LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11.12.2017 - 3 TaBV 29/17
Fundstelle
openJur 2020, 19081
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau - vom 11.05.2017, Az.: 5 BV 16/16, wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob die Beteiligte zu 1) die Zustimmung des Beteiligten zu 2) zu der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3) sowie hilfsweise dessen Ausschluss aus dem Beteiligten zu 2) verlangen kann.

Die Beteiligte zu 1) unterhält an ihrem Standort in C-Stadt einen Produktionsbetrieb für Behälterglas. Der Beteiligte zu 2. ist der an diesem Standort gebildete Betriebsrat. Der Beteiligte zu 3) ist der Vorsitzende des Antragsgegners. Der 1975 geborene Beteiligte zu 3) ist verheiratet und hat drei Kinder. Seit dem 01.06.1999 ist er bei der Beteiligten zu 1) beschäftigt. Er trat zunächst als Maschinenführer ein, übernahm ab dem 01.11.2009 die Position des Obermaschinenführers und ist zurzeit als der Vorsitzende des Beteiligten zu 2) von seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung für die Betriebsratstätigkeit freigestellt.

Herr U., ein Mitarbeiter der Beteiligten zu 1), damals noch Betriebsratsmitglied, wandte sich am 05.09.2016 an die Personalleiterin, Frau H. Er teilte ihr mit, dass ihm eine SD-Speicherkarte zugespielt worden sei, auf der ein Gespräch aufgenommen worden war. Frau H. willigte ein, sich die Aufnahme anzuhören und fertigte eine Mitschrift über die Aufnahme an. Insoweit wird auf das Gedächtnisprotokoll vom 13.09.2016 (Bl. 17. d. A.) Bezug genommen. Dieses Gedächtnisprotokoll enthält u. a. folgenden Inhalt:

"Gesprächsteilnehmer:

·

Herr  E. (BR-Vorsitzender)

·

Herr  L.

·

Herr S (BR-Mitglied)

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Herr Sc. (NICHT im BR-Gremium, Labormitarbeiter)

·

Herr L: " (Herr U.) muss nicht überall seinen dicken Saukopp rein hängen. Du weißt ja, wie er tickt. Der Mann hat Depressionen und Du (zu Herrn Sc.) hast nichts gehört."

·

Herr E.: "Der (Herr U.) tickt falsch. Ich habe ihn einmal kritisch darauf angesprochen, wie er auf seine Kollegen wirkt und danach war er direkt krank. Daran musste ich lange knabbern. Ich mache daher nichts mehr. "

·

Herr L.: "Nochmal - der Mann hat Depressionen. Kritik kann er aber vertragen."

·

Herr E.: "Ich war bei der Witwe (Mitarbeiter Herr G. beging dieses Jahr Suizid) und sie gab mir Versicherungsunterlagen. Sie könne nichts damit anfangen. Ich kümmere mich nun darum. Ich hatte mit N. Diskussionen, dass die Grundlage des Sterbegeldes nicht richtig abgerechnet wurde."

·

Diskussion zwischen Herrn L. und Herrn E. bezüglich der Grundlagen der Berechnung des Sterbegeldes (2,5 Monats-Entgelte oder drei Monats-Entgelte).

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Diskussion zwischen Herrn E. und Herrn L. bezüglich der korrekten Berechnung der Urlaubs-Mehrvergütung von Herrn Gü. (Schichtleiter ).

·

Anruf auf dem Festnetz-Telefon des Betriebsrates. Herr L. nahm das Gespräch entgegen und berichtet

o

über die Wiedereingliederung von J- (alkoholkrank). "Herr J. sieht sehr gut aus. Ich gehe davon aus, dass die Wiedereingliederung erfolgreich verläuft."

o

über die Wiedereingliederung von  U.: "Bei U. zweifele sogar ich. Er bläst sich als Betriebsrat auf. Er streckt nur noch seinen dicken Bauch vorne raus und seine Arme werden auch immer breiter. Später findet bei Frau H. ein Gespräch bezüglich Herrn U. statt."

o

über Herrn G.: "Wir haben gesammelt für ihn. Alle Schichten haben etwas gegeben."

Am 14.09.2016 wurde der Beteiligte zu 3., der Schwerbehindertenvertreter, Herr L. und das Betriebsratsmitglied S. von der Beteiligten zu 1) zu diesem Sachverhalt angehört. Dabei gaben alle drei an, dass das Gespräch während einer Betriebsratssitzung, bei der der Schwerbehindertenvertreter anwesend gewesen sei, stattgefunden habe. Ein außenstehender Dritter sei nicht anwesend gewesen.

Der später von der Beteiligten zu 1) befragte Herr Sc. gab im Wesentlichen an, dass er sich an nichts erinnern könne.

Am 15.09.2016 suchte der Beteiligte zu 3. Frau E. auf, beschwerte sich über das Vorgehen der Beteiligten zu 1) und die Anhörung vom 14.09.2016 und äußerte u.a.:

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Wenn man ihn loswerden solle, werde das teuer. Die Summe müsse stimmen. Sollte man ihn nicht loswerden, werde er in Zukunft unbequem. Er traue niemandem mehr.

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Er werde die Polizei beauftragen, sein Betriebsratsbüro zu durchsuchen.

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Er werde sich an die Presse wenden, die den Fall sicher auch interessant finde.

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Er werde dafür sorgen, dass derjenige, der die Aufnahme getätigt habe, ins Gefängnis komme. Er gehe davon aus, dass dies nur Herr U. sein könne.

·

Bei der Aufzeichnung müsse es sich um drei verschiedene, zusammengeschnittene Situationen handeln. Die erste Unterhaltung habe im Rahmen einer Betriebsratssitzung stattgefunden. Der Betriebsrat habe sich die Aufnahme im Rahmen einer Sitzung angehört.

·

Er wisse, dass die Antragstellerin die Aufnahme auf ihren Rechnern gespeichert und sie angehört habe.

·

In den nächsten Wochen werde jede Woche mindestens eine Betriebsratssitzung stattfinden.

Daraufhin hat die Beteiligte zu 1) am 16.09.2016 bei dem Beteiligten zu 2) die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3) beantragt. Der Beteiligte zu 2) hat mit Schreiben vom 19.09.2016 die Zustimmung verweigert.

Die Beteiligte zu 1) hat vorgetragen,

mit der von Herrn U. vorgelegten Tonaufnahme sei ein Gespräch zwischen dem Beteiligten zu 3., dem Betriebsratsmitglied S., dem Schwerbehindertenvertreter Herrn L. sowie Herrn Sc., der nicht Mitglied des Betriebsrates oder eines sonstigen Arbeitnehmergremiums sei, aufgezeichnet worden. Dieses Gespräch habe wohl am 15.08.2016 stattgefunden. Wer das Gespräch aufgenommen haben könnte, sei ihr nicht bekannt. Zu bestreiten sei aber, dass mehrere Gespräche abschnittsweise aufgezeichnet worden seien. Dafür gebe es keine Anhaltspunkte.

Der Beteiligte zu 3) verhalte sich seit seiner Ankündigung, "unbequem" zu werden, in einer Art und Weise, die mit dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit nicht in Einklang zu bringen sei. So habe der Beteiligte zu 2) Herrn K. zu einem Gespräch eingeladen, in dem die Bedenken des Betriebsrates zu einem Fragenkatalog der Beteiligten zu 1) zu den Ursachen für den hohen Krankenstand besprochen werden sollten. Dies sei jedoch nicht erfolgt; der Beteiligte zu 2) habe Herrn K. abgekanzelt und lediglich gesagt, dass er den Fragenbogen nicht verwenden dürfe. Weiter habe der Beteiligte zu 2), vertreten durch den Beteiligten zu 3), darauf aufmerksam gemacht, dass eine Maschine aus arbeitssicherheitstechnischen Gründen gefährlich und damit unzulässig sei. Es habe sich aber herausgestellt, dass die in der Gefährdungsbeurteilung für diese Maschine bereits vorgesehenen Arbeitsschutzmaßnahmen von der Beteiligten zu 1) umgesetzt worden seien. Gleichwohl habe der Beteiligte zu 2) durch den Beteiligten zu 3) angekündigt, die Gewerbeaufsicht zu unterrichten. Außerdem habe der Beteiligte zu 3) von der Beteiligten zu 1) Freizeitausgleich für außerhalb der Arbeitszeit geleistete Betriebsratstätigkeit verlangt. Diese Betriebsratstätigkeit habe sich auf die Auseinandersetzung des Beteiligten zu 2) mit dem Kündigungsbegehren der Beteiligten zu 1) bezogen. Diese Betriebsratstätigkeit des Betriebsratsvorsitzenden sei offensichtlich nicht erforderlich gewesen und ein Anspruch auf Freizeitausgleich habe nicht bestanden. Auch insoweit habe der Beteiligte zu 3) gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit verstoßen.

Die Beteiligte zu 1) beantragt,

die fehlende  Zustimmung des Antragsgegners/Beteiligten zu 2) zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3) wird gemäß § 103 Abs. 2 BetrVG ersetzt;

hilfsweise,

den Beteiligten zu 3) aus dem Antragsgegner/Beteiligten zu 2)   auszuschließen.

Die Beteiligten zu 2) und 3) beantragen,

die Anträge zurückzuweisen.

Der Beteiligte zu 2) hat vorgetragen,

es sei auszuschließen, dass Herr Sc. während eines Gespräches anwesend gewesen sei, wie es die Beteiligte zu 1) darstelle. Zudem sei Herr Sc. über die persönliche Situation des Herrn U. intensiver informiert gewesen als der Betriebsrat. Unabhängig davon sei davon auszugehen, dass aufgrund der von der Beteiligten zu 1) dargestellten  Sachverhalte bezogen auf die heimlichen Gesprächsaufnahmen ein Beweisverwertungsverbot vorliege.

Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass die Vorwürfe ausschließlich ein Verhalten des Beteiligten zu 3) als Betriebsratsmitglied umfassten, sodass eine Kündigung ausgeschlossen sei. Die Gegenseite habe zudem ausdrücklich erklärt, dass - was die Beteiligte zu 1) nicht in Abrede gestellt hat - von einer Kündigung Abstand genommen werde, wenn der Beteiligte zu 3) vom Amt des Betriebsrates zurücktreten würde.

Der Beteiligte zu 3. hat vorgetragen,

die Beteiligte zu 1) schildere eine bruchstückhafte und zusammenhangslose Situation, die nicht nachvollziehbar sei, örtlich und zeitlich nicht zugeordnet werden könne und auch die Beteiligten und die genaueren Gesprächsumstände nicht aufzeige. Es sei zu bestreiten, dass die vorgefundene Tonaufnahme lediglich einen Gesprächsverlauf beinhalte und nicht bearbeitet worden sei. Vielmehr sei demgegenüber davon auszugehen, dass im Rahmen der Tonaufnahme verschiedene Gesprächssituationen über mehrere Tage und Wochen hintereinander aufgezeichnet oder auch im Rahmen einer Bearbeitung hintereinander gereiht worden seien.

Das Arbeitsgericht Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau - hat die Anträge der Beteiligten zu 1) daraufhin durch Beschluss vom 11.05.2017 zurückgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts der Gründe der Entscheidung wird auf Bl. 266-277 d. A. Bezug genommen.

Gegen den ihr am 12.06.2017 zugestellten Beschluss hat die Beteiligte zu 1) durch am 10.07.2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Sie hat die Beschwerde durch am 07.09.2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem zuvor auf den begründeten Antrag hin durch Beschluss vom 14.08.2017 die Frist zur Einreichung der Beschwerdebegründung bis zum 14.09.2017 einschließlich verlängert worden war.

Die Beteiligte zu 1) wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, es sei davon auszugehen, dass dem Beteiligten zu 3) bewusst gewesen sei, dass er Herrn Sc. gegenüber Informationen preisgegeben habe, die geheimhaltungsbedürftig seien. Der Schwerbehindertenvertreter, Herr L., habe in unmittelbarem Zusammenhang mit den Äußerungen über die Depressionen von Herrn U. gegenüber Sc. gesagt: "Und du hast nichts gehört." Aufgrund der in dem aufgenommenen Gespräch getätigten Bemerkungen sei Herr U. am Boden zerstört; seine bis dahin erfolgreiche Wiedereingliederung habe auf Veranlassung von ihm wieder abgebrochen werden müssen. Ferner habe Herr U. am 07.02.2017 sein Amt als Betriebsratsmitglied aus gesundheitlichen und persönlichen Gründen niedergelegt. Zudem sei er im September 2016, d. h. unmittelbar nach Anhören des aufgenommenen Gesprächs, bis zum 19.09.2016 arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Er sei zusätzlich noch vom 21.12.2016 bis zum 31.12.2016, vom 23.03.2017 bis zum 07.04.2017 und vom 27.07.2017 bis zum 05.08.2017 arbeitsunfähig erkrankt. Im Rahmen der von ihr durchgeführten Anhörung habe der Beteiligte zu 3) ausdrücklich behauptet, dass Herr Sc. nicht anwesend gewesen sei. Es treffe nicht zu, dass Herr Sc. bereits vor dem aufgezeichneten Gespräch über die besonderen persönlichen Umstände, die zur Sprache gekommen seien, informiert gewesen sei.

Im Rahmen der zwischenzeitlich durch den Beteiligten zu 2) erstatteten Strafanzeige gegen den deutschen Personalleiter der Beteiligten zu 1), Herrn F., sowie gegen Frau H., der Personalleiterin am Standort C-Stadt, habe sich herausgestellt, dass der Beteiligte zu 3) im vorliegenden Verfahren wiederholt und offenbar bewusst die Unwahrheit gesagt habe. Denn bei der Tonaufnahme handelt es sich nicht um einen Zusammenschnitt von unterschiedlichen Gesprächen, die streitgegenständlichen Aussagen seien nicht im Rahmen einer Betriebsratssitzung gefallen. Mit Herrn Sc. sei zumindest ein Nichtbetriebsratsmitglied anwesend gewesen und die Folgen für Herrn U. seien gravierend. Aufgrund der Tonaufnahme und der weiteren Umstände (z. B. der Zeugenaussagen der Beteiligten im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, dem erstinstanzlichen Vortrag etc.) bestünden keine vernünftigen Zweifel daran, dass der Beteiligte zu 3) vertrauliche und höchst persönliche Informationen mehrerer Mitarbeiter offenbart habe. Gleichermaßen stehe außer Zweifel, dass er in Bezug auf Herrn U. nicht nur solche Informationen offengelegt, sondern diesen Mitarbeiter auch verunglimpft habe. Hinzu komme seine Beteiligung an einer herabwürdigenden Äußerung von Herrn L. Damit sei zugleich ein Verstoß gegen die Regelung des Code of Conduct gegeben, der die bei der Beteiligten zu 1) geltenden Werte wieder gebe; danach sollten alle Mitarbeiter vor Belästigungen an ihrem Arbeitsplatz geschützt werden. Ein Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten liege ferner nicht nur vor, weil der Beteiligte zu 3) Einzelheiten zur Urlaubs-Mehrvergütung von Herrn Gü. bzw. aus seinem Besuch bei der Witwe eines Mitarbeiters, der Suizid begangen hatte, ausgeplaudert habe. Vielmehr sei er auch verpflichtet gewesen, Herrn L. im Rahmen des Gesprächs über die depressive Erkrankung von Herrn U. zu widersprechen, ihn zurechtzuweisen und aufzufordern, depressiv erkrankte Mitarbeiter nicht als "dicker Saukopp" zu bezeichnen. Mit derartigen Äußerungen schaffe der Beteiligte zu 3) eine feindselige Arbeitsatmosphäre, in der kranke Arbeitnehmer verunglimpft würden. Insoweit seien die Voraussetzungen des § 185 StGB gegeben; auch liege ein Verstoß gegen § 5 BDSG vor. Das Verhalten des Beteiligten zu 3) sei zudem nach § 120 Abs. 2 BetrVG strafbar. Dahin sei insgesamt keineswegs nur eine Amtspflichtverletzung des Beteiligten zu 3) zu sehen. Auch unabhängig von dem jetzigen Amt des Beteiligten zu 3) träfen jeden Arbeitnehmer Verschwiegenheits- und Loyalitätspflichten aus dem Arbeitsverhältnis und die Beteiligte zu 1) müsse damit rechnen, dass der Beteiligte zu 3) auch in Zukunft ein vergleichbares Fehlverhalten an den Tag legen werde. Dies insbesondere deshalb, weil es ihm an jeglichem Unrechtsbewusstsein fehle.

Da für die Beteiligte zu 1) die Gewissheit hinsichtlich des von ihr vorgetragenen Sachverhalts gegeben sei, könne die beabsichtigte Kündigung als Tatkündigung ausgesprochen werden. Jedenfalls aber bestehe ein so dringender Verdacht, dass eine Verdachtskündigung gerechtfertigt sei. Die Tonaufnahme des Gesprächs unterliege keinem Verwertungsverbot. Zudem komme es durch den zwischenzeitlich eingetretenen weiteren Geschehensablauf im Ergebnis nicht mehr auf die Verwertung und damit auf die Verwertbarkeit der Tonaufnahme selbst an. Es ergebe sich nunmehr auch aus dem Inhalt der Ermittlungsakte (Az 12356) eindeutig, dass die vom Betriebsrat und dem Beteiligten zu 3) vorgebrachte Argumentationslinie in sich zusammenfalle.

Im Rahmen der Interessenabwägung sei zu ihren Gunsten zu berücksichtigen, dass eine strafbare Handlung gegeben sei, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehe; eine Abmahnung wegen eines vergleichbaren vorherigen Vergehens sei nicht erforderlich. Gleiches gelte für einen entsprechenden dringenden Tatverdacht. Das Vertrauen in eine weitere Zusammenarbeit mit dem Beteiligten zu 3) sei unwiderbringlich zerstört. Eine Weiterbeschäftigung sei dadurch weiter unzumutbar geworden. Es bestünden keine milderen, gleich geeigneten Mittel. Auch müsse der gesundheitliche Rückschlag von Herrn U. berücksichtigt werden. Demgegenüber müsse die Betriebszugehörigkeit des Beteiligten zu 3) seit 1999 zurücktreten. Für die Beteiligte zu 1) bestehe die Notwendigkeit, die eigenen Mitarbeiter vor einem solchen Verhalten zu schützen.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts habe der Beteiligte zu 3) auch in grober Weise gegen seine betriebsverfassungsrechtlichen Verschwiegenheitspflichten verstoßen und dadurch das Vertrauen der Belegschaft in ihn als Amtsträger sowie zwischen ihm und der Arbeitgeberin in hohem Maße erschüttert. Der Beteiligte zu 3) habe Umstände des persönlichen Lebensbereichs von Arbeitnehmern i. S. d. § 79 BetrVG an unbefugte Dritte weiter gegeben und damit seine gesetzlichen Pflichten grob verletzt. Trotz der Formulierung "Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse" in der gesetzlichen Regelung, müsse davon ausgegangen werden, dass zumindest im Wege der Auslegung davon auszugehen sei, dass der Begriff "Betriebsgeheimnis" dafür spreche, auch Geheimnisse in Bezug auf Krankheiten oder persönliche Schicksalsschläge von Mitarbeitern, die dem Betriebsratsmitglied im Rahmen seiner Tätigkeit zur Kenntnis gelangten, mit einzubeziehen. In diesem Zusammenhang sei auf § 120 Abs. 2 BetrVG hinzuweisen, zudem auch auf § 5 BDSG. Die getätigten Äußerungen seien auch nicht etwa deshalb weniger verwerflich, weil die Beteiligten nicht mit einer Tonaufzeichnung oder einer Kenntnisnahme weiterer Personen gerechnet hätten. Es sei vielmehr gravierend genug, dass ein derartiges Gespräch in Anwesenheit von Herrn Sc. geführt worden sei.

Hervorzuheben sei abschließend, dass es keineswegs allgemein im Betrieb bekannt gewesen sei, dass Herr U. an Depressionen leide. Es hätten lediglich ca. 20 von insgesamt 290 im Betrieb beschäftigten Mitarbeitern in Grundzügen von der Krankheit gewusst. Auch diesen Mitarbeitern seien jedoch Einzelheiten, etwa der Stand der Wiedereingliederung, nicht bekannt gewesen. Im Hinblick auf den Mitarbeiter Herrn G. sei von der Beteiligten zu 1) die Todesursache Suizid nicht thematisiert worden. Sie gehe davon aus, dass dies im Betrieb nicht im Detail bekannt gewesen sei. Über die Thematik des Sterbegeldes für die Witwe von Herrn G. habe in der Belegschaft ebenfalls niemand Bescheid gewusst. Auch die Alkoholkrankheit von Herrn J. sei nicht betriebsbekannt gewesen. Allenfalls die Kollegen in seiner Schicht, d. h. ca. 14 Mitarbeiter, könnten davon Kenntnis gehabt haben. Auch die Wiedereingliederung von Herrn J. sei nicht allgemein bekannt gewesen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten zu 1) im Beschwerdeverfahren wird auf die Beschwerdebegründungsschrift vom 07.09.2017 (Bl. 344-371 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 372-396 d. A.) sowie ihren Schriftsatz vom 01.12.2017 (Bl. 455-460 d. A.) Bezug genommen.

Die Beteiligte zu 1) und Beschwerdeführerin beantragt,

den  Beschluss  des  Arbeitsgerichts  Ludwigshafen  am  Rhein    - Auswärtige Kammern Landau - vom 11.05.2017, der Arbeitgeberin zugestellt am 12.06.2017 - AZ 5 BV 16/16 - abzuändern und die fehlende Zustimmung des Antragsgegners / Beteiligten zu 2) zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3) gemäß § 103 Abs. 2 BetrVG zu ersetzen,

hilfsweise den Beteiligten zu 3. als aus dem Antragsgegner/Beteiligten zu 2) auszuschließen.

Die Beteiligten zu 2), 3) und Beschwerdegegner beantragen,

die Beschwerde der Beteiligten zu 1) und Beschwerdeführerin zurückzuweisen.

Der Beteiligte zu 2) verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor,

der Vorwurf, es sei detailliert über die Erkrankung des Herrn U. im Beisein des Herrn Sc. gesprochen worden, könne sich allenfalls auf eine Amtspflichtverletzung erstrecken. Denn der Beteiligte zu 3) habe seine Kenntnisse ausschließlich in seiner Funktion als Betriebsratsvorsitzender erlangt. Die Aussage "U. tickt falsch" stelle eine Bewertung des konkreten Verhaltens von Herrn U. dar. Dieser habe sich im Rahmen der Wiedereingliederung aus Sicht des Arbeitgebers zu wenig um seine Arbeit gekümmert; er habe sich stattdessen vielmehr - wiederum aus der Sicht des Arbeitgebers - sehr umfassend mit Betriebsratsarbeit beschäftigt. Intern sei diskutiert worden, dass Herr U. sich nicht in alles einmischen solle. Er habe sich oft belehrungsresistent, bezogen auf verschiedene gut gemeinte Ratschläge des Betriebsrats - insbesondere des Betriebsratsvorsitzenden - gezeigt.

Auch der Vorwurf, im Beisein eines Arbeitnehmers, der nicht Mitglied des Betriebsrats sei, über den Suizid eines Mitarbeiters gesprochen zu haben, könne sich nur auf eine Verletzung der Amtspflicht beziehen. Dies gelte auch im Hinblick auf die Urlaubsmehrvergütung des Herrn Gü.. Im Hinblick auf die Berechnung des Sterbegeldes habe der Betriebsratsvorsitzende lediglich seine gesetzliche Aufgabe wahrgenommen und auf ausdrücklichen Wunsch der Witwe zu Gunsten eines verstorbenen Kollegen eine Berechnung vorgenommen.

Für den 15.08.2016 sei gegen 9.30 Uhr ein Routinegespräch festgelegt worden, an dem üblicherweise der Betriebsratsvorsitzende und ein weiteres Betriebsratsmitglied teilnehme. Das weitere Betriebsratsmitglied wechsele, damit unterschiedliche Betriebsratsmitglieder in diese Gespräche einbezogen werden. Insoweit habe Herr U. intensiv darauf gedrängt, an diesem Gespräch teilnehmen zu wollen, obwohl dafür neben dem Betriebsratsvorsitzenden Herr P. vorgesehen gewesen sei. Der Beteiligte zu 3) habe nachgegeben, weil er davon ausgegangen sei, dass Herr U. sich in der Wiedereingliederungsphase befinde und insofern der Arbeitgeber keine Kosten für ihn zu übernehmen habe. Frau H. habe sich jedoch geweigert, das Gespräch mit drei Betriebsräten zu führen, sodass es letztlich nicht stattgefunden habe. Die drei Betriebsräte seien anschließend in das Betriebsratszimmer gegangen, Herr U. sei kurze Zeit darauf in den Betrieb gegangen. Hinsichtlich des weiteren Ablaufs des 15.08.2016 aus der Sicht des Beteiligten zu 2) wird auf Seite 5 bis 7 des Beschwerdeerwiderungsschriftsatzes des Beteiligten zu 2) vom 11.10.2017 (Bl. 431-433 d. A.) Bezug genommen.

Mit dem Arbeitsgericht sei davon auszugehen, dass vorliegend weder eine außerordentliche Kündigung noch der Ausschluss des Beteiligten zu 3) aus dem Betriebsrat in Betracht käme. Dabei müsse letztlich auch berücksichtigt werden, dass hinsichtlich der Erkenntnisse der Beteiligten zu 1) ein Verwertungsverbot gegeben sei. Die Beteiligte zu 1) sei weder direkt, noch indirekt - auch nicht in den internen Äußerungen - Adressat der Äußerungen gewesen. Es sei aber elementare Grundlage der Betriebsratstätigkeit, dass die internen Gespräche vertraulich seien und der Betriebsrat sich darauf verlassen könne, dass diese nicht in der Öffentlichkeit verbreitet würden. Insbesondere sei es nicht denkbar, dass aus diesen illegal erhaltenen Informationen irgendwelche arbeitsrechtlichen Sanktionen für den Betriebsratsvorsitzenden folgten.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens des Beteiligten zu 2) im Beschwerdeverfahren wird auf die Beschwerdeerwiderungsschrift vom 11.10.2017 (Bl. 427-437 d. A.) Bezug genommen.

Auch der Beteiligte zu 3) verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor,

bei der Tonaufnahme handelt es sich keineswegs um einen einheitlichen Gesprächsverlauf. Etwas anderes ergebe sich entgegen der Darstellung der Beteiligten zu 1) auch nicht aus dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Dort werde vielmehr festgehalten, dass die denkbaren Szenarien, die zu einer denkbaren Nicht-Plausibilität hinsichtlich der Zeitstempel führen könnten, zahlreich seien. Auch könnte zum derzeitigen Stand der Untersuchungen, ohne weitere Informationen, keine Information auf die Herkunft der Sprachaufzeichnung erlangt werden. Der Beteiligte zu 3) habe insgesamt zu keinem Zeitpunkt falsche Angaben gemacht. Hinsichtlich der Darstellung der Geschehensabläufe am 15.08.2016 durch den Beteiligten zu 3) wird auf Seite 6 bis 8 der Beschwerdeerwiderungsschrift vom 09.10.2017 (Bl. 443-445 d. A.) Bezug genommen.

Insgesamt komme folglich weder eine außerordentliche Kündigung, noch ein Ausschluss des Beteiligten zu 3) aus dem Beteiligten zu 2) in Betracht. Zudem müsse berücksichtigt werden, dass die Veröffentlichung und Verwertung der Inhalte der Sprachaufzeichnung einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der an dem Gespräch beteiligten Personen darstelle und bezogen auf diese Beweismittel einem Beweisverwertungsverbot unterläge.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens des Beteiligten zu 3) im Beschwerdeverfahren wird auf die Beschwerdeerwiderungsschrift vom 09.10.2017 (Bl. 438-447 d. A.) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 11.12.2017.

II.

Das Rechtsmittel der Beschwerdeführerin ist zwar form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, also statthaft und erweist sich auch sonst als zulässig.

In der Sache hat die Beschwerde der Beschwerdeführerin jedoch keinen Erfolg.

Denn das Arbeitsgericht ist jedenfalls im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Beteiligte zu 1) vorliegend weder die Ersetzung der Zustimmung des Beteiligten zu 2) zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3) verlangen kann, noch den Ausschluss des Beteiligten zu 3) aus dem Betriebsrat der Beteiligten zu 1).

Gemäß § 103 Abs. 1 BetrVG ist die außerordentliche Kündigung von Mitgliedern des Betriebsrats nur mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig. Verweigert der Betriebsrat die Zustimmung, so kann das Arbeitsgericht gemäß § 103 Abs. 2 BetrVG sie auf Antrag des Arbeitgebers ersetzen, wenn die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist.

Ein wichtiger Grund im Sinne der Generalklausel der § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Kündigung liegt dann vor, wenn Tatsachen gegeben sind, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und in der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung nicht zugemutet werden kann (vgl. BAG 27.01.2011 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 07.07.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 38; 21.06.2012 EzA § 9 KSchG n. F. Nr. 63 = NZA 2013, 199; 27.09.2012 -2 AZR 646/11- EzA/SD 9/2013 Seite 6 LS). Damit wird der wichtige Grund zunächst durch die objektiv vorliegenden Tatsachen bestimmt, die an sich geeignet sind, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar zu machen. Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB ist deshalb jeder Sachverhalt, der objektiv das Arbeitsverhältnis mit dem Gewicht eines wichtigen Grundes belastet (vgl. BAG 27.01.2011 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 07.07.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 38). Entscheidend ist nicht der subjektive Kenntnisstand des Kündigenden, sondern der objektiv vorliegende Sachverhalt, der objektive Anlass. Berücksichtigt werden können nur die bis zum Ausspruch der Kündigung eingetretenen Umstände bei der Überprüfung der Frage, ob sie als Kündigungsgrund an sich geeignet sind (Ascheid/Preis/Schmidt Großkommentar Kündigungsrecht 4. Auflage 2012 (APS-Dörner/Vossen), § 626 BGB Rz. 42 ff.;              Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Arbeitsrecht (DLW-Dörner), 14. Auflage 2018, Kap. 4. Rn. 1121 ff.).

Berücksichtigt werden können nur die bis zum Ausspruch der Kündigung eingetretenen Umstände bei der Überprüfung der Frage, ob sie als Kündigungsgrund an sich geeignet sind. Umstände, die erst danach entstanden sind, können die bereits erklärte Kündigung nicht rechtfertigen. Sie können allenfalls als Grundlage für eine weitere Kündigung oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG dienen. Nachträglich eingetretene Umstände können für die gerichtliche Beurteilung allerdings insoweit von Bedeutung sein, wie sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen. Dazu müssen zwischen den neuen Vorgängen und den alten Gründen so enge innere Beziehungen bestehen, dass jene nicht außer Acht gelassen werden können, ohne dass ein einheitlicher Lebensvorgang zerrissen würde. Es darf aber nicht etwa eine ursprünglich unbegründete Kündigung durch eine Berücksichtigung späteren Verhaltens rückwirkend zu einer begründeten werden. Außerdem ist genau zu prüfen, welche konkreten Rückschlüsse auf den Kündigungsgrund späteres Verhalten wirklich erlaubt. Im Hinblick auf prozessuales Vorbringen gilt nichts anderes (BAG 15.12.1955 NJW 1956, 807; 28.10.1971 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 9; 3.7.2003 EzA § 626 BGB 202 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 2; 24.11.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 12, 484; 10.6.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32).

Die danach zu berücksichtigenden Umstände müssen nach verständigem Ermessen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar erscheinen lassen (BAG AP-Nr. 4 zu § 626 BGB). Bei der Bewertung des Kündigungsgrundes und bei der nachfolgenden Interessenabwägung ist ein objektiver Maßstab anzulegen, so dass subjektive Umstände, die sich aus den Verhältnissen der Beteiligten ergeben, nur aufgrund einer objektiven Betrachtung zu berücksichtigen sind. Dabei ist insbes. nicht auf die subjektive Befindlichkeit des Arbeitgebers abzustellen; vielmehr ist ein objektiver Maßstab ("verständiger Arbeitgeber") entscheidend, also ob der Arbeitgeber aus der Sicht eines objektiven Betrachters weiterhin hinreichendes Vertrauen in den Arbeitnehmer haben müsste, nicht aber, ob er es tatsächlich hat (BAG 10.6.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32). Die danach maßgeblichen Umstände müssen sich konkret nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken; da der Kündigungsgrund zukunftsbezogen ist und die Kündigung keine Sanktion für das Verhalten in der Vergangenheit darstellt, kommt es auf seine Auswirkungen auf die Zukunft an, die vergangene Pflichtverletzung muss sich noch in Zukunft belastend auswirken (BAG 9.6.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 23.10.2008 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 25; 12.1.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 67; 12.1.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68; LAG BW 25.3.2009 LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 20; LAG RhPf 26.2.2010 NZA-RR 2010, 297). Da es um den zukünftigen Bestand des Arbeitsverhältnisses geht, muss dessen Fortsetzung durch objektive Umstände oder die Einstellung oder das Verhalten des Gekündigten im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit aller Mitarbeiter, im persönlichen Vertrauensbereich (der Vertragspartner) oder im Unternehmensbereich konkret beeinträchtigt sein.

Das kann dann der Fall sein, wenn auch zukünftige Vertragsverstöße zu besorgen sind, d. h. wenn davon ausgegangen werden muss, der Arbeitnehmer werde auch künftig den Arbeitsvertrag nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen oder sonst von einer fortwirkenden Belastung des Arbeitsverhältnisses ausgegangen werden muss (LAG BW 25.3.2009 § 626 2002 Nr. 20; LAG RhPf 26.2.2010 NZA-RR 2010, 297).

Die erforderliche Überprüfung gem. § 626 Abs. 1 BGB vollzieht sich folglich zweistufig (vgl. z. B. BAG 24.3.2011 2 AZR 282/10 EzA-SD 16/2011 S. 3 LS. = NZA 2011, 1029; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35).

Zum einen muss ein Grund vorliegen, der unter Berücksichtigung der oben skizzierten Kriterien überhaupt an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Insoweit handelt es sich um einen Negativfilter, d. h., dass bestimmte Kündigungsgründe eine außerordentliche Kündigung von vornherein nicht rechtfertigen können.

Zum anderen muss dieser Grund im Rahmen einer Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere auch des Verhältnismäßigkeitsprinzips zum Überwiegen der berechtigten Interessen des Kündigenden an der - in der Regel - vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen (vgl. ausführlich APS-Dörner/Vossen, § 626 BGB a. a. O.; DLW-Dörner a. a. O.). In einer Gesamtwürdigung ist das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 24.3.2011 - 2 AZR 282/10- EzA-SD 16/2011 S. 3 LS. = NZA 2011, 1029; 27.09.2012 -2 AZR 646/11 - EzA-SD 9/2013, Seite 6 LS).

Entscheidend ist die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung bzw. bis zum Ende der vereinbarten Befristung (BAG 9.6.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027; 27.09.2012 - 2 AZR 646/11 - EzA-SD 9/2013, Seite 6 LS; LAG Bl. 5.1.2005 - 17 Sa 1308/04 - EzA-SD 8/05, Seite 12 LS; Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, a. a. O.; APS/Dörner/Vossen).

Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegen seiner erheblichen Pflichtverletzung zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung des Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen - einstweiligen - Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung der Umstände des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 27.09.2012 -2 AZR 646/11- EzA/SD 9/2013, Seite 6 LS).

Nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ist die außerordentliche Kündigung "Ultima Ratio", so dass sie dann nicht gerechtfertigt ist, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar ist, weil dann die ordentliche Kündigung ein milderes Mittel als die außerordentliche Kündigung darstellt (BAG 9.6.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027; 27.09.2012 -2 AZR 646/11- EzA/SD 9/2013 Seite 6 LS; krit. Stückmann/Kohlepp RdA 2000, 331 ff.).

Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus; sie dient der Objektivierung der Prognose (BAG 12.01.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 67: 12.01.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Sie ist nur dann entbehrlich, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorgelegen haben, aufgrund derer eine Abmahnung als nicht Erfolg versprechend angesehen werden kann. Das ist insbes. dann anzunehmen, wenn erkennbar ist, dass der Arbeitnehmer nicht gewillt ist, sich vertragsgerecht zu verhalten. Nur besonders schwere Vorwürfe bedürfen keiner Abmahnung, wenn und weil der Arbeitnehmer dann von vornherein nicht mit einer Billigung seines Verhaltens rechnen kann (LAG RhPf 26.02.2010 - 6 Sa 682/09, NZA-RR 2010, 297; LAG Nds. 12.02.2010 - 10 Sa 1977/08, EzA-SD 8/2010 S. 6 LS).

Einer Abmahnung bedarf es danach bei einem steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes also nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (BAG 24.03.2011 - 2 AZR 282/10, EzA-SD 16/2011 S. 3 LS = NZA 2011, 1029; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 36; 19.04.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 39 = NZA-RR 2012, 567;25.10.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 41 = NZA 2013, 319; LAG Hessen 27.02.2012 NZA-RR 2012, 471), denn dann ist grds. davon auszugehen, dass das künftige Verhalten des Arbeitnehmers schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann; die Abmahnung dient insoweit der Objektivierung der negativen Prognose: Ist der Arbeitnehmer ordnungsgemäß abgemahnt worden und verletzt er dennoch seine arbeitsvertraglichen Pflichten erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen. Das gilt grds. uneingeschränkt selbst bei Störungen des Vertrauensbereichs durch Straftaten gegen Vermögen oder Eigentum des Arbeitgebers (BAG 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027; LAG Bln.-Bra. 30.03.2012 LAGE § 611 BGB 2002 Abmahnung Nr. 9 = NZA -RR 2012, 353; LAG Köln 20.01.2012 NZA-RR 2012, 356), denn auch in diesem Bereich gibt es keine "absoluten" Kündigungsgründe. Stets ist konkret zu prüfen, ob nicht objektiv die Prognose berechtigt ist, der Arbeitnehmer werde sich jedenfalls nach einer Abmahnung künftig wieder vertragstreu verhalten (BAG 10.06.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32; Preis AuR 2010, 242;Schlachter NZA 2005, 433 ff.; Schrader NJW 2012, 342 ff.; s. LAG Bln.-Bra. 30.03.2012 LAGE § 611 BGB 2002 Abmahnung Nr. 9 = NZA-RR 2012, 353; Arbeitszeitbetrug; LAG Köln 20.01.2012 NZA-RR 2012, 356: vorzeitiges Arbeitsende ohne betriebliche Auswirkungen).

Die in den aufgehobenen gesetzlichen Vorschriften der §§ 123, 124 Gewerbeordnung, 71, 72 HGB nach altem Recht genannten Beispiele für wechselseitige wichtige Gründe (z. B. Arbeitsvertragsbruch, beharrliche Arbeitsverweigerung) sind als wichtige Hinweise für typische Sachverhalte anzuerkennen, die an sich geeignet sind, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung zu bilden und die Kündigung in der Regel auch zu rechtfertigen, wenn keine besonderen Umstände zugunsten des Gekündigten sprechen (vgl. BAG AP-Nr. 99 zu § 626 BGB). "Absolute Kündigungsgründe", die ohne eine besondere Interessenabwägung eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, bestehen andererseits jedoch nicht (BAG 15.11.1984 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 95; 10.6.2010; 19.04.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 40 = NZA 2013, 27).

Hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast gilt Folgendes:

Der Kündigende ist darlegungs- und beweispflichtig für die Umstände, die als wichtige Gründe geeignet sein können. Die Bewertung eines Fehlverhaltens als vorsätzlich liegt insoweit im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet und ist Gegenstand der tatrichterlichen Beweiswürdigung i.S.v. § 286 ZPO (BAG 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027).

Im Rahmen der ihr obliegenden Darlegungslast trifft jede Prozesspartei eine vollständige Substantiierungspflicht; sie hat sich eingehend und im Einzelnen nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiiert zu äußern. Andererseits darf von keiner Prozesspartei von Verfassungswegen etwas Unmögliches verlangt werden. Der Konflikt zwischen diesen beiden Positionen wird gelöst durch das Prinzip der Sachnähe, d. h., je näher eine Prozesspartei an dem fraglichen tatsächlichen Geschehen selbst unmittelbar und persönlich beteiligt ist, desto eingehender hat sie substantiiert vorzutragen. Das kann so weit gehen, dass sie auch verpflichtet sein kann, durch tatsächliches Vorbringen oder Vorlage von Unterlagen die Gegenpartei überhaupt erst in die Lage zu versetzen, der ihr obliegenden Darlegungslast nachzukommen. Schließlich muss das tatsächliche Vorbringen wahrheitsgemäß sein (vgl. BAG 26.06.2008, 23.10.2008 EzA § 23 KSchG Nr. 32, Nr. 33).

Zu den die Kündigung begründen Tatsachen, die der Kündigende vortragen und gegebenenfalls beweisen muss, gehören auch diejenigen, die Rechtfertigungs-und Entschuldigungsgründe (z.B. eine vereinbarte Arbeitsbefreiung, die Einwilligung des Arbeitgebers in eine Wettbewerbstätigkeit: eine "Notwehrsituation", vgl. LAG Köln 20.12.2000 ARST 2001, 187) für das Verhalten des gekündigten Arbeitnehmers ausschließen (BAG 06.08.1987 EzA § 626 BGB n.F. Nr. 109; 18.09.2008 - 2 AZR 1039/06, EzA-SD 8/2009 S. i; Notwehr bei tätlicher Auseinandersetzung; 03.11.2011 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 79 = NZA 2012, 607).

Der Umfang der Darlegungs- und Beweislast richtet sich danach, wie substantiiert der Gekündigte sich auf die Kündigungsgründe einlässt. Der Kündigende muss daher nicht von vornherein alle nur denkbare Rechtfertigungsgründe widerlegen.

Es reicht insoweit nicht aus, dass der Gekündigte pauschal und ohne nachprüf-bare Angaben Rechtfertigungsgründe geltend macht. Er muss deshalb unter substantiierter Angabe der Gründe, die ihn gehindert haben, seine Arbeitsleistung, so wie an sich vorgesehen, zu erbringen, den Sachvortrag des Kündigenden nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen bestreiten. Gleiches gilt dann, wenn sich der Gekündigte anders als an sich vorgesehen verhalten hat (s. BAG 18.09.2008 - 2 AZR 1039/06, FA 2009, 221 LS).

Nur dann ist es dem Kündigenden möglich, diese Angaben zu überprüfen und ggf. die erforderlichen Beweise anzutreten (BAG 06.08.1987 EzA § 626 BGB n.F. Nr. 109). Wenn der gekündigte Arbeitnehmer sich allerdings gegen die Kündigung wehrt und i.S.d. § 138 Abs. 2 ZPO ausführlich Tatsachen vorträgt, die einen Rechtfertigungsgrund für sein Handeln darstellen oder sonst das Verhalten in  einem milderen Licht erscheinen lassen können, muss der Arbeitgeber seinerseits Tatsachen vorbringen und ggf. beweisen, die die vom Arbeitnehmer vorgetragenen Rechtfertigungsgründe erschüttern (LAG Köln 21.04.2004 LAG Report 2005, 64 LS). Will der Arbeitgeber bspw. die außerordentliche Kündigung auf die Behauptung stützen, der Arbeitnehmer habe Beträge aus der Einlösung von Schecks unterschlagen, muss er im Einzelnen diese Unterschlagung darlegen und unter Beweis stellen. Wenn der Arbeitnehmer nachvollziehbar darlegt, wann und wenn er die Beträge abgeliefert hat, kann sich der Arbeitgeber nicht mit Erfolg auf den Standpunkt stellen, der Arbeitnehmer müsse die Ablieferung der Beträge beweisen (LAG Köln 26.06.2006 - 14 Sa 21/06, EzA-SD 19/06, S. 10 LS).

Die dem kündigenden Arbeitgeber obliegende Beweislast geht auch dann nicht auf den gekündigten Arbeitnehmer über, wenn dieser sich auf eine angeblich mit dem Arbeitgeber persönlich vereinbarte Arbeitsbefreiung beruft und er einer Parteivernehmung des Arbeitgebers zu der streitigen Zusage widerspricht.

In diesem Fall sind allerdings an das Bestreiten einer rechtswidrigen Vertragsverletzung hinsichtlich des Zeitpunkts, des Ortes und des Anlasses der behaupteten Vereinbarung, die das Verhalten des Arbeitnehmers rechtfertigen oder entschuldigen sollen, strenge Anforderungen zu stellen (BAG 24.11.1983 EzA § 626 BGB n.F. Nr. 88; APS/Dörner/Vossen § 626 BGB Rn. 173 ff.).

Gelingt es dem Arbeitgeber nicht, den Kündigungsvorwurf in tatsächlicher Hinsicht zu beweisen, ist die streitgegenständliche Kündigung mangels eines wichtigen Grundes i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB unwirksam (LAG RhPf 21.05.2010 NZA-RR 2011, 80).

Für das erforderliche Beweismaß der vollen Überzeugung im Sinne des § 286 Abs. 1 ZPO gelten nachfolgende Grundsätze:

Gemäß § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. Insofern ist das tatsächliche Vorbringen der Beklagten, dass die Klägerin zulässigerweise bestritten hat, nach Maßgabe der vor dem Arbeitsgericht durchgeführten Beweisaufnahme als wahr anzusehen.

Auf der Basis der abgeschlossenen Beweisaufnahme stellt die richterliche Würdigung einen internen Vorgang in der Person der Richter zur Prüfung der Frage dar, ob ein Beweis gelungen ist. Im Rahmen dieses internen Vorgangs verweist § 286 ZPO ganz bewusst auf das subjektive Kriterium der freien Überzeugung des Richters und schließt damit objektive Kriterien - insbesondere die naturwissenschaftliche Wahrheit als Zielpunkt - aus. Die gesetzliche Regelung befreit den Richter bzw. das richterliche Kollegium von jedem Zwang bei seiner Würdigung und schließt es damit auch aus, dass das Gesetz dem Richter vorschreibt, wie er Beweise einzuschätzen und zu bewerten hat. Dabei ist Bezugspunkt der richterlichen Würdigung nicht nur das Ergebnis der Beweisaufnahme, sondern der gesamte Inhalt der mündlichen Verhandlung (vgl. Münchner Kommentar zur ZPO - Prütting, 4. Auflage 2013, § 286 Rn. 1 ff.).

Hinsichtlich der Anforderungen an die richterliche Überzeugung ist von Folgendem auszugehen: Die richterliche Überzeugung ist nicht gleichzusetzen mit persönlicher Gewissheit. Der Begriff der Gewissheit stellt nämlich absolute Anforderungen an eine Person. Er lässt für - auch nur geringe - Zweifel keinen Raum. Dies wird gesetzlich aber nicht verlangt; die gesetzliche Regelung geht vielmehr davon aus, das Gericht müsse etwas für wahr "erachten". Bei dem Begriff der richterlichen Überzeugung geht es also nicht um ein rein personales Element der subjektiven Gewissheit eines Menschen, sondern darum, dass der Richter in seiner prozessordnungsgemäßen Stellung bzw. das Gericht in seiner Funktion als Streit entscheidendes Kollegialorgan eine prozessual ausreichende Überzeugung durch Würdigung und Abstimmung erzielt. Daraus folgt, dass es der richterlichen Überzeugung keinesfalls im Weg steht, wenn dem Gericht aufgrund gewisser Umstände Unsicherheiten in der Tatsachengrundlage bewusst sind. Unerheblich für die Beweiswürdigung und die Überzeugungsbildung ist auch die Frage der Beweislast. Richterliche Überzeugung ist vielmehr die prozessordnungsgemäß gewonnene Erkenntnis des einzelnen Richters oder der Mehrheit des Kollegiums, dass die vorhandenen Eigen- und Fremdwahrnehmungen sowie Schlüsse ausreichen, die Erfüllung des vom Gesetz vorgesehenen Beweismaßes zu bejahen. Es darf also weder der besonders leichtgläubige Richter noch der generelle Skeptiker ein rein subjektives Empfinden als Maß der Überzeugung setzen, sondern jeder Richter muss sich bemühen, unter Beachtung der Prozessgesetze, Ausschöpfung der gegebenen Erkenntnisquellen und Würdigung aller Verfahrensergebnisse in gewissenhafter und vernünftigerweise einer Entscheidung nach seiner Lebenserfahrung darüber zu treffen, ob im Urteil von der Wahrheit einer Tatsachenbehauptung auszugehen ist. Dabei muss sich das Gericht allerdings der Gefahren für jede Wahrheitsfindung bewusst sein.

Dabei ist letzten Endes ausschlaggebend, dass das Gesetz eine von allen Zweifeln freie Überzeugung nicht voraussetzt. Vielmehr kommt es auf die eigene Überzeugung des entscheidenden Richters an, auch wenn andere zweifeln oder eine andere Auffassung erlangt haben würden. Der Richter darf und muss sich aber in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGHZ 53, 245 = NJW 1970, 946; vgl. Münchner Kommentar zur ZPO - Prütting a. a. O., Rn. 28 ff). Vom Richter wird letztlich verlangt, dass er die volle Überzeugung erlangt, dass er eine streitige Tatsachenbehauptung für wahr erachtet. Diese Überzeugung kann und darf er nicht gewinnen, wenn für die streitige Behauptung nur die überwiegende Wahrscheinlichkeit spricht, vielmehr muss für die behauptete Tatsache eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit sprechen, damit der Richter die Tatsache für wahr erachtet.

Der Ausspruch einer außerordentlichen Verdachtskündigung, die die Beklagte vorsorglich beabsichtigt, ist an folgende Voraussetzungen geknüpft:

Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG z. B. (04.06.1964 AP Nr. 13 zu    § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung; 10.02.2005 EzA § 1 KSchG Verdachtskündigung Nr. 3; 29.11.2007 EzA § 626 BGB 21002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 5; 05.06.2008 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7; 25.11.2010 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 21.06.2012 EzA § 9 KSchG n.F. Nr. 63 = NZA 2013, 199; 25.10.2012 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 13) kann auch der auf objektive - unstreitige oder bewiesene - Tatsachen gründende dringende Verdacht einer Straftat mit Bezug zum Arbeitsverhältnis oder eines sonstigen erheblichen Fehlverhaltens, einer schwerwiegenden Verletzung von erheblichen arbeitsvertraglichen Pflichten (BAG 24.05.2012 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 11 = NZA 2013, 137) ein an sich zur außerordentlichen Kündigung berechtigender Umstand sein (s. Lunck NJW 2010, 2753 ff.). Auch insoweit ist für die kündigungsrechtliche Beurteilung einer Pflichtverletzung ihre strafrechtliche Bewertung nicht maßgebend. Entscheidend sind der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichtigen (§ 241 Abs. 2 BGB; Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch (BAG 25.11.2010 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 21.06.2012 EzA § 9 KSchG n.F. Nr. 63 = NZA 2013, 199).

Eine Verdachtskündigung setzt danach voraus (s. BAG 25.11.2010 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; LAG RhPf 08.07.2009 - 8 Sa 203/09, AuR 2010, 176 LS; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, a. a. O., Kap. 4, Rn. 1551 ff. = S. 1712 ff.), dass

-

die Kündigung gerade auf den Verdacht der strafbaren Handlung bzw. eines vertragswidrigen Verhaltens gestützt wird;

-

eine Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch der Kündigung erfolgt ist;

-

zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung ein dringender Tatverdacht gegen den Arbeitnehmer besteht und

-

eine umfassende Interessenabwägung der widerstreitenden Interessen des Arbeitgebers einerseits an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses einerseits und dem des Arbeitnehmers an der Fortsetzung (einstweiligen Fortsetzung des Arbeitnehmers) andererseits überwiegt.

Die danach maßgeblichen Voraussetzungen sind vorliegend zu verneinen. Denn vorliegend fehlt es am dringenden Verdacht einer erheblichen Pflichtverletzung, der sich entweder aus den Umständen oder aus objektiven Tatsachen ergeben muss.

Der Verdacht einer Straftat ist nämlich nur dann ein an sich zur außerordentlichen Kündigung berechtigender Umstand, wenn er zum einen objektiv durch bestimmte Tatsachen begründet ist - subjektive Wertungen des Arbeitgebers reichen nicht aus - und sich aus Umständen ergibt, die so beschaffen sind, dass sie einen verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zum Ausspruch der Kündigung veranlassen können; er muss also dringend sein; es muss bei kritischer Prüfung eine auf Indizien gestützte große Wahrscheinlichkeit für eine erhebliche Pflichtverletzung gerade des gekündigten Arbeitnehmers bestehen (BAG 21.06.2012 EzA  § 9 KSchG n.F. Nr. 63 = NZA 2013, 199; 12.05.2010 EzA § 15 KSchG n.F. Nr. 67; 13.03.2008 EzA § 626 BGBN 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 6; 29.11.2007 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 5; 10.02.2005 EzA § 1 KSchG Verdachtskündigung Nr. 3; LAG SchlH 25.02.2004 NZA-RR 2005, 132; LAG Köln 14.05.2008 - 7 TaBV 6/08, AuR 2009,104 LS). Aus der Darlegung des Arbeitgebers muss sich ein dringender Verdacht auf eine in ihren Einzelheiten gekennzeichnete Straftat oder vergleichbare Pflichtwidrigkeit i.S. eines konkreten Handlungsablaufs schlüssig ergeben; sind die insoweit vorgetragenen Tatsachen nicht unstreitig, muss Beweis erhoben werden (LAG Bln-Bra. 16.12.2010 LAGE § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10).

Allein aus dem Umstand, dass die dem Arbeitnehmer zur Last gelegte Handlung nicht mit letzter Sicherheit erwiesen ist, kann zwar nicht gefolgert werden, auch die Verdachtskündigung sei nicht gerechtfertigt. Insgesamt muss aber nicht nur der Verdacht als solcher schwerwiegend sein. Vielmehr muss ihm auch ein erhebliches Fehlverhalten des Arbeitnehmers - strafbare Handlung oder schwerwiegende Pflichtverletzung (Tat) - zugrunde liegen. Die Verdachtsmomente müssen daher regelmäßig ein solches Gewicht erreichen, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses überhaupt nicht mehr zugemutet werden kann (BAG 27.11.2008 EzA § 1 KSchG Verdachtskündigung Nr. 4).

Der Verdacht muss zudem dringend sein, d. h. es muss eine große, zumindest überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass der Arbeitnehmer eine Straftat begangen hat, obwohl der Arbeitgeber alle ihm zumutbaren Anstrengungen zur Sachverhaltsaufklärung unternommen hat (BAG 30.04.1987 EzA § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3; 06.09.2007 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 29: stark oder dringend; 13.03.2008 EZA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 6: starke Verdachtsmomente; LAG Hamm 22.09.2004 LAGE § 1 Verdachtskündigung Nr. 1; a. A. LAG Köln 10.08.1999 ARST 2000, 161: so knapp unter der Schwelle der Gewissheit, dass nachhaltigen Zweifeln Schweigen geboten ist; LAG Köln 14.05.2008 - 7 TaBV 6/08, AuR 2009, 104 LS u. 13.08.2009 - 7 Sa 1256/07, AuR 2009, 369 LS: nur geringfügiges Zurückbleiben hinter der Gewissheit der Tatbegehrung; LAG SchlH 25.02.2003 - 3 Sa 491/03, NZA-RR 2005, 132: große Wahrscheinlichkeit, schwerwiegende Verdachtsmomente; LAG Nds. 08.06.2004 NZA-RR 2005, 24: starke Verdachtsmomente).

Im Rahmen der Anwendung dieser Grundsätze gelten wegen der gesetzlich angeordneten ordentlichen Unkündbarkeit für Betriebsratsmitglieder (§ 15 Abs. 1 KSchG) folgende Besonderheiten:

Der wichtige Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGHB kann nur in einem Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten, auch Nebenpflichten liegen; stützt der Arbeitgeber den wichtigen Grund i. S. v. § 15 Abs. 1KSchG, § 626 Abs. 1 BGB bei einem Betriebsratsmitglied auf dessen Verhalten, muss dieses sich also als Verletzung von Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis darstellen (s. § 241 Abs. 2 BGB; BAG 19.07.2012 EzA § 15 KSchG n.F. Nr. 72 = NZA 2013, 143; 27.01.2011 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10 = NZA 2011, 798; 24.03.2011 - 2 AZR 282/10, EzA-SD 16/2011 S. 3 LS = NZA 2011, 1029; 09.06.2011 EZA § 626 BGB 2002 Nr. 35). Verstößt es sowohl gegen eine Amts- als auch gegen eine für alle Arbeitnehmer gleichermaßen geltende vertragliche Pflicht liegt - jedenfalls auch - eine Vertragspflichtverletzung vor (BAG 19.07.2012 EzA § 15 KSchG n.F. Nr. 72 = NZA 2013, 143). Bei Verstößen allein gegen Amtspflichten kommt dagegen nur § 23 Abs. 1 BetrVG in Betracht (BAG 22.08.1974 EzA § 103 BetrVG 1972 Nr. 6).

Stellt eine Handlung zugleich eine Amtspflichtverletzung und eine Verletzung  arbeitsvertraglicher Pflichten dar, so ist eine außerordentliche Kündigung nur möglich, wenn die Vertragsverletzung für sich betrachtet einen wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB darstellt. Ein bestimmtes Verhalten ist ausschließlich eine Amtspflichtverletzung, wenn das Betriebsratsmitglied lediglich kollektivrechtliche Pflichten verletzt hat. Verstößt das Betriebsratsmitglied stattdessen gegen eine für alle Arbeitnehmer gleichermaßen geltende vertragliche Pflicht, liegt - zumindest auch - eine Vertragspflichtverletzung vor. In solchen Fällen ist an die Berechtigung der fristlosen Einstellung allerdings ein strengerer Maßstab anzulegen als bei  einem Arbeitnehmer, der dem Betriebsrat nicht angehört (BAG 19.07.2012 EzA  § 15 KSchG n.F. Nr. 72 = NZA 2013, 143; 12.05.2010 EzA § 15 KSchG n.F. Nr. 67; 05.11.2009 EzA § 15 KSchG n.F. Nr. 64).

Im Rahmen eines wichtigen Grundes ist zu prüfen, ob dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zugemutet werden kann (BAG 19.07.2012 EzA § 15 KSchG n.F. Nr. 72 = NZA 2013, 143; s. LAG Düsseld. 04.09.2013 LAGE § 103 BetrVG 2001 Nr. 15 Wettbewerbstätigkeit; s. Rdn. 1138 ff. 1131 ff.). Ist eine Weiterbeschäftigung bis dahin zumutbar, ist die Kündigung unwirksam (BAG 19.07.2012 EzA § 15 KSchG n.F. Nr. 72 = NZA 2013, 143).

Da die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses aber ausgeschlossen ist, solange der besondere Kündigungsschutz besteht, ist bei dieser Prüfung an sich die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses i.d.R. bis zum 65. Lebensjahr (bei Männern) bei Bestehen einer entsprechenden, meist tariflichen Altersgrenze zugrunde zu legen. Dennoch ist nach der Rechtsprechung des BAG (06.03.1986 EzA § 15 KSchG n.F. Nr. 34; 18.02.1993 EzA § 15 KSchG n.F. Nr. 40; 05.11.2009 EzA § 15 KSchG n.F. Nr. 64; 12.05.2010 EzA § 15 KSchG n.F. Nr. 67; 19.07.2012 EzA § 15 KSchG n.F. Nr. 72 = NZA 2013, 143) diejenige Kündigungsfrist (fiktiv) zugrunde zu legen, die ohne den besonderen Kündigungsschutz für den betroffenen Arbeitnehmer gelten würde (vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, a. a. O., Kap. 4 Rn. 563 ff.).

Denn die Tatsache, dass die ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist, darf nicht zum Nachteil des betroffenen Arbeitnehmers berücksichtigt werden.

Nach Auffassung des BAG (19.07.2012 EzA § 15 KSchG n.F. Nr. 72 = NZA 2012, 143; 12.05.2010 EzA § 15 KSchG n.F. Nr. 67; 05.11.2009 EzA § 15 KSchG n.F. Nr. 64; 16.10.1986 EzA § 626 BGB n.F. Nr. 105; abl. LAG Köln 28.11.1996 NZA 1997, 1166 LS; Leutze DB 1993, 2590 ff.) ist im Übrigen an die Berechtigung der fristlosen Entlassung ein strengerer Maßstab anzulegen als bei einem Arbeitnehmer der dem Betriebsrat nicht angehört.

Dadurch soll die freie Betätigung des Betriebsratsmitglieds in seinem Amt gewährleistet werden.

Denn eine Verletzung der Pflichten aus dem Arbeitsvertrag, die im Rahmen der Amtstätigkeit begangen wird, kann aus einer Konfliktsituation heraus entstanden sein, der der Arbeitnehmer, der nicht Betriebsratsmitglied ist, nicht ausgesetzt ist. Das gilt z.B. für Beleidigungen im Verlauf schwieriger und erregter Auseinandersetzungen. Die damit ermöglichte Tat- und Situationsgerechtigkeit ist keine verbotene Besserstellung des Betriebsratsmitglieds, sondern nur die Folge der Beachtung der besonderen Sachlage (BAG 16.10.1986 EzA § 626 BGB n.F. Nr. 105). Im Rahmen der Interessenabwägung ist also zu berücksichtigen, ob ein Funktionsträger gerade in Ausübung seines Amts in Konflikt mit seinen arbeitsvertraglichen Pflichten geraten ist. Die Beachtung dieses Gesichtspunkts ist gemeint, wenn darauf verwiesen wird, in einem solchen Fall sei ein strengerer Maßstab an den wichtigen Grund anzulegen (BAG 19.07.2012 EzA § 15 KSchG n.F. Nr. 72 = NZA 2013, 143; s.a. VGH München 22.04.2013 - 17 P 12/1862, NZA-RR 2013, 518: Stinkefinger).

Insoweit ist vorliegend zunächst aufgrund der Besonderheiten des hier konkret zu entscheidenden Lebenssachverhalts davon auszugehen, dass die Berücksichtigung des tatsächlichen Vorbringens der Beteiligten zum Einen aufgrund eines umfassenden Sachvortrags- und Beweisverwertungsverbots hinsichtlich der von ihr in Bezug genommenen Tonaufnahme ausgeschlossen ist. Denn diese Aufnahme, deren Veranlasser nicht feststeht und nicht ermittelt werden konnte, ist offensichtlich im Betriebsratsbüro des Beteiligten zu 2) unter Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der insoweit beteiligten Gesprächsteilnehmer und insbesondere des Beteiligten zu 3) zustande gekommen, ohne dass überwiegende Interessen der Beteiligten zu 1) eine Verwertung rechtfertigen könnten.

Die Frage, ob und inwieweit das Gericht ein rechtswidrig erlangtes Beweismittel seiner Entscheidung zugrunde legen und im Rahmen seiner Beweiswürdigung verwerten darf, wird unterschiedlich beantwortet. Die Kammer geht insoweit davon aus, dass im Ausgangspunkt von einem aus dem Justizgewährungsanspruch folgenden Recht der Parteien auszugehen ist, für ihre Tatsachenbehauptungen auch Beweis anzutreten und zu führen (BVerfG 24.06.2002 NJW 2002, 3624). Aus diesem "Recht auf Beweis" folgt, dass ein Beweisergebnis im Normalfall verwertet werden darf und eine Abweichung von dieser Regel einer besonderen Rechtfertigung bedarf (BAGE 145, 283). Diese Rechtfertigung ergibt sich nicht allein aus der rechtswidrigen Erlangung des Beweismittels selbst. Maßgebend muss vielmehr sein, ob der Schutzzweck der jeweils verletzten Norm eine Verwertung im Prozess verbietet (BGH 10.12.2002 NJW 2003, 1124).

Ein Verwertungsverbot greift danach insbesondere dann ein, wenn ein verfassungsrechtlich geschütztes Grundrecht des Einzelnen, insbesondere das aus Artikel 1, 2 GG folgende allgemeine Persönlichkeitsrecht, verletzt ist, und die Beweiserhebung eine erneute Grundrechtsverletzung bedeuten würde. Erforderlich ist allerdings stets eine Güterabwägung zwischen dem gegen eine Verwertung sprechenden verletzten Rechtsgut auf der einen und dem gegebenenfalls auch schutzwürdigen Interesses des Beweisführers an der Verwertung des Beweismittels auf der anderen Seite (BVerfG a. a. O. 05.11.2013; NJW 2014, 534; BGH 12.01.2005 NJW 2005, 499; NJW 28.10.2009 2010, 290; 15.05.2013,NJW 2013, 2670; BAG 27.03.2013 NJW 2003, 3437). Insoweit wird aber auf Seiten des Beweisführers eine notwehr- oder notwehrähnliche Situation vorliegen müssen (BGH NJW - RR 2010, 1292). Liegt ein Verwertungsverbot vor, darf es nicht durch die Heranziehung eines anderen Beweismittels ausgehöhlt werden (Prütting-Gehrlein-Laumen, ZPO, 9. Auflage, § 284, Rn. 26 ff.).

Heimliche Tonbandaufnahmen oder besondere Tonaufzeichnungen, die ohne Zustimmung des Betroffenen hergestellt werden, stellen eine Verletzung des durch Artikel 1, 2 GG geschützten Persönlichkeitsrechts dar und unterliegen deshalb grundsätzlich einem Beweisverwertungsverbot (BVerfGE NJW 1973, 892). Eine andere Beurteilung ist nur dann geboten, wenn der Beweisgegner seine Zustimmung zur Aufnahme erteilt hatte oder die Aufnahme im Rahmen des üblichen geschäftlichen Verkehrs erfolgt ist. Nur im Einzelfall kann eine umfassende Interessenabwägung dazu führen, ein durch die Verletzung des Persönlichkeitsrechts gewonnenes Beweismittel im Prozess zuzulassen (Prütting-Gehrlein-Laumen, a. a. O., Rn. 29).

Das BAG (22.09.2016 - 2 AZR 848/15 - NZA 2017, 112; vgl. LAG Rheinland-Pfalz 09.10.2017 - 3 Sa 256/17), hat insoweit ausgeführt:

"aa) Ein Sachvortrags- oder Beweisverwertungsverbot wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer Partei kann sich im arbeitsgerichtlichen Verfahren aus der Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung des Prozessrechts ergeben.

(1) Weder die Zivilprozessordnung noch das Arbeitsgerichtsgesetz enthalten Vorschriften zur prozessualen Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Erkenntnisse oder Beweise. Vielmehr gebieten der Anspruch auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG und der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) grundsätzlich die Berücksichtigung des Sachvortrags der Parteien und der von ihnen angebotenen Beweismittel. Dementsprechend bedarf es für die Annahme eines Beweisverwertungsverbots einer besonderen Legitimation und gesetzlichen Grundlage. Dies gilt ebenso für ein etwaiges Sachvortragsverwertungsverbot.

Die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) über die Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung begrenzen nicht die Zulässigkeit von Parteivorbringen und seine Verwertung im Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen. Dessen Normen konkretisieren und aktualisieren zwar den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild (§ 1 Abs. 1 BDSG). Sie regeln, in welchem Umfang im Anwendungsbereich des Gesetzes Eingriffe durch öffentliche oder nichtöffentliche Stellen iSd. § 1 Abs. 2 BDSG in diese Rechtspositionen zulässig sind, sehen Informations- und Auskunftsansprüche der Betroffenen (§§ 19, 19 a, 33, 34 BDSG) sowie Ansprüche auf Berichtigung, Löschung und Sperrung von Daten (§§ 20, 35 BDSG) vor und normieren Tatbestände, in denen Verstöße eine Ordnungswidrigkeit oder gar Straftat darstellen (§§ 43, 44 BDSG).

Sie ordnen für sich genommen jedoch nicht an, dass unter ihrer Missachtung gewonnene Erkenntnisse oder Beweismittel bei der Feststellung des Tatbestands im arbeitsgerichtlichen Verfahren vom Gericht nicht berücksichtigt werden dürften. Das bestätigt auch ein Umkehrschluss aus § 1 Abs. 4 BDSG. Nach dieser Bestimmung gehen die Vorschriften des Gesetzes (lediglich) denen des Verwaltungsverfahrensgesetzes "bei der Ermittlung des Sachverhalts" vor.

Ein Beweisverwertungsverbot oder ein Verbot, selbst unstreitigen Sachvortrag zu verwerten, kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn dies aufgrund einer verfassungsrechtlich geschützten Position einer Prozesspartei zwingend geboten ist. Das Gericht tritt den Verfahrensbeteiligten in Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt gegenüber. Es ist daher nach Art. 1 Abs. 3 GG bei der Urteilsfindung an die insoweit maßgeblichen Grundrechte gebunden und zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung verpflichtet. Dabei können sich auch aus materiellen Grundrechten wie Art. 2 Abs. 1 GG Anforderungen an das gerichtliche Verfahren ergeben, wenn es um die Offenbarung und Verwertung von persönlichen Daten geht, die grundrechtlich vor der Kenntnis durch Dritte geschützt sind. Das Gericht hat deshalb zu prüfen, ob die Verwertung von heimlich beschafften persönlichen Daten und Erkenntnissen, die sich aus diesen Daten ergeben, mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vereinbar ist. Dieses Recht schützt nicht allein die Privat- und Intimsphäre, sondern in seiner speziellen Ausprägung als Recht am eigenen Bild auch die Befugnis eines Menschen, selbst darüber zu entscheiden, ob Filmaufnahmen von ihm gemacht und möglicherweise gegen ihn verwendet werden dürfen. Auch wenn keine spezielle Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betroffen ist, greift die Verwertung von personenbezogenen Daten in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein, das die Befugnis garantiert, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden. Der Achtung dieses Rechts dient zudem Art. 8 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK).

Greift die prozessuale Verwertung eines Beweismittels in das allgemeine Persönlichkeitsrecht einer Prozesspartei ein, überwiegt das Interesse an seiner Verwertung und der Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege das Interesse am Schutz dieses Grundrechts nur dann, wenn weitere, über das schlichte Beweisinteresse hinausgehende Aspekte hinzutreten. Das Interesse, sich ein Beweismittel zu sichern, reicht für sich allein nicht aus. Vielmehr muss sich gerade diese Art der Informationsbeschaffung und Beweiserhebung als gerechtfertigt erweisen. Ein Beweisverwertungsverbot wegen eines ungerechtfertigten Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst dabei nicht nur das unrechtmäßig erlangte Beweismittel selbst, hier ggf. eine In-Augenscheinnahme der Videoaufzeichnungen, sondern auch dessen mittelbare Verwertung wie etwa die Vernehmung eines Zeugen über den Inhalt des Bildmaterials (BAG Urt. v. 22.09.2016 - 2 AZR 848/15 - NZA 2017, 112; BVerfG v. 31.07.2001 - 1 BvR 304/01 - zu II 1 b bb der Gründe)".

Unter Anwendung dieser Grundsätze sah sich die Kammer an der Verwertung der Tonaufzeichnung und der Vernehmung etwaiger insoweit benannter Zeugen gehindert.

Vorliegend ist die streitgegenständliche Tonaufnahme heimlich und somit unter Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht der an den fraglichen Gesprächen Beteiligten erfolgt. Dieser Verfassungsverstoß wiegt umso schwerer, als die Aufnahme im Betriebsratsbüro des Beteiligten zu 2) erfolgt ist. Dabei handelt es sich um einen Ort, der im besonderen Maße zu vertraulichen Gesprächen dient, die nicht zur Kenntnisnahme Dritter, also anderer Mitglieder der Belegschaft, aber insbesondere auch des Arbeitgebers bestimmt sind. Insoweit muss die Möglichkeit der unbewachten Kommunikation zwischen Betriebsratsmitgliedern einerseits, aber auch durchaus in Gesprächen mit einzelnen Arbeitnehmern über deren persönliche und betriebliche Belange gegeben sein. Die Funktionsfähigkeit des Gremiums Betriebsrat wäre massiv beeinträchtigt, wenn seine Mitglieder bei Besprechungen im Betriebsratsbüro damit rechnen müssten, dass die jeweiligen Inhalte betriebsöffentlich bekannt würden bzw. vom Arbeitgeber zum Anlass genommen werden könnten, arbeitsrechtliche Sanktionen in Betracht zu ziehen. Eine unbefangene Betriebsratstätigkeit, die auch gerade in Kontroversen mit dem Arbeitgeber besteht, aber auch innerhalb häufig vorhandener verschiedener Gruppierungen innerhalb des Gremiums Betriebsrat wäre in erheblichem Maße beeinträchtigt, wenn nicht ausgeschlossen. Demgegenüber liegen über das schlichte Beweisinteresse hinausgehende Aspekte auf Seiten der Beteiligten zu 1) ersichtlich nicht vor. Ohne die Erlangung der rechtswidrig zustande gekommenen Tonaufnahme hätte die Beteiligte zu 1) von den maßgeblichen Umständen keinerlei Kenntnis gehabt. Anhaltspunkte für eine notwehrähnliche Situation seitens der Beteiligten zu 1) bestehen ebenso wenig. Vielmehr ist demgegenüber die Art und Weise der Informationsbeschaffung aufgrund der dargestellten Umstände in besonderem Maße als missbilligenswert anzusehen, auch wenn damit hinsichtlich der Beteiligten zu 1) kein Vorwurf verbunden ist, weil sie diese Aufnahme weder veranlasst, noch sich in beanstandenswerter Weise verschafft hat. Vielmehr hat sich der Mitarbeiter U. selbst zum fraglichen Zeitpunkt noch Betriebsratsmitglied, an die Beteiligte zu 1) unter Vorlage der Aufzeichnung gewandt. Gleichwohl kommt nach Auffassung der Kammer aufgrund der Gesamtumstände eine Verwertung, wie dargelegt, nicht in Betracht.

Etwas anderes folgt entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 1) auch nicht aus dem durch den vom Betriebsrat in die Wege geleitete strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen der rechtswidrigen Tonaufnahme gegen Mitarbeiter der Beteiligten zu 1). Zwar kann insoweit davon ausgegangen werden, insoweit folgt die Kammer der Beteiligten zu 1), dass gerade deshalb, weil dieses Ermittlungsverfahren von den durch die offensichtliche Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch die heimliche Tonaufnahme Betroffenen selbst gegen Mitarbeiter der Beteiligten zu 1) eingeleitet worden ist, die daraus gewonnenen Erkenntnisse nicht einem Beweisverwertungs- und Tatsachenvortragsverbot unterliegen können. Die zuvor dargestellten Grundsätze gelten also für diese Tatsachen nicht. Allerdings teilt die Kammer die Auffassung der Beteiligten zu 1) ausdrücklich nicht, dass insoweit Erkenntnisse gewonnen wurden, die das zwischen der Beteiligten zu 1) und dem Beteiligten zu 3) bestehende Arbeitsverhältnis auch nur zu beeinträchtigen geeignet erscheinen. Aus den von der Beteiligten zu 1) vorgelegten Unterlagen (Bl. 372 ff. d. A.) ergibt sich zunächst nur, dass entgegen der Darstellung der Beteiligten zu 1) in beiden Rechtszügen keineswegs sicher ist, dass die Darstellungen der Betriebsratsmitglieder nicht zutrifft, dass es sich bei der Tonaufnahme um eine Montage verschiedener Mitschnitte handelt. Vielmehr kommt die Untersuchung der Sprachaufzeichnung lediglich zu dem Ergebnis, dass die Erfolgsaussichten einer dahingehenden Untersuchung z. B. durch das Bundeskriminalamt oder bzw. in Verbindung mit dem Hersteller der Speicherkarte gering und sie zudem sehr zeit- und vor allem kostenintensiv wäre. Zudem würden die Erfolgsaussichten für diesen speziellen Sachverhalt in allen Fällen gegen Null gehen. Aus dem sodann vorgelegten Einsatzbericht hinsichtlich der Beschlagnahme der ST-Karte ergibt sich im Hinblick auf den Beteiligten zu 3) nichts (Bl. 376, 377 d. A.). Gleiches gilt für die Vernehmung des Zeugen U. (Bl. 378 ff. d. A.), den Whats-App Nachrichten zwischen Herrn L. und Herrn U. (Bl. 381, 382 d. A.) sowie der Vernehmung des Beteiligten zu 3) (Bl. 383 ff. d.A.). Ebenso wenig folgen aus der Vernehmung der Zeugen L. und S. (Bl. 388, 389 d. A.) tatsächliche Erkenntnisse im Hinblick auf ein arbeitsvertragswidriges Verhalten des Beteiligten zu 3). Selbst wenn also hinsichtlich der Erkenntnisse des Ermittlungsverfahrens kein Beweisverwertungs- und Tatsachenvortragsverbots gegeben ist, weil dieses Ermittlungsverfahren gerade von dem in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht selbst Betroffenen eingeleitet wurde, und zwar gerichtet gegen die Mitarbeiter der Beteiligten zu 1), so sind die in diesem Ermittlungsverfahren zu Tage getretenen Erkenntnisse zwar vortragbar, verwertbar, inhaltlich aber nicht geeignet, eine Grundlage für die Verletzung arbeitsvertraglicher oder betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten des Beteiligten zu 3) darzustellen.

Selbst wenn man insoweit anderer Auffassung wäre, würde dies hinsichtlich der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung bzw. des Ausschlusses aus dem Betriebsrat zu keinem anderen Ergebnis führen.

Dabei kann im Hinblick auf § 626 Abs. 1 BGB zwar zugunsten der Beteiligten zu 1) unterstellt werden, dass vorliegend nicht nur eine Amtspflichtverletzung im Raume steht, sondern gleichermaßen eine Verletzung einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht (vgl. § 241 Abs. 2 BGB). Insoweit kann davon ausgegangen werden, dass der Arbeitnehmer verpflichtet ist, Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse nicht zu offenbaren. Allerdings ist sowohl für die vertragliche Geheimhaltungspflicht, als auch für die spezialgesetzlichen Vorschriften, vorliegend insbesondere § 79 Abs. 1 BetrVG, 120 Abs. 2 BetrVG, wesentlich der Begriff des Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses. Darunter versteht man Tatsachen, die im Zusammenhang mit einem Geschäftsbetrieb bestehen, nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt sind, nicht offenkundig sind, nach dem ausdrücklichen oder konkludent bekundeten Willen des Betriebsinhabers geheim gehalten werden sollen, und an deren Geheimhaltung der Unternehmer ein berechtigtes, wirtschaftliches Interesse hat (BAG 15.12.1987 NZA 1988, 502; ErfK-Preis, 17. Auflage 2017, § 611 BGB Rn. 711). Dabei kann eine Tatsache durchaus nur einem eng begrenzten Personenkreis aktuell bekannt sein, ohne dass bereits ein "Geheimnis" vorliegt. Offenkundig ist ein Betriebsgeheimnis schon dann, wenn es in einer Weise an die Öffentlichkeit gelangt ist, die es jedermann zugänglich macht, d. h. ohne Schwierigkeiten in Erfahrung gebracht werden kann. Selbst wenn man insoweit aber annehmen würde, dass ein Verstoß gegen § 79 Abs. 1 BetrVG und gegen § 120 Abs. 2 BetrVG auch als arbeitsvertragliche Pflichtverletzung zu qualifizieren wäre, so ist vorliegend für die Kammer entscheidend, dass das von der Beteiligten zu 1) selbst gefertigte und zur Gerichtsakte gereichte Gedächtnisprotokoll vom 13.09.2016 keine hinreichenden Anhaltspunkte für ein derartiges Fehlverhalten, also für eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung, des Beteiligten zu 3), ergibt. Denn nicht der Beteiligte zu 3), sondern Herr L., hat danach zu Herrn Sc. gesagt, dass Herr U. Depressionen hat. Der Beteiligte zu 3) hat lediglich in diesem Zusammenhang geäußert, dass Herr U. "falsch tickt". Danach hat der Beteiligte zu 3) ihn einmal kritisch darauf angesprochen, wie er auf seine Kollegen wirkt und danach sei er direkt krank gewesen. Daran habe er lange knabbern müssen. Er mache daher nichts mehr. Damit hat der Beteiligte zu 3) aber ersichtlich kein "Geheimnis" gegenüber Herrn Sc. offenbart, sondern eine persönliche Meinung kundgetan, wozu er als befugt anzusehen ist. Soweit die Beteiligte zu 1) dem Beteiligten zu 3) vorwirft, die durch Herrn L. geäußerten Beleidigungen im Hinblick auf Herrn U. nicht unterbunden zu haben, erschließt sich für die Kammer nicht, inwieweit der Beteiligte zu 3) insoweit überhaupt hätte eingreifen können; Anhaltspunkte dafür, dass in diesem Zusammenhang dem Beteiligten zu 3) eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung vorzuwerfen sein könnte, bestehen nicht. Nichts anderes gilt im Hinblick auf den verstorbenen Mitarbeiter, Herrn G.. Aus dem Gedächtnisprotokoll ergibt sich nicht einmal, dass der Beteiligte zu 3) den Anwesenden überhaupt offenbart habe, dass Herr G. Suizid verübt habe. Vielmehr enthält das Gedächtnisprotokoll den Klammerzusatz "Mitarbeiter Herr G. beging dieses Jahr Suizid". Die gesprächsweise Äußerung, die Übergabe von Versicherungsunterlagen durch die Witwe und die Berechnung des Sterbegeldes betreffend, betreffen aber nach Auffassung der Kammer keine Betriebsgeheimnisse. Gleiches gilt für die im Gedächtnisprotokoll enthaltene "Diskussion zwischen Herrn E. und Herrn L. bezüglich der korrekten Berechnung der Urlaubs-Mehrvergütung von Herrn Gü.". Hinsichtlich des alkoholkranken Mitarbeiters J. schließlich enthält das Gedächtnisprotokoll keinerlei Beteiligung des Beteiligten zu 3), sodass auch insoweit nicht ersichtlich ist, was ihm insoweit vorgeworfen werden sollte.

Selbst wenn man insoweit anderer Auffassung wäre, so wäre zum anderen doch davon auszugehen, dass eine entsprechende Arbeitsvertragspflichtverletzung aufgrund der Umstände der Gesprächssituation und der Gesprächsinhalte derart geringfügig einzustufen wäre, dass eine außerordentliche Kündigung des langjährig zwischen den Beteiligten zu 1) und 3) bestehenden Arbeitsverhältnisses ohne vorherige einschlägige Abmahnung nicht in Betracht käme. Nach dem Prognoseprinzip kann entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 1) auch keineswegs davon ausgegangen werden, dass eine Abmahnung keinen Erfolg versprechen würde.

Etwas anderes folgt auch nicht aus den von der Beteiligten zu 1) behaupteten Äußerungen des Beteiligten zu 3) vom 15.09.2016. Dass der Beteiligte zu 3), der von einem illegalen Lauschangriff betroffen war und der infolgedessen nunmehr sein Arbeitsverhältnis in seinem Bestand als bedroht ansehen musste, sich gegenüber der Beteiligten zu 1) deutlich und auch drastisch äußerte, ist nachvollziehbar. Dabei sind die von der Beteiligten zu 1) dargestellten Äußerungen gleichwohl letztlich nicht zu beanstanden. Dass er nicht ohne entsprechende Kompensation aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden wolle, ist eine legitime Position. Arbeitnehmer und Betriebsratsmitglieder müssen nicht bequem sein. Dass er eine strafrechtliche Verfolgung des oder der Täter in Betracht zieht, ist ebenso nachvollziehbar, wie die Mutmaßung, dass es sich um Herrn U. handeln könne, was sich freilich nicht hat beweisen lassen. Allenfalls der Hinweis, sich an die Presse zu wenden, könnte in diesem Zusammenhang Berücksichtigung finden, wobei allerdings die tatsächliche Entwicklung des Geschehens belegt, dass der Beteiligte zu 3) entsprechende Schritte nicht unternommen hat, sodass sich die Frage, inwieweit insoweit ein pflichtwidriges Verhalten vorgelegen hat, nicht stellt. Insgesamt lassen also auch die Äußerungen des Beteiligten zu 3) vom 15.09.2016, so, wie von der Beteiligten zu 1) dargestellt, keinen Rückschluss darauf zu, dass eine Abmahnung gegebenenfalls von vornherein aussichtslos gewesen wäre, weil nicht geeignet, das zukünftige Verhalten des Beteiligten zu 3) im Hinblick auf die Erfüllung seiner vertraglichen Haupt- und Nebenpflichten zu gewährleisten.

Schlussendlich würde auch im Rahmen der abschließend stets durchzuführenden Interessenabwägung anhand der Geringfügigkeit eines etwaigen Fehlverhaltens des Beteiligten zu 3) einerseits, der langen beanstandungsfreien Dauer des Arbeitsverhältnisses andererseits, das Interesse des Beteiligten zu 3) an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, das der Beteiligten zu 1) an dessen außerordentlichen Beendigung überwiegen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass ein etwaiges Fehlverhalten des Beteiligten zu 3) erhebliche betriebliche Störungen nach sich gezogen hat. Insoweit lässt sich dem Vorbringen der Beteiligten zu 1) allein der Umstand entnehmen, dass die Tonaufnahme zu einer erheblichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Mitarbeiters U. und zu dessen Ausscheiden aus dem Betriebsrat geführt hat. Allerdings ist für die Kammer nicht nachvollziehbar, inwieweit dies auf die im Gedächtnisprotokoll der Beteiligten zu 1) festgehaltenen Äußerung des Beteiligten zu 3) zurückzuführen sein soll. Hinzu kommt, dass die Tatsache, dass Herr U. gesundheitliche Probleme hatte, dem Betriebsangehörigen schon durch die Fehlzeiten ohne weiteres bekannt war; dass entsprechende Fehlzeiten auf einer Krankheit beruhen mussten, der wiederum eine ärztliche Diagnose zugrunde lag, lag also für die Mitarbeiter der Beteiligten zu 1) auf der Hand. Dem Beteiligten zu 3) ist aber die rechtswidrige Fertigung einer Tonaufnahme im Betriebsratsbüro ebenso wenig anzulasten, wie die Äußerung des Schwerbehindertenvertreters.

Aus den gleichen Gründen kommt eine außerordentliche Verdachtskündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB nicht in Betracht.

Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 1) kommt vorliegend auch ein Ausschluss des Beteiligten zu 3) aus dem Betriebsrat gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG nicht in Betracht. Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 BetrVG kann der Arbeitgeber zwar beim Arbeitsgericht den Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten beantragen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend aber, insoweit folgt die Kammer dem Arbeitsgericht, nicht gegeben. Die Amtsenthebung ist das Mittel, für die Zukunft ein Mindestmaß gesetzmäßiger Amtsausübung des Betriebsrats sicherzustellen (vgl. GK/BetrVG/Oetker, BetrVG, 10. Auflage, § 23 Rn. 15). Deshalb können nur grob gegen ihre Pflichten verstoßende Betriebsratsmitglieder bei entsprechenden Verstößen von der weiteren Mitwirkung bei der Gestaltung der betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung ausgeschlossen werden, wenn alle anderen Pflichtverletzungen unberücksichtigt bleiben. Bei grob pflichtwidrigen Handlungen besteht von Gesetzes wegen die tatsächliche Vermutung, das Betriebsratsmitglied bzw. der Betriebsrat werde auch für den Rest der Amtszeit das Amt nicht pflichtgemäß wahrnehmen. Insoweit liegt eine grobe Pflichtverletzung vor, wenn sie objektiv erheblich, also besonders schwerwiegend gegen den Zweck des Gesetzes verstößt (vgl. BAG 22.06.1993 EzA § 23 BetrVG 1972 Nr. 35). Entscheidend ist, dass die konkrete Pflichtverletzung unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der betrieblichen Gegebenheiten, des Anlasses und der Persönlichkeit des Betriebsratsmitglieds, so erheblich ist, dass es für die weitere Amtsausübung untragbar erscheint (BAG 22.06.1993 a. a. O.) Das kann dann der Fall sein, wenn der Betriebsfrieden ohne Amtsenthebung nachhaltig gestört oder auch nur ernstlich gefährdet bliebe oder dass das Vertrauensverhältnis zum Betriebsrat, der Belegschaft oder dem Arbeitgeber oder aus anderen Gründen eine gesetzmäßige Arbeit des Betriebsratsmitglieds nicht mehr zu erwarten ist. Dass es auf diese Zukunftsprognose ankommt, wird bereits daran deutlich, dass nach endgültigem Ausscheiden des Betriebsratsmitglieds aus dem Betriebsrat § 23 Abs. 1 BetrVG nicht mehr anwendbar ist; § 23 Abs. 1 BetrVG dient also nicht dazu, früheres Verhalten zu sanktionieren. Dieses ist vielmehr nur Anknüpfungspunkt für die Amtsenthebung, um die Gesetzmäßigkeit der Betriebsratsarbeit für die Zukunft zu gewährleisten (vgl. GK/Oetker a. a. O., Rn. 40 ff.).

Vorliegend ist zum einen davon auszugehen, dass die Verwertung des tatsächlichen Vorbringens der Beteiligten zu 1) insoweit aus den dargestellten Gründen ausgeschlossen ist. Zum anderen liegt keine Verletzung der dem Beteiligten zu 3) aus §§ 79 Abs. 1, 120 Abs. 2 BetrVG obliegenden Geheimhaltungspflichten vor; selbst wenn man anderer Auffassung gewesen wäre, wäre eine entsprechende Pflichtverletzung als lediglich geringfügig anzusehen.

Das Arbeitsgericht hat insoweit ausgeführt:

" Es kann deswegen zu Gunsten der Antragstellerin unterstellt werden, dass der Beteiligte zu 3. (sowie weitere Amtsträger) im Beisein des unbefugten Sc. besondere persönliche Umstände weiterer Arbeitnehmer -insbesondere des Herrn U. - erörtert haben. Es kann weiter unterstellt werden, dass der Beteiligte zu 3. dabei durch eigene Äußerungen den Ermessensspielraum verletzt hat, der ihm durch seine allgemeine Verschwiegenheitsverpflichtung auferlegt ist. Hierzu muss dann im Weiteren auch noch zu Gunsten der Antragstellerin unterstellt werden, dass der das Gespräch mitverfolgende  Sc. nicht schon- wie von dem Beteiligten zu 3. eingewandt worden ist - zuvor bereits über die besonderen persönlichen Umstände, die zur Sprache gekommen sein sollen, informiert war.

Jedenfalls würde es sich dann - alles zusammen genommen - immer noch nicht um eine "grobe Amtspflichtverletzung" i.S.d. § 23 Abs. 1 BetrVG handeln. Die Antragstellerin verkennt, dass die (befugten) Teilnehmer an diesem Gespräch bei der Erörterung des von der Antragstellerin beschriebenen Gesprächsinhaltes in Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Pflichten gehandelt hätten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass ein Großteil der Betriebsratsangelegenheiten gerade nicht der besonderen Geheimhaltungspflicht aus § 79 BetrVG bzw. der besonderen oder der allgemeinen Stillschweigeverpflichtung unterliegen. Vielmehr sind Betriebsratsmitglieder in der Regel befugt und ggf. auch gehalten, diese Angelegenheiten, die den Betrieb und die Belegschaft betreffen, auch im Beisein von Belegschaftsmitgliedern zu erörtern.

Der von der Antragstellerin dargestellte Gesprächsverlauf ergibt daher allenfalls einen minderschweren Verstoß gegen allgemeine Verschwiegenheitsverpflichtungen, weil in diesem Gespräch im Beisein des  Sc. persönliche Umstände von Arbeitnehmern erörtert worden sein sollen.

Durch die Erörterung dieser persönlichen Umstände ist auch keine Störung der betrieblichen Abläufe oder der betrieblichen Ordnung entstanden. Solche Störungen sind erst dadurch entstanden, dass (angeblich) von diesen Erörterungen verbotenerweise eine Tonaufzeichnung hergestellt worden ist, die dann von einer unbekannten Person Herrn U. zugespielt wurde, um diesen anzustacheln und zu provozieren.

Weitere Störungen sind dann dadurch entstanden, dass sich die Personalleiterin der Antragstellerin bereit erklärt hat, die illegale Tonaufzeichnung anzuhören und hiervon eine Mitschrift anzufertigen. Erst durch dieses Verhalten der Personalleiterin der Antragstellerin ist dann der angebliche Gesprächsverlauf publik geworden und hat ggf. zu einer Störung der betrieblichen Ordnung geführt.

Die an dem Gespräch Beteiligten mussten bei ihren (unterstellt) unbedachten Äußerungen und der Diskussion von persönlichen Umständen von Arbeitnehmern nicht damit rechnen, dass über dieses Gespräch eine illegale Tonaufzeichnung hergestellt wird. Offensichtlich wären die an dem Gespräch Beteiligten zudem davon ausgegangen, dass der anwesende Sc. die Einzelheiten dieses Gesprächs und dessen Verlauf nicht weiterverbreiten würde.

Die ernsthafte Besorgnis, dass der Beteiligte zu 3. wegen eines solchen Verstoßes sein Amt als Betriebsratsmitglied künftig nicht ordnungsgemäß ausüben würde oder sogar für die weitere Amtsausübung untragbar geworden wäre, ist auch nicht ansatzweise gerechtfertigt.

Hinzu kommt, dass die betroffenen Amtsträger wegen des wohl einmaligen Vorfalls eines illegalen Gesprächsmitschnitts zu Recht verunsichert sind und deswegen im Gegenteil davon auszugehen ist, dass diese zukünftig in allen Gesprächssituationen (im Betriebsratsgremium oder außerhalb) eine für die ordnungsgemäße Erfüllung der Betriebsratsaufgaben eher nachteilige Zurückhaltung zeigen werden. Grund hierfür ist sicherlich auch die eher überraschende Vorgehensweise der Antragstellerin, der es weniger um eine Aufklärung der gegen die Interessen des Betriebsrates und der Belegschaft gerichteten Straftat der illegalen Tonaufzeichnung gegangen ist, sondern die vielmehr unmittelbar den Versuch unternommen hat, sich von dem Beteiligten zu 3. zu trennen.

b)  In dieser Konstellation stellen auch die Äußerungen, die der Beteiligte zu 3. gegenüber Frau E. getätigt haben soll (vgl. S. 7 der Antragsschrift vom 19. September 2016 wie Blatt 77 der Akte) nur eine nachvollziehbare empörte Reaktion und keine grobe Amtspflichtverletzung des Beteiligten zu 3. dar.

c)  Die weiter von der Antragstellerin im Schriftsatz vom 31. Oktober 2016 auf Seite 3 vorgetragenen "Verstöße" gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit betreffen überwiegen ohnehin nicht den Beteiligten zu 3. persönlich, sondern auch nach Darstellung der Antragstellerin den Betriebsrat als Gremium (dort a. und b.). Soweit die Antragstellerin gegenüber dem Beteiligten zu 3. den Vorwurf erhebt, er habe Freizeitausgleich für eine nicht erforderliche Betriebsratstätigkeit verlangt (dort c) kann unterstellt werden, dass dem Beteiligten zu 3. hier kein Anspruch aus § 37 Abs. 3 BetrVG zustand; wenn die Rechtslage so offenkundig war, wie die Antragstellerin annimmt, war es völlig ausreichend, dass die Antragstellerin dem Beteiligten zu 3. einen entsprechenden Freizeitausgleich verweigert hat."

Diesen Ausführungen folgt die Kammer voll inhaltlich und stellt dies hiermit ausdrücklich fest. Hinzu kommt, dass im Rahmen der Prognose zu berücksichtigen ist, dass im Hinblick auf den Verfahrensgang und den tatsächlichen Geschehensablauf zum Zeitpunkt der Entscheidung der Kammer über die Amtsenthebung das Ende der Amtszeit des Beteiligten zu 3) (Neuwahlen: März 2018) unmittelbar bevorstand. Anhaltspunkte dafür, dass eine Amtsenthebung erforderlich sein könnte, um die Gesetzmäßigkeit der Betriebsratsarbeit für die Zukunft - bis zur Konstituierung des neu gewählten Betriebsrats - erforderlich sein könnte, bestehen ersichtlich nicht. Das gilt erst Recht deshalb, weil der Beteiligte zu 3) für den Fall der Entscheidung der Amtsenthebung durch die Kammer nicht gehindert wäre, bei der Neuwahl erneut zu kandidieren. Denn der Ausschluss aus dem Betriebsrat nach § 23 Abs. 1 BetrVG führt nur zum Verlust des Amtes als Betriebsratsmitglied und der damit verbundenen weiteren Ämter und Funktionen, nicht dagegen der Wählbarkeit, denn deren Voraussetzungen und Verlust sind in § 8 BetrVG abschließend geregelt. Deshalb kann ein aus dem Betriebsrat ausgeschlossenes Mitglied nach Ablauf der regulären Amtszeit des Betriebsrats für die nächste Amtsperiode wieder gewählt werden, selbst wenn es erst kurz vor einer Neuwahl ausgeschlossen wurde (GK/Oetker, a. a. O., § 23 BetrVG Rn. 112). Auch vor diesem Hintergrund kommt eine Amtsenthebung nicht in Betracht.

Nach alledem war die Beschwerde der Beschwerdeführerin zurückzuweisen.

Für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien keine Veranlassung gegeben.