LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 03.09.2018 - 3 Sa 111/18
Fundstelle
openJur 2020, 19337
  • Rkr:
Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau - vom 23.01.2018, Az.: 6 Ca 479/17 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund einer fristlosen Kündigung der Beklagten sein Ende gefunden hat, oder aber nicht, des Weiteren über Annahmeverzugslohn und weitere Zahlungsansprüche.

Der 1980 geborene Kläger ist einem Kind zum Unterhalt verpflichtet und seit dem 05.04.2016 bei der Beklagten als Monteur im Außendienst zu einem durchschnittlichen monatlichen Bruttoentgelt von zuletzt 2.720,00 € beschäftigt. Der Kläger erhielt als Außendienstmonteur bei einem Einsatz unter 24 Stunden eine Tagespauschale von 12,00 €. Bei einem Einsatz über die Tagesgrenze hinaus (über 24 Stunden) erhielt der Kläger eine Tagespauschale in Höhe von 24,00 €.

Mit Schreiben vom 17.05.2017 hat die Beklagte das mit den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt, die Kündigung ist dem Kläger am 19.05.2017 zugegangen. Die Beklagte stützt die Kündigung darauf, dass der Kläger in den Kalenderwochen 15 bis 19 im Kalenderjahr 2017 in seinem Leistungsnachweis mehr Zählerwechsel/Überprüfung angegeben habe, als tatsächlich getätigt wurden. Außerdem habe der Kläger eine erhöhte Tagespauschale in Höhe von 24,00 € geltend gemacht, obwohl er an dem jeweiligen Arbeitstag nachhause gekommen sei. Den Mailohn 2017 hat die Beklagte nicht abgerechnet.

Der Kläger hat vorgetragen,die fristlose Kündigung sei unwirksam, weil ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB nicht gegeben sei. Auch sei die Frist gemäß § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten worden. Zu Unrecht habe die Beklagte zudem weder den Monat Mai, noch den Monat Juni abgerechnet.

Der Kläger hat beantragt,

1. es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 16.05.2017, zugegangen am 19.05.2017, nicht aufgelöst worden ist,

2. es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 17.05.2017, zugegangen am 19.05.2017, aufgelöst worden ist,

3. es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 19.05.2017 hinaus fortbesteht,

4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.440,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 01.07.2017 sowie 360,00 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2017 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen,der Kläger habe verschiedene Werkzeuge im Wert von ca. 1.385,60 € nicht zurückgegeben. Am 16.05.2017 habe der Geschäftsführer der Beklagten festgestellt, dass der Kläger in den Kalenderwochen 15 bis 19 durch Falschangaben im Leistungsnachweis sowohl einen Arbeitszeitbetrug begangen habe wie auch durch die von ihm erstellten Spesenabrechnungen, einen weiteren Betrug. Der Kläger sei nämlich nicht, wie von ihm behauptet, jeweils am letzten Arbeitstag der Kalenderwoche erst nach 24:00 Uhr nach Hause gekommen, sondern bereits an dem letzten Arbeitstag. Von daher habe er zu Unrecht eine erhöhte Spesenpauschale geltend gemacht.

Das Arbeitsgericht Ludwigshafen hat daraufhin durch Urteil vom 23.01.2018 - 6 Ca 479/17 - die Beklagte verurteilt, an den Kläger 1.667,10 € brutto zu zahlen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 256-263 d. A. Bezug genommen.

Gegen das ihm am 07.03.2018 zugestellte Urteil hat der Kläger durch am (Montag, den) 09.04.2018 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Er hat die Berufung durch am 07.06.2018 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem zuvor auf seinen begründeten Antrag hin durch Beschluss vom 08.05.2018 die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 07.06.2018 einschließlich verlängert worden war.

Der Kläger wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, er habe die Leistungsnachweise jeweils nach seinem Wochenplan ausgefüllt. Wenn der Wochenplan beinhaltet habe, dass eben an einem Donnerstag 22 Zähler zu wechseln seien, dann habe er für den Donnerstag 22 Zähler notiert, obwohl er beispielsweise an diesem Tag tatsächlich weniger Zähler gewechselt habe. Entscheidend für den Geschäftsführer der Beklagten sowie auch für den Kläger sei lediglich die Gesamtzahl am Ende der Woche gewesen, die für die Beklagte gegenüber dem jeweiligen Kunden abrechnungsrelevant gewesen sei. Diese Zahl habe auch jeweils gestimmt. Der Geschäftsführer der Beklagten, der im Übrigen die Leistungsnachweise des Klägers auch gegengezeichnet habe, habe dies so auch gegenüber dem Kläger deutlich gemacht. Andernfalls hätte er die Leistungsnachweise des Klägers nicht unterzeichnet. Die Beklagte habe auch nicht geltend gemacht, dass ein Abrechnungsschaden gegenüber dem Kunden entstanden sei. Der Kläger habe tatsächlich seine angeordnete Arbeit allwöchentlich erfüllt. Kündigungsgrund sei entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts keineswegs, dass der Kläger in seinem Leistungsnachweis mehr Zählerwechsel/Überprüfungen angegeben habe, als er tatsächlich getätigt habe. Kündigungsgrund sei vielmehr die Tatsache, dass am letzten Tag der jeweiligen Kalenderwoche weniger Zählerwechsel getätigt worden seien, als im Leistungsnachweis angegeben. Die Beklagte habe zu keiner Zeit deutlich gemacht, dass es ihr auf die Tage der genauen Zählerwechsel angekommen sei. Der Kläger habe auch jeweils Fotos von den entsprechenden Zählerwechseln gespeichert, da die Kunden der Beklagten darauf bestanden hätten. Zu den Änderungen vom Wochenplan sei es regelmäßig gekommen, weil zum Beispiel bei einer Adresse eine Vielzahl von Zählern zu wechseln gewesen sei, die der Kläger dann auch an einem Tag habe erledigen können. In anderen Fällen sei es so gewesen, dass er von den Kunden angerufen und um Terminverschiebung gebeten worden sei, einem Ansinnen, dem der Kläger dann auch nachgekommen sei. Im Übrigen mache auch die Beklagte mit ihrem eigenen Vortrag deutlich, dass es ihr lediglich auf die Anzahl der Zählerwechsel und nicht so sehr auf die konkrete tatsächliche Arbeitszeit des Klägers angekommen sei.

Hinsichtlich der Reisekostenabrechnungen habe der Geschäftsführer der Beklagten gegenüber allen Mitarbeitern deutlich gemacht, dass sie jeweils eine Ankunft am nächsten Tag vermerken sollten, jedoch nicht mit einer Zeit von beispielsweise 00.05 Uhr, da sonst das Finanzamt wachsam werden werde. Dies sei deshalb so geschehen, weil sowohl der Kläger als auch die übrigen Monteure regelmäßig bereits sonntags zu ihren jeweiligen Einsatzorten hätten anreisen müssen. Eine Zeit, die nicht als Arbeitszeit vergütet worden sei. Ferner hätte sie am letzten Tag ihrer Arbeitswoche erst ihre Rückreise angetreten, ohne dass es ihnen möglich gewesen sei, ihre entsprechende zehnstündige Arbeitszeit unter Berücksichtigung der jeweils sehr langen Fahrzeiten geltend zu machen. Dementsprechend hätten auch die übrigen Kollegen des Klägers die Reisekostenabrechnungen wie zuvor beschrieben vorgenommen und entsprechend eine Ankunftszeit erst am Folgetag angegeben. Diese Vorgehensweise zum Ausfüllen der Reisekostenformulare sei von der Beklagten so angeordnet bzw. zumindest geduldet worden.

Da die Kündigung rechtsunwirksam sei, wobei auf die Rüge der Nichteinhaltung der Zweiwochenfrist gemäß § 626 BGB nochmals hinzuweisen sei, sei noch Restvergütung für den Monat Mai sowie die Vergütung für den Monat Juni 2017 in Höhe von insgesamt 3.772,90 € brutto geschuldet. Die fälligen Beträge seien zu verzinsen. Des weiten schulde die Beklagte auch die Auszahlung der abgerechneten Spesen für den Monat Mai 2017 in Höhe von 360,00 € netto.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 07.06.2018 (Bl. 304 - 316 d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein, Auswärtige Kammer in Landau in der Pfalz vom 23.01.2018, Aktenzeichen 6 Ca 479/17, wird insoweit abgeändert als die Klage abgewiesen wurde und

1. es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 16.05.2017, zugegangen am 19.05.2017, nicht aufgelöst worden ist.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 17.05.2017, zugegangen am 19.05.2017, aufgelöst worden ist.

3. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 19.05.2017 hinaus fortbesteht.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger noch 3.772,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5%punkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 5.440,00 € brutto aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 01.07.2017 sowie 360,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5%punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2017 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren sei zum einen als rechtsmissbräuchliche Ausnutzung des Instanzenzuges zu beurteilen, weil er im erstinstanzlichen Rechtszug trotz entsprechender Schriftsatzfristen und hinreichender Gelegenheit zu keinem Zeitpunkt substantiierte Tatsachen vorgetragen habe, obwohl die streitgegenständlichen Umstände allesamt dem Wahrnehmungsbereich des Klägers zuzurechnen seien. Das Verhalten des Klägers sei insoweit nicht nachvollziehbar. Zum anderen sei der Kläger mit neuem tatsächlichem Vorbringen präkludiert, weil das verspätete Vorbringen auf das Verschulden des Klägers zurückgehe und bei dessen Berücksichtigung sich der Rechtsstreit unzweifelhaft verzögern werde. Auch im Arbeitsgerichtsverfahren sei insoweit zu berücksichtigen, dass das Vorbringen der maßgeblichen Tatsachen der ersten Instanz überlassen sei.

Unbeschadet dessen habe der Geschäftsführer der Beklagten den Kläger keineswegs angewiesen, ebenso wenig wie andere Mitarbeiter, unrichtige Spesenabrechnungen zu erstellen. Derartiges sei auch keineswegs geduldet worden, weder bezüglich des Klägers noch bezüglich anderer Mitarbeiter. Vielmehr sei die Beklagte grundsätzlich davon ausgegangen, dass der Kläger seine Reisen entsprechend den tatsächlichen Umständen abrechne. Erst die Überprüfung durch den Geschäftsführer habe die betrügerische Spesenabrechnung aufgedeckt. Allein dies rechtfertige die fristlose Kündigung. Der Kläger räume zudem ein, dass er auf seinen Leistungsnachweisen nicht erbrachte Arbeitszeiten angegeben habe. Der Kläger habe durch die Einreichung der falschen Leistungsnachweise für einzelne Arbeitstage die Beklagte darüber getäuscht, dass er Zählerwechselprüfung vorgenommen und damit Arbeit erbracht habe, die er tatsächlich nicht geleistet habe. Das Vorbringen des Klägers, es sei der Beklagten auf die Anzahl der Zählerwechsel und nicht so sehr auf die konkrete tatsächliche Arbeitszeit des Klägers angekommen, sei absurd. Da der Kläger in seinen Leistungsnachweisen und Spesenabrechnungen jeweils vier Arbeitstage und an sämtlichen vier Arbeitstagen aus den von ihm angegebenen Zählerwechselprüfungen resultieren erhebliche Arbeitszeiten eingetragen habe, sei die Beklagte auch davon ausgegangen, dass der Kläger sich jeweils an seine Arbeitspflicht gehalten habe. Insofern sei grundsätzlich keine Gegenkontrolle durch die Beklagte erfolgt, ob die Angaben auf den Leistungsnachweisen mit den tatsächlichen Leistungstagen übereinstimmen oder nicht. Noch weniger habe es eine Weisung oder Duldung gegeben, insoweit Tage hin und her zu schieben oder Aufträge dergestalt, dass sich der Mitarbeiter unter Reduzierung seiner Arbeitszeit Freizeit oder gar ganze freie Tage habe verschaffen können. Hätte die Beklagte konkrete Kenntnis der tatsächlichen Umstände gehabt, hätte sie selbstverständlich dem Kläger weitere zusätzliche Zählerwechsel und Prüfungen in Auftrag gegeben. Arbeit sei jederzeit mehr als genug vorhanden. Insgesamt habe sich der Kläger auf Kosten der Beklagten das Leben leicht gemacht und unter Vorspiegelung falscher Tatsachen weniger Arbeit erbracht, als er der Beklagten geschuldet habe. Dies lasse sich für die Kalenderwochen 15 und 17 des Kalenderjahres 2017 wie folgt zusammengefasst darstellen:

Arbeitstage

ErsterZählerwechsel/Prüfung

LetzterZählerwechsel/Prüfung

Gesamtzeit jeTag/Summe

Durchschnitt je Tag

KW15

MontagDienstagMittwochDonnerstag

08.33 Uhr8:23 Uhr8:34(eigenmächtig keineArbeit trotz Arbeitstag)

13:47 Uhr14:39 Uhr16:24 Uhr

05:14 Std06:16 Std07:50 Std00:00 StdSumme:19:20 Std

04:50 Std

KW17

MontagDienstagMittwochDonnerstag

08:19 Uhr08:50 Uhr08:12 Uhr(eigenmächtig keineArbeit trotz Arbeitstag)

13:05 Uhr14:20 Uhr16:44 Uhr

06:46 Std05:30 Std08:32 StdSumme:20:48 Std

05:12 Std

Damit sei beispielhaft das betrügerische Verhalten des Klägers belegt. Nichts anderes gelte letztlich für die Kalenderwochen 5 bis 12 sowie insgesamt die Kalenderwochen 15 bis 19 des Kalenderjahres 2017, also insgesamt 13 Wochen. In allen diesen Wochen habe der Kläger, der jeweils unrichtig angegeben habe, erst nach 24:00 Uhr nach Hause gekommen zu sein, zum einen eine um 12,00 € erhöhte Tagespauschale für den Tag der Rückreise, zum anderen noch eine zusätzliche Tagespauschale für den neu angefangenen Tag (Überschreitung der 00:00 Uhr-Grenze) erhalten, mit den jeweils 24,00 € zu viel. Des Weiteren habe der Kläger in der Kalenderwoche 15 aus 2017 sowie 17 aus 2017 in seinem Leistungsnachweis und seiner Spesenabrechnung angegeben, jeweils vier Tage gearbeitet und sich arbeitsbedingt auswärtig befunden zu haben. Tatsächlich habe er jedoch nur an drei Tagen gearbeitet und sei folglich am dritten Tag nach Hause gefahren oder hätte dies jedenfalls tun können. Entsprechend habe er in Kalenderwoche 15 und 17 aus 2017 jeweils einen weiteren Tag zu viel abgerechnet, also jeweils 24,00 € zu viel und auch tatsächlich ausbezahlt bekommen. Insgesamt habe die Beklagte dem Kläger daher allein aufgrund dieser Sachverhalte Spesen in Höhe von 360,00 € zu viel ausgezahlt. Mit diesem Rückzahlungsanspruch in Höhe von 360,00 € werde gegen die geltend gemachten 360,00 € aufgerechnet.

Ein Zinsanspruch des Klägers bestehe nicht mehr, auch nicht im Hinblick auf den erstinstanzlich ausgeurteilten Hauptforderungsbetrag in Höhe von 1.667,00€ brutto. Denn die insoweit angefallenen Zinsen seien mit der ausgeurteilten Hauptforderung durch die Beklagte zwischenzeitlich in Erledigung des erstinstanzlichen Urteils am 05.03.2018 beglichen worden. Die Beklagte habe insgesamt insoweit 46,67 € brutto Zinsen abgerechnet und gezahlt.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 26.07.2018 (Bl. 339-343 d. A.) sowie den Schriftsatz vom 31.08.2018 (Bl. 344-353 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 354-356 d. A.) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 03.09.2018.

Gründe

I.

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Das Rechtsmittel der Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Denn das Arbeitsgericht ist sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zu Recht davon ausgegangen, dass die streitgegenständliche fristlose außerordentliche Kündigung der Beklagten das zwischen den Parteien vormals bestehende Arbeitsverhältnis mit ihrem Zugang beendet hat; des Weiteren steht dem Kläger gegenüber der Beklagten weder ein über das streitgegenständliche Urteil des Arbeitsgerichts hinausgehender Anspruch auf Erstattung von Spesen, noch ein solcher von Zinsen, zu.

Entgegen der Auffassung des Klägers hat die streitgegenständliche außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 17.05.2017 das zwischen den Parteien vormals bestehende Arbeitsverhältnis am 19.05.2017 aufgelöst.

Denn die außerordentliche Kündigung der Beklagten ist rechtswirksam, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 626 BGB vorliegend gegeben sind.

Insoweit ist zunächst davon auszugehen, dass entgegen der Auffassung des Klägers die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten worden ist.

Die außerordentliche Kündigung kann gemäß § 626 Abs. 2 BGB nur innerhalb einer zweiwöchigen Frist erfolgen (s. BAG 22.11.2012 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 2; 26.09.2013 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 3 = NZA 2014, 529; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, DLW/Dörner Handbuch des Arbeitsrechts, 14. Aufl. 2018, Kap. 4 Rdnr. 1086 ff.).

Zweck dieser Regelung ist es, den Kündigenden möglichst schnell zur Entscheidung über die Kündigung aus einem bestimmten Grund zu veranlassen. Denn ansonsten könnte die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung fraglich sein.

Zudem soll der Kündigungsgegner frühzeitig die Konsequenzen des Vorliegens eines wichtigen Grundes für sein Arbeitsverhältnis erfahren (APS/Dörner/Vossen § 626 BGB Rn. 116 f.); dem betroffenen Arbeitnehmer soll rasch Klarheit darüber verschafft werden, ob der Kündigungsberechtigte einen Sachverhalt zum Anlass für eine außerordentliche Kündigung nimmt (BAG 01.02.2007 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3; 17.03.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 9).

Ist dem Kündigungsgegner mit Ablauf der Zweiwochenfrist keine Kündigung zugegangen, so wird unwiderleglich vermutet, dass dem Kündigungsberechtigten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist. Die Ausschlussfrist kann daher als gesetzliche (bzw. tarifliche, vgl. z. B. § 34 Abs. 2 TVöD) Konkretisierung der Verwirkung des Kündigungsgrundes angesehen werden (BAG 01.02.2007 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3; 17.03.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 9; 02.02.2006 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 1). Ohne Kenntnis des Kündigungsberechtigten vom Kündigungssachverhalt kann das Kündigungsrecht folglich nicht verwirken (BAG 01.02.2007 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3).

Sie ist eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist, ihr Versäumung führt zur Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung (BAG 06.07.1972 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 15). Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist ausgeschlossen.

Die Frist gem. § 626 Abs. 2 BGB beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt (s. BAG 22.11.2012 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 2). Erforderlich ist eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen (BAG 22.11.2012 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 2; 27.01.2011 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10 = NZA 2011, 798; 26.06.2008 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 21; 05.06.2008 - 2 AZR 25/07 , JurionRS 2008, 21755 = NZA-RR 2009, 69; 01.02.2007 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3; 02.02.2006 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 1), die ihm die fundierte Entscheidung ermöglicht, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht (BAG 25.11.2010 EzA § 108 BPersVG Nr. 5; 23.10.2008 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 21; 26.06.2008 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 21; 02.03.2006 EzA § 91 SGB IX Nr. 3).

Dazu gehören sowohl die für als auch gegen die Kündigung sprechenden Umstände sowie die Beschaffung und Sicherung möglicher Beweismittel für die ermittelte Pflichtverletzung (BAG 17.03.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 9; LAG SchlH 17.12.2008 NZA-RR 2009, 397); Aspekte, die für den Arbeitnehmer sprechen, lassen sich regelmäßig nicht ohne eine Anhörung des Arbeitnehmers erfassen (BAG 25.11.2010 EzA § 108 BPersVG Nr. 5). Die Kenntnisnahme von ersten Anhaltspunkten für das Vorliegen eines Kündigungsgrundes genügt nicht (BAG 25.11.2010 EzA § 108 BPersVG Nr. 5); selbst grob fahrlässige Unkenntnis schadet nicht (BAG 05.12.2002 EzA § 123 BGB 2002 Nr. 1; vgl. auch LAG Bln.-Bra. 18.11.2009 LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 25; OLG Karlsruhe 28.04.2004 NZA 2005, 301); ohne die umfassende Kenntnis des Kündigungsberechtigten vom Kündigungssachverhalt kann sein Kündigungsrecht nicht verwirken (BAG 01.02.2007 § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3).

Die Kündigungsberechtigte, die bislang nur Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen beginnt (BAG 25.11.2010 EzA § 108 BPersVG Nr. 5; 20.03.2014 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 6 = NZA 2014, 1015). Soll der Kündigungsgegner angehört werden, muss dies innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Sie darf im Allgemeinen nicht mehr al eine Woche betragen. Bei Vorliegen besonderer Umstände kann sie allerdings überschritten werden (BAG 20.03.2014 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 6 = NZA 2014, 1015). Im Regelfall darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch noch zu dem Ermittlungsbericht einer Detektei befragen (BAG 25.11.2010 EzA § 108 BPersVG Nr. 5). Ist die Frist bereits angelaufen, kann sie gleichwohl gehemmt werden (BAG 05.06.2008 - 2 AZR 25/07, JurionRS 2008, 21755 = NZA-RR 2009, 69). Denn zur Erlangung dieser Kenntnis kann der Kündigungsberechtigte zunächst Ermittlungen anstellen, insbesondere den Betroffenen anhören (BAG 02.02.2006 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 1, 02.03.2006 EzA § 91 SGB IX Nr. 3). Da das Ziel der gesetzlichen Regelung auch darin besteht, eine hektische Eile bei der Kündigung und insbesondere eine vorschnelle außerordentliche Kündigung zu verhindern, ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Sachverhalt und die Beweismittel zu überprüfen und sich angesichts der Schwere der gegen den Arbeitnehmer erhobenen Vorwürfe auch einen persönlichen Eindruck von Belastungszeugen zu verschaffen (BAG 01.02.2007 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3; 17.03.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 9; s. a. LAG BW 28.01.2015 - 13 TaBV 6/14, LAGE § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 5).

Die Hemmung des Fristablaufs setzt aber voraus, dass die vom Arbeitgeber ergriffenen Maßnahmen vom Standpunkt eines verständigen Vertragspartners her zur genaueren Sachverhaltsermittlung erforderlich waren (APS/Dörner/Vossen § 626 BGB Rn. 127 ff.); die Ermittlungen sind zudem unverzüglich und zeitnah mit der gebotenen Eile anzustellen, andernfalls ist die außerordentliche Kündigung ausgeschlossen. Denn der Arbeitgeber weiß nunmehr, dass - aus seiner Sicht - ein Kündigungsgrund vorliegt und dass er kündigen kann. Innerhalb der Frist muss er dann entscheiden, ob er kündigen will und die Kündigung gegenüber dem Arbeitnehmer erklären (BAG 05.06.2008 - 2 AZR 25/07 JurionsRS 2008, 21755 = NZA-RR 2009, 69; 02.02.2006 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 1; 02.03.2006 EzA § 91 SGB IC Nr. 3; LAG RhPf 27.05.2004 LAG Report 2005, 40). Eine Hemmung tritt z. B. dann nicht ein, wenn von vornherein damit zu rechnen ist, dass die Ermittlungen keine zusätzlichen Erkenntnisse bringen. Allein der Umstand, dass der Arbeitnehmer nach seiner telefonischen Anhörung angeregt hatte, sich noch einmal im Betrieb zusammenzusetzen, führt dann zudem auch nicht dazu, dass er rechtsmissbräuchlich handelt, wenn er sich auf die Nichteinhaltung der Frist nach § 626 Abs. 2 BGB beruft (LAG Köln 12.08.2008 - 9 Sa 480/08, ZTR 2009, 225 LS).

Es spielt andererseits insoweit keine Rolle, ob die zunächst nicht aussichtlos erscheinenden Ermittlungsmaßnamen tatsächlich etwas zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen haben oder im Ergebnis letztlich überflüssig waren (BAG 20.03.2014 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 6 = NZA 2014, 1015). Kein Anlass für Ermittlungen besteht andererseits dann nicht (mehr), wenn der Sachverhalt geklärt oder vom Arbeitnehmer sogar zugestanden worden ist (BAG 01.02.2007 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3; 05.12.2002 EzA § 123 BGB 2002 Nr. 1). Allerdings ist die Ausschlussfrist nur so lange gehemmt, wie der Kündigungsberechtigte die notwendig erscheinenden Aufklärungsmaßnahmen mit der gebotenen Eile aus tatsächlich durchführt (BAG 31.03.1993 EzA § 626 Ausschlussfrist Nr. 5; 05.12.2002 EzA § 123 BGB 2002 Nr. 1). Ein Zeitraum von über zwei Monaten ist insoweit regelmäßig zu lang, soweit nicht besondere Umstände vorliegen (LAG Nds. 16.09.2005 LAGE § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 1a). Hat der Kündigungsberechtigte dagegen dennoch weitere Ermittlungen durchgeführt, muss er darlegen, welche Tatsachenbehauptungen unklar und daher ermittlungsbedürftig waren und welche weiteren Ermittlungen - zumindest aus damaliger Sicht - zur Klärung von Zweifeln angestellt worden sind; der Vortrag des Arbeitgebers, es seien insgesamt mehr als 12.000 Rechnungen und Sammelrechnungen mit mehreren Lieferscheinen zu prüfen gewesen, lässt insoweit ausnahmsweise bereits aufgrund des Umfangs der Unterlagen einen Überprüfungszeitraum von gut zwei Monaten plausibel erscheinen (BAG 01.02.2007 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3).

Der mit der beabsichtigten Anhörung verbundene Fristaufschub i. S. v. § 626 Abs. 2 BGB entfällt nicht nachträglich, wenn der Arbeitgeber das ergebnislose Verstreichen der Frist zur Stellungnahme für den Arbeitnehmer zum Anlass nimmt, nunmehr auf dessen Anhörung zu verzichten. Ein solcher nachträglicher Wegfall des ursprünglichen Aufschubs käme nur infrage, wenn der betreffende Entschluss des Arbeitgebers auf Willkür beruhte. Das ist nicht der Fall, wenn Anlass für den neuen Entschluss der Umstand ist, dass sich der Arbeitnehmer innerhalb der ihm gesetzten, angemessenen Frist nicht geäußert hat (BAG 20.03.2014 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 6 = NZA 2014, 1015).

Auch die sachdienliche Anhörung des Arbeitnehmers hemmt den Fristablauf, möglicherweise ist auch eine Mehrfachanhörung erforderlich. Denn die Anhörung ist zwar - de lege lata - keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Tatkündigung (BAG 10.04.2014 EzA § 622 BGB 2002 Nr. 10 = NZA 2015, 162; s. Rdn. 1515), sie gehört aber regelmäßig zu den erforderlichen Aufklärungsmaßnahmen, damit der Arbeitnehmer Gelegenheit erhält, entlastende Umstände vorzutragen (LAG Hamm 07.06.2005 LAG Report 2005, 384 LS; LAG Sachsen 23.04.2007 - 3 Sa 301/06, FA 2007, 358 LS; LAG SchlH 06.05.2015 LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 55 = NZA-RR 2015, 526). Um den Schutz des Kündigungsgegners durch die Ausschlusswirkung nicht mittels einer Hinauszögerung der Anhörung umgehen zu können, muss sie innerhalb einer kurzen Frist erfolgen, die regelmäßig nicht länger als eine Woche sein darf (BAG 02.03.2006 EzA § 91 SGB IX Nr. 3), berechnet ab dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt (APS/Dörner/Vossen § 626 BGB Rn. 130). Allerdings kann die Frist bei Vorliegen besonderer Umstände auch überschritten werden (BAG 02.03.2006 EzA § 91 SGB IX Nr. 3 = NZA 2006, 2011).

Entscheidend ist die Kenntnis des zur Kündigung des Berechtigten, das ist jeder, der zur Kündigung des konkreten Arbeitnehmers befugt ist (BAG 22.11.2012 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 2). Handelt es sich bei dem Arbeitgeber um eine juristische Person, ist grds. die Kenntnis des gesetzlich oder satzungsgemäß für die Kündigung zuständigen Organs maßgeblich (BAG 18.06.2015 EzA § 102 BetrVG 2001 Nr. 33 = NZA 2016, 287; s. a. LAG Saarland 04.05.2016 LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 64 = NZA-RR 2016, 473: Cheftrainer Profifußball). Nach hessischem Gemeinderecht kommt es für den Beginn des Laufs der Ausschlussfrist auf die Kenntnis des Gemeindevorstands als Gremium an. Kenntnisse eines nicht kündigungsbefugten Personalamtes sind der Gemeinde nur zuzurechnen, wenn deren Nichtweitergabe an den Gemeindevorstand auf einem Organisationsmangel beruhte (Hess. LAG 04.04.2003 NZA 2004, 1160).

Grundsätzlich reicht die Kenntnis dritter Personen ohne Entlassungsbefugnis für den Beginn der Ausschlussfrist nicht aus (BAG 28.10.1971 AP Nr. 1 zu § 626 BGB Ausschlussfrist).

Hat der Dritte im Betrieb allerdings eine Stellung, die nach den Umständen des Einzelfalles erwarten lässt, dass er den Kündigungsberechtigten von dem Kündigungssachverhalt unterrichtet, so ist trotz unterlassener oder verzögerter Unterrichtung dem Kündigungsberechtigten die Kenntnis nach treu und Glauben zuzurechnen, wenn die Information des Arbeitgebers durch eine mangelhafte Organisation des Betriebes verhindert wurde, obwohl eine andere Organisation sachgemäß gewesen wäre und dem Arbeitgeber zumutbar war (BAG 05.05.1977 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 57; APS/Dörner/Vossen § 626 BGB Rn. 131 f.).

Im Einzelnen gilt insoweit Folgendes (BAG 23.10.2008 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 23):

Nur der Arbeitgeber ist nach der gesetzlichen Regelung zur Kündigung berechtigt. Zu den Kündigungsberechtigten gehören aber auch die Mitarbeiter, denen der Arbeitgeber das Recht zur außerordentlichen Kündigung übertragen hat. Die Kenntnis anderer Personen ist für die Zwei-Wochen-Frist grundsätzlich unbeachtlich. Dies gilt selbst dann, wenn den Mitarbeitern Aufsichtsfunktionen übertragen worden sind. Nur ausnahmsweise muss sich der Arbeitgeber die Kenntnis anderer Personen nach Treu und Glauben zurechnen lassen. Diese Personen müssen allerdings eine herausgehobene Position und Funktion im Betrieb oder der Verwaltung haben und tatsächlich sowie rechtlich in der Lage sein, einen Sachverhalt, der Anhaltspunkt für eine außerordentliche Kündigung bietet, so umfassend klären zu können, dass mit ihrer Meldung der Kündigungsberechtigte ohne weitere Erhebungen und Ermittlungen seine (Kündigungs-) Entscheidung treffen kann. Dementsprechend muss der Mitarbeiter zum einen in einer ähnlich selbständigen Stellung sein, wie ein gesetzlicher oder rechtsgeschäftlicher Stellvertreter des Arbeitgebers. Zum anderen muss die verspätet erlangte Kenntnis des Kündigungsberechtigten in diesen Fällen auf einer unsachgemäßen Organisation des Betriebs oder der Verwaltung beruhen, obwohl eine andere betriebliche Organisation sachgemäß und zumutbar gewesen wäre. Beide Voraussetzungen - ähnlich selbständige Stellung und schuldhafter Organisationsmangel - müssen kumulativ vorliegen.

In Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend davon auszugehen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des § 626 Abs. 2 BGB vorliegend gegeben sind. Die Beklagte hat insoweit bereits im erstinstanzlichen Rechtszug (Schriftsatz vom 09.10.2017, S. 4 ff. = Bl. 76 ff. d. A.) vorgetragen, dass die Geschäftsleitung im Rahmen einer überschlägigen Prüfung festgestellt hatte, dass der Kläger teilweise erheblich geringere Zahlen von Zählern wechselte/prüfte, als es dem Soll entsprach und dem Kläger ohne weiteres möglich gewesen wäre. Die Geschäftsführung habe den Kläger daher mit Schreiben vom 10.05.2017 zu einem Gespräch am Donnerstag, den 18.05.2017 eingeladen. Zu diesem Gespräch sei es aber nicht gekommen, weil sich der Kläger unmittelbar im Anschluss an die Einladung arbeitsunfähig krank gemeldet habe. Nachdem aufgrund weiterer Überprüfung der Unterlagen die vorliegend geltend gemachten schwerwiegenden Pflichtverletzungen des Klägers am 16.05.2017 zweifelsfrei festgestanden hätten, sei die streitgegenständliche Kündigung erfolgt.

Diesem Vorbringen der Beklagten ist der Kläger in beiden Rechtszügen nicht substantiiert entgegengetreten; insoweit fehlt jegliches nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiiertes Vorbringen, sodass nicht einmal eine substantiierte Erwiderung der Beklagten möglich ist und ihr Vorbringen folglich als zugestanden gilt.

Darüber hinaus sind entgegen der Auffassung des Klägers auch die gesetzlichen Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB gegeben.

Ein wichtiger Grund im Sinne der Generalklausel der § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Kündigung liegt dann vor, wenn Tatsachen gegeben sind, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und in der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung nicht zugemutet werden kann (vgl. BAG 27.01.2011 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 07.07.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 38; 21.06.2012 EzA § 9 KSchG n. F. Nr. 63 = NZA 2013, 199; 27.09.2012 -2 AZR 646/11- EzA/SD 9/2013 Seite 6 LS). Damit wird der wichtige Grund zunächst durch die objektiv vorliegenden Tatsachen bestimmt, die an sich geeignet sind, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar zu machen. Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB ist deshalb jeder Sachverhalt, der objektiv das Arbeitsverhältnis mit dem Gewicht eines wichtigen Grundes belastet (vgl. BAG 27.01.2011 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 07.07.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 38). Entscheidend ist nicht der subjektive Kenntnisstand des Kündigenden, sondern der objektiv vorliegende Sachverhalt, der objektive Anlass. Berücksichtigt werden können nur die bis zum Ausspruch der Kündigung eingetretenen Umstände bei der Überprüfung der Frage, ob sie als Kündigungsgrund an sich geeignet sind (Ascheid/Preis/Schmidt Großkommentar Kündigungsrecht 4. Auflage 2012 (APS-Dörner/Vossen), § 626 BGB Rz. 42 ff.; Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Arbeitsrecht (DLW-Dörner), 14. Auflage 2018, Kap. 4. Rn. 1121 ff.).

Berücksichtigt werden können nur die bis zum Ausspruch der Kündigung eingetretenen Umstände bei der Überprüfung der Frage, ob sie als Kündigungsgrund an sich geeignet sind. Umstände, die erst danach entstanden sind, können die bereits erklärte Kündigung nicht rechtfertigen. Sie können allenfalls als Grundlage für eine weitere Kündigung oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG dienen. Nachträglich eingetretene Umstände können für die gerichtliche Beurteilung allerdings insoweit von Bedeutung sein, wie sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen. Dazu müssen zwischen den neuen Vorgängen und den alten Gründen so enge innere Beziehungen bestehen, dass jene nicht außer Acht gelassen werden können, ohne dass ein einheitlicher Lebensvorgang zerrissen würde. Es darf aber nicht etwa eine ursprünglich unbegründete Kündigung durch eine Berücksichtigung späteren Verhaltens rückwirkend zu einer begründeten werden. Außerdem ist genau zu prüfen, welche konkreten Rückschlüsse auf den Kündigungsgrund späteres Verhalten wirklich erlaubt. Im Hinblick auf prozessuales Vorbringen gilt nichts anderes (BAG 15.12.1955 NJW 1956, 807; 28.10.1971 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 9; 3.7.2003 EzA § 626 BGB 202 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 2; 24.11.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 12, 484; 10.6.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32).

Die danach zu berücksichtigenden Umstände müssen nach verständigem Ermessen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar erscheinen lassen (BAG AP-Nr. 4 zu § 626 BGB). Bei der Bewertung des Kündigungsgrundes und bei der nachfolgenden Interessenabwägung ist ein objektiver Maßstab anzulegen, so dass subjektive Umstände, die sich aus den Verhältnissen der Beteiligten ergeben, nur aufgrund einer objektiven Betrachtung zu berücksichtigen sind. Dabei ist insbes. nicht auf die subjektive Befindlichkeit des Arbeitgebers abzustellen; vielmehr ist ein objektiver Maßstab ("verständiger Arbeitgeber") entscheidend, also ob der Arbeitgeber aus der Sicht eines objektiven Betrachters weiterhin hinreichendes Vertrauen in den Arbeitnehmer haben müsste, nicht aber, ob er es tatsächlich hat (BAG 10.6.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32). Die danach maßgeblichen Umstände müssen sich konkret nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken; da der Kündigungsgrund zukunftsbezogen ist und die Kündigung keine Sanktion für das Verhalten in der Vergangenheit darstellt, kommt es auf seine Auswirkungen auf die Zukunft an, die vergangene Pflichtverletzung muss sich noch in Zukunft belastend auswirken (BAG 9.6.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 23.10.2008 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 25; 12.1.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 67; 12.1.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68; LAG BW 25.3.2009 LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 20; LAG RhPf 26.2.2010 NZA-RR 2010, 297). Da es um den zukünftigen Bestand des Arbeitsverhältnisses geht, muss dessen Fortsetzung durch objektive Umstände oder die Einstellung oder das Verhalten des Gekündigten im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit aller Mitarbeiter, im persönlichen Vertrauensbereich (der Vertragspartner) oder im Unternehmensbereich konkret beeinträchtigt sein.

Das kann dann der Fall sein, wenn auch zukünftige Vertragsverstöße zu besorgen sind, d. h. wenn davon ausgegangen werden muss, der Arbeitnehmer werde auch künftig den Arbeitsvertrag nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen oder sonst von einer fortwirkenden Belastung des Arbeitsverhältnisses ausgegangen werden muss (LAG BW 25.3.2009 § 626 2002 Nr. 20; LAG RhPf 26.2.2010 NZA-RR 2010, 297).

Die erforderliche Überprüfung gem. § 626 Abs. 1 BGB vollzieht sich folglich zweistufig (vgl. z. B. BAG 24.3.2011 2 AZR 282/10 EzA-SD 16/2011 S. 3 LS. = NZA 2011, 1029; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35).

Zum einen muss ein Grund vorliegen, der unter Berücksichtigung der oben skizzierten Kriterien überhaupt an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Insoweit handelt es sich um einen Negativfilter, d. h., dass bestimmte Kündigungsgründe eine außerordentliche Kündigung von vornherein nicht rechtfertigen können.

Zum anderen muss dieser Grund im Rahmen einer Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere auch des Verhältnismäßigkeitsprinzips zum Überwiegen der berechtigten Interessen des Kündigenden an der - in der Regel - vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen (vgl. ausführlich APS-Dörner/Vossen, § 626 BGB a. a. O.; DLW-Dörner a. a. O.). In einer Gesamtwürdigung ist das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 24.3.2011 - 2 AZR 282/10- EzA-SD 16/2011 S. 3 LS. = NZA 2011, 1029; 27.09.2012 -2 AZR 646/11 - EzA-SD 9/2013, Seite 6 LS).

Entscheidend ist die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung bzw. bis zum Ende der vereinbarten Befristung (BAG 9.6.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027; 27.09.2012 - 2 AZR 646/11 - EzA-SD 9/2013, Seite 6 LS; LAG Bl. 5.1.2005 - 17 Sa 1308/04 - EzA-SD 8/05, Seite 12 LS; Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, a. a. O.; APS/Dörner/Vossen).

Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegen seiner erheblichen Pflichtverletzung zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung des Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen - einstweiligen - Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung der Umstände des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 27.09.2012 -2 AZR 646/11- EzA/SD 9/2013, Seite 6 LS).

Nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ist die außerordentliche Kündigung "Ultima Ratio", so dass sie dann nicht gerechtfertigt ist, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar ist, weil dann die ordentliche Kündigung ein milderes Mittel als die außerordentliche Kündigung darstellt (BAG 9.6.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027; 27.09.2012 -2 AZR 646/11- EzA/SD 9/2013 Seite 6 LS; krit. Stückmann/Kohlepp RdA 2000, 331 ff.).

Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus; sie dient der Objektivierung der Prognose (BAG 12.01.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 67: 12.01.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Sie ist nur dann entbehrlich, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorgelegen haben, aufgrund derer eine Abmahnung als nicht Erfolg versprechend angesehen werden kann. Das ist insbes. dann anzunehmen, wenn erkennbar ist, dass der Arbeitnehmer nicht gewillt ist, sich vertragsgerecht zu verhalten. Nur besonders schwere Vorwürfe bedürfen keiner Abmahnung, wenn und weil der Arbeitnehmer dann von vornherein nicht mit einer Billigung seines Verhaltens rechnen kann (LAG RhPf 26.02.2010 - 6 Sa 682/09, NZA-RR 2010, 297; LAG Nds. 12.02.2010 - 10 Sa 1977/08, EzA-SD 8/2010 S. 6 LS).

Einer Abmahnung bedarf es danach bei einem steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes also nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (BAG 24.03.2011 - 2 AZR 282/10, EzA-SD 16/2011 S. 3 LS = NZA 2011, 1029; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 36; 19.04.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 39 = NZA-RR 2012, 567;25.10.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 41 = NZA 2013, 319; LAG Hessen 27.02.2012 NZA-RR 2012, 471), denn dann ist grds. davon auszugehen, dass das künftige Verhalten des Arbeitnehmers schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann; die Abmahnung dient insoweit der Objektivierung der negativen Prognose: Ist der Arbeitnehmer ordnungsgemäß abgemahnt worden und verletzt er dennoch seine arbeitsvertraglichen Pflichten erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen. Das gilt grds. uneingeschränkt selbst bei Störungen des Vertrauensbereichs durch Straftaten gegen Vermögen oder Eigentum des Arbeitgebers (BAG 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027; LAG Bln.-Bra. 30.03.2012 LAGE § 611 BGB 2002 Abmahnung Nr. 9 = NZA -RR 2012, 353; LAG Köln 20.01.2012 NZA-RR 2012, 356), denn auch in diesem Bereich gibt es keine "absoluten" Kündigungsgründe. Stets ist konkret zu prüfen, ob nicht objektiv die Prognose berechtigt ist, der Arbeitnehmer werde sich jedenfalls nach einer Abmahnung künftig wieder vertragstreu verhalten (BAG 10.06.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32; Preis AuR 2010, 242; Schlachter NZA 2005, 433 ff.; Schrader NJW 2012, 342 ff.; s. LAG Bln.-Bra. 30.03.2012 LAGE § 611 BGB 2002 Abmahnung Nr. 9 = NZA-RR 2012, 353; Arbeitszeitbetrug; LAG Köln 20.01.2012 NZA-RR 2012, 356: vorzeitiges Arbeitsende ohne betriebliche Auswirkungen).

Entscheidender Zeitpunkt für die Beurteilung ist grundsätzlich (ebenso wie bei der ordentlichen Kündigung) der Zeitpunkt des Ausspruchs bzw. Zugangs der Kündigung. Die Wirksamkeit einer Kündigung ist grundsätzlich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt ihres Zugangs zu beurteilen. dieser Zeitpunkt ist im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB sowohl für die Prüfung des Kündigungsgrundes als auch für die Interessenabwägung maßgebend. Umstände, die erst danach entstanden sind, können die bereits erklärte Kündigung nicht rechtfertigen. Sie können allenfalls als Grundlage für eine weitere Kündigung oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG dienen (BAG 10.6.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32 = NZA 2010, 1227; 28.10.1971 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 9; 15.12.1955 BAGE 2, 245).

Nachträglich eingetretene Umstände können für die gerichtliche Beurteilung allerdings insoweit von Bedeutung sein, wie sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen (BAG 10.6.2010; a. a. O.; 28.10.1971 a. a. O. Dazu müssen zwischen den neuen Vorgängen und den alten Gründen so enge innere Beziehungen bestehen, dass jene nicht außer Acht gelassen werden können, ohne dass ein einheitlicher Lebensvorgang zerrissen würde (BAG 10.6.2010 a. a. O; 15.12.1955 a. a. O.). Es darf aber nicht etwa eine ursprünglich unbegründete Kündigung durch die Berücksichtigung späteren Verhaltens rückwirkend zu einer begründeten werden (BAG 15.12.1955 a. a. O). Außerdem ist genau zu prüfen, welche konkreten Rückschlüsse auf den Kündigungsgrund späteres Verhalten wirklich erlaubt. Im Hinblick auf prozessuales Vorbringen (BAG 10.6.2010; 19.04.2012 EzA § 626 BGB 202 Nr. 4 a. a. O.; 24.11.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 12; 3.7.2003 EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 2) gilt nichts anderes.

Die in den aufgehobenen gesetzlichen Vorschriften der §§ 123, 124 Gewerbeordnung, 71, 72 HGB nach altem Recht genannten Beispiele für wechselseitige wichtige Gründe (z. B. Arbeitsvertragsbruch, beharrliche Arbeitsverweigerung) sind als wichtige Hinweise für typische Sachverhalte anzuerkennen, die an sich geeignet sind, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung zu bilden und die Kündigung in der Regel auch zu rechtfertigen, wenn keine besonderen Umstände zugunsten des Gekündigten sprechen (vgl. BAG AP-Nr. 99 zu § 626 BGB). "Absolute Kündigungsgründe", die ohne eine besondere Interessenabwägung eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, bestehen andererseits jedoch nicht (BAG 15.11.1984 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 95; 10.6.2010; 19.04.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 40 = NZA 2013, 27).

Hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast gilt Folgendes:

Der Kündigende ist darlegungs- und beweispflichtig für die Umstände, die als wichtige Gründe geeignet sein können. Die Bewertung eines Fehlverhaltens als vorsätzlich liegt insoweit im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet und ist Gegenstand der tatrichterlichen Beweiswürdigung i.S.v. § 286 ZPO (BAG 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027).

Im Rahmen der ihr obliegenden Darlegungslast trifft jede Prozesspartei eine vollständige Substantiierungspflicht; sie hat sich eingehend und im Einzelnen nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiiert zu äußern. Andererseits darf von keiner Prozesspartei von Verfassungswegen etwas Unmögliches verlangt werden. Der Konflikt zwischen diesen beiden Positionen wird gelöst durch das Prinzip der Sachnähe, d. h., je näher eine Prozesspartei an dem fraglichen tatsächlichen Geschehen selbst unmittelbar und persönlich beteiligt ist, desto eingehender hat sie substantiiert vorzutragen. Das kann so weit gehen, dass sie auch verpflichtet sein kann, durch tatsächliches Vorbringen oder Vorlage von Unterlagen die Gegenpartei überhaupt erst in die Lage zu versetzen, der ihr obliegenden Darlegungslast nachzukommen. Schließlich muss das tatsächliche Vorbringen wahrheitsgemäß sein (vgl. BAG 26.06.2008, 23.10.2008 EzA § 23 KSchG Nr. 32, Nr. 33).

Zu den die Kündigung begründen Tatsachen, die der Kündigende vortragen und gegebenenfalls beweisen muss, gehören auch diejenigen, die Rechtfertigungs-und Entschuldigungsgründe (z.B. eine vereinbarte Arbeitsbefreiung, die Einwilligung des Arbeitgebers in eine Wettbewerbstätigkeit: eine "Notwehrsituation", vgl. LAG Köln 20.12.2000 ARST 2001, 187) für das Verhalten des gekündigten Arbeitnehmers ausschließen (BAG 06.08.1987 EzA § 626 BGB n.F. Nr. 109; 18.09.2008 - 2 AZR 1039/06, EzA-SD 8/2009 S. i; Notwehr bei tätlicher Auseinandersetzung; 03.11.2011 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 79 = NZA 2012, 607).

Der Umfang der Darlegungs- und Beweislast richtet sich danach, wie substantiiert der Gekündigte sich auf die Kündigungsgründe einlässt. Der Kündigende muss daher nicht von vornherein alle nur denkbare Rechtfertigungsgründe widerlegen.

Es reicht insoweit nicht aus, dass der Gekündigte pauschal und ohne nachprüf-bare Angaben Rechtfertigungsgründe geltend macht. Er muss deshalb unter substantiierter Angabe der Gründe, die ihn gehindert haben, seine Arbeitsleistung, so wie an sich vorgesehen, zu erbringen, den Sachvortrag des Kündigenden nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen bestreiten. Gleiches gilt dann, wenn sich der Gekündigte anders als an sich vorgesehen verhalten hat (s. BAG 18.09.2008 - 2 AZR 1039/06, FA 2009, 221 LS).

Nur dann ist es dem Kündigenden möglich, diese Angaben zu überprüfen und ggf. die erforderlichen Beweise anzutreten (BAG 06.08.1987 EzA § 626 BGB n.F. Nr. 109). Wenn der gekündigte Arbeitnehmer sich allerdings gegen die Kündigung wehrt und i.S.d. § 138 Abs. 2 ZPO ausführlich Tatsachen vorträgt, die einen Rechtfertigungsgrund für sein Handeln darstellen oder sonst das Verhalten in einem milderen Licht erscheinen lassen können, muss der Arbeitgeber seinerseits Tatsachen vorbringen und ggf. beweisen, die die vom Arbeitnehmer vorgetragenen Rechtfertigungsgründe erschüttern (LAG Köln 21.04.2004 LAG Report 2005, 64 LS). Will der Arbeitgeber bspw. die außerordentliche Kündigung auf die Behauptung stützen, der Arbeitnehmer habe Beträge aus der Einlösung von Schecks unterschlagen, muss er im Einzelnen diese Unterschlagung darlegen und unter Beweis stellen. Wenn der Arbeitnehmer nachvollziehbar darlegt, wann und wenn er die Beträge abgeliefert hat, kann sich der Arbeitgeber nicht mit Erfolg auf den Standpunkt stellen, der Arbeitnehmer müsse die Ablieferung der Beträge beweisen (LAG Köln 26.06.2006 - 14 Sa 21/06, EzA-SD 19/06, S. 10 LS).

Die dem kündigenden Arbeitgeber obliegende Beweislast geht auch dann nicht auf den gekündigten Arbeitnehmer über, wenn dieser sich auf eine angeblich mit dem Arbeitgeber persönlich vereinbarte Arbeitsbefreiung beruft und er einer Parteivernehmung des Arbeitgebers zu der streitigen Zusage widerspricht.

In diesem Fall sind allerdings an das Bestreiten einer rechtswidrigen Vertragsverletzung hinsichtlich des Zeitpunkts, des Ortes und des Anlasses der behaupteten Vereinbarung, die das Verhalten des Arbeitnehmers rechtfertigen oder entschuldigen sollen, strenge Anforderungen zu stellen (BAG 24.11.1983 EzA § 626 BGB n.F. Nr. 88; APS/Dörner/Vossen § 626 BGB Rn. 173 ff.).

Gelingt es dem Arbeitgeber nicht, den Kündigungsvorwurf in tatsächlicher Hinsicht zu beweisen, ist die streitgegenständliche Kündigung mangels eines wichtigen Grundes i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB unwirksam (LAG RhPf 21.05.2010 NZA-RR 2011, 80).

Für das erforderliche Beweismaß der vollen Überzeugung im Sinne des § 286 Abs. 1 ZPO gelten nachfolgende Grundsätze:

Gemäß § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. Insofern ist das tatsächliche Vorbringen der Beklagten, dass die Klägerin zulässigerweise bestritten hat, nach Maßgabe der vor dem Arbeitsgericht durchgeführten Beweisaufnahme als wahr anzusehen.

Auf der Basis der abgeschlossenen Beweisaufnahme stellt die richterliche Würdigung einen internen Vorgang in der Person der Richter zur Prüfung der Frage dar, ob ein Beweis gelungen ist. Im Rahmen dieses internen Vorgangs verweist § 286 ZPO ganz bewusst auf das subjektive Kriterium der freien Überzeugung des Richters und schließt damit objektive Kriterien - insbesondere die naturwissenschaftliche Wahrheit als Zielpunkt - aus. Die gesetzliche Regelung befreit den Richter bzw. das richterliche Kollegium von jedem Zwang bei seiner Würdigung und schließt es damit auch aus, dass das Gesetz dem Richter vorschreibt, wie er Beweise einzuschätzen und zu bewerten hat. Dabei ist Bezugspunkt der richterlichen Würdigung nicht nur das Ergebnis der Beweisaufnahme, sondern der gesamte Inhalt der mündlichen Verhandlung (vgl. Münchner Kommentar zur ZPO - Prütting, 4. Auflage 2013, § 286 Rn. 1 ff.).

Hinsichtlich der Anforderungen an die richterliche Überzeugung ist von Folgendem auszugehen: Die richterliche Überzeugung ist nicht gleichzusetzen mit persönlicher Gewissheit. Der Begriff der Gewissheit stellt nämlich absolute Anforderungen an eine Person. Er lässt für - auch nur geringe - Zweifel keinen Raum. Dies wird gesetzlich aber nicht verlangt; die gesetzliche Regelung geht vielmehr davon aus, das Gericht müsse etwas für wahr "erachten". Bei dem Begriff der richterlichen Überzeugung geht es also nicht um ein rein personales Element der subjektiven Gewissheit eines Menschen, sondern darum, dass der Richter in seiner prozessordnungsgemäßen Stellung bzw. das Gericht in seiner Funktion als Streit entscheidendes Kollegialorgan eine prozessual ausreichende Überzeugung durch Würdigung und Abstimmung erzielt. Daraus folgt, dass es der richterlichen Überzeugung keinesfalls im Weg steht, wenn dem Gericht aufgrund gewisser Umstände Unsicherheiten in der Tatsachengrundlage bewusst sind. Unerheblich für die Beweiswürdigung und die Überzeugungsbildung ist auch die Frage der Beweislast. Richterliche Überzeugung ist vielmehr die prozessordnungsgemäß gewonnene Erkenntnis des einzelnen Richters oder der Mehrheit des Kollegiums, dass die vorhandenen Eigen- und Fremdwahrnehmungen sowie Schlüsse ausreichen, die Erfüllung des vom Gesetz vorgesehenen Beweismaßes zu bejahen. Es darf also weder der besonders leichtgläubige Richter noch der generelle Skeptiker ein rein subjektives Empfinden als Maß der Überzeugung setzen, sondern jeder Richter muss sich bemühen, unter Beachtung der Prozessgesetze, Ausschöpfung der gegebenen Erkenntnisquellen und Würdigung aller Verfahrensergebnisse in gewissenhafter und vernünftigerweise einer Entscheidung nach seiner Lebenserfahrung darüber zu treffen, ob im Urteil von der Wahrheit einer Tatsachenbehauptung auszugehen ist. Dabei muss sich das Gericht allerdings der Gefahren für jede Wahrheitsfindung bewusst sein.

Dabei ist letzten Endes ausschlaggebend, dass das Gesetz eine von allen Zweifeln freie Überzeugung nicht voraussetzt. Vielmehr kommt es auf die eigene Überzeugung des entscheidenden Richters an, auch wenn andere zweifeln oder eine andere Auffassung erlangt haben würden. Der Richter darf und muss sich aber in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGHZ 53, 245 = NJW 1970, 946; vgl. Münchner Kommentar zur ZPO - Prütting a. a. O., Rn. 28 ff). Vom Richter wird letztlich verlangt, dass er die volle Überzeugung erlangt, dass er eine streitige Tatsachenbehauptung für wahr erachtet. Diese Überzeugung kann und darf er nicht gewinnen, wenn für die streitige Behauptung nur die überwiegende Wahrscheinlichkeit spricht, vielmehr muss für die behauptete Tatsache eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit sprechen, damit der Richter die Tatsache für wahr erachtet.

Insoweit sind Vermögensdelikte jedenfalls in dem von der Beklagten vorliegend geltend gemachten Ausmaß ohne weiteres geeignet, einen an sich zur außerordentlichen Kündigung geeigneten Umstand in diesem Sinn darzustellen.

Das Arbeitsgericht hat insoweit in Würdigung des Vorbringens der Parteien im erstinstanzlichen Rechtszug ausgeführt:

" Das Vorbringen der Beklagten, der Kläger habe von der Kalenderwoche 15 bis zur Kalenderwoche 19 falsche Angaben im Leistungsnachweis getätigt und falsche Angaben in der Spesenabrechnung vorgelegt und sich dadurch einen erhöhten Spesensatz gesichert, ist nach Auffassung des Gerichtes unstreitig.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 09.10.2017 detailliert angegeben, dass der Kläger auf seinem wöchentlichen Leistungsnachweis am Donnerstag 13.04.2017 angegeben hat, 22 Zähler/Regelgeräte gewechselt/geprüft zu haben. Seine Rückreise gab er an mit Freitagmorgen um 0.20 Uhr und erhielt aufgrund seiner Spesenabrechnung eine Pauschale von 24,00 EUR. Die Beklagte stellte fest, dass der Kläger am 13.04.2015 überhaupt keinen eigenen Zählerwechsel/Zählerprüfung vorgenommen hat. Außerdem stellte sie fest, dass der Kläger in der Kalenderwoche 16 in seinem Leistungsnachweis angab, am 21.04.2017 22 Zähler gewechselt/geprüft und seine Rückreise am Samstagmorgen um 0.20 Uhr beendet zu haben, so dass er auch für den Freitag einen pauschalen Spesensatz von 24,00 EUR erhielt. Sie gab außerdem an, der Kläger habe am Freitag, den 21.04.2015 nur Zählerwechsel/Zählerprüfung vorgenommen und habe den letzten Zählerwechsel/Prüfung an diesem Tag um 12.28 Uhr durchgeführt. Von daher sei sowohl der Leistungsnachweis falsch als auch die Angabe, er sei erst am Samstagmorgen angekommen. Die Beklagte führte des Weiteren aus, in der Kalenderwoche habe der Kläger für den 27.04.2017 angegeben, 24 Zähler gewechselt/geprüft zu haben. Tatsächlich habe der Kläger keinen einzigen Zählerwechsel/Zählerprüfung vorgenommen, so dass auch hier der Leistungsnachweis falsch sei und die erhöhte Tagespauschale in Höhe von 24,00 EUR für den letzten Tag erschlichen sei. Die Beklagte gab an, der Kläger habe in der Kalenderwoche 18 für den 05.05.2017 angegeben, 26 Zähler gewechselt/geprüft zu haben. Dabei habe der Kläger am 05.05.2015 nur 14 Zählerwechsel/Zählerprüfungen vorgenommen und daher einen falschen Leistungsnachweis angegeben sowie wiederum eine erhöhte Tagespauschale von 24,00 EUR erschlichen. Für die Kalenderwoche 19 gab die Beklagte an, der Kläger habe am 11.05.2017 in seinem Leistungsnachweis angegeben, 21 Zähler gewechselt/geprüft zu haben und habe seine Ankunftszeit für Freitagmorgen um 0.20 Uhr angegeben und dafür eine erhöhte Pauschale von 24,00 EUR verlangt. Tatsächlich habe der Kläger am Donnerstag, den 11.05. die letzte Zählerprüfung um 11.12 Uhr vorgenommen und nur 18 Zählerwechsel/Zählerprüfungen vorgenommen. Daher könne es nicht sein, dass der Kläger erst am Freitagmorgen angekommen sei und die erhöhte Pauschale beanspruchen dürfe.

Diesem dezidierten Parteivortrag der Beklagten ist der Kläger, obwohl ihm eine Schriftsatzfristverlängerung zum 29.12.2017 gewährt worden ist, nicht substantiiert entgegengetreten.

Damit gilt der Vortrag der Beklagten gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden. Alleine die Ausführung des Klägers zur Darlegung der Beklagten, eine Einlassung hierauf sei ohne die Übersendung der Anlagen gemäß § 131 ZPO nicht einlassungsfähig, führt zu keiner anderen Rechtsbetrachtung. Es hätte am Kläger gelegen, den substantiiert vorgetragenen Tatsachenvortrag der Beklagten zu bestreiten, da sämtliche Behauptungen der Beklagten die eigene Wahrnehmung des Klägers betreffen. Denn dieser hat die Reisekostenabrechnungen/Spesenabrechnungen sowie Leistungsnachweise selbst vorgenommen und diese der Beklagten zugesandt. Sofern einzelne Positionen dem Kläger nicht mehr erinnerlich sein sollten, hätte es am Kläger gelegen, hierauf hinzuweisen. Die pauschale Weigerung des Klägers, sich auf den Tatsachenvortrag der Beklagten einzulassen, führt dazu, dass der gesamte Vortrag der Beklagten als zugestanden gilt (§ 138 Abs. 3 ZPO). Eines weiteren Schriftsatznachlasses des Klägers auf den Schriftsatz der Beklagten vom 11.01.2018 bedurfte es nicht, da die Klageerwiderung vom 10.10.2017 komplett unbeantwortet blieb.

Damit steht zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass der Kläger in den Kalenderwochen 15 bis 19 des Jahres 2017 falsche Leistungsnachweise erbracht hat, die nicht mit den tatsächlichen Gegebenheiten übereinstimmten und er sich damit Arbeitszeiten und einen entsprechenden Arbeitslohn erschlichen hat, der ihm tatsächlich nicht zustand. Außerdem steht zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass die Spesenabrechnungen des Klägers nach dem Vortrag der Beklagten, der unbestritten blieb, inhaltlich falsch sind und er sich zu seinen Gunsten ohne Rechtsgrund einen höheren Spesensatz auszahlen lies als den, den er bei wahrheitsgemäßer Angabe zu beanspruchen hätte. Damit hat nach Überzeugung des Gerichtes der Kläger eine Vermögensschädigung zu Lasten der Beklagten begangen und den Tatbestand des Betruges auch vollendet. Dies stellt nach Überzeugung der erkennenden Kammer einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB dar.

Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung ist das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses höher zu bewerten als das Interesse des Arbeitnehmers an der Einhaltung einer ordentlichen Kündigungsfrist. Der Kläger ist erst seit etwas über einem Jahr bei der Beklagten beschäftigt und erst 37 Jahre alt und daher auf dem Arbeitsmarkt ohne weiteres vermittelbar. Der Beklagten ist es nicht zuzumuten, bei Vermögensdelikten die ordentliche Kündigungsfrist einzuhalten.

Damit erweist sich die ausgesprochene fristlose Kündigung als gerechtfertigt und rechtswirksam."

Diesen zutreffenden Ausführungen folgt die Kammer voll inhaltlich und stellt dies hiermit ausdrücklich gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest.

Das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhalts.

Denn es enthält zum einen keinerlei nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiierte Tatsachen und Behauptungen, die zu einem anderen Ergebnis führen könnten. Es macht vielmehr lediglich - wenn auch aus der Sicht des Klägers heraus verständlich - deutlich, dass der Kläger mit der tatsächlichen und rechtlichen Würdigung des Vorbringens der Parteien im erstinstanzlichen Rechtszug durch das Arbeitsgericht, der die Kammer voll inhaltlich folgt, nicht einverstanden ist. Gleiches gilt für etwaige Rechtsbehauptungen. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren erstmals behauptet, es sei mit Wissen bzw. Duldung der Beklagten dazu gekommen, dass er die Leistungsnachweise nicht nach seinem tatsächlichen Arbeitsfortschritt, sondern nach seinem Wochenplan ausgefüllt habe, mit entsprechenden Abrechnungsfolgen, ist darauf hinzuweisen, dass dieses Vorbringen zum einen nicht hinreichend substantiiert und zum anderen schlicht nicht nachvollziehbar ist. Dem Vorbringen des Klägers lässt sich nicht entnehmen, wann, wo und mit welchem konkreten Inhalt das behauptete Gespräch zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer der Beklagten stattgefunden haben soll, noch wird auch nur im Ansatz erkennbar, welchen Sinn ein derartiges Verfahren für die Beklagte hätte haben sollen, lag es doch wesentlich näher, dann, wenn der Kläger mit den ihm übertragenen Tätigkeiten tatsächlich gar nicht ausgelastet war, ihm bei vorhandener Arbeitsmenge, die die Beklagte behauptet und der Kläger nicht bestritten hat, weitere Tätigkeiten zu übertragen. Warum die Beklagte hätte Veranlassung gehabt haben sollen, infolge dessen wesentlich mehr Zahlungen, insbesondere auch, aber nicht nur, Spesen an den Kläger zu leisten, als an sich vertraglich geschuldet, erschließt sich nicht. Soweit der Kläger als den einzigen, einigermaßen nachvollziehbaren Umstand auf Handyfotographien von den entsprechenden Zählerwechseln verweist, die an die Beklagte gesendet wurden, was die Beklagte nicht bestritten hat, hat die Beklagte demgegenüber ohne Weiteres nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass insgesamt bei der Beklagten keine Gegenkontrolle erfolgt sei, ob die Angaben auf den Leistungsnachweisen mit den tatsächlichen Leistungstagen übereinstimmten oder nicht. Aus dem Vertrauen der Beklagten in die Redlichkeit ihrer Mitarbeiter kann aber keineswegs ohne Hinzutreten weiterer Umstände, für die der Kläger nichts vorgetragen hat, geschlossen werden, dass es eine Weisung oder Duldung gegeben habe, Tage hin und her zu schieben oder Aufträge dergestalt, dass sich der Mitarbeiter unter Reduzierung seiner Arbeitszeit bei vollständiger Vergütung Freizeit oder gar ganze freie Tage habe schaffen können. Ebenso unsubstantiiert und auch im Übrigen nicht nachvollziehbar, ist die Darstellung des Klägers, falsche Angaben sollten auch im Hinblick auf das Finanzamt erfolgen (S. 9 ff. der Berufungsbegründungsschrift = Bl. 312 ff. d. A.). Wann, wo und mit welchem Inhalt im Einzelnen eine derartige Absprache erfolgt sein soll, trägt der Kläger nicht vor; sein Vorbringen ist so ungenau, dass es nicht einmal einer substantiierten Erwiderung durch die Beklagte zugänglich ist. Daran ändert auch der Hinweis auf Kollegen des Klägers nichts.

Sollte man entgegen der hier vertretenen Auffassung das Vorbringen des Klägers gleichwohl als hinreichend substantiiert zur Darstellung eines rechtlich erheblichen "Rechtsfertigungs- und/oder Entschuldigungsgrund" ansehen, würde sich gleichwohl an dem Ergebnis der Entscheidung nichts ändern. Denn dann wäre das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren nicht zuzulassen und folglich unbeachtlich. Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszug entgegen einer dafür nach § 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 oder § 61a Abs. 3 und 4 ArbGG gesetzten Frist nicht vorgebracht worden sind, sind gemäß § 67 Abs. 2 Satz 1 ArbGG nämlich nur zuzulassen, wenn nach der freien Überzeugung des Landesarbeitsgerichts ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder wenn die Partei die Verspätung genügend entschuldigt. Diese Voraussetzungen sind vorliegend, worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat, jedenfalls gegeben. Bereits im Gütetermin vom 10.10.2017 konnte sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers zu den Kündigungsgründen nicht erklären, da er die Kündigungsgründe - in einem Zeitraum von nahezu fünf Monaten seit Zugang der Kündigung - mit dem Kläger noch nicht habe besprechen können. In diesem Termin erhielt die Beklagte Gelegenheit, die Kündigungsgründe bis zum 07.11.2017 darzulegen und der Kläger die Möglichkeit einer Stellungnahme dazu bis zum 07.12.2017. Obwohl die Beklagte dieser Auflage bereits mit Schriftsatz vom 25.10.2017 nachgekommen ist, hat der Kläger keine Stellungnahme abgegeben, sondern um Fristverlängerung bis zum 29.12.2017 gebeten, die auch bewilligt wurde (Beschluss des Arbeitsgerichts vom 08.12.2017 = Bl. 126 d. A.). In dem daraufhin vorgelegten Schriftsatz vom 28.12.2017 verhält sich der Kläger inhaltlich zu den ihm gegenüber erhobenen Vorwürfen nicht. Insoweit wird lediglich moniert, die entsprechenden Unterlagen für die Klägerseite seien der beglaubigten Abschrift der Schriftsätze nicht beigefügt worden. Nachdem die Beklagte daraufhin nochmals schriftsätzlich unter Vorlage von Anlagen im Einzelnen Stellung genommen hatte, hat der Kläger wiederum geltend gemacht, die Unterlagen müssten ausgewertet und mit ihm besprochen werden. Den zugleich gestellten Fristverlängerungs- und Terminverlegungsantrag hat das Arbeitsgericht zurückgewiesen. Insgesamt hat der Kläger, der an allen maßgeblichen Umständen selbst persönlich beteiligt war, also nach Zugang der Kündigung bis zum Kammertermin am 23.01.2018 im erstinstanzlichem Rechtszug keinerlei nähere inhaltliche Stellungnahme zu den erheblichen gegen ihn erhobenen Vorwürfen abgegeben. Damit sind gesetzlichen Voraussetzungen des § 67 Abs. 2 Satz 1 ArbGG gegeben. Würde man das Vorbringen des Klägers in der Berufungsbegründungsschrift als erheblich ansehen, würde dies die Erledigung des Rechtstreits im Berufungsverfahren auch verzögern, weil dann im Zweifel die Durchführung einer Beweisaufnahme oder aber gegebenenfalls die Fertigung eines Hinweisbeschlusses zur Klarstellung der entscheidungserheblichen Gesichtspunkte angesichts des Aktenumfangs - hinsichtlich des Vorbringens der Beklagten - erforderlich gewesen wäre. Eine genügende Entschuldigung der Verspätung lässt sich dem Vorbringen des Klägers nicht entnehmen, und ist auch sonst nicht ersichtlich, nachdem es sich durchweg um tatsächliche Umstände handelt, die das Verhalten des Klägers selbst betreffen, sodass nicht nachvollziehbar ist, warum dazu im erstinstanzlichen Rechtszug keine Gelegenheit gewesen sein sollte.

Folglich ist davon auszugehen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB gegeben sind. Damit ist das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund der außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 17.05.2017 am 19.05.2017 aufgelöst worden.

Daraus folgt, dass dem Kläger für die Zeit nach dem Zugang der streitgegenständlichen außerordentlichen Kündigung keine Arbeitsentgeltansprüche zustehen, zum einen deshalb, weil er tatsächlich nicht für die Beklagte gearbeitet hat, zum anderen auch nicht aus Annahmeverzug, weil das Arbeitsverhältnis am 19.05.2017 sein Ende gefunden hat.

Des Weiteren kann der Kläger von der Beklagten auch nicht die Zahlung weiterer Spesen in Höhe von 360,00 € netto verlangen. Denn die Beklagte hat im Schriftsatz vom 31.08.2018 (Seite 9 = Bl. 352 d. A.) im Einzelnen dargelegt, dass die Beklagte dem Kläger allein in den Kalenderwochen 15 und 17 insgesamt 360,00 € Spesen zu viel ausgezahlt hat. Mit dem daraus resultierenden Rückzahlungsanspruch hat die Beklagte gegen den streitgegenständlich geltend gemachten Spesenerstattungsanspruch aufgerechnet. Damit ist der an sich gegebene Anspruch des Klägers erloschen. Dem Vorbringen der Beklagten ist der Kläger im Berufungsverfahren insoweit nicht entgegengetreten.

Nichts anderes gilt letztlich hinsichtlich der vom Kläger geltend gemachten Zinsen aus der vom Arbeitsgericht zuerkannten Lohndifferenz in Höhe von 1.667,00 € brutto. Die Beklagte hat insoweit (Seite 9, 10 des Schriftsatzes vom 31.08.2018 = Bl. 352, 353 d. A.) im Einzelnen dargelegt, dass sie in Befolgung des erstinstanzlichen Urteils auch den materiell rechtlich gegebenen, freilich nicht erstinstanzlich ausgeurteilten Zinsanspruch des Klägers voll umfänglich erfüllt hat. Diesem Vorbringen ist der Kläger nicht entgegengetreten, sodass auch ein weiterer Zinsanspruch nicht (mehr) besteht.

Nach alledem war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

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