsbestimmungen nach dem BetrVG entsprächen und deren Kosten gemäß § 37 in Verbindung mit § 40 BetrVG der Arbeitgeber zu tragen habe. Dem stehe nicht entgegen, dass die Beteiligte zu 2) bestritten habe, dass die vom Beteiligten zu 1) benannten Themen tatsächlich auf der Tagung behandelt worden wären. Zum einen erfolge dieses Bestreiten offenkundig ins Blaue hinein, zum anderen sei zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts selbst im Urteilsverfahren angesichts der dort dem Arbeitnehmer obliegende Darlegungs- und Beweislast keine lückenlose Darlegung zu Art und Umfang der Betriebsratstätigkeit verlangen dürfe. Diesen Anforderungen genüge der Vortrag der Beteiligten zu 2) vorliegend nicht. Gegen die Höhe des geltend gemachten Betrags seien keine spezifischen Einwendungen erhoben worden, insbesondere sei der Beteiligte zu 1) zum Einsatz seines Privatwagens befugt gewesen. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Gründe II. des Beschlusses des Arbeitsgerichts (Bl. 81 ff. d. A.) Bezug genommen.

Der genannte Beschluss ist der Beteiligten zu 2) am 17. Mai 2019 zugestellt worden. Sie hat hiergegen mit einem am 17. Juni 2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Beschwerde eingelegt und diese innerhalb der durch Beschluss vom 17. Juli 2019 bis einschließlich 19. August 2019 verlängerten Beschwerdebegründungsfrist mit am 19. August 2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag begründet.

Zur Begründung der Beschwerde macht die Beteiligte zu 2) nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes sowie des Schriftsatzes vom 21. Januar 2020, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 114 ff., 156 ff. d. A.), unter ergänzender Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen zusammengefasst geltend,

vor dem Arbeitsgericht Saarland seien aktuell vier Urteilsverfahren anhängig, welche den identischen Sachverhalt hätten. Dort hätten Betriebsratsmitglieder ihre Vergütung für den Zeitraum der Schulung eingeklagt. Bislang hätten zwei der vier Klageparteien die Schulungsinhalte so dargestellt wie der hiesige Beteiligte zu 1) erstinstanzlich. Von einer weiteren Klagepartei werde im Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Saarland mit dem Az. 8 Ca 377/19 hingegen ausgeführt, dass folgende Themen Gegenstand der Schulung gewesen wären: Welche Tarifverträge finden derzeit Anwendung?, Wie stehen diese zueinander?, Was ist eine tarifliche Nachwirkung und welche Tarifverträge sind in Nachwirkung?, Was müssen Betriebsräte im Rahmen ihrer Überwachungsaufgaben nach § 80 BetrVG in diesem Zusammenhang wissen?, Durchsetzungsmöglichkeiten im arbeitsrechtlichen Beschlussverfahren für Betriebsräte, welcher Tarifvertrag muss angewendet werden?, Wirkungsweisen und Folgen der Mitbestimmungsrechte sowie Strategieentwicklung zur Durchsetzung von Mitbestimmung. Wegen der unterschiedlichen Ausführungen der Betriebsratsmitglieder aus verschiedenen Niederlassungen, die die Schulung am 29. August 2018 besucht hätten, erwüchsen Zweifel an den Schulungsinhalten.

Der Beteiligte zu 1) habe schon nicht ausreichend substantiiert dargelegt, dass die Schulung Kenntnisse vermittelt habe, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich gewesen seien. Sie habe bereits erstinstanzlich mit Nichtwissen bestritten, dass "rechtliche Möglichkeiten des Betriebsrats bei der Mitbestimmung unter Berücksichtigung des Bundesmanteltarifvertrags sowie der Landesverträge" Schulungsgegenstand gewesen seien. Der Vortrag werde zudem als unsubstantiiert und nicht einlassungsfähig gerügt. Der Beteiligte zu 1) habe selber überhaupt nicht ausgeführt, inwiefern Kenntnisse zu diesem Thema für die Erledigung aktueller bzw. zukünftiger Betriebsratsaufgaben notwendig seien. Es sei jedenfalls bislang kein neuer Manteltarifvertrag abgeschlossen worden und die Tarifvertragsparteien befänden sich nach ihren Kenntnissen auch nicht in solchen Gesprächen. Darüber hinaus könne eine Information zu bloßen Tarifvertragsgesprächen, welche noch nicht zum Abschluss gekommen und daher nicht verbindlich seien, ebenfalls nicht erforderlich sein. Informationen zu Tarifverhandlungen sowie das Verhalten während Streikphasen gehörten nicht zum Aufgabenbereich des Betriebsrats.

Dass sie in den letzten zwei Jahren bereits inhaltsgleiche Schulungen gewährt habe, spreche gegen die Erforderlichkeit der konkreten Schulung. Der Beteiligte zu 1) müsse darlegen, weshalb die Vermittlung derartiger Kenntnisse gegenüber dem Beteiligten zu 3) als Kollegialorgan zu "inhaltsgleichen Themen" im Jahr 2018 nochmals erforderlich gewesen sei.

Welche Rechte die Mitarbeiter in einer Streikphase hätten, gehöre nicht zum Aufgabenbereich des Betriebsrats. Das Thema "Betriebsratsmitglieder als Bindeglied während der Verhandlungsphase zwischen Belegschaft und Arbeitgeber" bleibe auch weiterhin nicht einlassungsfähig. Nach ihrem Verständnis sei jedoch auch dieser Themenbereich kein Aufgabenbereich des Betriebsrats.

Aus der Übernahme der Kosten durch sie in der Vergangenheit lasse sich kein Anhaltspunkt dafür begründen, dass der Beteiligte zu 3) auf die Erforderlichkeit der Veranstaltung habe schließen können. Dies gelte insbesondere unter dem Umstand, dass er den Besuch von insgesamt fünf Betriebsratsmitgliedern beschlossen habe. Darauf, ob der Beteiligte zu 1) bereits an einer Schulung teilgenommen habe, komme es nicht an, da Träger des Schulungsanspruchs nach § 37 Abs. 6 BetrVG zunächst der Beteiligte zu 3) als Kollektivorgan sei. Auf die Ausführungen der Schulungsveranstalter könne es als Grundlage für einen Vertrauensschutz der Betriebsratsmitglieder nicht ankommen.

Die Beteiligte zu 2) beantragt,

auf ihre Beschwerde den am 8. Mai 2019 verkündeten Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz, Az. 7 BV 72/18, abzuändern und

den Antrag zurückzuweisen.

Der Beteiligte zu 1) beantragt,

die Beschwerde der Beteiligten zu 2) zurückzuweisen.

Er verteidigt den angefochtenen Beschluss nach Maßgabe seines Beschwerdeerwiderungsschriftsatzes vom 30. Oktober 2019, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 149 ff. d. A.), unter ergänzender Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen als rechtlich zutreffend. Es sei darauf hinzuweisen, dass es Ende 2018/Anfang 2019 zu Arbeitskampfmaßnahmen mit dreitägigem Ausstand gekommen sei. Die Weigerung der Übernahme der angefallenen Fahrtkosten durch die Beteiligte zu 2) sei als treuwidrig zu bewerten, da diese nach ordnungsgemäßer Unterrichtung von der beabsichtigten Teilnahme keinerlei Bedenken vor der Schulungsteilnahme geäußert habe.

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 29.Januar 2020 (Bl.189 ff. d. A.) Bezug genommen.

II.

1.

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie statthaft, § 87 Abs. 1 ArbGG und form- und fristgerecht eingelegt (§§ 89 Abs. 1 und 2, 87 Abs. 2 Satz 1, § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 519 ZPO) sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 89 Abs. 2 Satz 2, 87 Abs. 2, § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 520 ZPO).

2.

In der Sache hatte die Beschwerde der Beteiligten zu 2) keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat dem Antrag zu Recht stattgegeben. Der Beteiligte zu 1) hat gegen die Beteiligte zu 2) einen Anspruch auf Erstattung von 119,80 € netto nebst Zinsen.

a) Der Antrag ist - wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat - zulässig.

Der Rechtsstreit über den Anspruch des Beteiligten zu 1) ist im Beschlussverfahren auszutragen. Dies folgt aus § 2a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 iVm. den §§ 80 ff. ArbGG (vgl. BAG 18. Januar 1989 - 7 ABR 89/87 - Rn. 12). Der Beteiligte zu 1) ist antragsbefugt. Er verlangt den Ersatz der Kosten, die ihm durch seine Teilnahme an der Betriebsratsschulung am 29. August 2018 in S. entstanden sind. Derartige Ansprüche sind sowohl hinsichtlich der Frage, ob es sich um erstattungsfähige Kosten handelt, als auch hinsichtlich der Frage, ob diese Kosten in der geforderten Höhe zu erstatten sind, im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren geltend zu machen. Dies gilt auch dann, wenn nicht der Betriebsrat als betriebsverfassungsrechtliches Organ die Erstattung der Kosten an eines seiner Mitglieder nach § 40 Abs. 1 BetrVG geltend macht, sondern wenn ein einzelnes Betriebsratsmitglied die Erstattung von Kosten an sich selbst verlangt, die ihm persönlich entstanden sind (BAG 18. Januar 1989 - 7 ABR 89/87 - Rn. 12 mwN.).

b) Der Antrag ist auch begründet. Dabei kann nach Auffassung der Kammer letztlich dahinstehen, ob sich der Anspruch des Beteiligten zu 1) aus § 40 Abs. 1 BetrVG i. V. m. § 37 Abs. 6 Satz 1 BetrVG ergibt. Die Beteiligte zu 2) ist jedenfalls aus Gründen des Vertrauensschutzes und aufgrund des Gebots der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BetrVG verpflichtet, dem Beteiligten zu 1) die Reisekosten zu erstatten.

(1) (a) Nach § 40 Abs. 1 BetrVG hat der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten zu tragen. Dazu gehören die Kosten, die anlässlich der Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer Schulungsveranstaltung nach § 37 Abs. 6 BetrVG entstanden sind, sofern das bei der Schulung vermittelte Wissen für die Betriebsratsarbeit erforderlich ist. Neben den eigentlichen Seminargebühren hat der Arbeitgeber auch die notwendigen Reise-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten des Betriebsratsmitglieds zu tragen (BAG 24. Oktober 2018 - 7 ABR 23/10 - Rn.11; 14. Januar 2015 - 7 ABR 95/12 - Rn. 9, jeweils mwN.).

Nach § 37 Abs. 6 Satz 1 BetrVG ist die Vermittlung von Kenntnissen erforderlich, wenn sie unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse im Betrieb und Betriebsrat notwendig sind, damit der Betriebsrat seine gegenwärtigen oder in naher Zukunft anstehenden Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen kann (BAG 14. Januar 2015 - 7 ABR 95/12 - Rn. 10). Das Bundesarbeitsgericht (vgl. nur 6. November 1973 - 1 ABR 8/73 - Rn. 37) unterscheidet zwischen der Vermittlung sogenannter Grundkenntnisse und anderen Schulungsveranstaltungen. Durch die Vermittlung von Grundwissen soll das Betriebsratsmitglied erst in die Lage versetzt werden, seine sich aus der Amtsstellung ergebenden Rechte und Pflichten ordnungsgemäß wahrzunehmen. Bei erstmals gewählten Betriebsratsmitgliedern braucht die Schulungsbedürftigkeit nicht näher dargelegt zu werden, wenn Grundkenntnisse im Betriebsverfassungsrecht, im allgemeinen Arbeitsrecht oder im Bereich der Arbeitssicherheit und Unfallverhütung vermittelt werden. Für andere Schulungsveranstaltungen muss ein aktueller, betriebsbezogener Anlass für die Annahme bestehen, dass die in der Schulungsveranstaltung zu erwerbenden besonderen Kenntnisse derzeit oder in naher Zukunft von dem zu schulenden Betriebsratsmitglied benötigt werden, damit der Betriebsrat seine Beteiligungsrechte sach- und fachgerecht ausüben kann (st. Rspr., vgl. BAG 14. Januar 2015 - 7 ABR 95/12 - Rn.10; 29. April 1992 - 7 ABR 61/91 - Rn. 12 mwN.). Der erforderliche konkrete betriebsbezogene Anlass ist nicht im Sinne eines akuten Ereignisses, sondern im Sinne eines gegenwärtigen Bedürfnisses zu verstehen (BAG 28. September 2016 - 7 AZR 699/14 - Rn. 29 mwN.).

Bei der Entscheidung über die Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme steht dem Betriebsrat ein Beurteilungsspielraum zu. Dieser entbindet ihn jedoch nicht von der Obliegenheit, im Streitfall darzulegen, weshalb das zu der Schulung entsandte Betriebsratsmitglied die dort vermittelten Kenntnisse benötigt, damit das Gremium des Betriebsrats seine gesetzlichen Aufgaben sach- und fachgerecht wahrnehmen kann (BAG 14. Januar 2015 - 7 ABR 95/12 - Rn. 11 mwN.; vgl. auch 6. November 1973 --1 ABR 8/73 - Rn. 47).

Die Erforderlichkeit der Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung ist grundsätzlich einheitlich zu bewerten. Die Aufteilung einer Schulung in einen für die Tätigkeit eines Betriebsratsmitglieds erforderlichen und einen nicht erforderlich Teil kommt nur dann in Betracht, wenn die unterschiedlichen Themen so klar voneinander abgegrenzt sind, dass ein zeitweiser Besuch der Schulungsveranstaltung möglich und sinnvoll ist. Ist eine Aufteilung der Schulungsveranstaltung und ein zeitweiser Besuch praktisch nicht möglich, entscheidet über die Erforderlichkeit der Gesamtschulung, ob die erforderlichen Themen mit mehr als 50 % überwiegen (BAG 28. September 2016 - 7 AZR 699/14 - Rn.32 mwN.).

Bei der Beschlussfassung über die Notwendigkeit der Schulung hat der Betriebsrat im Allgemeinen folgende Umstände zu berücksichtigen, die auch in einem eventuellen gerichtlichen Verfahren dargelegt werden müssen (Schaub/Koch, Arbeitsrechts-Handbuch, 18. Aufl. 2019, § 221 Rn. 38): Erfolgt die Schulung in Fragen, die zur Betriebsratstätigkeit gehören? Besteht ein gegenwärtiges, betriebsbezogenes Bedürfnis für die Schulung? Besteht Schulungsbedürftigkeit des Betriebsrats und des einzelnen Betriebsratsmitglieds, insbesondere im Hinblick auf den Besuch früherer Schulungsveranstaltungen, die Dauer der bisherigen Betriebsratstätigkeit usw.? Bei Schulung in Spezialfragen sind die besonderen Aufgaben des einzelnen Betriebsratsmitglieds zu berücksichtigen. Weiter ist der Themenplan der Schulung bei der Beschlussfassung zu bedenken.

Der Beurteilungsspielraum des Betriebsrats bezieht sich auch auf den Inhalt der Schulungsveranstaltung. Arbeitsgerichte können bezüglich des Beurteilungsspielraums im Einzelfall nicht dessen Inhalt prüfen, sondern nur beurteilen, ob ein Betriebsrat dessen Grenzen überschritten hat. Der Betriebsrat hat nicht nur nach seinem subjektiven Ermessen die Frage zu beantworten, ob die Entsendung eines Betriebsratsmitglieds aufgrund eines Betriebsratsbeschlusses zu einer Veranstaltung erforderlich ist, weil für die Betriebsratsarbeit erforderliche Kenntnisse im Sinn des § 37 Abs. 6 BetrVG vermittelt werden, sondern er muss sich auf den Standpunkt eines vernünftigen Dritten stellen, der die Interessen des Betriebes einerseits, des Betriebsrates und der Arbeitnehmerschaft andererseits gegeneinander abwägt.

Die Schulung des entsandten Betriebsratsmitglieds ist nicht notwendig, wenn die auf der Schulungsveranstaltung vermittelten Kenntnisse im Betriebsrat bereits vorhanden sind. Allerdings ist der Betriebsrat weder verpflichtet, die anstehenden Aufgaben auf wenige kenntnisreiche Mitglieder zu konzentrieren, noch muss er sich bei der Aufgabenerfüllung auf die Information eines einzelnen Betriebsratsmitglieds verlassen. Auch wenn ein Mitglied die erforderlichen Kenntnisse bereits besitzt, kann die sinnvolle Organisation der Betriebsratsarbeit es gebieten, auch andere Mitglieder mit der Aufgabenwahrnehmung zu betrauen. Es hängt dabei maßgeblich von der Größe und personellen Zusammensetzung sowie von der Geschäftsverteilung des Betriebsrats ab, ob und inwieweit eines oder mehrere Mitglieder über Spezialkenntnisse verfügen müssen (BAG 14. Januar 2015 - 7 ABR 95/12 - Rn. 12 mwN.).

Wegen der Notwendigkeit des Betriebsrats, in einer bestimmten Situation entscheiden zu müssen, ist es unerheblich, ob rückblickend gesehen die Teilnahme an der Schulungsveranstaltung wirklich im streng objektiven Sinn erforderlich war (BAG 15. Mai 1986 - 6 ABR 64/83 - Rn. 12 mwN.; 6. November 1973 - 1 ABR 8/73 - Rn. 39). Die gerichtliche Kontrolle muss sich darauf beschränken, ob ein vernünftiger Dritter unter den im Zeitpunkt der Beschlussfassung gegebenen Umständen eine derartige Entscheidung getroffen hätte (BAG 15. Mai 1986 - 6 ABR 64/83 - Rn. 12 mwN.).

(b) Im vorliegenden Fall konnte der Beteiligte zu 3) im Zeitpunkt des Betriebsratsbeschlusses vom 17. Juni 2018 vom Standpunkt eines vernünftigen Dritten durchaus auch bei Abwägung mit den betrieblichen Interessen zumindest in Erwägung ziehen, dass jedenfalls die Teilnahme des Beteiligten zu 1) als seines Vorsitzenden an der Schulungsveranstaltung für seine Arbeit im Sinn des § 37 Abs. 6 BetrVG erforderlich ist. Das gilt sowohl für die Themen als auch für die Zeitdauer der

Schulungsveranstaltung von einem Tag. Da bei dem Beteiligten zu 1) die Fahrtkosten und Parkgebühren angefallen sind, kann vorliegend dahinstehen, ob der Beteiligte zu 3) auch die Teilnahme weiterer Betriebsratsmitglieder für erforderlich halten durfte bzw. dies zumindest in Erwägung ziehen konnte.

Ausweislich des dem Beteiligten zu 3) bei seiner Beschlussfassung am 17. Juli 2018 vorliegenden Einladungsschreibens von ver.di sollten Gegenstand der Schulungsveranstaltung die "derzeitigen Tarifgespräche mit dem Arbeitgeberverband zum Bundesmanteltarifvertrag und seine Auswirkungen nach § 80 BetrVG" sein, wobei der aktuelle Stand und auch die noch gültigen länderspezifischen Tarifverträge und die Auswirkungen auf die Betriebsratsarbeit nach § 80 BetrVG erläutert werden sollten und nach Angaben des Veranstalters der Schulungsinhalt den gesetzlichen Bestimmungen zur Freistellung nach dem BetrVG entsprechen sollte.

Eine sachgerechte Betriebsratsarbeit erfordert ausreichende Kenntnisse über den für den Betrieb geltenden Manteltarifvertrag (vgl. BAG 9. Oktober 1973 - 1 ABR 6/73 - Rn. 19: nähere Kenntnisse des für den Betrieb geltenden Tarifrechts; LAG Hamm 17. August 2007 - 13 TaBV 30/07 - Rn. 35: jeweils aktuell Kenntnisse über den [geänderten] Inhalt von Tarifverträgen, sofern diese im Betrieb zur Anwendung gelangen; 11. März 1981 - 3 TaBV 125/80; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier/Schelz, 30. Aufl. 2020, BetrVG § 37 Rn. 165; GK-BetrVG/Weber, 11. Aufl 2018, § 37 Rn. 197: Tarifverträge, die für die Arbeit des Betriebsrats von Bedeutung sind; jeweils mwN.). Das ergibt sich bereits aus der allgemeinen Überwachungspflicht des § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, aber beispielsweise auch im Hinblick auf § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG oder § 87 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, wonach der Betriebsrat nur mitzubestimmen hat, "soweit" nicht eine tarifliche Regelung besteht. Auch § 2 Abs. 1 BetrVG fordert die Zusammenarbeit "unter Beachtung der geltenden Tarifverträge". Dies setzt ebenfalls die Kenntnis des Betriebsrats von geltenden tariflichen Bestimmungen voraus.

Der Beteiligte zu 1) ist - wie 3 weitere Mitglieder des fünfköpfigen Betriebsrats ebenfalls - neu gewählt. Zum Zeitpunkt der Teilnahme an der Gewerkschaftsschulung hatte er noch keine weiteren Schulungen besucht. Auch wenn bereits ein wiedergewähltes Betriebsratsmitglied an einer inhaltsgleichen Schulung teilgenommen hatte, konnte der Betriebsrat in Erwägung ziehen, dass zumindest ein weiteres Mitglied ebenfalls Kenntnisse über die für den Betrieb derzeit geltenden tariflichen Regelungen und zwischen den Tarifvertragsparteien in Gespräch befindliche Änderungen benötigt. Da der Beteiligte zu 1) als Betriebsratsvorsitzender in starkem Maß und intensivem Umfang mit auftretenden Fragestellungen befasst werden kann, benötigt speziell er aufgrund seiner herausgehobenen Funktion besondere Kenntnisse.

Dem Hinweis im Einladungsschreiben: "Der Schulungsinhalt entspricht den gesetzlichen Bestimmungen zur Freistellung nach dem BetrVG" konnte der Beteiligte zu 3) zumindest entnehmen, dass ver.di als Veranstalter die Anforderungen des § 37 BetrVG bei der Konzeption der Schulungsveranstaltung geprüft hat und beabsichtigte, auch den praktischen Inhalt der Veranstaltung an diesen Anforderungen auszurichten.

(2) Die Beteiligte zu 2) ist jedenfalls aus Gründen des Vertrauensschutzes und aufgrund des Gebots der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BetrVG verpflichtet, dem Beteiligten zu 1) die Reisekosten zu erstatten.

Die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat werden durch die Rechte und Pflichten bestimmt, die dem Betriebsverfassungsrecht zu Grunde liegen, sowie durch die wechselseitigen Rücksichtspflichten, die sich aus § 2 Abs. 1 BetrVG ergeben. Der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit ist Maßstab dafür, wie die Betriebsparteien ihre gegenseitigen Rechte und Pflichten wahrzunehmen und auszuüben haben. Sie müssen dabei auch auf die Interessen anderer Betriebsparteien Rücksicht nehmen (vgl. BAG 14. März 1989 - 1 ABR 80/87 - Rn. 33). Jedoch kann aus § 2 Abs. 1 BetrVG nicht unabhängig vom Bestehen konkreter betriebsverfassungsrechtlicher Rechtsvorschriften das Entstehen von Rechten und Pflichten des Arbeitgebers oder des Betriebsrats hergeleitet werden. Die Bestimmung betrifft lediglich die Art der Ausübung bestehender Rechte (BAG 23. August 1984 - 6 AZR 520/82 - Rn. 26 mwN.). Es geht letztlich um die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben auch in der Betriebsverfassung (BAG 28. Mai 2014 - 7 ABR 36/12 - Rn. 35 mwN.). Hierbei besteht die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme und Loyalität.

Die Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat sollen auf Zusammenarbeit gerichtet sein. Sie sind verbunden durch das gemeinsame Ziel des Wohles der Arbeitnehmer und des Betriebs. Dieses Gebot schließt die Wahrnehmung gegensätzlicher Interessen nicht aus. Die Interessengegensätze sollen aber möglichst durch gegenseitige vertrauensvolle Zusammenarbeit ausgeglichen werden, ohne dass es der Anrufung der Einigungsstelle oder der Arbeitsgerichte bedarf. Die Zusammenarbeit soll sich in gegenseitiger "Ehrlichkeit und Offenheit" vertrauensvoll vollziehen (vgl. BAG 22. Mai 1959 - 1 ABR 2/59 - Rn. 10; ErfK/Koch, 20. Aufl. 2020, BetrVG § 2 Rn. 1; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier/Schelz, 30. Aufl. 2020, BetrVG § 2 Rn.21; Richardi BetrVG/Richardi/Maschmann, 16. Aufl. 2018, BetrVG § 2 Rn. 14). Vertrauensvoll ist die Zusammenarbeit, wenn jeder dem anderen trauen und dessen Worten Glauben schenken kann (Richardi BetrVG/Richardi/Maschmann, 16. Aufl. 2018, BetrVG § 2 Rn. 14 mwN.). Der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit bedeutet auch die Pflicht, sich bei der Verfolgung der unter Umständen unterschiedlichen Interessen an die Spielregeln zu halten, die Vertrauen erst ermöglichen (GK-BetrVG/Franzen, 11. Aufl. 2018, § 2 Rn. 15). § 2 Abs. 1 BetrVG ist bei der Auslegung des Gesetzes zu beachten und wirkt so auf den Inhalt aller Einzelrechte und -pflichten der Betriebsparteien ein (ErfK/Koch, 20. Aufl. 2020, BetrVG § 2 Rn. 1 mwN.).

Nach Auffassung der Kammer war die Beteiligte zu 2) im konkreten Einzelfall jedenfalls verpflichtet, den Beteiligten zu 3) vor der Teilnahme an der Schulung darauf hinzuweisen, dass sie die Teilnahme des Beteiligten zu 1) und weiterer Betriebsratsmitglieder an der Schulungsveranstaltung nicht für erforderlich erachtet. Dies ergibt sich jedenfalls aus den besonderen Umständen des vorliegenden Einzelfalls.

Von Schaub/Koch (ArbeitsrechtsHandbuch, 18. Aufl. 2019, § 221 Rn. 44 mwN.) wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass ein Arbeitgeber, der gegen die Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung keine Einwendung erhebt, nicht später im Prozess über die Entgeltfortzahlung die Erforderlichkeit der Schulung bestreiten kann.

Im vorliegenden Fall handelt es sich bei dem Beteiligten zu 3) aber jedenfalls um einen neu gewählten Betriebsrat, von dessen Mitgliedern nur eines zuvor bereits einmal Betriebsratsmitglied gewesen war.

Darüber hinaus hat die Beteiligte zu 2) unstreitig in der Vergangenheit im Hinblick auf Schulungen mit vergleichbaren Inhalten die Kosten erstattet. Hatten die Betriebspartner jedoch nach der bisherigen Praxis eine derartige Schulung als erforderlich angesehen, so durfte der Beteiligte zu 3) erwarten, dass es auch in Zukunft bei dieser Einschätzung verbleibt (vgl. auch BAG 14. Januar 1993 - 2 AZR 387/92 - Rn. 49).Wenn die Beteiligte zu 2) als Arbeitgeberin an der bisherigen Praxis nicht mehr festhalten wollte, so war sie auf Grund des Gebotes der vertrauensvollen Zusammenarbeit verpflichtet, die Betriebsvertretung hiervon zu unterrichten. Die Hinweispflicht ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass der Arbeitgeber in diesem Fall durch sein bisheriges Verhalten den Betriebsrat in seiner Auffassung bestärkt hat, der Inhalt einer Schulung mit vergleichbaren Schulungsinhalten könne als erforderlich im Sinn des § 37 Abs. 6 BetrVG angesehen werden. Dagegen spricht auch nicht, dass bereits ein Betriebsmitglied in der Vergangenheit an einer derartigen Schulung teilgenommen hat. Die Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an vorangegangenen Schulungen hatte die Beteiligte zu 2) in der Vergangenheit ebenfalls nicht veranlasst, deren Erforderlichkeit in Zweifel zu ziehen. Darüber hinaus hatte der Beteiligte zu 1) als neuer Betriebsratsvorsitzender in der Vergangenheit gerade noch nicht an einer Schulung, insbesondere nicht mit einem derartigen Inhalt teilgenommen. Der Beteiligte zu 3) und damit auch der Beteiligte zu 1) konnten sich auf das Verhalten der Beteiligten zu 2) gegenüber dem zuvor bestehenden Betriebsrat berufen, auch wenn ihm nur noch ein früheres Mitglied angehörte.

Überdies konnte der Beteiligte zu 3) im Hinblick auf den Hinweis in seinem Betriebsratsbeschluss: "Sollten wir innerhalb der nächsten 14 Tage nichts von Ihnen hören, gehen wir davon aus, dass der Seminarteilnahme aus ihrer Sicht nichts entgegensteht", erwarten, dass die Beteiligte zu 2) ihn darauf hinweisen würde, wenn sie die Schulungsveranstaltung nicht für erforderlich erachtete.

Durch einen entsprechenden Hinweis hätte die Beteiligte zu 2) dem Beteiligten zu 3) ermöglicht, im Vorfeld genauer zu überprüfen, ob die Inhalte der von ihm für erforderlich erachteten Schulungsveranstaltung tatsächlich erforderlich im Sinn des § 37 Abs. 6 BetrVG sind. Durch ihr Schweigen und ihren erst nach der Schulungsteilnahme und dem Entstehen der Kosten erteilten Hinweis auf die aus ihrer Sicht mangelnde Erforderlichkeit der Veranstaltung hat sie es dem Beteiligten zu 3) unmöglich gemacht, vor der Teilnahme weitere Unterlagen hinsichtlich der Schulungsinhalte anzufordern, aus denen sich beispielsweise die genauen Inhalte und ihre zeitliche Aufteilung ergeben hätten. Die Beteiligten zu 3) und 1) hätten sodann vor der Teilnahme an der Schulungsveranstaltung abwägen können, ob sie das Risiko eingehen, gegebenenfalls die durch eine Teilnahme entstehenden Kosten selbst zu tragen, ob sie zuvor eine gerichtliche Klärung der Erforderlichkeit der Schulungsveranstaltung herbeiführen oder ob sie auf eine Schulungsteilnahme (zunächst) verzichten.

Der Beteiligten zu 2) war auch zuzumuten, dem Beteiligten zu 3) einen entsprechenden Hinweis zu erteilen. Sie kann sich nach Auffassung der Kammer nicht darauf zurückziehen, dass es ihr organisatorisch nicht möglich sei, sämtliche beabsichtigte Schulungsteilnahmen seitens eines Betriebsrates im Vorfeld zu überprüfen. Nach § 37 Abs. 6 Satz 5 BetrVG kann der Arbeitgeber der Arbeitgeber die Einigungsstelle anrufen, wenn er die betrieblichen Notwendigkeiten nicht für ausreichend berücksichtigt hält. Zwar beruft sich die Beteiligte zu 2) im vorliegenden Fall nicht darauf, dass betriebliche Notwendigkeiten nicht ausreichend berücksichtigt seien, sondern dass die Teilnahme nicht erforderlich gewesen sei. Die Vorschrift des § 37 Abs. 6 Satz 5 BetrVG zeigt jedoch, dass der Gesetzgeber es als dem Arbeitgeber zumutbar angesehen hat, dass dieser die Beschlüsse des Betriebsrats vor der Schulungsteilnahme zur Kenntnis nimmt und etwaige Bedenken - zumindest hinsichtlich der Berücksichtigung der betrieblichen Notwendigkeiten - zum Anlass nimmt, die Einigungsstelle anzurufen. Dann kann es den Arbeitgeber auch nicht überfordern, dem Betriebsrat einen formlosen Hinweis auf Bedenken hinsichtlich der Erforderlichkeit der Schulungsveranstaltung zu geben. Dies gilt zumindest dann, wenn der Arbeitgeber die Erforderlichkeit von Schulungsveranstaltungen mit vergleichbaren Inhalten nicht beanstandet und die Kosten für diese übernommen hat.

(3) Gegen die Höhe der Forderung hat die Beteiligte zu 2) im gerichtlichen Verfahren keine Einwände erhoben.

(4) Der Beteiligte zu 1) hat auch einen Anspruch auf Prozesszinsen, §§ 291, 288 BGB. Einem Betriebsratsmitglied stehen Verzugs- oder Prozesszinsen auf seine Forderung auf Erstattung von ihm bereits aufgewendeter Kosten für seine Betriebsratstätigkeit zu, wenn die Voraussetzungen hierfür im Übrigen gegeben sind (BAG 18. Januar 1989 - 7 ABR 89/87- Rn. 22). Der Beteiligte zu 1) macht die Erstattung von Kosten geltend, die er bereits in Höhe seiner Forderung aufgewendet hat. Dieser Erstattungsanspruch ist daher ab Zustellung der Antragsschrift an die Beteiligte zu 2) gemäß den §§ 291, 288 BGB zu verzinsen.

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) hatte daher keinen Erfolg.

3.

Die Voraussetzungen einer Zulassung der Rechtsbeschwerde nach §§ 92, 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt.

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