LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25.09.2019 - 7 Sa 39/19
Fundstelle
openJur 2020, 19638
  • Rkr:
Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz, Auswärtige Kammern Bad Kreuznach vom 29. November 2018, Az.: 11 Ca 515/18 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch über die beiden arbeitgeberseitigen verhaltensbedingten Kündigungen vom 25. Juli 2018 und vom 16. August 2018 sowie über die Weiterbeschäftigung des Klägers.

Die Beklagte, die mehr als 80 Arbeitnehmer beschäftigt, führt Tief- und Gleisbauarbeiten durch. Ein Betriebsrat ist eingerichtet.

Der 1975 geborene, verheiratete und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist auf Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages seit dem 3. Mai 1999 bei der Beklagten bei einem durchschnittlichen Bruttomonatsentgelt in Höhe von 4.731,25 € als Monteur im Gleisbau beschäftigt.

Der Kläger ließ sich für die Betriebsratswahl aufstellen, die im Januar 2018 stattfand, und genoss nachwirkenden Sonderkündigungsschutz, der am 16. Juli 2018 endete.

Er veröffentlichte auf Facebook in der öffentlichen Gruppe "G." Fotos, ein Video (Bl. 77 d. A.) und zwei kommentierte Standortangaben (Bl. 75 f. d. A.) von Gleisbaustellen der Beklagten. Auf die Screenshots wird Bezug genommen (Bl. 45 ff. d.A.). Die Veröffentlichungen erfolgten - soweit auf den Screenshots ersichtlich - am 4. Dezember 2014 (neuer Bahnübergang Bl. 81 d. A.), 3. April 2015 (Bl. 45 d. A.), 24. September 2015 (Vorbereitung Weichenumbau Bahnhof O., Bl. 79 d. A.), 22. Februar 2016 (in der Nähe von M. bzw. Auf nach I., Bl. 78, 270 d. A.), 13. Juni ohne Jahresangabe (E., Bl. 80 d. A.), 21. September ohne Jahresangabe (7 Fotos, L., Bl. 60, 62, 64, 66, 68, 70 und 72 d. A.), 23. September ohne Jahresangabe (4 Fotos und ein Video, L., Bl. 46, 47, 48, 59 und 77 d. A.) und am 14. Oktober ohne Jahresangabe (11 Fotos, L., Bl. 49 - 57, Bl. 83 f. d. A.). Die öffentliche Facebook Gruppe "G" wird auf Facebook mit "X" beschrieben. In seinem persönlichen Profil hat der Kläger angegeben, bei der Beklagten beschäftigt zu sein.

Am 7. Oktober 2017 veröffentlichte der Kläger um 8.33 Uhr auf Facebook die Aussage: "Weichenumbau in L. 12 Std Schichten zum Kotzen, meiner meinung nach viel zu lange." mit sieben angefügten Emoticons, welche Unglück ausdrückendes, starkes Weinen bzw. Schreien darstellen.

Mit Datum vom 2. November 2017 erhielt der Kläger eine Abmahnung (Bl. 100 d. A.) folgenden Wortlauts:

"Abmahnung

Sehr geehrter Herr A.,

Ihr Verhalten veranlasst uns dazu, Sie auf Ihre arbeitsvertraglichen Verpflichtungen hinzuweisen. Aufgrund des folgenden Vorfalls sehen wir uns dazu gezwungen, die vorliegende Abmahnung auszusprechen:

Am 14. Oktober 2017 haben Sie um 16:44 Uhr öffentlich in der Facebook Gruppe G.', 11 Fotos von der Gleisbaustelle in L. der C. veröffentlicht. Auf den Fotos sind einzelne Arbeitsschritte des Gleisbaus zu sehen. Zudem sind Fahrzeuge und Geräte der C. zu sehen. Es sind zudem andere Mitarbeiter der C. in Arbeitsbekleidung abgebildet.

Sie haben mit diesem Verhalten gegen Ihre arbeitsvertraglichen Verpflichtungen verstoßen. Wir fordern Sie hiermit ausdrücklich auf, Ihre vertraglichen Pflichten einzuhalten und insbesondere Baustellen der C. mit Arbeitsschritten, verwendeten Betriebsmitteln und Mitarbeitern nicht zu veröffentlichen.

Sollte sich dieses oder vergleichbares Verhalten Ihrerseits wiederholen, sehen wir uns dazu gezwungen, weitere arbeitsrechtliche Maßnahmen, die bis hin zu einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses gehen können, einzuleiten."

Mit Datum vom 7. November 2017 richtete sich die Beklagte an den Kläger mit der Aufforderung zur Löschung von 11, am 14. Oktober 2017 veröffentlichten Fotos von der Gleisbaustelle in L. und der am 7. Oktober 2017 veröffentlichten Aussage bis zum 15. November 2017. Das Schreiben schließt mit dem Satz: "Sollten die Veröffentlichungen bis zu diesem Datum nicht gelöscht sein, behalten wir uns vor, rechtliche Schritte gegen die Veröffentlichungen prüfen zu lassen." Auf den Inhalt des Schreibens vom 7. November 2017 (Bl. 101 f. d. A.) wird Bezug genommen. Daraufhin begab sich der Kläger am 9. November 2017 in die anwaltliche Beratung seines Prozessbevollmächtigten.

Am 20. November 2017 stellte die Beklagte fest, dass die Bilder, wegen welcher der Kläger abgemahnt worden ist, nach wie vor veröffentlicht waren sowie weitere Fotos.

Die Beklagte hörte den Betriebsrat zur beabsichtigten Kündigung an mit Schreiben vom 17. Juli 2018 (Bl. 103 ff. d. A.). Der Betriebsrat gab eine schriftliche Stellungnahme hierzu ab, auf die Bezug genommen wird (Bl. 9 d. A.) und in der es auszugsweise heißt:

"Die Geschäftsleitung bezieht sich auf einen Fall, der sich im Oktober 2017 ereignet haben soll. In Ihrer beantragten Anhörung steht, dass Abmahnungen, Screenshots und ähnliches als Anlage beigefügt wären, was aber nicht der Fall ist. Der Betriebsrat hat unverzüglich alle öffentlich zugängliche Gruppen in Facebook, die mit Gleisbau in Verbindung kommen durchforstet und festgestellt, dass weder Bildmaterial noch Videos zu finden sind."

Mit Schreiben vom 25. Juli 2018 kündigte sodann die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der tarifvertraglichen Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Monatsende zum 31. Januar 2019 (Bl. 8 d. A.).

Zur erneuten Betriebsratsanhörung mit Anhörungsschreiben vom 7. August 2018, auf deren Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 108 ff. d. A.), gab der Betriebsrat wiederum eine Stellungnahme ab, auf deren Inhalt ebenfalls verwiesen wird (Bl. 123 d. A.).

Die Beklagte kündigte sodann das Arbeitsverhältnis nochmals mit Schreiben vom 15. August 2018 zum 28. Februar 2019 (vgl. Blatt 15 d. A.).

Der Kläger richtet sich mit seiner am 6. August 2018 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klageschrift vom gleichen Tag, der Beklagten zugestellt am 11. August 2018, sowie der Klageerweiterung vom 24. August 2018, die am 27. August 2018 beim Arbeitsgericht einging und der Beklagten am 31. August 2018 zugestellt wurde, gegen diese Kündigungen und hat mit Klageerweiterung vom 20. November 2018 einen Weiterbeschäftigungsantrag anhängig gemacht.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts sowie des wechselseitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird im Übrigen Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 29. November 2018, Az. 11 Ca 515/18, Bl. 172 ff. d. A.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 25. Juli 2018, zugegangen am 26. Juli 2018, zum 31. Januar 2019 nicht aufgelöst wird,

2. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch die Kündigung vom 15. August 2018, zugegangen am 16. August 2018, zum 28. Februar 2019 aufgelöst wird,

3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht aufgrund anderer Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den nächstmöglichen Kündigungstermin hinaus fortbesteht,

4. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zur rechtskräftigen Beendigung des vorliegenden Rechtsstreits als Monteur im Gleisbau weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 29. November 2018 festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 25. Juli 2018 zum 31. Januar 2019 nicht aufgelöst wird. Es hat weiter festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch die Kündigung vom 15. August 2018, zugegangen am 16. August 2018, zum 28. Februar 2019 aufgelöst wird. Darüber hinaus hat es die Beklagte verurteilt, den Kläger bis zur rechtskräftigen Beendigung des vorliegenden Rechtsstreits als Monteur im Gleisbau weiter zu beschäftigen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es - zusammengefasst - ausgeführt, die zulässigen, insbesondere form- und fristgerecht erhobenen Kündigungsschutzanträge seien begründet. Die Kündigungen vom 25. Juli 2018 sowie vom 15. August 2018 seien sozial nicht gerechtfertigt. Indem der Kläger Fotos über das Arbeitsleben von Gleisbaumitarbeitern gemacht und diese später gepostet habe, ohne das Einverständnis der Beklagten hierzu einzuholen, habe er gegen arbeitsvertragliche Nebenpflichten verstoßen, die sich insbesondere aus § 241 BGB ergäben, wonach das Schuldverhältnis nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichte. Die Behauptung der Beklagten, der Kläger habe mit der Veröffentlichung der Bilder Betriebsgeheimnisse verraten und damit seine arbeitsvertragliche Verschwiegenheitspflicht verletzt, sei allein durch die Betrachtung der vorgelegten Bilder nicht nachvollziehbar. Soweit die Beklagte darüber hinaus die Loyalitätspflichten ihr gegenüber als verletzt ansehe, indem der Kläger sie öffentlich unzutreffend als nachlässig und unzuverlässig dargestellt habe, indem er mit seinen Bildern Gleisbauarbeiter auf den Baustellen der Beklagten dargestellt habe, die nicht die zwingenden Arbeitsschutzvorschriften einhielten, fehle es an einer Darstellung und eines Beweisangebots dazu, welche abgelichtete Tätigkeit im Einzelnen zwingend das Tragen eines Schutzhelms erfordert hätte. Auch sei hierin jedenfalls kein vorsätzlicher Verstoß gegen Treuepflichten zu sehen. Von negativen Auswirkungen sei zurzeit nicht auszugehen. Dass die abgelichteten Personen nicht mit ihrer Ablichtung und der Veröffentlichung einverstanden gewesen seien, habe die Beklagte als darlegungs- und beweispflichtige Partei nicht dargetan. Der festgestellte Vertragsverstoß, dass der Kläger gegen das berechtigte Interesse der Beklagten verstoßen habe, dass grundsätzlich keine Bilder über ihre Gleisbaustellen über Facebook veröffentlicht würden, stelle keinen verhaltensbedingten Kündigungsgrund dar, insbesondere auch nicht nach der Abmahnung vom 2. November 2017. Insbesondere in Abwägung der Nebenpflichtverletzung zur Dauer der Betriebszugehörigkeit des Klägers von mehr als 17 Jahren und eines bis dahin offensichtlich unbelasteten Arbeitsverhältnisses sei ein Grund für eine ordentliche Kündigung nicht gegeben. Auch könne in Bezug auf das Verhalten des Klägers durch Veröffentlichung der Fotos auf Facebook nicht von einer negativen Prognose ausgegangen werden, wofür bereits die durch den Kläger selbst vorgenommene Löschung der Fotos spreche. Im Übrigen sei von der Unwirksamkeit der Kündigung vom 25. Juli 2018 auch deshalb auszugehen, weil die Betriebsratsanhörung im wesentlichen Umfang unvollständig gewesen sei, da nach der Stellungnahme des Betriebsrats auf das Anhörungsschreiben vom 17. Juli 2018 die Abmahnung, Screenshots und Ähnliches als Anlage nicht beigefügt gewesen sein sollten. Da das Arbeitsverhältnis nicht durch die streitgegenständlichen Kündigungen vom 25. Juli 2018 und 15. August 2018 beendet worden sei, habe der Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Feststellungsverfahrens einen Anspruch zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigt zu werden gemäß §§ 611, 242 BGB, Art. 1 und 2 GG. Darüber hinaus dürfte sich der Weiterbeschäftigungsanspruch auch aus § 102 Abs. 5 BetrVG ergeben. Soweit der Kläger den allgemeinen Feststellungsantrag nach § 256 ZPO gestellt habe, sei der Antrag abzuweisen gewesen. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts (Bl. 179 ff. d. A.) Bezug genommen.

Das genannte Urteil ist der Beklagten am 25. Januar 2019 zugestellt worden. Sie hat hiergegen mit einem am 6. Februar 2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und mit innerhalb der durch Beschluss vom 18. März 2019 bis einschließlich 15. April 2019 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 15. April 2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag begründet.

Zur Begründung der Berufung macht die Beklagte nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes sowie des Schriftsatzes vom 25. Juli 2019, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 212 ff., 290 ff. d. A.), zusammengefasst geltend,der Kläger habe die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB verletzt, indem er sie in einem geschäftsschädigenden Licht dargestellt habe. Geschäftsschädigend seien die Veröffentlichungen des Klägers von Bildern mit Menschen darauf ohne die zwingend vorgeschriebene Schutzbekleidung auf Baustellen, die ihr zugeordnet würden. Sie hat schriftsätzlich vorgetragen, sie habe aufgrund der §§ 4 und 5 ArbSchG den Einsatz von Schutzhelmen auf den Gleisbaustellen als einzige nach den Vorgaben des ArbSchG rechtmäßige Anordnung vorgeschrieben. Auch für dritte Betrachter sei die auf Grundlage des ArbSchG bestehende Helmpflicht, insbesondere wenn diese Betrachter im Gleisbaubereich beruflich tätig seien, unmittelbar ersichtlich. Ganz besonders gelte dies im Schwenkbereich von Baggern und Kränen. Gerade ein solches Foto habe der Kläger jedoch am 21. September 2017 (Bl. 64 d. A.) veröffentlicht. Bereits die bloße Anwesenheit auf der Baustelle löse die Helmpflicht aus. Mündlich hat die Beklagte im zweitinstanzlichen Kammertermin durch ihre Personalleiterin vorgetragen, in Deutschland sei die Frage, ob eine Helmpflicht bestehe, abhängig von der Art der Baustelle. Das Tragen von Helmen sei im Schwenkbereich von Kränen vorgeschrieben sowie im Bereich von Baggerkränen. Auf typengemischten Baustellen gebe es Anweisungen auf der Baustelle sowie von ihrem Auftraggeber abgestelltes Sicherheitspersonal, das eine Einweisung gebe.

Der Kläger habe auch ihr Selbstbestimmungsrecht über die eigene Außendarstellung als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gemäß Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG verletzt. Sie wolle sich für die Außenwahrnehmung vollkommen anders präsentieren, nämlich in der Weise, wie sie dies auf ihrer Homepage mache, insbesondere durch professionell erstellte Bilder.

Persönlichkeitsrechte anderer und das Recht am eigenen Bild seien verletzt. Dem äußeren Anschein nach seien ihre Rechte verletzt worden, da der Kläger die Bilder als ihr Arbeitnehmer und dem äußeren Anschein nach in ihrem Namen veröffentlicht habe. Dadurch sei ein schlechtes Bild auf sie geworfen worden. Damit habe der Kläger gegen seine Rücksichtnahmepflicht verstoßen.

Für die Annahme des Vorsatzes des Klägers genüge, dass ihm bewusst gewesen sei, dass er mit Sicherheit Verstöße gegen Arbeitsschutzvorschriften zeige. Selbst wenn er lediglich in Kauf genommen hätte, dass er möglicherweise Rechtspositionen und Interessen der Beklagten verletzen werde, würde dies ausreichen um Vorsatz anzunehmen. Es sei irrelevant, dass die Menschen "teilweise in weiter Entfernung abgelichtet" worden und nicht das "vorrangige Bildmotiv" seien. Zudem sei unbeachtlich, ob die Verletzung von Arbeitsschutzvorschriften in der Bildmitte oder am -rand gezeigt werde.

Der Kläger habe weiter seine Pflichten durch die Veröffentlichung von Betriebsgeheimnissen verletzt. Die dargestellten Abstandshalterungen zeigten sehr wohl ein Betriebsgeheimnis, denn sie zeigten eine von ihr individuell entwickelte Verfahrensweise. Der Einbau von sogenannten Spurstangen bei der Schraublochsanierung erfolge nämlich nach einer von ihr selbst entwickelten Technik. Gerade die Abbildung des Ergebnisses einer Arbeitsweise zeige die Arbeitsweise selbst. Es komme insoweit nicht darauf an, ob generell ähnliche oder gleiche Arbeitsschritte im Internet zugänglich seien, sondern welche konkreten Arbeitsschritte sie in welchen Kombinationen vornehme. Ersichtlich sei diese Arbeitsweise auf den Bildern, die zwischen den beiden Schienenläufen das Abstandsgerät zur Abstandshalterung zeigten.

Die auf den veröffentlichten Bildern gezeigten Maschinen seien nicht jene, die sie auf ihrer Internetseite zeige, so eine Walzmaschine (Bl. 68 d. A.). Außerdem sehe man, dass nicht alle Maschinen ihr Eigentum seien, was Rückschlüsse auf Kalkulation, auf im Ergebnis gegebenenfalls die finanzielle Situation ihrer Gesellschaft schließen lasse. Auch die Angabe, an welchen Standorten sie arbeite, sei ein Betriebsgeheimnis, an dessen Nichtveröffentlichung sie ein berechtigtes Interesse habe. Zum einen würden nicht sämtliche Baustellen zuvor ausgeschrieben. Zum anderen sei es unmöglich, sämtliche Baustellen nach ihren Fahrzeugen abzusuchen, um ein umfassendes Bild, wie der Kläger dieses veröffentlicht habe, zu erhalten. Unzutreffend sei, dass sie selbst ihre Standorte veröffentliche, indem sie auf ihre Baustellenfahrzeuge ihren Firmennamen schreibe. Allein die Beschriftung der Baustellenfahrzeuge liefere noch kein umfassendes Bild ihrer deutschland- bzw. europaweiten Tätigkeit. Veröffentlichungen des Klägers ließen eine gezielte Recherche nach ihren Standorten ohne große Mühe zu. Im Übrigen sei sie selbst von ihren Auftraggebern in der Schweiz dazu verpflichtet, Veröffentlichungen der Baustellen zu unterlassen. Diese Verpflichtung sei an den Kläger weitergegeben worden, sie sei ihm auch bekannt gewesen. Er habe dennoch Bilder von Baustellen in der Schweiz veröffentlicht. Es gebe einen Integritätskodex circa aus Anfang 2014, den die Arbeitnehmer unterschrieben hätten, nicht speziell auf die Schweiz, sondern auf das komplette Unternehmen bezogen.

Unter Abwägung der beiderseitigen Interessen sei die Kündigung im vorliegenden Fall unter Anwendung des Ultima-Ratio-Prinzips ihre einzig verhältnismäßige Reaktionsmöglichkeit gewesen. Zu berücksichtigen sei insbesondere, dass der Kläger zunächst wegen der Veröffentlichung der Bilder abgemahnt worden und zudem ausdrücklich dazu aufgefordert worden sei, die Veröffentlichung der Bilder sofort einzustellen. Beides habe der Kläger nicht zum Anlass genommen, die Bilder zu löschen. Mit jedem Tag der Aufrechterhaltung der Veröffentlichung habe der Kläger seine Pflichtverletzung erneuert und beharrlich gezeigt, dass er nicht gewillt sei, der Aufforderung zeitnah nachzukommen und hier einen gewissen, jedoch sehr geringen Aufwand zu leisten. Er habe erst nach anwaltlicher Beratung die Bilder gelöscht und sich sodann im erstinstanzlichen Verfahren auf die reine Schutzbehauptung berufen, er habe die Bilder nicht löschen können. Damit habe er sogar im Verfahren bekräftigt, dass er nicht einsichtig sei. Dies zeige, dass weitere Verstöße, die er nicht aus eigenem Ermessen unterlassen werde, zu befürchten seien. Zu berücksichtigen sei weiter, dass der Kläger im Verfahren nachweislich falsch behauptete habe, er habe sie über die Löschung der Bilder im Zusammenhang mit einer Krankmeldung informiert. Er sei zum vorgetragenen Zeitpunkt gar nicht erkrankt gewesen und habe schon überhaupt keine E-Mail gesendet.

Sie ist der Ansicht, es obliege nicht ihr zu beweisen, dass die abgebildeten Personen mit der Abbildung und Veröffentlichung ihrer Person nicht einverstanden seien, sondern dem Kläger das behauptete Einverständnis nachzuweisen.

Die Tatsache, dass der Kläger einige der Bilder bereits seit mehreren Jahren veröffentlicht habe, verstärke den Schweregrad der Pflichtverletzung.

Mit den vorangehenden Abmahnungen sei der Kläger zweifelsfrei in Kenntnis gesetzt worden, dass er die Bilder ihrer Baustellen nicht habe veröffentlichen dürfen.

Die Beklagte beantragt,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz, Az. 11 Ca 515/18, vom 29. November 2018, zugestellt am 18. Januar 2019, abzuändern,

2. die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe seines Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 17. Juni 2019 sowie des Schriftsatzes vom 19. September 2019, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 277 ff., 298 f. d. A.), als rechtlich zutreffend.

Er habe die Beklagte nicht in einem geschäftsschädigenden Licht dargestellt: Hinsichtlich der Pflicht, einen Schutzhelm zu tragen, differenziere die Handhabung im Betrieb der Beklagten danach, wo sich die Baustelle befinde. Bei Baustellen in der Schweiz werde permanent während des Aufenthalts auf der Baustelle ein Helm getragen und dies sei auch so vorgeschrieben. Bei Baustellen in Deutschland sei die Handhabung dagegen dergestalt, dass eine Helmpflicht nur bestehe bei Aufenthalten im Schwenkbereich von Baggern und im Fallbereich von Schwebelasten (an Kränen). Anderes sei ihm jedenfalls nicht geschult worden, ihm jedenfalls nicht erinnerlich. Auch sei das dargestellte Erscheinungsbild nicht falsch, da er keinen Kollegen gebeten habe, vor Fertigung der Lichtbilder den Helm auszuziehen. Dementsprechend gäben die Bilder das tatsächliche Geschehen auf der Baustelle wieder. Er habe überhaupt nicht daran gedacht, dass ein Verstoß gegen Arbeitsschutzvorschriften vorliegen könnte und deshalb die Bilder zu beanstanden wären. Aus der Abmahnung sei nicht ersichtlich geworden, dass die "Brisanz" darin liege, dass die Bilder Verstöße gegen Arbeitsschutzvorschriften wiedergeben würden.

Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass auch nur ein einziger Betrachter der Bilder in sein Profil geschaut habe, um festzustellen, bei welchem Unternehmen er beschäftigt sei. Es sei von Bedeutung, dass bei unstreitig circa 75 Beiträgen im Monat in der Facebook-Gruppe G die Wahrnehmbarkeit und tatsächliche Wahrnehmung der von der Beklagtenseite beanstandeten Bilder ganz erheblich reduziert werde.

Er bestreitet, dass es sich bei der Verwendung der auf der Veröffentlichung vom 13. Juni ? ("E. Sonne scheint, es läuft") zu sehenden Abstandshalterungen um eine von der Beklagten individuell entwickelte Verfahrensweise handele. Nach seiner Kenntnis arbeite eine Wettbewerberin, die Firma R. GmbH unter Anwendung derselben technischen Verfahrensweise. Darüber hinaus handele es sich nicht um ein Betriebsgeheimnis. Ein Patentschutz bestehe nach seiner Kenntnis hierfür nicht.

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 25. September 2019 (Bl. 306 ff. d. A.) Bezug genommen.

Gründe

A.

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie erweist sich auch sonst als zulässig.

B.

In der Sache hatte die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.

I.

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg, soweit sie sich gegen die Feststellung des Arbeitsgerichts richtet, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 25. Juli 2018, dem Kläger zugegangen am 26. Juli 2018, nicht zum 31. Januar 2019 aufgelöst worden ist.

Die Kündigung vom 25. Juli 2018 ist bereits deshalb unwirksam, weil die Beklagte den bei ihr gebildeten Betriebsrat vor Ausspruch dieser Kündigung nicht ordnungsgemäß über die von ihr angeführten Kündigungsgründe unterrichtet hat, § 102 Abs. 1 BetrVG.

Nach § 102 Abs. 1 S. 2 BetrVG muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat diejenigen Gründe mitteilen, die nach seiner subjektiven Sicht die Kündigung rechtfertigen und für seinen Kündigungsentschluss maßgebend sind. Diesen Kündigungssachverhalt muss er in der Regel unter Angabe von Tatsachen, aus denen der Kündigungsentschluss hergeleitet wird, so beschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen die Stichhaltigkeit und Gewichtigkeit der Kündigungsgründe überprüfen kann, um sich über sie eine eigene Meinung bilden zu können (BAG 19. November 2015 - 2 AZR 217/15 - Rn. 44 mwN.). Der Betriebsrat muss vom Arbeitgeber so viel erfahren, dass er - auch unter Rückgriff auf vorhandene Kenntnisse - die ihm in § 102 BetrVG eingeräumten Rechte bezogen auf die konkret beabsichtigte Kündigung ausüben kann (BAG 11. Dezember 2003 - 2 AZR 536/02 - unter II.3.c). Teilt der Arbeitgeber objektiv kündigungsrechtlich erhebliche Tatsachen dem Betriebsrat deshalb nicht mit, weil er darauf die Kündigung nicht oder zunächst nicht stützen will, dann ist die Anhörung ordnungsgemäß, weil eine nur bei objektiver Würdigung unvollständige Mitteilung der Kündigungsgründe nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung nach § 102 BetrVG führt. Eine in diesem Sinne objektiv unvollständige Anhörung verwehrt es dem Arbeitgeber allerdings, im Kündigungsschutzprozess Gründe nachzuschieben, die über die Erläuterung des mitgeteilten Sachverhalts hinausgehen (BAG 15. Juli 2004 - 2 AZR 376/03 - unter C.I; 11. Dezember 2003 - 2 AZR 536/02 - unter II.3.a, jeweils mwN.).

Im vorliegenden Fall hat der Arbeitgeber den Betriebsrat sowohl objektiv als auch subjektiv kündigungsrechtlich erhebliche Tatsachen nicht mitgeteilt, da dem Anhörungsschreiben vom 17. Juli 2018 nicht - wie in diesem Schreiben angegeben - Abmahnungsschreiben ("die Abmahnungen") vom 2. November 2017 sowie die Screenshots, auf die sie im Abmahnungsschreiben Bezug genommen hat, beigefügt waren. Insbesondere ohne die Screenshots der Veröffentlichungen, die dem Anhörungsschreiben in der Anlage beigefügt sein sollten, konnte der Betriebsrat sich keine eigene Meinung dazu bilden, ob der Kläger durch die konkreten Veröffentlichungen gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen hat.

Der Kläger hat die unvollständige Information gerügt, nachdem der Betriebsrat in seiner Stellungnahme zur Anhörungsschreiben vom 17. Juli 2018 (Bl. 9 d. A.) darauf hingewiesen hat, dass Abmahnungen, Screenshots und ähnliches nicht als Anlage beigefügt waren. Die Beklagte hat daraufhin nicht nachgewiesen, dass das Anhörungsschreiben mit Anlagen versehen war.

Wie sich aus der Stellungnahme des Betriebsrats ergibt, waren ihm insbesondere die Screenshots auch nicht bei der Anhörung bereits bekannt. Der Betriebsrat hat insoweit ausgeführt, dass er unverzüglich alle öffentlich zugänglichen Gruppen in Facebook, die mit Gleisbau in Verbindung kämen, durchforstet und festgestellt habe, dass weder Bildmaterial noch Videos zu finden seien. Die Beklagte hat auch nicht behauptet, die fehlenden Unterlagen an den Betriebsrat vor Ausspruch der ersten Kündigung vom 25. Juli 2018 nachgereicht zu haben.

II.

Die Berufung der Beklagten hat auch keinen Erfolg, soweit sie sich gegen die Feststellung des Arbeitsgerichts richtet, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch die Kündigung vom 15. August 2018, zugegangen am 16. August 2018, zum 28. Februar 2019 aufgelöst worden ist.

Das Arbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass diese ordentliche Kündigung nicht aus verhaltensbedingten Gründen sozial gerechtfertigt ist, § 1 Abs. 1 KSchG.

Das Kündigungsschutzgesetz findet Anwendung, da im Betrieb der Beklagten mehr als 10 Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden beschäftigt sind (§ 23 Abs. 1 KSchG) und das Arbeitsverhältnis des Klägers im Betrieb länger als 6 Monate ohne Unterbrechung bestanden hat (§ 1 Abs. 1 KSchG).

Eine Kündigung ist im Sinn von § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers bedingt und damit nicht sozial ungerechtfertigt, wenn dieser seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat, das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit einer anderen Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint (BAG 12. Januar 2006 - 2 AZR 21/05 - Rn. 38 mwN.).. Eine erhebliche Verletzung der den Arbeitnehmer gemäß § 241 Abs. 2 BGB treffenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers (BAG 12. Januar 2006 - 2 AZR 21/05 - Rn. 38 mwN.) sowie gegen die Verpflichtung, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu bewahren, kann eine Kündigung rechtfertigen. Eine Kündigung scheidet dagegen aus, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers - wie etwa eine Abmahnung - geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken (st. Rspr., vgl. nur BAG 19. November 2015 - 2 AZR 217/15 - Rn. 24).Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann (BAG 11. Juli 2013 - 2 AZR 994/12 - Rn. 21; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 36). Einer Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 iVm. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung auch nach Ausspruch einer Abmahnung nicht zu erwarten ist, oder die Pflichtverletzung so schwerwiegend ist, dass selbst deren erstmalige Hinnahme durch den Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und offensichtlich (auch für den Arbeitnehmer erkennbar) ausgeschlossen ist (st. Rspr., vgl. nur BAG 19. November 2015 - 2 AZR 217/15 - Rn. 24; 24. März 2011 - 2 AZR 282/10 - Rn. 15, jeweils mwN.).

Dabei gilt für die Frage, ob das Verhalten des Arbeitnehmers im Sinn von § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG eine Kündigung "bedingt", ein objektiver Maßstab (BAG 19. November 2015 - 2 AZR 217/15 - Rn. 34 mwN.). Maßgeblich ist nicht, ob ein bestimmter Arbeitgeber meint, ihm sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten und ob er weiterhin hinreichendes Vertrauen in einen Arbeitnehmer hat. Es kommt vielmehr darauf an, ob dem ordentlich Kündigenden die Weiterbeschäftigung auch über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus aus der Sicht eines objektiven und verständigen Betrachters unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zumutbar ist oder nicht (st. Rspr., vgl. nur BAG 19. November 2015 - 2 AZR 217/15 - Rn. 34 mwN.).

Im vorliegenden Fall hat der Kläger nach Auffassung der Kammer die ihm obliegende Rücksichtnahmepflicht sowie Verschwiegenheitsverpflichtung nicht so erheblich verletzt, dass eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr erwartet werden könnte.

1.

a)

Der Kläger hat dadurch, dass er auf Facebook in der öffentlichen Gruppe "G." Fotos, ein Video und kommentierte Standortangaben von Gleisbaustellen der Beklagten veröffentlicht, bzw. - soweit die erstmalige Veröffentlichung von elf Fotos am 14. Oktober bereits abgemahnt wurde - erst mit zeitlicher Verzögerung gelöscht hat, die ihn treffende Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Beklagten bereits nicht erheblich verletzt. Jedenfalls ist es der Beklagten objektiv zumutbar, das Arbeitsverhältnis auf Dauer fortzusetzen.

Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrags auch ohne gesonderte Vereinbarung zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Bei der Konkretisierung der Verletzung der vertraglichen Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) sind die grundrechtlichen Rahmenbedingungen hinreichend zu beachten.

In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass juristische Personen des Privatrechts nicht nur Ehrenschutz genießen, sondern sich auch auf den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts berufen können, wobei sie allerdings insoweit verfassungsrechtlich nur aus Art. 2 Abs. 1 und nicht auch aus Art. 1 Abs. 1 GG geschützt sind und dieser Schutz eingeschränkt ist, als er nur insoweit besteht, als die juristischen Personen des Privatrechts aus ihrem Wesen als Zweckschöpfung des Rechts und in ihren Funktionen dieses Schutzes bedürfen. Letzteres ist der Fall, insoweit ihr sozialer Geltungsanspruch in ihrem Aufgabenkreis betroffen ist, was wiederum insbesondere dann zu bejahen ist, wenn sie in ihrem sozialen Geltungsbereich als Arbeitgeber oder Wirtschaftsunternehmen betroffen werden. In diesen Grenzen steht juristischen Personen sowohl ein Recht am eigenen Bild als auch am eigenen Wort als Ausprägungen des Persönlichkeitsrechts zu (BGH 8. Februar 1994 - VI ZR 286/93 - Rn. 23; OLG Stuttgart 8. Juli 2015 - 4 U 182/14 - Rn. 105, jeweils mwN.; KG 30. November 1999 - 9 U 8222/99 - Rn. 3). In Konkretisierung dieses Grundsatzes nimmt die Rechtsprechung an, dass das Fertigen von Aufnahmen gegen den Willen der juristischen Person in der ihrem Hausrecht unterliegenden, nicht frei zugänglichen räumlichen Sphäre als Eingriff in das Hausrecht auch einen Eingriff in das Unternehmenspersönlichkeitsrecht darstellt. Grundsätzlich muss es im Rahmen dieser Sphäre niemand hinnehmen, dass gegen seinen Willen Aufnahmen gefertigt werden (OLG Stuttgart 8. Juli 2015 - 4 U 182/14 - Rn. 106; für Filmaufnahmen: KG 30. November 1999 - 9 U 8222/99 - Rn. 4).

In der negativen Darstellung des Arbeitgebers in sozialen Medien, hier auf Facebook, kann - je nach den Umständen des Einzelfalls - ein erheblicher, gegebenenfalls sogar die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigender Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Pflicht zur Wahrung der Interessen des Arbeitgebers liegen.

Während des bestehenden Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitnehmer außerdem eine umfassende Verschwiegenheitspflicht, gegründet auf die arbeitsvertragliche Treuepflicht. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse des Arbeitgebers zu wahren (BAG 23. Oktober 2008 - 2 ABR 59/07- Rn. 23 mwN.). Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind Tatsachen, die im Zusammenhang mit einem Geschäftsbetrieb stehen, nicht offenkundig, sondern nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt sind und nach dem bekundeten Willen des Betriebsinhabers geheim zu halten sind (BVerfG 14. März 2006 - 1 BvR 2087/03 - Rn. 87; BAG 30. September 2014 - 3 AZR 617/12 - Rn. 102 mwN.; 15. Dezember 1987 - 3 AZR 474/86 - unter I.2.a mwN.). Betriebsgeheimnisse umfassen im Wesentlichen technisches Wissen im weitesten Sinn (BVerfG 14. März 2006 - 1 BvR 2087/03 - Rn. 87). Sie beziehen sich auf den technischen Betriebsablauf, insbesondere Herstellung und Herstellungsverfahren; Geschäftsgeheimnisse betreffen den allgemeinen Geschäftsverkehr des Unternehmens (BAG 15. Dezember 1987 - 3 AZR 474/86 - unter I.2.a mwN.). Zu derartigen Geschäftsgeheimnissen werden etwa Umsätze, Ertragslagen, Geschäftsbücher, Kundenlisten, Bezugsquellen, Konditionen, Marktstrategien, Unterlagen zur Kreditwürdigkeit, Kalkulationsunterlagen, Patentanmeldungen und sonstige Entwicklungs- und Forschungsprojekte gezählt, durch welche die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Betriebs maßgeblich bestimmt werden können (BVerfG 14. März 2006 - 1 BvR 2087/03 - Rn. 87). Im bestehenden Arbeitsverhältnis ist eine gravierende Vertraulichkeitsverletzung durch den Arbeitnehmer regelmäßig "an sich" geeignet, eine verhaltensbedingte Kündigung zu rechtfertigen.

Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines verhaltensbedingten Grundes trägt gemäß § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG der Kündigende (st. Rspr., vgl. BAG 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - Rn. 29 zu § 626 Abs. 1 BGB). Der Arbeitgeber trägt dabei im Kündigungsschutzprozess ebenfalls die Darlegungs- und Beweislast für das Fehlen von Umständen, die den Arbeitnehmer entlasten (BAG 27. September 2012 - 2 AZR 636/11 - Rn. 28), sowie dafür, dass solche Tatsachen nicht vorgelegen haben, die das Verhalten des Arbeitnehmers gerechtfertigt oder entschuldigt erscheinen lassen. Der Umfang der ihm obliegenden Darlegungslast ist allerdings davon abhängig, wie sich der Arbeitnehmer auf einen bestimmten Vortrag einlässt. Nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast darf sich der Arbeitgeber zunächst darauf beschränken, den objektiven Tatbestand einer Arbeitspflichtverletzung darzulegen. Er muss nicht jeden erdenklichen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund vorbeugend ausschließen (BAG 3. November 2011 - 2 AZR 748/10 - Rn. 23 mwN.).

b)

Der Kläger hat nicht das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Beklagten durch Veröffentlichungen aus der ihrem Hausrecht unterliegenden Sphäre verletzt. Soweit auf den Fotos zu erkennen, wurden diese nicht in einem dem Hausrecht der Beklagten unterliegenden Bereich, etwa in ihrer Betriebsstätte, gemacht, sondern im nicht vor Einblicken geschützten Bereich von Gleisanlagen.

c)

Der Kläger hat die Beklagte nicht dadurch in einem negativen Licht öffentlich dargestellt, indem er das falsche Erscheinungsbild, dass die Beklagte nicht auf zwingende Arbeitsschutzvorschriften - das Tragen eines Schutzhelmes - achte, erzeugt und veröffentlicht hat.

Zwar hat der Kläger vereinzelt, nämlich auf den Bildern vom 3. April 2015, Bl. 45 d. A., vom 21. September ?, Bl. 64, 66, 68 und 72 d. A., vom 23. September ?, Bl. 47 d. A. und vom 14. Oktober ?, Bl. 52, 55 und 57 d. A., Gleisbauarbeiter auf Baustellen abgelichtet, die keinen Schutzhelm tragen, und dies veröffentlicht. Er hat damit aber nicht den falschen Anschein erweckt, die Beklagte beachte Arbeitsschutzvorschriften nicht, und damit das Ansehen der Beklagten in der Gleisbaubranche und bei potentiellen Auftraggebern erheblich gefährdet, möglicherweise sogar nachhaltig beschädigt.

Wie die Personalleiterin der Beklagten für diese - insoweit in Übereinstimmung mit dem Vortrag des Klägers, eine Helmpflicht bestehe seines Wissens im Schwenkbereich von Baggern und im Fallbereich von Schwebelasten (an Kränen) - im zweitinstanzlichen Kammertermin ausgeführt hat, besteht in Deutschland keine generelle Helmpflicht. Bei typengemischten Baustellen gebe es Anweisungen auf der Baustelle sowie vom jeweiligen Auftraggeber abgestelltes Sicherheitspersonal, das eine Einweisung gebe. Hingegen sei in der Schweiz für alle Baustellen eine Helmpflicht vorgeschrieben. Hiervon ausgehend lassen sich dem Großteil der vom Kläger veröffentlichten Bildern keine offensichtlichen Verstöße gegen Arbeitsschutzvorschriften, insbesondere im Hinblick auf eine Missachtung der Helmpflicht entnehmen. In Anbetracht dieser verschiedenen Anforderungen der Arbeitssicherheit musste dem Kläger auch nicht bekannt sein, dass Schutzhelme auf der Baustelle unbedingt zu tragen sind. Er musste dann auch nicht wissen, dass er einen Verstoß gegen Arbeitsschutzvorschriften auf der Baustelle der Beklagten veröffentlicht.

Auf den vermutlich in der Schweiz aufgenommenen Photos ("Vorbereitung Weichenumbau Bahnhof O." vom 24. September 2015, Bl. 79 d. A.) tragen die abgebildeten Mitarbeiter - soweit für die Kammer erkennbar - alle den dort vorgeschriebenen Schutzhelm.

Eine negative öffentliche Darstellung findet sich nach Auffassung der Kammer insbesondere nicht auf dem unter dem 3. April 2015 veröffentlichten Foto (Bl. 45 d. A.). Auf diesem ist zwar eine Person in Arbeitskleidung ohne Helm zu sehen. Auf der Arbeitskleidung findet sich aber kein Hinweis darauf, dass es sich um einen Mitarbeiter der Beklagten handelt. Einen solchen Schluss könnte man allenfalls daraus ziehen, dass außer dieser Person ein Baufahrzeug mit dem Schriftzug "K.Gleisbau" abgebildet ist und dass ein Kommentator den "Männern von K." frohe Ostern wünscht.

Auch die Veröffentlichung vom 21. September ? (Bl. 64 d. A.) enthält keine negative öffentliche Darstellung der Beklagten. Auf dem an diesem Tag veröffentlichten Foto ist zwar ein Mitarbeiter ohne Helm zu sehen. Dem Bild kann jedoch bereits nicht entnommen werden, dass es sich um einen Mitarbeiter der Beklagten handelt. Weder auf der Kleidung des Mitarbeiters noch auf den abgebildeten Baufahrzeugen findet sich ein Schriftzug, der auf die Beklagte deutet. Auf den eingesetzten Baufahrzeugen ist vielmehr die Aufschrift "L." bzw. "Li" erkennbar. Darüber hinaus befindet sich der abgebildete Arbeiter nicht im Arbeitsbereich der Baumaschinen, sondern beobachtet die Bauarbeiten von der Seite aus. Auf den weiteren Abbildungen vom 21. September ? (Bl. 66 und 68 d. A.) befinden sich die, nicht als Mitarbeiter der Beklagten identifizierbaren, Arbeiter weit entfernt von Baumaschinen und -fahrzeugen. Lediglich auf der Abbildung vom 21. September ?, Bl. 72 d. A. könnte sich der Arbeiter im Schwenkbereich des Fahrzeugs befinden. Dem Bild ist jedoch nicht zu entnehmen, dass der abgebildete Bagger in Betrieb ist. Die Schaufel befindet sich auf dem Boden, im Führerhaus des Baggers ist kein Baggerführer zu erkennen. Auch ist der neben dem Baggerarm stehende Arbeiter nicht als Mitarbeiter der Beklagten zu erkennen.

Auf dem am 23. September ? veröffentlichten Foto (Bl. 47 d. A.) befindet sich der Mitarbeiter ohne Helm nicht in der Nähe eines Baustellenfahrzeugs.

Auf der Veröffentlichung vom 14. Oktober ? (Bl. 52 d. A.) sind Arbeiter ohne Helm zu sehen, wobei sich einer dieser Mitarbeiter in einem Baustellenfahrzeug befindet, ein anderer im Gespräch mit dem Fahrzeugführer neben dem anscheinend nicht in Betrieb befindlichem Fahrzeug. Die übrigen abgebildeten Arbeitnehmer sind weit entfernt. Lediglich auf der Schutzweste des neben dem Fahrzeug stehenden Arbeiters ist ein Schriftzug erkennbar, der aber jedenfalls auf dem in der Gerichtsakte befindlichen Ausdruck nicht als Firmenbezeichnung der Beklagten entzifferbar ist.

Auf der weiteren Veröffentlichung vom 14. Oktober ? (Bl. 55 d. A.) sind Arbeiter ohne Schutzhelme zu sehen. Diese halten sich jedoch entfernt von dem Baustellenfahrzeug auf. Sie sind allenfalls über die Profilangaben des Klägers als Arbeiter der Beklagten zu erkennen, da auf ihrer Kleidung kein Firmenschriftzug zu erkennen ist und das Baufahrzeug im Hintergrund den Schriftzug "L." aufweist.

Hinsichtlich der Veröffentlichung vom 14. Oktober ? (Bl. 56 d. A.) ist nicht zu erkennen, ob der dort im Hintergrund abgebildete Arbeiter einen Helm trägt. Baumaschinen oder -fahrzeuge sind auf diesem Bild jedoch nicht zu erkennen. Die Person kann nicht als Mitarbeiter der Beklagten identifiziert werden.

Auf dem Foto vom 14. Oktober ? (Bl. 57 d. A.) sind zwar wiederum Personen ohne Helm zu sehen, diese halten sich jedoch nicht im Schwenkbereich eines Baustellenfahrzeugs auf.

Auch die Beklagte hat vorgetragen, dass es möglich und wahrscheinlich sei, dass Mitarbeiter von anderen Unternehmen oder dritte Unbeteiligte auf den Bildern ohne Helme abgebildet worden seien (Bl. 5 des erstinstanzlichen Schriftsatzes vom 22. November 2018, Bl. 157 d. A.). Der Beklagten ist jedoch nicht insoweit zuzustimmen, dass der Kläger mit der Veröffentlichung seiner Bilder den Anschein erweckt habe, dass es sich dabei um Mitarbeiter der Beklagten handele. Allein daraus, dass der Kläger bei der Beklagten beschäftigt ist, folgt nicht, dass er ausschließlich Arbeitskollegen und nicht die Mitarbeiter anderer Firmen fotografiert hat.

Darüber hinaus hat der Kläger lediglich die tatsächlichen Umstände auf den Baustellen fotografiert. Für die Einhaltung der Arbeitsschutzvorschriften durch seine Kollegen ist der Kläger nicht verantwortlich. Anhaltspunkte dafür, dass er Bilder zu Lasten der Beklagten gestellt oder manipuliert hätte, sind nicht gegeben. Sofern die Beklagte daher Verstöße ihrer Arbeitnehmer gegen Arbeitsschutzvorschriften auf den veröffentlichten Fotos zu erkennen vermag, hätte die Beklagte gerade nicht alle Arbeitsschutzvorschriften eingehalten. Der Kläger erzeugte durch die Veröffentlichung damit jedenfalls kein unzutreffendes Bild der Arbeitsdurchführung durch die Arbeitnehmer der Beklagten. Dass die Betrachter aus dem Gleisbaubereich entsprechende Beanstandungen hinsichtlich der Einhaltung der Arbeitsschutzvorschriften in den fotografisch festgehaltenen Situationen erhoben hätten, hat auch die Beklagte nicht behauptet.

d)

Der Kläger hat seine arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht auf die Interessen der Beklagten nach Auffassung der Kammer auch nicht dadurch verletzt, dass er am 7. Oktober 2017 um 8.33 Uhr auf Facebook die Aussage: "Weichenumbau in L. 12 Std Schichten zum Kotzen, meiner meinung nach viel zu lange", mit sieben angefügten Emoticons, welche Unglück ausdrückendes, starkes Weinen bzw. Schreien darstellen, veröffentlichte.

Bei der Konkretisierung der in Betracht kommenden Verletzung der vertraglichen Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) sind die grundrechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere das Grundrecht des Klägers auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG), hinreichend zu beachten. Dabei besteht der Grundrechtsschutz unabhängig davon, ob eine Äußerung rational oder emotional, begründet oder grundlos ist, ob sie von anderen für nützlich oder schädlich, wertvoll oder wertlos gehalten wird (BVerfG 16. Oktober 1998 - 1 BvR 1685/92 - unter II.2.a.aa; BAG 12. Januar 2006 - 2 AZR 21/05 - Rn. 47; 24. November 2005 - 2 AZR 584/04 - Rn. 24, jeweils mwN.). Der Grundrechtsschutz bezieht sich sowohl auf den Inhalt als auch auf die Form der Äußerung. Auch eine polemische oder verletzende Formulierung entzieht einer Äußerung noch nicht den Schutz der Meinungsfreiheit (BVerfG 16. Oktober 1998 - 1 BvR 1685/92 - unter II.2.a.aa; BAG 12. Januar 2006 - 2 AZR 21/05 - Rn. 47; 24. November 2005 - 2 AZR 584/04 - Rn. 24, jeweils mwN.). Allerdings wird das Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG nicht schrankenlos gewährt, sondern durch die allgemeinen Gesetze und das Recht der persönlichen Ehre (Art. 5 Abs. 2 GG) beschränkt und muss in ein ausgeglichenes Verhältnis mit diesen gesetzt werden (BVerfG 16. Oktober 1998 - 1 BvR 1685/92 - unter II.2.a.bb; BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 22; 24. November 2005 - 2 AZR 584/04 - Rn. 26, jeweils mwN.). Die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit des Arbeitgebers wird durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützt. Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ist eine Abwägung zwischen den Belangen der Meinungsfreiheit und den Rechtsgütern, in deren Interesse das Grundrecht der Meinungsfreiheit eingeschränkt werden soll, vorzunehmen (BAG 12. Januar 2006 - 2 AZR 21/05 - Rn. 50).

Arbeitnehmer dürfen grundsätzlich auch Kritik am Arbeitgeber, ihren Vorgesetzten und den betrieblichen Verhältnissen üben und sich dabei auch überspitzt äußern. In grobem Maße unsachliche Angriffe muss der Arbeitgeber aber nicht hinnehmen (zum wichtigen Grund im Sinn von § 626 Abs. 1 BGB vgl. BAG 19. November 2015 - 2 AZR 217/15 - Rn. 37; 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 22, 10. Dezember 2009 - 2 AZR 534/08 - Rn. 17, jeweils mwN.). Das Grundrecht der Meinungsfreiheit muss aber regelmäßig zurücktreten, wenn sich die Äußerung als Angriff auf die Menschenwürde oder als eine Formalbeleidigung oder eine Schmähung darstellt (BAG 24. November 2005 - 2 AZR 584/04 - Rn. 27).

Die Meinungsäußerung des Klägers hält sich in dem von der Beklagten hinzunehmenden Rahmen. Für die Ermittlung des Inhalts der Erklärung des Klägers bedarf es der Auslegung dieser Veröffentlichung gemäß §§ 133, 157 BGB unter Berücksichtigung ihrer Begleitumstände. Die Äußerung des Klägers gibt ausdrücklich seine persönliche Meinung ("meiner meinung nach"), sein persönliches Empfinden (deutlich gemacht durch die so genannten Emoticons) wieder und stellt die Schichtplanung der Beklagten nicht etwa als rechtlich unzulässig oder nicht vertretbar dar. Er deutet nicht an, dass es bessere Alternativen gegeben hätte oder dass die Beklagte hätte andere Schichteinteilungen vornehmen können und müssen. Anhand der veröffentlichen Aussage des Klägers allein lässt sich auch nicht feststellen, dass die Beklagte arbeitszeitrechtliche Vorschriften nicht beachtet hätte. Aus der Aussage des Klägers lässt sich nicht entnehmen, in welchem Umfang Pausenzeiten in den Schichten enthalten waren, und ob gegebenenfalls die Verlängerung der Arbeitszeit abweichend von § 3 ArbZG über 10 Stunden werktäglich etwa aufgrund einer Bewilligung der Aufsichtsbehörde zulässig war (vgl. § 15 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ArbZG).

Zu berücksichtigen ist auch, dass der Kläger sich neben seiner negativen Äußerung in anderen Kurzanmerkungen auch positiv oder neutral geäußert hat, so am 23. September ?: "immer Vollgas", oder am 22. Februar 2016: "es läuft".

Dass es tatsächlich zu einer Beschädigung des Ansehens der Beklagten bei Kunden oder potentiellen Auftraggebern gekommen wäre, hat die Beklagte nicht behauptet.

e)

Der Kläger hat auch nicht dadurch ein schlechtes Bild auf die Beklagte geworfen und damit gegen seine Rücksichtnahmepflicht verletzt, dass er das Recht am eigenen Bild anderer Personen verletzt hätte, wobei die Verletzungshandlungen dem äußeren Anschein nach von der Beklagten begangen worden wären. Aus den Fotos lässt sich weder entnehmen, dass Verletzungshandlungen überhaupt stattfanden noch dass solche gerade von der Beklagten begangen wurden.

Dabei kann letztlich dahinstehen, ob der Kläger durch die Veröffentlichung tatsächlich das Recht der jeweils abgebildeten Personen am eigenen Bild verletzt hat, wobei insbesondere zu berücksichtigen ist, dass ohne die grundsätzlich nach § 22 S. 1 KunstUrhG erforderliche Einwilligung des Abgebildeten solche Bilder verbreitet und zur Schau gestellt werden dürfen, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen (§ 23 Abs. 1 Ziff. 2 KunstUrhG). Soweit auf der Veröffentlichung vom 3. April 2015 (Bl. 45 d. A.) eine Person abgebildet ist, dreht diese dem Fotografen den Rücken zu, ist daher nicht zu identifizieren und überdies nur Beiwerk zu dem abgebildeten Baustellenfahrzeug. Auch auf dem am 23. September ? veröffentlichten Foto (Bl. 47 d. A.) ist der Mitarbeiter infolge des Lichtfalls kaum zu sehen und nicht identifizierbar, er steht nicht im Mittelpunkt des Fotos. Dasselbe gilt für die Fotos vom 21. September ? (Bl. 64 - 65, 66 - 72 d. A.). Auch auf der Veröffentlichung vom 14. Oktober ? (Bl. 52 d. A.) sind die Mitarbeiter für Außenstehende nicht identifizierbar, sie sind nur Beiwerk der Abbildung der Gleise. Dies gilt auch für die auf den weiteren Veröffentlichung vom 14. Oktober ? (Bl. 55 und 57 d. A.) abgebildeten Personen sowie die auf der weiteren Veröffentlichung vom 14. Oktober ? (Bl. 56 d. A.) abgebildete Person im Hintergrund. Lediglich auf den Veröffentlichungen vom 24. September 2015 (Bl. 79 d. A.) stehen Arbeiter identifizierbar im Vordergrund. Bei zwei der drei Fotos, auf denen Arbeiter zu erkennen sind, haben diese sich für das Bild in Szene gesetzt. Anhaltspunkte dafür, dass sie mit ihrer Ablichtung und deren Veröffentlichung nicht einverstanden gewesen wären, bestehen nicht. Letzteres ist für einen Betrachter dieser Fotos zumindest nicht ersichtlich.

Jedenfalls erwecken die vom Kläger unter seinem Namen ("W. Fotos" bzw. "Fotos von G" bzw. "Fotos von W. Beitrag") und der "G" veröffentlichten Bilder nicht den Eindruck, sie seien von der Beklagten bei Facebook eingestellt worden.

f)

Ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitsverpflichtung des Klägers als Arbeitnehmer liegt nach Auffassung der Kammer ebenfalls nicht vor. Die Beklagte beruft sich sowohl auf eine Verletzung von Betriebsgeheimnissen, insbesondere im Hinblick auf von ihr verwendete Maschinen als auch die von ihr individuell entwickelte Verfahrensweise betreffend Abstandshalterungen, als auch auf Geschäftsgeheimnisse, nämlich ihre finanzielle Situation.

Hinsichtlich der finanziellen Situation lässt die Kenntnis der Tatsache, dass die Beklagte zumindest in den vom Kläger fotografierten und veröffentlichten Einzelfällen (sofern diese Bilder überhaupt der Beklagten zugeordnet werden können) auch Arbeiten fremd vergibt sowie Baumaschinen least oder ausleiht, von Seiten der Konkurrenten - entgegen der Ansicht der Beklagten - keine Schlüsse auf die der Leistungsfähigkeit der Beklagten zu. Diese Kenntnis erleichtert den Konkurrenten auch keine Entscheidungen dazu, ob diese selbst Aufträge zu welchen Konditionen untervergeben oder nicht in ihrem Eigentum stehende Baumaschinen und -fahrzeuge nutzen. Die Wettbewerbsfähigkeit der Beklagten wird hierdurch nicht tangiert.

Aus den vom Kläger veröffentlichten Fotos, einem Video und zwei kommentierten Standortangaben von Gleisbaustellen aus den Jahren 2014 bis vermutlich 2017 lässt sich (sofern überhaupt eine Zuordnung dieser Bilder zur möglich ist) entgegen der Auffassung der Beklagten nicht auf ihr Gesamtauftragsvolumen oder ihre finanzielle Situation schließen. Hinzukommt, dass bei einem Teil der Bilder (beispielsweise Bl. 45, 46, 47, 48, 49, 50, 51, 54, 55, 56, 59, 60, 62, 64, 66, 68, 70, 72, 77, 78, 79, 80, 81, 83, 84 d. A.) nur durch die Angaben des Klägers auf seinem persönlichen Profil, dass er Arbeitnehmer der Beklagten sei, eine Verbindung zur Beklagten hergestellt werden kann.

Nichts anderes ergibt sich hinsichtlich der von der Beklagten veröffentlichten Standortangaben der Gleisbaustellen. Zwar hat die Beklagte zutreffend ausgeführt, dass nicht sämtliche Baustellen zuvor ausgeschrieben werden und dass es unmöglich sei, sämtliche Baustellen nach ihren Fahrzeugen abzusuchen, um ein umfassendes Bild von dem Tätigkeitsbereich der Beklagten zu erhalten. Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich aber auch aus den Veröffentlichungen des Klägers kein solches umfassendes Bild. Das ergibt sich bereits aus der Anzahl der veröffentlichten Bilder mit Standortangaben im Verhältnis zu dem Zeitraum, in dem diese gemacht und bei Facebook eingestellt wurden von mehreren Jahren (Dezember 2014, 2015, 2016 und vermutlich 2017). So hat der Kläger am 21. September (nicht erkennbar welchen Jahres) zehn Fotos (Bl. 60 - 72 d. A.), am 23. September ? vier Fotos und am 14. Oktober ? elf Fotos, jeweils mit der Standortangabe "in der Nähe von L., Rheinland-Pfalz" (Bl. 46 - 48, 59 bzw. 49 - 57, 83 - 84 d. A.) veröffentlicht. Die vom Kläger am 19. September ? gepostete Landkarte mit dem Zusatz "Uff em wesch zur Schaff" (Bl. 76 d. A.) kennzeichnet nur grob die Stadt L., ebenso die Karte vom 20. September ? mit dem Zusatz: "Hopp Hopp 12 Stunne im Galopp" und angefügten Emoticons (Bl 76 d. A.). Das Video vom 23. September ? mit dem Zusatz: "Immer Vollgas" (Bl. 77 d. A.) gibt als Standort "L." an. Am 22. Februar 2015 hat der Kläger ein Foto mit der Angabe "in der Nähe von München, Bayern" und dem Zusatz "München Ost, es läuft" veröffentlicht (Bl. 78 d. A.), am 24. September 2015 Fotos mit der Angabe "Vorbereitung Weichenumbau Bahnhof O." (Bl. 79 d. A.), am 13. Juni ? mit der Angabe "Essen, Nordrhein-Westfalen" und dem Zusatz: "Essen Sonne scheint, es läuft", am 4. Dezember 2014 mit dem Zusatz: "Neuer BÜ in K." (Bl. 81 d. A.). Aus diesen punktuellen Angaben können Wettbewerber nicht entnehmen, in welchen räumlichen Bereich, auf wie vielen Baustellen welchen Umfangs die Beklagte - gegebenenfalls parallel - zu welchen Konditionen tätig ist. Rückschlüsse auf die Marktstellung der Beklagten sind hieraus nicht möglich.

Auch sind insbesondere Großbaustellen der Beklagten und solche, die aufgrund öffentlicher Ausschreibungen vergeben wurden, nicht geheim. Aufgrund der auf den Baumaschinen und -fahrzeugen angebrachten Beschriftungen und der öffentlichen Lage der Großbaustellen ist die Arbeitsausführung durch die Beklagte für jeden erkennbar, der diese Baustellen passiert.

Soweit die auf den veröffentlichten Bildern gezeigten Maschinen und Fahrzeuge nicht jene sind, die die Beklagte auf ihrer Internetseite zeigt, so etwa eine Walzmaschine (Bl. 68 d. A.), hat der Kläger nach Auffassung der Kammer mit ihrer Veröffentlichung kein Betriebsgeheimnis offenbart. Da die Maschine deutlich aufgebracht den Firmennamen der Beklagten trägt, ist nicht davon auszugehen, dass der Umstand, dass sie zum Maschinenpark der Beklagten gehört, nach dem Willen des Arbeitgebers, also der Beklagten, geheim gehalten werden soll. Die Beklagte hat außerdem selbst nicht behauptet, dass es sich etwa um eine ausgefallene Sondermaschine oder eine solche bei einem ungewöhnlichen Gebrauch handeln würde. Dasselbe gilt hinsichtlich der Veröffentlichungen vom 4. Dezember 2014 (Bl. 81 d. A., vom 3. April 2015 (Bl. 45 d. A.), 22. Februar 2016 (Bl. 270 d. A.), 21. September ? (Bl. 60, 64, 66, 70 und 72 d. A.) und 14. Oktober ? (Bl. 49, 52, 53, 55 und 57 d. A.), wobei auf den Bildern Bl. 81, 270, 60, 64, 66, 70, 72, 49, 52, 55 und 57 d. A. außerdem keine Firmenbezeichnung der Beklagten erkennbar ist, die abgebildeten Baumaschinen und -fahrzeuge also nicht von der Beklagten eingesetzt sein müssen.

Hinsichtlich der dargestellten Abstandshalterungen kann letztlich dahingestellt bleiben, ob diese ein Betriebsgeheimnis, nämlich eine von der Beklagten individuell entwickelte Verfahrensweise darstellen. Diese Verfahrensweise der "Schraublochsanierung" findet sich nach Angaben der Beklagten auf einem am 13. Juni ? veröffentlichten Foto (Bl. 80 d. A.). Jedenfalls hat die Beklagte nicht vorgetragen, dass und gegebenenfalls wann und in welcher Form sie gegenüber dem Kläger ihren Willen bekundet hat, dass dieses Verfahren geheim gehalten werden muss. Was im Einzelnen Gegenstand des von den Arbeitnehmern circa Anfang 2014 unterzeichneten von der Beklagten so genannten Integritätskodexes war, hat die Beklagte nicht substantiiert vorgetragen. Allein Ablichtung und Veröffentlichung dieser Abbildung der "Schraublochsanierung" stellt keinen so erheblichen Grund dar, dass er eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen könnte.

g)

Soweit der Kläger vermutlich in der Schweiz aufgenommene Fotos veröffentlicht bzw. nicht bis zum 15. September 2017 gelöscht hat ("Vorbereitung Weichenumbau Bahnhof O." vom 24. September 2015), hat er nicht schuldhaft seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Beklagten, § 241 Abs. 2 BGB, sowie seine Verschwiegenheitspflicht verletzt.

Zwar hat die Beklagte behauptet, selbst von ihrem Auftraggeber in der Schweiz verpflichtet worden zu sein, keinerlei Bilder von den dortigen Baustellen zu machen, die Beklagte hat jedoch nicht substantiiert vorgetragen, wann, in welcher Form und mit welchem Inhalt sie den Kläger hiervon in Kenntnis gesetzt hat. Sie hat insoweit lediglich auf einen Integritätskodex circa aus Anfang 2014 verwiesen, den die Arbeitnehmer unterschrieben hätten und der in zweifacher Ausfertigung angefertigt worden sei, nicht speziell für die Schweiz, sondern auf das komplette Unternehmen bezogen. Negative Reaktionen ihres Auftraggebers in der Schweiz auf die Veröffentlichung des Klägers hat die Beklagte nicht behauptet.

2.

Aber auch wenn das Veröffentlichen bzw. das Nichtlöschen eines Bildes der so genannten "Schraublochsanierung" einen Pflichtenverstoß darstellen würde, überwiegt bei einer Gesamtwürdigung das Interesse des Klägers an dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses dasjenige der Beklagten an seiner Beendigung. Auch in ihrer Gesamtheit sind die Vorwürfe der Beklagten insbesondere unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht geeignet, die ordentliche Kündigung zu rechtfertigen.

Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zuzumuten ist, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung - etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlustes und ihre wirtschaftlichen Folgen -, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34 zur außerordentlichen Kündigung mwN.).

Die von der Beklagte mit Schreiben vom 2. November 2017 wegen der Veröffentlichung von Fotos am 14. Oktober 2017 ausgesprochene Abmahnung und die mit Schreiben vom 7. November 2018 unter Fristsetzung zum 15. November 2017 ausgesprochene Aufforderung, die Bilder aus dem Internet zu löschen, waren im vorliegenden Fall ausreichend, um den Kläger zu künftigem vertragsgemäßem Verhalten zu veranlassen und damit das Risiko künftiger Störungen zu vermeiden. Weiterer arbeitsrechtlicher Maßnahmen, insbesondere des Ausspruchs einer ordentlichen Kündigung bedurfte es nach der - wenn auch erst einige Tage nach Fristablauf erfolgten - Löschung des Facebook-Accounts durch den Kläger nicht mehr, um diesen zu einem zukünftigen vertragsgemäßen Verhalten zu veranlassen. Eine Gefahr künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses war im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs nach Auffassung der Kammer nicht gegeben.

Eine verhaltensbedingte Kündigung hat keinen Sanktionscharakter. Eine negative Prognose liegt dann vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde den Arbeitsvertrag auch nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen und deshalb eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht.

Der Kläger hat nach Ausspruch der Abmahnung keine weiteren Bilder oder Kommentare auf Facebook veröffentlicht. Die bereits vor Ausspruch der Abmahnung veröffentlichten Bilder hat er nach erfolgter Abmahnung zwar nicht innerhalb der ihm von der Beklagten bis zum 15. November 2017 gesetzten kurzen Frist, jedoch bereits einige Tage später und damit mehrere Monate vor Ausspruch der ordentlichen Kündigung durch die Beklagte gelöscht. Er hat inzwischen keinen Facebook-Account mehr.

Auch wenn der zeitliche Abstand zwischen dem beanstandetem Verhalten des Klägers und dem Kündigungsausspruch darauf zurückzuführen war, dass der Kläger zwischenzeitlich Kündigungsschutz als Wahlbewerber hatte, ist zu berücksichtigen, dass es bis zum Kündigungsausspruch zu keinen weiteren Veröffentlichungen des Klägers mehr kam. In dieser Zeit konnte der Kläger etwaig verlorenes Vertrauen zurückgewinnen.

Die Pflichtverletzungen des Klägers sind auch nicht so schwerwiegend, dass selbst deren einmalige Hinnahme durch die Beklagte nach objektiven Maßstäben unzumutbar und offensichtlich (auch für den Arbeitnehmer erkennbar) ausgeschlossen war. Der Kläger hat die Veröffentlichungen nach der Aufforderung der Beklagten zur Löschung nur noch wenige Tage über den Ablauf der gesetzten kurzen, achttägigen Frist aufrechterhalten. In diesem Zeitraum lagen die Zeitpunkte, in denen die Bilder auf Facebook eingestellt worden waren, zum Teil schon bis zu fast drei Jahren zurück. Sie konnten zwar noch im Netz abgerufen werden, angesichts der Gesamtzahl der im Internet, auf Facebook oder speziell in der G. eingestellten Fotos war die Wahrscheinlichkeit, dass Konkurrenzunternehmen oder potentielle Kunden von den teilweise mehrere Jahre zurückliegenden Veröffentlichungen erstmals Kenntnis nehmen würden, jedoch vergleichsweise gering.

Zu berücksichtigen ist auch, dass die Beklagte in der Abmahnung noch nicht ausdrücklich die Löschung der Veröffentlichungen gefordert hat. Sie hat die Veröffentlichung von 11 Fotos von der Gleisbaustelle in L. am 14. Oktober 2017 um 16.44 Uhr als Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Verpflichtungen beanstandet und den Kläger ausdrücklich aufgefordert, seine vertraglichen Pflichten einzuhalten und insbesondere Baustellen der Beklagten mit Arbeitsschritten, verwendeten Betriebsmitteln und Mitarbeitern nicht zu veröffentlichen. Insoweit wird weder deutlich, dass die bereits erfolgte (und fortwirkende) Veröffentlichung beseitigt werden soll noch dass sie auch in der Nichtlöschung anderer zeitlich vor dem 14. Oktober ? veröffentlichter Bilder eine Vertragspflichtverletzung sieht. Erst mit Schreiben vom 7. November 2017 hat die Beklagte den Kläger konkret unter Fristsetzung zur Löschung von im Einzelnen bezeichneten Veröffentlichungen aufgefordert, nämlich der am 14. Oktober 2017 geposteten 11 Fotos sowie der am 7. Oktober 2017 veröffentlichten Aussage "Weichenumbau in L. 12 Std Schichten zum Kotzen, meiner meinung nach viel zu lange nebst nachfolgenden sog. "Emoticons", und damit deutlich gemacht, dass sie auch die umgehende Löschung alter Fotos erwartet. Für den Fall, dass eine Löschung innerhalb der gesetzten Frist nicht erfolgen sollte, hat sich die Beklagte vorbehalten, "rechtliche Schritte gegen die Veröffentlichungen prüfen zu lassen". Insbesondere die Veröffentlichung des Fotos vom 13. Juni ?, das nach dem Vortrag der Beklagten die so genannte "Schraublochsanierung" zeigt, hat die Beklagte im Vorfeld des Kündigungsausspruchs nicht im Einzelnen beanstandet und den Kläger nicht konkret zu seiner Löschung aufgefordert.

Soweit der Kläger die vor diesem Zeitpunkt veröffentlichten Fotos, das Video und die beiden Standortangaben nicht unmittelbar in der von der Beklagten gesetzten Frist gelöscht hat, ist in der Zukunft nicht zu erwarten, dass es erneut zu einer verspäteten Löschung kommt. Durch die vollständige Löschung seines Facebook-Accounts hat der Kläger zu erkennen gegeben, dass er nicht beabsichtigt, in Zukunft überhaupt auf Facebook Bilder zu posten.

Anderes ergibt sich nach Ansicht der Kammer auch nicht daraus, dass der Kläger die Fotos erst nach anwaltlicher Beratung gelöscht hat. Es kann dem Kläger nicht angelastet werden, dass er die Sach- und Rechtslage - mit Hilfe seines Prozessbevollmächtigten - nach Erhalt der Abmahnung und des Löschungsverlangens geprüft und daraufhin die wohlüberlegte Entscheidung zur Löschung seines gesamten Facebook-Accounts getroffen hat. Diese Vorgehensweise des Klägers kann nicht dahin gedeutet werden, dass dieser erst unter nochmaligem Druck die Löschung veranlasst hätte oder zunächst uneinsichtig gewesen wäre.

Eine negative Zukunftsprognose lässt sich auch nicht daraus entnehmen, dass der Kläger - nach dem Vortrag der Beklagten - nach Kündigungsausspruch im vorliegenden Prozess falsch hinsichtlich der Mitteilung sowie der Ursache der Verzögerung der Löschung vorgetragen hätte. Nachträglich eingetretene Umstände können nach der Rechtsprechung für die gerichtliche Beurteilung allerdings insoweit von Bedeutung sein, wie sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen. Dazu müssen zwischen den neuen Vorgängen und den alten Gründen so enge innere Beziehungen bestehen, dass jene nicht außer Acht gelassen werden können, ohne dass ein einheitlicher Lebensvorgang zerrissen würde. Es darf aber nicht etwa eine ursprünglich unbegründete Kündigung durch die Berücksichtigung späteren Verhaltens rückwirkend zu einer begründeten werden. Außerdem ist genau zu prüfen, welche konkreten Rückschlüsse auf den Kündigungsgrund späteres Verhalten wirklich erlaubt. Im Hinblick auf prozessuales Vorbringen gilt nichts anderes (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 53 mwN.). Vorliegend kann dabei dahinstehen, ob der Kläger die Verzögerung der Löschung der Fotos der Personalleiterin der Beklagten vorab als PS. zu einer E-Mail mitgeteilt und ob die vollständige Löschung eines Facebook-Accounts dem Kläger überhaupt innerhalb der von der Beklagten gesetzten Frist möglich war. Entscheidend ist vielmehr, dass die Löschung aller Fotos, des Videos und der beiden Standortangaben zwar nicht innerhalb der von der Beklagten gesetzten Frist, aber jedenfalls zeitnah nach der Abmahnung und der Löschungsaufforderung und lange Zeit vor Kündigungsausspruch tatsächlich erfolgt ist.

Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger mit der Veröffentlichung der Fotos bewusst ein von der Beklagten entwickeltes Verfahren öffentlich und insbesondere der Konkurrenz der Beklagten zugänglich machen wollte, und der Beklagten bewusst durch die Veröffentlichung der Bilder hätte schaden wollen, bestehen nicht. Zu einer nachweislichen Ansehensgefährdung oder einem Schaden der Beklagten ist es infolge der Veröffentlichungen nicht gekommen.

Der Kläger war im Zeitpunkt der zweiten Kündigung 43 Jahre alt unter gegenüber seiner Ehefrau und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Das Arbeitsverhältnis verlief seit dem 3. Mai 1999 bis zur Veröffentlichung des ersten Fotos im Dezember 2014 14,5 Jahre ohne jegliche Beanstandungen.

Unter Abwägung all dieser Gesichtspunkte überwiegt nach Auffassung der Kammer das Interesse des Klägers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses dasjenige der Beklagten an seiner Beendigung. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist daher auch nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 15. August 2018 beendet worden.

III.

Die Berufung der Beklagten hat auch keinen Erfolg, soweit sie sich gegen ihre Verurteilung zur Weiterbeschäftigung des Klägers bis zur rechtskräftigen Beendigung des vorliegenden Rechtsstreits als Monteur im Gleisbau richtet.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt.