LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30.01.2018 - 8 Sa 378/17
Fundstelle
openJur 2020, 19077
  • Rkr:
Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 13.07.2017, Az.: 6 Ca 98/17 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung.

Die Klägerin ist seit dem 01.05.2016 aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 18.05.2016 bei der Beklagten, einem Reisebusunternehmen mit zwei Büros, als kaufmännische Angestellte zu einem Bruttomonatslohn in Höhe von 1.600,00 EUR beschäftigt. Gemäß § 4 des Arbeitsvertrages (Bl. 13 d. A.) ist die Vergütung jeweils zum 10. des Folgemonats bargeldlos zu zahlen.

Die Vergütung für Oktober 2016 zahlte die Beklagte am 16.11.2016, die Vergütung für November 2016 am 15.12.2016.

Am Montag, den 16.01.2017, meldete sich die Klägerin bei der Beklagten telefonisch arbeitsunfähig krank und legte eine entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor. Mit Schreiben vom 19.01.2017 (Bl. 23 d. A.), das ihr Vater noch am selben Tag der Beklagten zufaxte, übersandte die Klägerin an die Beklagte eine Folgebescheinigung bis voraussichtlich zum 03.02.2017. Gleichzeitig forderte sie mit diesem Schreiben insbesondere die Beklagte auf, dafür Sorge zu tragen, dass "künftig am Arbeitsplatz normale Temperaturen - wie in der Arbeitsstättenverordnung vorgesehen" - vorherrschen. Ferner mahnte sie die Auszahlung des Dezembergehalts 2016 mit einer Zahlungsfrist von drei Arbeitstagen an und verlangte die Sicherstellung der künftigen pünktlichen Gehaltszahlungen.

Die Vergütung für Dezember 2016 zahlte die Beklagte sodann am 24.01.2017.

Mit weiterem Schreiben vom 13.02.2017 (Bl. 24 d. A.), das der Beklagten per Fax ebenfalls am selben Tag zuging, forderte die Klägerin unter anderem die Beklagte auf, das Januargehalt 2017 zu zahlen und wies auf mögliche Schadensersatzansprüche wegen der verspäteten Zahlungen hin. Auch erinnerte sie an die bereits mit Schreiben vom 19.01.2017 angeforderte Gehaltsabrechnung für Dezember 2016 sowie die Lohnsteuerbescheinigung 2016. Zusätzlich forderte sie die Lohnabrechnung für Januar 2017 ein.

Mit Schreiben vom 14.02.2017, das der Klägerin noch am selben Tag zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 15.03.2017. Zugleich erhielt die Klägerin eine Kopie eines Kündigungsschreibens vom 24.01.2017 zum 28.02.2017.

Das Januargehalt 2017 zahlte die Beklagte schließlich am 15.02.2017 an die Klägerin.

Gegen die Kündigung der Beklagten vom 14.02.2017 wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden beim Arbeitsgericht am 06.03.2017 eingegangenen Kündigungsschutzklage.

Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen,

sie habe lediglich in zulässiger Weise ihre Rechte wahrgenommen. Bereits bei der persönlichen Krankmeldung am 16.01.2017 habe der Geschäftsführer der Beklagten dies damit dokumentiert, dass er gesagt habe, "das habe ich mir gleich gedacht". Weil die Beklagte schon auf die mit ihrem Schreiben vom 19.01.2017 geltend gemachten berechtigten Interessen habe kündigen wollen und bemerkt habe, dass ihr die Kündigung vom 24.01.2017 nicht zugegangen sei und weil sie es gewagt habe, mit Schreiben vom 13.02.2017 weitere Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gegen die Beklagte zu stellen, sei die streitgegenständliche Kündigung umgehend erfolgt. In dieser Weise würde die Beklagte öfter reagieren, wenn sich Arbeitnehmer beschwerten, arbeitsunfähig krank würden oder sogar Ansprüche gegenüber der Beklagten erheben würden. Im Übrigen beschäftige die Beklagte aber auch mehr als 10 Arbeitnehmer. So seien die bei der Z. GbR angestellten Personen mitzuzählen, da sie ihr Anweisungen vom Geschäftsführer der Beklagten erhielten.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten über den 15.03.2017 hinaus fortbesteht.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

Die Beklagte hat erstinstanzlich ausgeführt,

die Kündigung des Arbeitsverhältnisses sei schlicht und einfach erfolgt, weil sie unter anderem mit den unterdurchschnittlichen Leistungen der Klägerin auf Dauer nicht mehr belastet sein wollte. So habe die Klägerin beispielsweise schlichte Abrechnungen fehlerhaft gemacht, indem sie nicht einmal die 19 % Mehrwertsteuer rechnerisch ermittelt und in die Rechnung eingesetzt habe. Im Übrigen sei sie ein Kleinbetrieb mit 15 Personen, die jedoch aufgrund der vielen Teilzeitkräfte lediglich insgesamt als 8,25 Arbeitnehmer zählten.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 13.07.2017 der als Kündigungsschutzklage ausgelegten Klage stattgegeben und zur Begründung zusammengefasst im Wesentlichen ausgeführt, dass die streitgegenständliche Kündigung schon als Reaktion auf die Beschwerdeschreiben der Klägerin wegen Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB unwirksam sei.

Die Beklagte hat gegen das am 20.07.2017 zugestellte Urteil mit am 17.08.2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 20.09.2017 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Die Beklagte hat im Wesentlichen darauf verwiesen,

wesentliches Motiv der Kündigung vom 14.02.2017 sei der aufgrund des Schreibens vom 13.02.2017 bekannt gewordene Umstand des fehlenden Zugangs des Kündigungsschreibens vom 24.01.2017, da die Klägerin in ihrem Schreiben mit keinem Wort diese Kündigung erwähnt habe. Zudem habe das Arbeitsgericht auch verkannt, dass eine Kündigung während einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit keine Maßregelung darstelle. Die Beklagte habe der Klägerin mangelnden Durchblick vorgeworfen, weil sie nicht einmal zwischen den Arbeitsverhältnissen der Beklagten und der Z. GbR unterscheiden könne, dies reiche als Grund aus. Auch seien mehrere Fehler während des Arbeitsverhältnisses vorgekommen. So sei gegenüber der Beklagten im November 2016 eine Schadensersatzforderung wegen bezahlter Taxen vom Flughafen Y. geltend gemacht worden, weil die Klägerin dem Fahrer nicht die korrekten Abholzeiten angegeben habe. Im Dezember 2016 habe die Klägerin in einer Rechnung die Mehrwertsteuer falsch ausgewiesen, da sie den Betrag einfach aus einer alten Rechnung übernommen habe. Am 09.01.2017 habe der Geschäftsführer der Beklagten die Klägerin angewiesen, einen Mitarbeiter abzumelden, was aber nicht geschehen sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Primasens vom 13.07.2017 - Az.: 6Ca98/17 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin rügt die Zulässigkeit der Berufung wegen fehlendem Antrag in der Berufungsbegrünung und verteidigt zudem das angegriffene erstinstanzliche Urteil als zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, auf die Sitzungsniederschrift sowie den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Gründe

I.

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO zulässig.

1. Für die Zulässigkeit der Berufung ist es entgegen der Auffassung der Klägerin unschädlich, dass insbesondere der Berufungsbegründungsschriftsatz der Beklagten noch keinen förmlichen Berufungsantrag enthielt.

Zwar erscheint es zweckmäßig, dass das Anfechtungs- und Änderungsbegehren in einem förmlichen Berufungsantrag formuliert wird. Doch reicht es nach der Rechtsprechung aus, dass der Berufungsbegründung im Ganzen das Berufungsbegehren eindeutig erkennen lässt (vgl. etwa BAG 18.02.2016 - 8 AZR 426/14 Rn. 22, juris; BGH 01.04.2015 - XII ZB 503/14, NJW 2015, 1606, 1607). Dies erfordert auch nach dem Zweck des § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 ZPO nicht zwingend einen förmlichen Sachantrag. Durch diese Bestimmung soll der Berufungskläger im Interesse der Beschleunigung des Berufungsverfahrens dazu angehalten werden, sich eindeutig über Umfang und Ziel seines Rechtsmittels zu erklären und Berufungsgericht sowie Prozessgegner über Umfang und Inhalt seiner Angriffe möglichst schnell und zuverlässig ins Bild zu setzen (vgl. etwa BAG 18.02.2016 - 8 AZR 426/14 Rn. 21, juris; BGH 01.04.2015 - XII ZB 503/14, NJW 2015, 1606, 1607).

Hierfür reicht es zunächst aus, wenn die innerhalb der Begründungsfrist eingereichten Schriftsätze des Berufungsklägers ihrem gesamten Inhalt nach eindeutig ergeben, in welchem Umfang und mit welchem Ziel das Urteil angefochten werden soll (vgl. BAG 18.02.2016 - 8 AZR 426/14 Rn. 21, juris; 20.06.1989 - 3 AZR 504/87 - zu I 3 der Gründe; LAG Rheinland-Pfalz 29.08.2017 - 8 Sa 76/17, juris;std.Rspr. des BGH vgl. z.B. BGH 01.04.2015 - XII ZB 503/14, NJW 2015, 1606, 1607; 15.12.2009 - IX ZB 36/09, NJW-RR 2010, 424, 425). Hierfür spricht nicht zuletzt auch, dass die in der Berufungsbegründung angekündigten Anträge nur vorläufigen Charakter haben und bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im Rahmen der fristgerecht vorgetragenen Anfechtungsgründe noch geändert werden können (vgl. BAG 18.02.2016 - 8 AZR 426/14 Rn. 22, juris; BGH 06.07.2005 - XII ZR 293/02 - zu I 2 a der Gründe mwN, BGHZ 163, 324).

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze hat die Beklagte vorliegend auch ohne förmlichen Antrag im Berufungsbegründungsschriftsatz aufgrund dessen Inhalts klar zu erkennen gegeben, dass sie ihr Ziel der Klageabweisung vollumfänglich weiterverfolgt. Das erstinstanzliche Urteil war der Berufung beigefügt gewesen. Der Umstand, dass die Beklagte zunächst davon absah im Berufungsschriftsatz bereits einen Sachantrag zustellen beruhte darauf, dass sie gehofft hatte, es käme zu einer beiderseitige Erledigungserklärung des Rechtsmittels. Inhaltlich setzt sich der Berufungsbegründungsschriftsatz mit dem erstinstanzlichen Urteil auseinander und zeigt auf, weshalb die Beklagte es für fehlerhaft und die Klage für unbegründet hält. Er lässt keine Zweifel daran, dass die Beklagte die vollumfängliche Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und die Klageabweisung begehrt.

II.

Die Berufung hat in der Sache selbst keinen Erfolg, da sie unbegründet ist.

Das Arbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Kündigung der Beklagten vom 14.02.2017 das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht zum 15.03.2017 beendet hat. Die von der Klägerin fristgerecht iSd. § 4 Satz 1 KSchG erhobenen Kündigungsschutzklage hatte in der Sache Erfolg, da die ausgesprochene Kündigung wegen Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot gemäß § 612a BGB i.V.m. § 134 BGB unwirksam war.

1. Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vom 14.02.2017 bestand zwischen den Parteien ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis, da ein etwaiges Kündigungsschreiben der Beklagten vom 24.01.2017 der Klägerin unstreitig tatsächlich nicht zugegangen ist.

2. Vorliegend bedurfte es keiner Entscheidung, ob das Kündigungsschutzgesetz nach § 23 KschG Anwendung findet, so dass die Kündigung mangels sozialer Rechtfertigung unwirksam wäre, denn die ausgesprochene Kündigung erweist sich als Maßregelung im Sinne des § 612a BGB und war schon aus diesem Grund nach § 134 BGB nichtig.

a) Nach § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Maßnahme nicht deshalb benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Als Maßnahme kommt auch eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Betracht. Sie kann sich als Benachteiligung wegen einer zulässigen Rechtsausübung darstellen. Das Maßregelungsverbot ist verletzt, wenn zwischen der Rechtsausübung und der Benachteiligung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Dafür muss die zulässige Rechtsausübung der tragende Grund, das heißt, das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme gewesen sein. Es reicht nicht aus, dass die Rechtsausübung nur der äußere Anlass für sie war (BAG 10. April 2014 - 2 AZR 812/12 - Rn. 63, 19. April 2012 - 2 AZR 233/11 - Rn. 47; 12. Mai 2011 - 2 AZR 384/10 - Rn. 38, jeweils zitiert nach juris). Ist der Kündigungsentschluss des Arbeitgebers nicht nur wesentlich, sondern ausschließlich durch die zulässige Rechtsverfolgung des Arbeitnehmers bestimmt gewesen, deckt sich das Motiv des Arbeitgebers mit dem objektiven Anlass zur Kündigung. Es ist dann unerheblich, ob die Kündigung auf einen anderen Kündigungssachverhalt hätte gestützt werden können, weil sich ein möglicherweise vorliegender anderer Grund auf den Kündigungsentschluss nicht kausal ausgewirkt hat und deshalb als bestimmendes Motiv für die Kündigung ausscheidet. Eine dem Maßregelungsverbot widersprechende Kündigung kann deshalb auch dann vorliegen, wenn an sich ein Sachverhalt gegeben ist, der eine Kündigung des Arbeitgebers gerechtfertigt hätte (BAG 23.04.2009 - 6 AZR 189/08 - Rn. 12; 22.05.2003- 2 AZR 426/02 - Rn. 50, AP Nr. 18 zu § 1 KSchG 1969 Wartezeit). Während das Kündigungsschutzgesetz auf die objektive Sachlage zum Zeitpunkt der Kündigung und nicht auf den Beweggrund der Kündigung durch den Arbeitgeber abstellt und deswegen das Nachschieben materieller Kündigungsgründe - unbeschadet betriebsverfassungsrechtlicher Vorschriften - insoweit zulässig ist, schneidet § 612a BGB - ebenso wie § 613a Abs. 4 BGB - die Kausalkette für andere Gründe ab, die den Kündigungsentschluß des Arbeitgebers nicht bestimmt haben. Kausal für die Kündigung ist dann vielmehr allein der ausschließliche Beweggrund der unzulässigen Benachteiligung gewesen. Den klagenden Arbeitnehmer trifft die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß er wegen seiner Rechtsausübung von dem verklagten Arbeitgeber durch den Ausspruch der Kündigung benachteiligt worden ist (BAG 22.05.2003 - 2 AZR 426/02 - zu III 2 b der Gründe m.w.N., AP Nr 18 zu § 1 KSchG 1969 Wartezeit).

Für das Vorliegen einer Maßregelung i. S. v. § 612a BGB trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast. In Betracht kommt diesbezüglich jedoch eine Beweiserleichterung durch Anscheinsbeweis, wenn ein offensichtlicher Zusammenhang zwischen benachteiligender Maßnahme und der Rechtsausübung besteht. Dies gilt etwa dann, wenn insoweit ein enger zeitlicher Zusammenhang gegeben ist (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 22.04.2015 - 4 Sa 577/14; ErfK/Preis, 18. Aufl., § 612a BGB Rz. 22 m.w.N.). Den Anscheinsbeweis kann der Arbeitgeber sodann seinerseits durch substantiierten Vortrag erschüttern mit der Folge, dass nunmehr der Arbeitnehmer den Vollbeweis führen muss.

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Arbeitsgericht im Ergebnis zu Recht angenommen, dass vorliegend ein Sachverhalt gegeben ist, der eine Maßregelung indiziert. Der Vortrag der Beklagten vermag hingegen auch in zweiter Instanz dies nicht zu erschüttern.

(1) Es besteht aufgrund des unmittelbaren zeitlichen Zusammenhangs zwischen dem Geltendmachungsschreiben der Klägerin vom 13.02.2017 und der anschließenden Kündigung der Beklagten vom 14.02.2017 ein Indiz dafür, dass diese Kündigung eine unmittelbare Reaktion auf das in diesem Schreiben (wiederholte) Begehren der Klägerin nach Einhaltung der vereinbarten Zahlungsfrist für das Gehalt bis zum 10. des Folgemonats und das (erneute) Inverzugsetzen nebst Hinweis auf etwaige Schadensersatzansprüche ist.

Das Schreiben vom 13.02.2017 ist der Beklagten noch am selben Tag per Fax zugegangen. Darüber hinaus ergibt sich auch aus dem Vortrag der Beklagten selbst, dass sie dieses Schreiben auch vor Ausspruch der Kündigung vom 14.02.2017 inhaltlich zur Kenntnis genommen hat. So hat sie selbst angegeben, dass ihr durch dieses Schreiben bekannt geworden sei, dass die Klägerin das angebliche Kündigungsschreiben vom 24.01.2017 nicht erhalten habe, da die Klägerin in ihrem Schreiben hierauf mit keinem Wort eingegangen sei. Die Beklagte hat sich in den Vormonaten nie an ihre vertragliche Verpflichtung aus § 4 des Arbeitsvertrages gehalten, die Vergütung bis spätestens zum 10. des Folgemonats bargeldlos zu zahlen. Vielmehr hat sie die Vergütung für den Monat Oktober 2016 erst am 16.11.2016, für den Monat November 2016 erst am 15.12.2016 und für den Monat Dezember 2016 sogar erst nach Zugang des diesbezüglichen Geltendmachungsschreibens vom 19.01.2017 am 24.01.2017 gezahlt. Das Januargehalt 2017 war gleichfalls bis zum Schreiben der Klägerin vom 13.02.2017 nicht gezahlt und wurde nach Zugang des Schreibens vom 13.02.2017 sodann zum 15.02.2017 schließlich überwiesen. Dies zeigt, dass die Beklagte nicht gewillt war sich an die vertragliche Vereinbarung zu halten. Die evidente zeitliche Nähe der erneuten Geltendmachung der fristgerechten Zahlung der Vergütung zur ausgesprochenen Kündigung indiziert daher, dass die Beklagte gekündigt hat, weil die Klägerin auf der Einhaltung der vertraglichen Regelungen pochte und damit in zulässigerweise ein Recht ausgeübt hat.

(2) Hingegen vermochte die Beklagte nicht den Anschein zu erschüttern, dass tragendes Motiv für die Kündigung das berechtigte Begehren der Klägerin nach fristgerechter Bezahlung entsprechend § 4 des schriftlichen Arbeitsvertrages war.

(a) Soweit die Beklagte ihre Berufung darauf stützt, dass Grund für die Kündigung vom 14.02.2017 gewesen wäre, dass der Klägerin das angeblich abgesandte Kündigungsschreiben vom 24.01.2017 nicht zugegangen sei, verfängt dieser Einwand nicht. Ganz im Gegenteil stellt dies letztlich nur ein weiteres Indiz für das Vorliegen einer unzulässigen Maßregelung dar. Denn die Klägerin hatte bereits im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dieser ersten beabsichtigten Kündigung erstmalig schriftlich die Einhaltung der arbeitsvertraglichen Regelungen und die rechtzeitige Bezahlung angemahnt und zwar mit Schreiben vom 19.01.2017, das der Beklagten vor ab per Fax noch am selben Tag zugegangen war. Die sodann beabsichtige Kündigung vom 24.01.2017 kann aufgrund des evidenten zeitlichen Zusammenhangs mit diesem ersten Geltendmachungsschreiben deshalb gleichfalls nur als weiteres Indiz für eine beabsichtigte Maßregelung gewertet werden. Indem die Beklagte nach Erhalt des weiteren Geltendmachungsschreibens der Klägerin vom 13.02.2017 an ihrem Kündigungsentschluss festhielt und deshalb wegen fehlenden Zugangs des ersten Kündigungsschreibens erneut kündigte, verstärkt dies nach Auffassung der Berufungskammer sogar den Anschein, dass wesentliches Motiv für die Kündigung die Abstrafung der Klägerin für ihr berechtigtes Verlangen war.

(b) Soweit die Beklagte ferner darauf verweist, dass eine Kündigung außerhalb des Anwendungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes keines Grundes bedürfe und sie im Übrigen der Klägerin mangelnden Durchblick und nicht fehlerfreie Arbeit vorgeworfen habe, führt dies ebenfalls zu keinem abweichenden Ergebnis.

Die Berufungskammer verkennt nicht, dass die Beklagte -- im Falle der Nichtgeltung des Kündigungsschutzgesetzes --, die Klägerin auch ohne einen Grund fristgemäß hätte kündigen können. Hingegen hat sie aufgrund des unstreitigen Sachverhalts gerade nicht ohne Grund gekündigt, sondern vielmehr dem Anschein nach aufgrund des berechtigten Verlangens der Klägerin nach fristgerechter Vergütung entsprechend der vertraglichen Vereinbarung und damit wegen Ausübung eines Rechts im Sinne des § 612a BGB. In dieser Konstellation ist es an der Beklagten als Arbeitgeberin, diese Vermutung durch substantiierten Gegenvortrag zu entkräften (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 08.11.2016 - 8 Sa 152/16 - Rn. 30, NZA-RR 2017, 188, 189). Zur Erschütterung des Anscheinsbeweises einer Maßregelung bedarf es dann auch außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes konkreter Darlegungen, dass der Arbeitgeber aus anderen konkret zu benennenden (und ggfs. zu beweisenden) Gründen das Arbeitsverhältnis gekündigt hat (vgl. LAG Schleswig-Holstein 28.06.2005 - 5 Sa 64/05 zu 2 c bb der Gründe, AiB 2006, 61 f.).

Hieran fehlt es jedoch. Der im Hinblick auf die fehlerhafte Arbeit zudem recht pauschal gehaltene Vortrag der Beklagten ist allenfalls dazu geeignet darzutun, dass die Beklagte objektiv betrachtet auch aus nicht zu missbilligenden Gründen hätte kündigen können, hingegen vermag er nicht ansatzweise schlüssig ein wahrscheinlich abweichendes Motiv der Beklagten aufzuzeigen. Der sich im Prozess nach Ansicht der Beklagten gezeigte Umstand des immer noch fehlenden Überblicks der Klägerin über die Arbeitnehmerschaft der Beklagten kann schon deshalb kein Kündigungsmotiv gewesen sein, da sich dieser Umstand der Beklagten erst nach dem Ausspruch der Kündigung im Prozess offenbarte. Zur angeblichen fehlerhaften Arbeitsweise der Klägerin hat die Beklagte erstmalig im Kammertermin im Berufungsverfahren ansatzweise nähere Angaben gemacht. So hat sie erstmalig in diesem Termin behauptet, ein im November 2016 gegenüber der Beklagten geltend gemachter Schadensersatzanspruch wegen gebuchtem und nicht durchgeführtem Bustransfer habe letztlich auf einer fehlerhaften Anweisung der Klägerin beruht; ferner habe die Klägerin im Dezember 2016 eine Rechnung falsch ausgestellt, indem sie die Mehrwertsteuer nicht berechnet, sondern deren Betrag aus einer anderen Rechnung übernommen habe und schließlich sei die Klägerin der Anweisung des Geschäftsführers vom 09.01.2017 zur Abmeldung eines Arbeitnehmers nicht nachgekommen. Alle genannten angeblichen Vorfälle liegen zeitlich weit vor dem Kündigungsausspruch vom 14.02.2017. Selbst zur beabsichtigten Kündigung vom 24.01.2017 erschließt sich nicht, wieso diese Vorfälle nun die Beklagte zur Kündigung motiviert haben sollten. Zumal die Klägerin bereits seit dem 16.01.2017 arbeitsunfähig erkrankt war und nicht mehr gearbeitet hat, so dass auch keine weiteren Fehler auftreten konnten. Auch deshalb ist nicht erkennbar, inwiefern dies den Kündigungsentschluss der Beklagten konkret beeinflusst haben soll. Es ist von der Beklagten weder ein Grund dargetan noch ersichtlich, weshalb die Beklagte mit einer Kündigung zunächst abwartete, obwohl sie mit den unterdurchschnittlichen Leistungen angeblich nicht mehr belastet sein wollte. Ein zufälliges zeitliches Zusammentreffen von dem Geltendmachungsschreiben der Klägerin mit der beabsichtigten und der sodann erfolgten Kündigung erscheint damit gleichfalls nicht wahrscheinlich.

Nach alledem hat die Beklagte den Anscheinsbeweis nicht durch substantiierten Tatsachenvortrag zu entkräften vermocht, so dass es auch nicht darauf ankam, ob ihr Vorbringen hinsichtlich der Arbeitsfehler als verspätet zurückzuweisen war.

III.

Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen.

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

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