LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29.01.2019 - 6 Sa 138/18
Fundstelle
openJur 2020, 19427
  • Rkr:
Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 13. März 2018 - 12 Ca 3398/17 - teilweise abgeändert und der Klarstellung halber insgesamt wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.309,66 Euro brutto zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 401,94 Euro brutto seit 01. September 2016, aus weiteren 349,16 Euro brutto seit 04. Oktober 2016, aus weiteren 236,64 Euro brutto seit 02. November 2016, aus weiteren 165,30 Euro brutto seit 01. Dezember 2016, aus weiteren 331,76 Euro brutto seit 02. Januar 2017, aus weiteren 99,76 Euro brutto seit 01. Februar 2017, aus weiteren 174,00 Euro brutto seit 01. März 2017, aus weiteren 280,72 Euro brutto seit 03. April 2017, aus weiteren 324,80 Euro brutto seit 02. Mai 2017, aus weiteren 100,34 Euro brutto seit 01. Juni 2017, aus weiteren 338,72 Euro brutto seit 03. Juli 2017, aus weiteren 356,70 Euro brutto seit 01. August 2017, aus weiteren 236,64 Euro brutto seit 01. September 2017, aus weiteren 218,66 Euro brutto seit 02. Oktober 2017 und aus weiteren 1.694,52 Euro brutto seit 02. Oktober 2017.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt die Klägerin zu 35 %, die Beklagte zu 65 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin zu 56 %, die Beklagte zu 44 %.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch über den angemessenen Ausgleich für Dauernachtarbeit und um Zinsforderungen.

Die Beklagte betreibt ua. ein Seniorenhaus in B. als Pflegeeinrichtung, die die vollstationäre Pflege, Kurzzeit- und Verhinderungspflege, sowie die Pflege demenzerkrankter Menschen anbietet. Hierbei stellt sie die Versorgung der Bewohner durch den Einsatz von Altenpfleger bzw. Pflegefachkräften und Pflegeassistenten nach einem vorgegebenen Pflegeschlüssel durchgehend, dh. 24 Stunden an jeweils sieben Tage pro Woche sicher.

Die Klägerin war vom 15. Juli 2016 bis 30. September 2017 kraft schriftlichen, noch mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten geschlossenen Arbeitsvertrages vom 27. Juni 2016 (Bl. 7 ff. d. A., im Folgenden: AV) in der Pflegeeinrichtung B. als Gesundheits- und Krankenpflegerin beschäftigt. Nach § 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 AV bezog sie bei einer Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden eine Bruttomonatsvergütung von 2.400,00 Euro, die nachträglich jeweils am Ende eines Monats zahlbar war. Gemäß § 3 Abs. 2 AV richteten sich die Anfangs- und Schlusszeiten nach dem Arbeitsplan/Dienstplan der Beklagten. Wegen der weiteren Einzelheiten des Arbeitsvertrages wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Die Klägerin war - zwischen den Parteien im Berufungsverfahren nicht mehr streitig - während ihrer Beschäftigung insgesamt 1.558,25 Stunden im Zeitraum zwischen 23.00 Uhr und 6.00 Uhr eingesetzt, die sich wie folgt auf die einzelnen Monate verteilen: August 2016 173,25 Stunden, September 2016 150,5 Stunden; Oktober 2016 102,00 Stunden; November 2016 71,25 Stunden; Dezember 2016 143 Stunden, Januar 2017 43 Stunden, Februar 2017 75 Stunden, März 2017 121 Stunden, April 2017 140 Stunden, Mai 2017 43,25 Stunden, Juni 2017 146 Stunden, Juli 2017 153,75 Stunden, August 2017 102 Stunden und September 2017 94,25 Stunden. Die Klägerin hat für diese Stunden - zusätzlich zu ihrer Bruttomonatsvergütung - einen Nachtzuschlag in Höhe von 1,28 Euro brutto erhalten. Neben den Nachtzuschlägen sind auf den Abrechnungen der Klägerin teilweise Stunden ausgewiesen, für die ihr eine Sonntagszulage in Höhe von 2,56 Euro brutto pro Stunde vergütet wurde. Ob die ausgewiesenen Sonntagsstunden weitere zuschlagspflichtige Nachtarbeitsstunden beinhalten, ist zwischen den Parteien streitig.

Die Klägerin hat am 16. November 2017 beim Arbeitsgericht Koblenz Klage auf Differenzvergütung erhoben, da sie der Auffassung ist, die an sie ausgekehrten Nachtzuschläge seien der Höhe nach nicht angemessen. Weiter hat die Klägerin einen von der Beklagten mit der Begründung, es handele sich um Minusstunden, von der Lohnabrechnung für September 2017 einbehaltenen Betrag in Höhe von 1.694,52 Euro brutto geltend gemacht und eine Verzugsschadenspauschale.

Sie hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, sie sei ausweislich der zur Akte gereichten Dienstpläne (Bl. 79 ff. d. A.) und nach ihrer Stellenbeschreibung durchgängig als Nachtwache beschäftigt gewesen. Die Belastung in der Nachtschicht sei mindestens genauso hoch gewesen wie die ihrer Kolleginnen im Tagdienst. Es habe während der Nachtschicht keinen Bereitschaftsdienst gegeben und auch keinen Ruheraum mit Liege oder Bett. Sie habe Leistungen der Grund- und Behandlungspflege erledigen müssen, die ihre Kollegen in der Spätschicht wegen Arbeitsbelastung nicht hätten fertigstellen können. Zudem habe sie die Bewohner versorgen müssen, wenn diese sich zB erbrochen hätten oder verkotet gewesen seien, und Dokumentationen über die Versorgung und Pflege zu erstellen gehabt. Häufig sei die Arbeitsbelastung so hoch gewesen, dass die Kolleginnen und sie noch nicht einmal ihre Pausen hätten einlegen können. Hinzu gekommen seien die erheblichen Mehrbelastungen dadurch, dass die Arbeit nicht am Tag im natürlichen Rhythmus erbracht worden sei, sondern immer zur Nachtzeit. Der von der Beklagten gezahlte Nachtzuschlag sei daher zu niedrig, angemessen sei ein solcher von 30 %, was 4,32 Euro brutto pro Stunde und insgesamt die in der Klageschrift tabellarisch dargestellten Zuschlagsdifferenzen (Bl. 3 f. d. A.) ausmache. Die Beklagte schulde ihr einschließlich des Minusstundenbetrags 7.601,68 Euro brutto, sowie eine Verzugspauschale von monatlich 40,00 Euro, insgesamt 560,00 Euro netto.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen an sie 7.601,68 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 666,24 Euro ab 01. September 2016, aus weiteren 508,68 Euro ab 01. Oktober 2016, aus weiteren 370,96 Euro ab 01. November 2016, aus weiteren 290,44 Euro ab 01. Dezember 2016, aus weiteren 480,88 Euro ab 01. Januar 2017, aus weiteren 155,32 Euro ab 01. Februar 2017, aus weiteren 279,92 Euro ab 01. März 2017, aus weiteren 488,12 Euro ab 01. April 2017, aus weiteren 559,00 Euro ab 01. Mai 2017, aus weiteren 160,72 Euro 01. Juni 2017, aus weiteren 530,72 Euro ab 01. Juli 2017, aus weiteren 569,16 Euro ab 01. August 2017, aus weiteren 381,52 Euro ab 01. September 2017, aus weiteren 465,48 ab 01. Oktober 2017 und aus weiteren 1.694,52 Euro ab 01. Oktober 2017, sowie weitere 560 Euro netto zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, der Klägerin stehe bei der Höhe nach bestrittenem Stundenlohn kein höherer Nachtzuschlag zu. Die Klägerin sei nicht als Dauernachtwache tätig geworden. Die Belastungen in der Nachtschicht seien geringer als im Tagdienst, da die typischerweise erforderlichen Pflegeleistungen der Grund- und Behandlungspflege, die während der Früh- und Spätschicht erbracht würden, wegen der Nachtruhe der Bewohner nicht anfielen. Der Einsatz beschränke sich vielmehr auf unregelmäßige Notfälle und die Unterstützung der Heimbewohner bei Toilettengängen, dem Wechsel von Inkontinenzmitteln, die Dokumentation über die Versorgung und Pflege und gegebenenfalls das Verabreichen der Nachtmedikation. Nachtarbeit sei aufgrund der bestehenden gesetzlichen Verpflichtungen und Vorgaben der Heimaufsicht zur Versorgung der Bewohner rund um die Uhr zwingend erforderlich und diene im Ergebnis dem Gesundheitsschutz und damit auch der öffentlichen Sicherheit. Eine rechtliche Grundlage für die von der Klägerin verlangte zusätzliche Gewährung von weiteren 30 % Zuschlag auf die gewährte Zulage für Sonn- und Feiertagsstunden gebe es nicht.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 13. März 2018 in Höhe von 3.065,78 Euro brutto stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der von der Beklagten geleistete Nachtzuschlag sei angesichts der regelmäßig als angemessen angesehenen Werte von 25 % bzw. bei Dauernachtarbeit von 30 % nicht angemessen. Die Klägerin habe nach den vorgelegten Schichtplänen, die ihren über Monate hinweg durchgehenden Einsatz ausschließlich in der Nachtwache dokumentierten, Dauernachtarbeit geleistet weshalb der Nachtzuschlag zunächst mit 30 % anzusetzen sei. Das einfache Bestreiten dieser Tatsache durch die Beklagte sei nach § 138 Abs. 2 ZPO unbeachtlich. Die Beklagte könne einen geringeren Zuschlag nicht daraus ableiten, die Nachtschicht sei weniger belastend als die Tätigkeit der Kollegen der Klägerin im Spät- oder Frühdienst sei. Hierzu habe sie entgegen ihrer Darlegungslast nicht ausreichend im Einzelnen vorgetragen. Allein aus der Art der Tätigkeit der Klägerin als Pflegekraft lasse sich nicht entnehmen, dass diese in qualitativer oder quantitativer Hinsicht hinter den Arbeiten der Kollegen in anderen Schichten zurückstehen müsste. Der Nachtdienst sei weder Bereitschaftsdienst, noch Rufbereitschaft. Der allgemeine Vortrag der Beklagten lasse keine Rückschlüsse auf die Anzahl der außerplanmäßigen "Pflegeeinsätze" pro Nacht zu und die Beklagte habe den Pflege- und Personalschlüssel für Nacht- dem für Früh-/Spätdienst nicht gegenübergestellt, was die Ermittlung der Arbeitsbelastung ermöglicht hätte. Zeitliche Angaben zu den regelmäßig anfallenden Dokumentations-, Versorgungs- und Pflegetätigkeiten fehlten gänzlich. Andererseits könne die Beklagte sich zur Begründung eines geringeren Zuschlags erfolgreich darauf berufen, dass auf Nachtarbeit im Bereich der Pflege nicht verzichtet werden könne, weshalb der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck, Nachtarbeit zum Zwecke des Gesundheitsschutzes zu verteuern, nicht zum Tragen komme. Unter Berücksichtigung des dauerhaften Nachtarbeitseinsatzes der Klägerin und der Tatsache, dass sie weder Rufbereitschaft, noch Bereitschaftsdienst gehabt habe und mit Blick auf die Unvermeidbarkeit der Nachttätigkeiten werde ein Nachtarbeitszuschlag von 15 % als angemessen erachtet. Der Höhe nach schulde die Beklagte für lediglich 1.558,25 schlüssig vorgetragene Nachtstunden bei einem Zuschlag von 2,16 Euro brutto pro Stunde abzüglich des bereits gezahlten Betrages von 1,28 Euro brutto stündlich weitere 0,88 Euro brutto und damit insgesamt 1.371,26 Euro brutto. Da der stündlich gezahlte Zuschlag für Sonntagsarbeit den Nachtzuschlag übersteige, könne offen bleiben, ob dieser Sonntagszuschlag zusätzlich zu dem bereits gezahlten Nachtzuschlag gezahlt worden sei oder als Zuschlag für Nachtzeiten an Sonn- und Feiertagen. Die Beklagte schulde der Klägerin den zu Unrecht getätigten Lohneinbehalt von 1.694,52 Euro brutto. Ein Anspruch auf die geltend gemachte Verzugspauschale sowie auf Verzugszinsen habe diese jedoch mangels Verschulden der Beklagten nicht. Die Klägerin könne lediglich Rechtshängigkeitszinsen nach § 291 ZPO verlangen. Wegen der näheren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf Bl. 119 ff. d. A. verwiesen.

Die Klägerin hat gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 23. März 2018 zugestellte Urteil mit am gleichen Tag bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 17. April 2018 Berufung eingelegt und diese innerhalb nachgelassener Frist mit Schriftsatz vom 22. Juni 2018, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, begründet.

Sie hat mit ihrer Berufung weitere Nachtzuschläge nebst Verzugszinsen, Verzugszinsen aus dem einbehaltenen Minusstundenbetrag und zunächst noch die Verzugspauschale geltend gemacht. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer am 29. Januar 2019 hat die Klägerin die Berufung im Hinblick auf die Verzugspauschale zurückgenommen.

Die Klägerin macht zur Begründung ihrer Berufung nach Maßgabe der Berufungsbegründungsschrift vom 22. Juni 2018 (Bl. 160 ff. A.), auf die ergänzend Bezug genommen wird, zweitinstanzlich im Wesentlichen geltend,

das Arbeitsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass eine Kürzung des Nachtzuschlags um 50 % auf 15 % gerechtfertigt sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei grundsätzlich ein Zuschlag von 25 % angemessen, der bei Dauernachtarbeit auf 30 % zu erhöhen sei. Werde der Zweck, Nachtarbeit zu verteuern, nicht erreicht, verbleibe es bei 25 %. Die Klägerin vertritt die Auffassung, auch 25 % sei noch zu niedrig, denn eine gesetzgeberische Intention, die Nachtarbeit durch die Nachtzuschläge nach § 6 Abs. 5 ArbZG zu verteuern, ergebe sich nicht aus der Gesetzesbegründung. Es gehe ausschließlich darum, die gesundheitlichen Einschränkungen, die mit der Nachtarbeit einhergehen, auszugleichen und die Verteuerung der Nachtarbeit sei lediglich ein Rechtsreflex. Auch in der Pflege gebe es im Übrigen viele Tätigkeiten, die sowohl in der Tag-, als auch in der Nachtarbeit verrichtet werden könnten, so dass es auch in der Pflege einen Anlass für die Verteuerung der Nachtarbeit dergestalt gebe, Arbeitgeber dazu zu veranlassen, möglichst nur die nötigsten Arbeiten im Nachtdienst verrichten zu lassen. Sie selbst habe ausweislich der Dienstpläne Dauernachtarbeit geleistet, die - auch bei Unverzichtbarkeit der Nachtarbeit als solcher - jedenfalls verzichtbar sei. Ihre Tätigkeit sei auch - erstinstanzlich bereits ausgeführt - gerade nicht durch bloße Überwachungstätigkeiten geprägt gewesen. Die Beklagte habe den Zahlungsverzug angesichts der regelmäßigen Angemessenheit eines Zuschlags von 25 % auch zu vertreten, weshalb sie Verzugszinsen zu zahlen habe; gleiches gelte auch für die Verzugszinsen aus dem einbehaltenen Minusstundenbetrag, da die Beklagte durch simples Googeln habe erkennen können, dass der Abzug rechtlich nicht zulässig gewesen sei.

Die Klägerin beantragt zuletzt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 13. März 2018 zum Az.: 12 Ca 3398/17 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen an sie 7.601,68 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 666,24 Euro ab 01. September 2016, aus weiteren 508,68 Euro ab 01. Oktober 2016, aus weiteren 370,96 Euro ab 01. November 2016, aus weiteren 290,44 Euro ab 01. Dezember 2016, aus weiteren 480,88 Euro ab 01. Januar 2017, aus weiteren 155,32 Euro ab 01. Februar 2017, aus weiteren 279,92 Euro ab 01. März 2017, aus weiteren 488,12 Euro ab 01. April 2017, aus weiteren 559,00 Euro ab 01. Mai 2017, aus weiteren 160,72 Euro 01. Juni 2017, aus weiteren 530,72 Euro ab 01. Juli 2017, aus weiteren 569,16 Euro ab 01. August 2017, aus weiteren 381,52 Euro ab 01. September 2017, aus weiteren 465,48 ab 01. Oktober 2017 und aus weiteren 1.694,52 Euro ab 01. Oktober 2017 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Beklagte verteidigt das von der Klägerin angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 29. August 2018, auf die Bezug genommen wird (Bl. 170 ff. d. A.), zweitinstanzlich im Wesentlichen wie folgt,

der vom Arbeitsgericht zugesprochene Nachtzuschlag von 15 % sei nicht unangemessen; die Erhöhung oder Verminderung des regelmäßig angemessenen Nachtzuschlages von 25 % komme in Betracht, wenn Umstände im Zusammenhang mit der Erbringung der Arbeitsleistung vorlägen, die ihn im Vergleich zum Üblichen als zu gering oder zu hoch erscheinen ließen. Hierbei sei relevant, ob der mit dem Lohnzuschlag verfolgte Zweck, im Interesse der Gesundheit des Arbeitnehmers die Nachtarbeit zu verteuern erreicht werden könne oder ob - in Fällen aus zwingenden technischen oder mit der Art der Tätigkeit verbundenen Gründen unvermeidbarer Nachtarbeit - nur die mit der Nachtarbeit verbundene Erschwernis ausgeglichen werden könne. Sei letzteres der Fall, würden von den Arbeitsgerichten - zB im Rettungsdienst, im Bewachungs- und Sicherheitsgewerbe und im Pflegedienst - üblicherweise Nachtzuschläge von 10 bis maximal 15 % für angemessen erachtet. Die Berufung verkenne, dass der BT-Drucksache 12/5888 S. 39 zu entnehmen sei, dass bei Kranken- und Pflegeanstalten der Gesundheitsschutz auch gegen die Kosten für die Arbeitgeberseite abzuwägen sei. Es komme daher auch nicht mehr darauf an, dass die Grund- und Behandlungspflege grundsätzlich während der Früh- und Spätschicht erbracht worden sei und in der Nachtruhe der in Wechselschicht eingesetzten Klägerin grundsätzlich entfallen seien und sich deren Einsatz auf die bereits erstinstanzlich dargestellten Tätigkeiten beschränkt habe. Es sei nochmals darauf hinzuweisen, dass der gezahlte Stundenlohn weit über den tariflichen Mindestentgelten liege. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer hat die Beklagte vorgetragen, man versuche, Mitarbeiter, die dies wünschten, in der Nachtschicht einzusetzen, damit Patienten, die zu einem großen Teil Demenzpatienten seien, aufgrund des gleichbleibenden Personals einfacher mit der Situation zurechtkämen.

Im Übrigen wird wegen des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift vom 29. Januar 2019 Bezug genommen.

Gründe

A

Die überwiegend zulässige Berufung ist in der Sache teilweise erfolgreich.

I.

Die Berufung ist größtenteils zulässig.

1. Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 2 Buchstabe b ArbGG), wurde nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils am 23. März 2018 mit am 17. April 2018 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag form- und fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 519 ZPO) und innerhalb nachgelassener Frist mit Schriftsatz vom 22. Juni 2018, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, rechtzeitig begründet (§ 66 Abs. 1 Satz 1, 2, 5, § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 520 Abs. 2 ZPO).

2. Die Berufung ist mangels ordnungsgemäßer Begründung iSd. § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO unzulässig, soweit die Klägerin mit ihr Zuschläge für Nachtstunden verlangt, die über die vom Arbeitsgericht festgestellten 1.558,25 zuschlagspflichtigen Nachtstunden hinausgehen und die das Arbeitsgericht ihr aberkannt hat. Die Berufung war insoweit zu verwerfen, ohne dass dies gesondert im Tenor des Berufungsurteils hätte zum Ausdruck gebracht werden müssen (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 10. Oktober 2018 - 4 Sa 79/17 - Rn. 25, zitiert nach juris). Im Übrigen bestehen Bedenken hinsichtlich der ordnungsgemäßen Begründung der Berufung nicht, insbesondere hat die Klägerin die Berufung auch iSd. § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO begründet, soweit sie Verzugszinsen gemäß §§ 286, 288 Abs. 1 ZPO für ihre Zahlungsforderungen begehrt, nachdem ihr das Arbeitsgericht lediglich Rechtshängigkeitszinsen iSd. § 291 ZPO zugesprochen hat.

2.1. Nach §§ 64 Abs. 6 ArbGG iVm. 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Die zivilprozessuale Regelung soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird. Deshalb hat der Berufungskläger die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchem Grund er das angefochtene Urteil für unrichtig hält (BAG 14. März 2017 - 9 AZR 54/16 - Rn. 10 mwN, zitiert nach juris).

2.2. Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass die Klägerin im streitigen Zeitraum von August 2016 bis September 2017 insgesamt 1.558,25 nachtzuschlagspflichtige Stunden in der Zeit von 23.00 Uhr bis 6.00 Uhr geleistet hat, während sie die weiter mit der Klageschrift verlangten Stunden nicht schlüssig dargelegt und ihre Klage daher insoweit keinen Erfolg habe. Hierzu hat die Klägerin, die im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer wie die Beklagte erklärt hat, dass lediglich die erstinstanzlich festgestellten 1.558,25 Stunden nachtzuschlagspflichtig gewesen seien, im Rahmen der Berufungsbegründung keinen Vortrag gehalten. Ihre Berufung ist daher in Höhe von 386,08 Euro (127 vom Arbeitsgericht aberkannte Nachtstunden x 3,04 Euro (4,32 - 1,28 Euro)) mangels Begründung unzulässig.

II.

Die zulässige Berufung ist in der Sache teilweise erfolgreich. Die Berufung der Klägerin ist begründet, soweit sie die vom Arbeitsgericht zuerkannte prozentuale Höhe der ihr zustehenden Nachtarbeitszuschläge angreift. Sie kann von der Beklagten für jede von ihr zwischen 23.00 Uhr und 6.00 Uhr geleistete Nachtarbeitsstunde einen Nachtarbeitszuschlag von 25 % ihres Bruttostundenlohns verlangen, auf die sie sich bereits erhaltene Beträge anrechnen lassen muss. Weiter ist die Beklagte verpflichtet, der Klägerin unter dem Gesichtspunkt des Verzuges Zinsen aus den geltend gemachten Nachtarbeitszuschlägen und aus dem erstinstanzlich ausgeurteilten Minusstundenbetrag zu zahlen. Im Übrigen blieb die Berufung ohne Erfolg. Die erstinstanzliche Entscheidung war im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang abzuändern, welcher der Klarstellung halber insgesamt neu gefasst wurde.

1. Der Klägerin steht für die im Zeitraum von August 2016 bis September 2017 zuletzt unstreitig von ihr in der Zeit von 23.00 Uhr bis 06.00 Uhr geleisteten 1.558,25 Stunden ein Nachtarbeitszuschlag gemäß § 6 Abs. 5 ArbzG in Höhe von 25 % pro Stunde, mithin abzüglich bereits von der Beklagten geleisteter Zahlungen insgesamt ein weiterer Betrag von 3.615,14 Euro brutto zu.

1.1. Der von der Beklagten geschuldete angemessene Nachtarbeitszuschlag iSd. § 6 Abs. 5 ArbzG beträgt 25 % des der Klägerin zustehenden Bruttoarbeitsentgelts.

a) Nach § 6 Abs. 5 ArbZG ist der Arbeitgeber, soweit eine tarifvertragliche Ausgleichsregelung nicht besteht, verpflichtet, dem Nachtarbeitnehmer (§ 2 Abs. 5 ArbZG) für die während der Nachtzeit (§ 2 Abs. 3 ArbZG) geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Anzahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren. Der Arbeitgeber kann wählen, ob er den Ausgleichsanspruch durch Zahlung von Geld, durch bezahlte Freistellung oder durch eine Kombination von beidem erfüllt. Die gesetzlich begründete Wahlschuld (§ 262 BGB) konkretisiert sich auf eine der geschuldeten Leistungen erst dann, wenn der Schuldner das ihm zustehende Wahlrecht nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen ausübt (BAG 09. Dezember 2015 - 10 AZR 423/14 - Rn. 15, mwN, zitiert nach juris).

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Berufungskammer anschließt, ist regelmäßig ein Zuschlag von 25 % auf das dem Arbeitnehmer zustehende Bruttoarbeitsentgelt bzw. die Gewährung einer entsprechenden Anzahl von bezahlten freien Tagen als angemessenen Ausgleich für Nachtarbeit zu betrachten (vgl. BAG 25. April 2018 - 5 AZR 25/17 - Rn. 43, zitiert nach juris, 09. Dezember 2015 - 10 AZR 423/14 - Rn. 23, aaO).

bb) Ein geringerer als der regelmäßige Zuschlag von 25 % auf das dem Arbeitnehmer zustehende Bruttoarbeitsentgelt kann nach § 6 Abs. 5 ArbZG nur ausreichend sein, wenn die Belastung durch die geleistete Nachtarbeit im Vergleich zum Üblichen geringer ist, weil zB in diese Zeit in nicht unerheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft fällt oder es sich um nächtlichen Bereitschaftsdienst handelt, bei dem von vornherein von einer geringeren Arbeitsbelastung auszugehen ist. Nach der Art der Arbeitsleistung ist auch zu beurteilen, ob der vom Gesetzgeber mit dem Entgeltzuschlag verfolgte Zweck, im Interesse der Gesundheit des Arbeitnehmers Nachtarbeit zu verteuern und auf diesem Wege einzuschränken, zum Tragen kommen oder in einem solchen Fall nur die mit der Nachtarbeit verbundene Erschwernis ausgeglichen werden kann. Relevanz kann die letztgenannte Erwägung aber nur in den Fällen haben, in denen die Nachtarbeit aus zwingenden technischen Gründen oder aus zwingend mit der Art der Tätigkeit verbundenen Gründen bei wertender Betrachtung vor dem Hintergrund des Schutzzwecks des § 6 Abs. 5 ArbZG unvermeidbar ist (vgl. BAG 25. April 2018 - 5 AZR 25/17 - Rn. 44; 9. Dezember 2015 - 10 AZR 423/14 - Rn. 29 mwN, jeweils aaO).

b) Dies zugrunde legend nimmt die Berufungskammer an, dass in einer Gesamtbetrachtung sämtlicher Umstände des vorliegenden Falles ein Nachtarbeitszuschlag von 25 % auf das der Klägerin zustehende Bruttoarbeitsentgelt angemessen iSd. § 6 Abs. 5 ArbGG ist.

aa) Mit dem Arbeitsgericht ist zunächst davon auszugehen, dass die Beklagte, die der Klägerin fortwährend einen Nachtarbeitszuschlag und keine Freistellungen wegen Nachtarbeit gewährt hat, das ihr zustehende Wahlrecht iSd. § 6 Abs. 5 ArbzG, § 262 BGB ausgeübt hat und der Klägerin damit hinsichtlich der Nachtzuschläge ein Zahlungsanspruch zusteht. Dass ein Freizeitausgleich den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses voraussetzt (vgl. BAG 24. Oktober 1990 - 6 AZR 37/89 - Rn. 56, zitiert nach juris) und daher aufgrund der unstreitig eingetretenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien nicht mehr in Betracht käme (vgl. BAG 11. Februar 2009 - 5 AZR 148/08 - Rn. 12, zitiert nach juris), kann dahinstehen.

bb) Da die Klägerin ihre reguläre Arbeitsleistung in Dauernachtarbeit erbracht hat, liegt ein Umstand vor, der nach den dargestellten Grundsätzen prinzipiell ein Abweichen vom Regelwert "nach oben" auf 30 % gebietet.

(1) Die Höhe des Zuschlags auf das Bruttoarbeitsentgelt kann sich erhöhen, wenn die Belastung durch die Nachtarbeit unter qualitativen (Art der Tätigkeit) oder quantitativen (Umfang der Nachtarbeit) Aspekten die normalerweise mit der Nachtarbeit verbundene Belastung übersteigt. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn ein Arbeitnehmer nach seinem Arbeitsvertrag bzw. nach entsprechender Ausübung des Direktionsrechts durch den Arbeitgeber dauerhaft in Nachtarbeit tätig wird ("Dauernachtarbeit"). Bei der Erbringung der regulären Arbeitsleistung in Dauernachtarbeit ist deshalb regelmäßig ein Nachtarbeitszuschlag von 30 % auf den Bruttostundenlohn (bzw. die Gewährung einer entsprechenden Anzahl freier Tage) als angemessen anzusehen (BAG 25. April 2018 - 5 AZR 25/17 - Rn. 50, mwN, aaO).

(2) Das Arbeitsgericht hat mit zutreffender Begründung, auf die die Berufungskammer zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt und dies ausdrücklich feststellt (§ 69 Abs. 2 ArbGG), angenommen, dass die Klägerin ausweislich der vorgelegten Dienstpläne im streitigen Zeitraum ihre Arbeitsleistung ausschließlich zur Nachtzeit iSd. § 2 Abs. 3 ArbzG erbracht hat. Dem hat die Beklagte auch im Berufungsverfahren keinen substantiierten Sachvortrag entgegengesetzt. Die Klägerin hat pro Arbeitsnacht mehr als zwei Stunden gearbeitet und damit Nachtarbeit iSd. § 2 Abs. 4 ArbzG verrichtet, an mehr als 48 Tagen im Kalenderjahr und war damit Nachtarbeiterin (§ 2 Abs. 5 ArbzG).

cc) Wie das Arbeitsgericht geht auch die Berufungskammer davon aus, dass die Pflegetätigkeit, die die Klägerin erbracht hat, zwingend in der Nachtzeit erforderlich war und vor diesem Hintergrund ein Umstand gegeben ist, der nach § 6 Abs. 5 ArbzG einen geringeren Ausgleich rechtfertigt.

(1) Kann bei Dauernachtarbeit mit dem Zuschlag nach § 6 Abs. 5 ArbzG nur die mit der Nachtarbeit verbundene Erschwernis ausgeglichen werden, kommt ein "Abweichen nach unten" nur dann in Betracht, wenn - wie etwa im Rettungswesen - überragende Gründe des Gemeinwohls die Nachtarbeit zwingend erfordern (BAG 25. April 2018 - 5 AZR 25/17 - Rn. 56, mwN, aaO). Derartige Gründe liegen - vom Arbeitsgericht zutreffend erkannt - bei den von der Klägerin erbrachten Nachtarbeitstätigkeiten als Gesundheits- und Krankenpflegerin in der Pflege anlässlich ihrer Tätigkeit im Seniorenheim vor. Ein Verzicht auf Nachtarbeit ist in diesem Bereich ausgeschlossen, da ohne Nachtarbeit die Rund-um-die-Uhr-Betreuung der Bewohner nicht sichergestellt werden könnte.

(2) Die Einwendungen der Berufung gegen die Berücksichtigung einer Unverzichtbarkeit der Nachtarbeit verfangen nicht.

(2.1.) Entgegen der klägerischen Auffassung spielt es keine Rolle, ob es verzichtbar wäre, die Klägerin dauerhaft in Nachtarbeit einzusetzen. Es kann hierbei dahinstehen, ob dauerhafte Nachtarbeit im Seniorenheim der Beklagten ohnehin aus den von ihr in der Berufungsverhandlung angeführten Gründen der personellen Kontinuität in der Betreuung der häufig demenzkranken Bewohner zwingend geboten ist. Relevant ist nach der dargestellten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts allein, ob überragende Gründe des Gemeinwohls Nachtarbeit als solche unverzichtbar machen. Ob Dauernachtarbeit zu leisten ist, die mit einer weiter erhöhten gesundheitlichen Beeinträchtigung verbunden und daher zusätzlich auszugleichen ist, findet - wie auch vorliegend geschehen - nach den vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Grundsätzen bereits im Rahmen der Prüfung, ob ein Abweichen vom Regelwert 25 % nach oben auf 30 % gerechtfertigt ist, Beachtung. Berücksichtigte man den Umstand auch bei der Frage der Unverzichtbarkeit der Nachtarbeit, fände eine nicht gerechtfertigte doppelte Verwertung statt.

(2.2.) Eine Beachtung des zwingenden Charakters der Nachtarbeit im Pflegedienst scheidet - anders als die Berufung meint - auch nicht bereits deshalb aus, weil § 6 Abs. 5 ArbzG unter keinem Gesichtspunkt eine Verteuerung von Nachtarbeit zum Ziel haben soll. Die Regelungen in § 6 ArbZG dienen - in Umsetzung des Handlungsauftrags des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG 28. Januar 1992 - 1 BvR 1025/82, 1 BvL 16/83, 1 BvL 10/91 - Rn. 69, zitiert nach juris) und in Umsetzung der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG - in erster Linie dem Schutz des Arbeitnehmers vor den für ihn schädlichen Folgen der Nacht- und Schichtarbeit (BT-Drs. 12/5888 S. 21). Dabei ist der Gesetzgeber von der Erkenntnis ausgegangen, dass auf Nachtarbeit in der modernen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft nicht völlig verzichtet werden kann (BT-Drs. 12/5888 S. 25). § 6 Abs. 5 ArbZG setzt hier an und soll für diejenigen Arbeitnehmer, die Nachtarbeit leisten, zumindest einen angemessenen Ausgleich für die mit der Nachtarbeit verbundenen Beeinträchtigungen gewähren (BT-Drs. 12/5888 S. 26). Die gesetzlich vorgeschriebenen Ausgleichsleistungen nehmen der Nachtarbeit dabei nicht ihre spezifische Gesundheitsgefährdung, dienen aber unmittelbar oder mittelbar dem Gesundheitsschutz. Soweit § 6 Abs. 5 ArbZG einen Anspruch auf bezahlten Freizeitausgleich begründet, liegt eine unmittelbar gesundheitsschützende Wirkung jedenfalls in den Fällen vor, in denen sich die Dauer der zu erbringenden Arbeitszeit für den Arbeitnehmer durch den bezahlten Freizeitausgleich insgesamt reduziert und dieser zeitnah gewährt wird. Soweit ein Nachtarbeitszuschlag vorgesehen ist, wirkt sich dieser auf die Gesundheit des betroffenen Arbeitnehmers nicht unmittelbar aus, sondern dient dem Gesundheitsschutz mittelbar. Die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers wird verteuert, um auf diesem Weg Nachtarbeit einzudämmen; Nachtarbeit soll für Arbeitgeber weniger attraktiv sein. Dieser Druck besteht auch dann, wenn der Arbeitgeber verpflichtet ist, den Arbeitnehmer zu einem nicht zeitnah zur Nachtarbeit liegenden Zeitpunkt von der Arbeit bezahlt freizustellen. Außerdem soll der Nachtarbeitszuschlag in einem gewissen Umfang den Arbeitnehmer für die erschwerte Teilhabe am sozialen Leben entschädigen (vgl. insgesamt BAG 09. Dezember 2015 - 10 AZR 423/14 - Rn. 18, mwN, zitiert nach juris). Das Berufungsgericht schließt sich der dargestellten Auffassung des Bundesarbeitsgerichts vollumfänglich an.

dd) Trotz überragender Gründe des Gemeinwohls, die die Nachtarbeit zwingend erfordern, hält die Berufungskammer aufgrund sonstiger Umstände ein Unterschreiten des Regelwertes von 25 % vorliegend für nicht angemessen iSd. § 6 Abs. 5 ArbzG.

(1) Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin während ihrer Nachttätigkeit Vollarbeit mit besonderer Belastung geleistet hat. Das Arbeitsgericht hat zu Recht und mit sorgfältiger Begründung, auf die die Berufungskammer zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt und dies ausdrücklich feststellt (§ 69 Abs. 2 ArbGG), angenommen, dass die Tätigkeit der Klägerin in der Nachtschicht nicht weniger belastend war als die ihrer Kollegen in Tagschicht. Auch im Berufungsverfahren hat die Beklagte, die die Darlegungs- und Beweislast für Tatsachen trägt, die die Angemessenheit der von ihr erbrachten Nachtzuschläge begründen sollen (vgl. BAG 09. Dezember 2015 - 10 AZR 423/14 - Rn. 33, aaO), keine konkreten Umstände vorgebracht, die geeignet gewesen wären, die diesbezüglichen Behauptungen der Klägerin in Frage zu stellen. Sie hat weder den Personalschlüssel für Tag- und Nachtarbeit dargelegt, noch genaue Angaben zur Häufigkeit der ihrer Auffassung nach lediglich unregelmäßige Notfälle darstellenden Vorkommnisse hinsichtlich der Unterstützung bei Toilettengängen und dem Wechsel von Inkontinenzmitteln gemacht. Auch zum Vorbringen der Klägerin, in der Nachtschicht auch Maßnahmen der Grund- und Behandlungspflege vorgenommen zu haben, die die Spätschicht nicht mehr habe verrichten können, hat die Beklagte - vom Arbeitsgericht zutreffend erkannt - nicht im Einzelnen Stellung genommen. Hierzu wäre sie gehalten gewesen, denn für eine Erhöhung oder Verminderung des Umfangs des von § 6 Abs. 5 ArbzG geforderten Ausgleichs für Nachtarbeit ist maßgeblich, ob Umstände im Zusammenhang mit der Erbringung der Arbeitsleistung vorliegen, die den regelmäßig angemessenen Wert von 25 % wegen der im Vergleich zum Üblichen niedrigeren oder höheren Belastung als zu gering oder zu hoch erscheinen lassen; die Höhe des angemessenen Zuschlags nach § 6 Abs. 5 ArbzG richtet sich nach der Gegenleistung, für die sie bestimmt ist (vgl. BAG 09. Dezember 2015 - 10 AZR 423/14 - Rn. 27, aaO, 11. Februar 2009 - 5 AZR 148/08 - Rn. 12, zitiert nach juris). Mangels entsprechenden Vortrags der Beklagten ist daher anzunehmen, dass die Klägerin während der Nachtschicht auch Tätigkeiten verrichtet hat, die nicht zu ihrem eigentlichen Arbeitsbereich gehört haben und die belastungserhöhend zu werten sind (vgl. LAG Mecklenburg-Vorpommern 17. Oktober 2017 - 2 Sa 59/17 - Rn. 101, zitiert nach juris). Im Übrigen hat die Beklagte weder substantiiert dargetan, noch ist es anderweitig ersichtlich, dass die Tätigkeit der Klägerin, die unstreitig weder Rufbereitschaft, noch Bereitschaftsdienst zu leisten hatte, Phasen der Entspannung enthalten hätte. In einer Gesamtbetrachtung sämtlicher Umstände ist es daher nicht gerechtfertigt, den Zuschlag für ihre Nachtarbeit in der Höhe mit unter 25 % zu bewerten.

(2) Die Annahme des Regelwertes nach § 6 Abs. 5 ArbzG aufgrund der vorliegenden Umstände des Einzelfalles wird auch durch die Wertung in steuerrechtliche Bestimmungen gestützt. Nach § 3 b Abs. 1 bis 4 EStG ist für Nachtarbeit ein Satz von 25 % und für Nachtarbeit von 0.00 Uhr bis 4.00 Uhr ein Satz von 40 % steuerfrei, wenn die Arbeit - wie vorliegend - vor Mitternacht aufgenommen wird. Mit der Steuerfreiheit von Nachtarbeit ist mittelbar deren "Wert" akzeptiert (vgl. BAG 05. September 2002 - 9 AZR 202/01 - Rn. 57, vgl. auch LAG Baden-Württemberg 30. Dezember 2015 - 3 Sa 46/15 - Rn. 48, mwN, jeweils zitiert nach juris). Der Ansatz eines Zuschlags von höchstens 10 bis 15 %, wie ihn die Beklagte für zutreffend hält, ist daher in vorliegendem Fall nicht angemessen (anders für Nachtarbeit im Rettungsdienst in Wechselschicht mit erheblichem Teil Arbeitsbereitschaft: BAG 31. August 2005 - 4 AZR 545/04 - Rn. 17, für Nachtarbeit im Bewachungsgewerbe mit Phasen der Entspannung aufgrund von lediglich drei Kontrollgängen pro Nacht: BAG 11. Februar 2009 - 5 AZR 148/08 - Rn. 15, jeweils zitiert nach juris).

(3) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es für die Höhe des nach § 6 Abs. 5 ArbzG angemessenen Zuschlags unerheblich, ob der Stundenlohn der Klägerin über dem tariflichen Mindestentgelt lag. Anknüpfungspunkt für den Zuschlag nach § 6 Abs. 5 ArbzG ist das dem Nachtarbeitnehmer für die Nachtarbeit "zustehende" Bruttoarbeitsentgelt (vgl. BAG 25. April 2018 - 5 AZR 25/17 - Rn. 39, aaO). Damit ist vorliegend der vereinbarte Bruttostundenlohn relevant, auch wenn dieser den in der Branche üblichen, vorliegend jedoch nicht geschuldeten Tariflohn übersteigen mag.

1.2. Der Höhe nach hat die Klägerin unter Zugrundelegung eines angemessenen Nachtzuschlags von 25 % unter Berücksichtigung der von der Beklagten bereits entrichteten Beträge einen Anspruch auf Zahlung von Nachtzuschlägen im Streitzeitraum von weiteren 3.615,14 Euro brutto.

aa) Auszugehen ist von 1.558,25 nachtzuschlagspflichtigen Stunden im Zeitraum von August 2016 bis September 2017. Soweit die Klägerin erstinstanzlich noch Nachtzuschläge für weitere Stunden geltend gemacht hat, für die die Beklagte Sonntagszuschläge gezahlt hat, hat sie - von der Beklagten bereits erstinstanzlich beanstandet - nicht dargetan, dass und wann sie insoweit zusätzlich zu den zwischen den Parteien unstreitig geleisteten 1.558,25 Nachtarbeitsstunden ebenfalls in der Zeit von 23.00 Uhr bis 6.00 Uhr gearbeitet hätte. Die Klage blieb daher insoweit ohne Erfolg.

bb) Zu Recht hat das Arbeitsgericht einen Bruttostundenlohn von 14,39 Euro bei seinen Berechnungen in Ansatz gebracht (2.400,00 Euro brutto : 166,71 h), was zu einem 25%-igen Nachtzuschlag von insgesamt 3,60 Euro brutto pro Stunde führt. Abzüglich von der Beklagten bereits gezahlter 1,28 Euro brutto Nachtzuschlag verbleibt ein Differenzbetrag von 2,32 Euro brutto pro geleisteter Nachtstunde. Im Einzelnen ergeben sich folgende Beträge für die einzelnen zwischen den Parteien streitigen Monate: August 2016 401,94 Euro brutto (173,25 Stunden), September 2016 349,16 Euro brutto (150,5 Stunden), Oktober 2016 236,64 Euro brutto (102 Stunden), November 2016 165,30 Euro brutto (71,25 Stunden), Dezember 2016 331,76 Euro brutto (143 Stunden), Januar 2017 99,76 Euro brutto (43 Stunden), Februar 2017 174 Euro brutto (75 Stunden), März 2017 280,72 Euro brutto (121 Stunden), April 2017 324,80 Euro brutto (140 Stunden), Mai 2017 100,34 Euro brutto (43,24 Stunden), Juni 2017 338,72 Euro brutto (146 Stunden), Juli 2017 236,64 Euro brutto (153,75 Stunden), August 2017 236,64 Euro brutto (102 Stunden) und September 2017 218,66 Euro brutto (94,25 Stunden).

2. Die Klägerin kann sowohl hinsichtlich der von der Beklagten noch zu zahlenden Differenzvergütung an Nachtarbeitszuschlägen, als auch hinsichtlich des im September 2017 einbehaltenen Minusstundenbetrags, den das Arbeitsgericht ihr rechtskräftig zuerkannt hat, Zinsen im aus dem Tenor jeweils ersichtlichen Umfang unter dem Gesichtspunkt des Verzuges nach § 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB verlangen. Hierbei war zu berücksichtigen, dass der Klägerin nach § 187 Abs. 1 BGB erst ab dem Tag nach dem Eintritt der Fälligkeit - hier gemäß § 5 Abs. 1 AV jeweils zum Monatsletzten - zustehen (vgl. BAG 13. Januar 2016 - 10 AZR 42/15 - Rn. 27; 8. Oktober 2008 - 5 AZR 715/07 - Rn. 27 mwN, jeweils zitiert nach juris). Soweit dieser Tag auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag fällt, verschiebt sich der Zeitpunkt der Fälligkeit nach § 193 BGB auf den nächsten Werktag (BAG 13. Januar 2016 - 10 AZR 42/15 - Rn. 27, aaO; 19. November 2014 - 5 AZR 121/13 - Rn. 32, zitiert nach juris). Die darüberhinausgehende Zinsforderung der Klägerin ist nicht begründet.

2.1. Die Beklagte befand sich hinsichtlich der genannten Beträge in Schuldnerverzug (§ 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB). Einer Mahnung bedurfte es hierzu nicht, da die Parteien in § 5 Abs. 1 AV geregelt haben, dass Lohn und Gehalt jeweils nachträglich am Ende eines Monats zahlbar sein sollten und damit für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt war.

2.2. Die Gehaltszahlung ist infolge eines Umstandes unterblieben, den die Beklagte gemäß § 287 S. 1 BGB zu vertreten hat, denn sie hat jedenfalls fahrlässig gehandelt.

a) Nach § 276 Abs. 2 BGB handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Gerät der Arbeitgeber in Verzug mit der Zahlung des Gehalts, so hat er dies dann zu vertreten, wenn er bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können, dass er zur Zahlung verpflichtet war. Insoweit ist zu prüfen, ob sich der Arbeitgeber in einem entschuldbaren Rechtsirrtum befunden hat. Beruht die Ungewissheit über die Schuld auf rechtlichen Zweifeln des Schuldners (sog. Rechtsirrtum), so muss dies im Grundsatz als möglicher Entschuldigungsgrund berücksichtigt werden können; er Rechtsirrtum ist entschuldbar, wenn die Rechtslage objektiv zweifelhaft ist und der Schuldner sie sorgfältig geprüft hat (vgl. BAG 13. Juni 2002 - 2 AZR 391/01 - Rn. 44, zitiert nach juris).

b) Gemessen hieran hat sich die Beklagte nicht in einem entschuldbaren Rechtsirrtum über ihre Berechtigung befunden, die Zahlungen an die Klägerin unterlassen zu dürfen. Die Beklagte hat an die Klägerin einen Nachtzuschlag gezahlt, der mit 1,28 Euro brutto 8,9 % ihres Bruttostundenlohns betragen hat. Mit diesem Wert hat die Beklagte nicht nur die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ohne Hinzutreten besonderer Umstände regelmäßig iSd. § 6 Abs. 5 ArbzG als angemessen erachtete Höhe von Nachtzuschlägen unterschritten, sondern auch die Mindestwerte zwischen 10 und 15 %, die die Rechtsprechung in besonderen Situationen, die die Beklagte möglicherweise für gegeben erachtet haben mag, zuerkannt hat. Aus welchen Gründen die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin sich hierzu im Streitzeitraum berechtigt gefühlt haben soll, hat sie weder vorgetragen, noch war dies anderweitig ersichtlich. Ihr erstinstanzlicher Einwand, es gebe noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung zu Nachtzuschlägen in der Pflegebranche, führt hierzu angesichts der höchstrichterlich aufgestellten allgemeinen Grundsätze zur Angemessenheit von Nachtzuschlägen nach § 6 Abs. 5 ArbzG nicht, nachdem der von der Beklagten ausgekehrte Nachtzuschlagsbetrag von unter 10 % auch in Branchen mit unvermeidbarer Nachtarbeit vom Bundesarbeitsgericht nicht für angemessen erachtet worden ist. Gleiches gilt hinsichtlich des von der Beklagten im September 2017 einbehaltenen Betrages, hinsichtlich dessen die Beklagte eine denkbare Grundlage, die sie zum Einbehalt hätte berechtigen können, nicht genannt hat.

B

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO, 516 Abs. 3 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht gegeben.

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