LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26.06.2019 - 2 SaGa 4/19
Fundstelle
openJur 2020, 19540
  • Rkr:
Tenor

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Verfügungskläger zu tragen.

Tatbestand

Der Verfügungskläger begehrt im Wege der einstweiligen Verfügung seine vorläufige Weiterbeschäftigung während des beim Landesarbeitsgericht unter dem Aktenzeichen 2 Sa 147/19 anhängigen Hauptsacheverfahrens.

Der Verfügungskläger war aufgrund Arbeitsvertrages vom 07. November 2016 seit 01. Februar 2017 bei der Verfügungsbeklagten als Leiter des Kindergartens C-Stadt beschäftigt. Er übte diese Tätigkeit von Februar bis Juni 2017 tatsächlich aus und war dann in der Folgezeit (bis zum 31. Mai 2019) arbeitsunfähig erkrankt. Mit Bescheid vom 01. Februar 2019 wurde bei ihm mit Wirkung zum 20. Juli 2018 ein Grad der Behinderung von 50 festgestellt.

Mit Schreiben vom 09. August 2018 kündigte die Verfügungsbeklagte das mit dem Verfügungskläger bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30. September 2018. Hiergegen hat sich der Verfügungskläger mit seiner beim Arbeitsgericht Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - erhobenen Kündigungsschutzklage gewandt und seine Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens begehrt. Im Kammertermin vom 22. November 2018 vor dem Arbeitsgericht wies der Verfügungskläger die Verfügungsbeklagte erstmals darauf hin, dass er bereits vor Zugang der Kündigung einen Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft gestellt habe. Mit Urteil vom 07. März 2019 - 6 Ca 551/18 - hat das Arbeitsgericht Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - der Kündigungsschutzklage stattgegeben und den von der Verfügungsbeklagten gestellten Auflösungsantrag zurückgewiesen. Ferner hat es die Verfügungsbeklagte verurteilt, den Verfügungskläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiter zu beschäftigen. Hiergegen hat die Verfügungsbeklagte Berufung eingelegt, die beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz unter dem Aktenzeichen 2 Sa 147/19 anhängig ist. Mit ihrer Berufungsbegründung vom 20. Mai 2019 hat die Verfügungsbeklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 07. März 2019 - 6 Ca 551/18 - teilweise abzuändern und den Weiterbeschäftigungsantrag abzuweisen sowie das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis zum 30. September 2018 gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen.

Mit Schreiben vom 16. Mai 2019 teilte der Verfügungskläger der Verfügungsbeklagten mit, dass seine Arbeitsunfähigkeit am 31. Mai 2019 ende und er ab 01. Juni 2019 seinen Dienst wieder antreten könne. Daraufhin hat die Verfügungsbeklagte im anhängigen Berufungsverfahren - 2 Sa 147/19 - mit Schriftsatz vom 03. Juni 2019 die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem erstinstanzlichen Weiterbeschäftigungstitel beantragt.

Mit seinem am 17. Juni 2019 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung begehrt der Verfügungskläger seine vorläufige Weiterbeschäftigung als Leiter des Kindergartens C-Stadt.

Der Verfügungsgrund ergebe sich aus der offensichtlichen Rechtswidrigkeit der ausgesprochenen Kündigung. Dem Hauptsacheverfahren werde nicht Genüge getan, weil die Verfügungsbeklagte die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung bezüglich der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung beantragt habe. Bis das Hauptsacheverfahren entschieden sei, werde im Hinblick auf den angesetzten Termin für den 12. Dezember 2019 eine nicht unerhebliche Zeit vergehen. Dies bedeute für ihn einen unzumutbaren Zustand, weil keine Arbeitsunfähigkeit mehr bestehe, somit Krankengeld ausgelaufen sei und die Verfügungsbeklagte seinen Arbeitsantritt verweigere. Die Verfügungsbeklagte sei im Annahmeverzug und verweigere ihm jeglichen Zutritt zum Arbeitsgelände bzw. zeige keinerlei Reaktion auf seine wiederholten Angebote. Er komme in enorme finanzielle Nöte, da die Zahlung der laufenden Rechnungen in Gefahr sei. Da die Verfügungsbeklagte derzeit seine Vergütungsansprüche ignoriere, sei der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung notwendig.

Der Verfügungskläger beantragt,

die Verfügungsbeklagte zu verurteilen, ihn nach Maßgabe des Anstellungsvertrages vom 07. November 2016 bis auf weiteres als Leiter des Kindergartens C-Stadt zu beschäftigen und tätig werden zu lassen.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Sie erwidert, der Antrag sei bereits mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Im Übrigen nehme sie auf den im Rahmen des Berufungsverfahrens gestellten Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung hinsichtlich des Weiterbeschäftigungsanspruchs Bezug. Bezüglich der Weiterbeschäftigung seien die Interessen gegeneinander abzuwägen. Bei ihren Mitarbeiterinnen führe der bloße Gedanke, der Verfügungskläger könne seine Tätigkeit wieder aufnehmen, zu psychischen und körperlichen Beeinträchtigungen. Der Elternausschuss habe angekündigt, bei Wiederaufnahme der Tätigkeit durch den Verfügungskläger die Eltern aufzufordern, ihre Kinder aus der Einrichtung zu nehmen, und der Verfügungsbeklagten zu raten, die Einrichtung zu schließen. Durch die Wiederaufnahme der Tätigkeit des Verfügungsklägers als Leiter der Kindertagesstätte würde ein so massiver Konflikt in den Kindergarten hereingetragen, dass die Erfüllung ihres gesetzlichen Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungsauftrags nicht sichergestellt werden könne. Im Hinblick auf das laufende Berufungsverfahren und die nicht rechtskräftige Entscheidung über den Auflösungsantrag würden ihre Interessen das Beschäftigungsinteresse des Verfügungsklägers für die Dauer des Berufungsverfahrens erheblich überwiegen.

Die Verfahrensakte 2 Sa 147/19 (Hauptsachverfahren der Parteien) wurde beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat keinen Erfolg.

Das Berufungsgericht ist gemäß §§ 937 Abs. 1, 943 Abs. 1 ZPO i.V.m. §§ 62 Abs. 2, 64 Abs. 7 ArbGG als Gericht der Hauptsache für den vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zuständig.

Im Streitfall kann offen bleiben, ob überhaupt ein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung im Hinblick auf den im Hauptsacheverfahren erwirkten Weiterbeschäftigungstitel besteht. Das Rechtsschutzbedürfnis kann insbesondere fehlen, wenn über den Anspruch bereits ein Urteil vorliegt (Zöller ZPO 32. Aufl. Vor § 253 Rn. 18 a). Selbst wenn man davon ausgeht, dass trotz des im Hauptsacheverfahren bereits erwirkten Weiterbeschäftigungstitels im Hinblick auf die beantragte einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht bereits das Rechtsschutzbedürfnis zu verneinen ist, fehlt es jedenfalls an dem erforderlichen Verfügungsgrund.

1. Der Verfügungskläger begehrt mit seinem Antrag im Wege der einstweiligen Verfügung die Verurteilung der Verfügungsbeklagten zu seiner vorläufigen Weiterbeschäftigung. Eine derartige Leistungsverfügung ist nur dann gerechtfertigt, wenn der Gläubiger auf die sofortige Erfüllung dringend angewiesen ist und eine Entscheidung im ordentlichen Verfahren seine Interessen nicht ausreichend wahren kann. Der Verfügungsgrund ergibt sich nicht bereits daraus, dass anderenfalls der Weiterbeschäftigungsanspruch durch Zeitablauf sukzessive erlischt. Vielmehr muss der Arbeitnehmer ein besonderes Beschäftigungsinteresse darlegen und glaubhaft machen, aufgrund dessen er - etwa zur Erhaltung oder Sicherung seiner beruflichen Qualifikation - gerade auf die Beschäftigung bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache angewiesen ist (LAG Rheinland-Pfalz 14. April 2016 - 2 SaGa 3/16 - Rn. 31, juris m.w.N.).

2. Danach fehlt es jedenfalls an einem Verfügungsgrund für die beantragte Leistungsverfügung.

Der Erlass einer auf Weiterbeschäftigung gerichteten einstweiligen Verfügung (Leistungsverfügung) kommt grundsätzlich nur in Betracht, wenn eine Entscheidung im ordentlichen Verfahren die Interessen des Gläubigers nicht ausreichend wahren kann, was hier aufgrund des im Hauptsacheverfahren bereits erwirkten Weiterbeschäftigungstitels nicht der Fall ist. Zwar hat die Verfügungsbeklagte die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem erstinstanzlichen Urteil im Hauptsacheverfahren (Berufungsverfahren) beantragt. Bei der Entscheidung über den Einstellungsantrag ist jedoch eine Abwägung der Interessen des Verfügungsklägers an der Beibehaltung der Vollstreckbarkeit mit denen der Verfügungsbeklagten vorzunehmen, so dass der Verfügungskläger im Hauptsacheverfahren seine Interessen an der Durchsetzung des Titels geltend machen kann.

Unabhängig davon hat der Verfügungskläger auch kein besonderes Beschäftigungsinteresse dargelegt, aufgrund dessen er nunmehr auf die sofortige Erfüllung des von ihm geltend gemachten Anspruchs auf Weiterbeschäftigung derart dringend angewiesen sein könnte, dass ihm ein Abwarten des Hauptsacheverfahrens nicht zugemutet werden kann. Insbesondere liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Verfügungskläger infolge der Nichtbeschäftigung bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens seine beruflichen Fähigkeiten und Fertigkeiten verliert. Weder das unzweifelhafte Bestehen eines Beschäftigungsanspruchs noch der aufgrund Zeitablaufs drohende Rechtsverlust des Beschäftigungsanspruchs genügt für das Vorliegen eines Verfügungsgrundes (LAG Baden-Württemberg 16. Februar 2017 - 21 SaGa 1/16 - Rn. 15, juris). Im Übrigen hat der Verfügungskläger kein besonderes Beschäftigungsinteresse dargelegt, aufgrund dessen er gerade auf die Beschäftigung bis zu einer Entscheidung im Berufungsverfahren dringend angewiesen ist. Vielmehr hat er angeführt, dass für ihn bis zu einer Entscheidung im Berufungsverfahren ein unzumutbarer Zustand bestehe, weil keine Arbeitsunfähigkeit mehr bestehe und somit Krankengeld ausgelaufen sei. Er komme in enorme finanzielle Nöte, weil die Zahlung der laufenden Rechnungen in Gefahr sei. Da die Verfügungsbeklagte derzeit seine Vergütungsansprüche ignoriere, sei der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung notwendig. Damit hat der Verfügungskläger kein besonderes ideelles oder berufliches Beschäftigungsinteresse geltend gemacht. Das im Synallagma zur Beschäftigung stehende Vergütungsinteresse wird im Allgemeinen ausreichend durch § 615 BGB gesichert. Das wirtschaftliche Interesse an der Erzielung von Lohneinkünften kann keine Beschäftigungsverfügung rechtfertigen, weil ein entsprechender Weiterbeschäftigungstitel überhaupt keine Verurteilung zur Lohnzahlung enthielte und daher ungeeignet wäre, die wirtschaftliche Existenz des Arbeitnehmers zu sichern (LAG Schleswig-Holstein 20. April 2012 - 5 SaGa 1/12 - Rn. 17, juris m.w.N.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 72 Abs. 4 ArbGG).