LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15.03.2017 - 7 Sa 358/16
Fundstelle
openJur 2020, 18831
  • Rkr:
Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 29. Juni 2016, Az. 12 Ca 241/16, unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger einen Aufhebungsvertrag folgenden Inhalts anzubieten:

a) Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis endet mit Zustandekommen dieser Aufhebungsvereinbarung.

b) Die Beklagte zahlt an den Kläger eine Abfindung gemäß § 6 des Interessenausgleichs vom 2. September 2015 gemäß dem Berechnungsschema des Sozialplans Project Change der Z. KG vom 30. März 2010, mindestens 649.603,40 € brutto.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Von den Kosten erster Instanz haben der Kläger 2/3 und die Beklagte 1/3 zu tragen.

Von den Kosten zweiter Instanz haben der Kläger 1/2 und die Beklagte 1/2 zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Abfindung, hilfsweise auf das Angebot eines Aufhebungsvertrages, der die Zahlung einer Abfindung beinhaltet.

Der 1955 geborene, verheiratete Kläger ist bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin seit 1. April 1981 als Pharmareferent Außendienst beschäftigt. Das Gebiet des Klägers umfasste die Region A-Stadt Nr. 00000. Das "Monatsgehalt" des Klägers, berechnet nach der Anlage A zum Sozialplan Projekt CHANGE vom 31. März 2010 (Bl. 22 d. A.), betrug zuletzt 8.436,40 € brutto.

Bis einschließlich 30. September 2015 bestand ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Y. GmbH (im Folgenden: Y.). Zum 1. Oktober 2015 wurde die bisherige Organisation der Y. aufgelöst. Die bisherigen Arbeitnehmer der Y. wurden in die Organisation des Betriebes der Beklagten integriert. Es fand ein Betriebsübergang von der Y. auf die Beklagte gemäß § 613a Abs. 5 BGB statt, dem der Kläger nicht widersprochen hat.

Dem Betriebsübergang ging Folgendes voran:

Am 21. August 2015 wurde dem Kläger im Gespräch zwischen ihm und X. W., der Interim HR Managerin der Y., ein neues Gebiet im Großraum V-Stadt angeboten. Der Kläger äußerte hierzu, dass er an diesem Gebiet kein Interesse habe, sondern weiter bis zum Renteneintritt in seinem bisherigen Gebiet arbeiten wolle. Unter bestimmten Umständen könne er sich aber vorstellen, mit 63 Jahren und 6 Monaten in Rente zu gehen.

Unter dem 2. September 2015 wurde zwischen der Y. auf der Arbeitgeberseite und dem Betriebsrat des Betriebs der Y. in C-Stadt (...) auf der Arbeitnehmerseite sowie der Beklagten ein Interessenausgleich als Betriebsvereinbarung (im Folgenden: BV) abgeschlossen. Dieser Interessenausgleich lautet auszugsweise:

"Präambel

Im Frühjahr 2015 hat die C. (Z. KG) im Rahmen einer weltweiten und mehrere Geschäftsbereiche umfassenden Transaktion das U. Business der Novartis Gruppe in Deutschland erworben. Um das U. Business in Deutschland schlagkräftiger aufzustellen, sollen die Organisationen der Y. und der Z. KG zusammen geführt werden.

Es ist vorgesehen im Rahmen der Zusammenführung den Betrieb der Y. in den Betrieb der Z. KG in C-Stadt einzugliedern. Die Arbeitnehmer der Y. sollen im Wege eines Betriebsübergangs gemäß § 613a BGB auf die Z. KG überführt werden. Um diese Eingliederung des Betriebs der Y. in den Betrieb der Z. KG in C-Stadt und den Betriebsübergang der Arbeitnehmer von der Y. auf die Z. KG zu regeln, vereinbaren die Betriebsparteien das Folgende:

§ 1 Geltungsbereich

(1) Der Interessenausgleich gilt für alle Arbeitnehmer der Y.. Nicht unter den Geltungsbereich dieses Interessenausgleichs fallen:(...)

(2) Sachlich gilt dieser Interessenausgleich für die Eingliederung des Betriebs der Y. in den Betrieb der Z. KG in C-Stadt.

§ 2 Betriebliche Änderungen

(1) Die bisherige Organisation der Y. wird mit Wirkung zum 1. Oktober 2015 (nachfolgend Stichtag) aufgelöst und die bisherigen Arbeitnehmer der Y. in die Organisation des Betriebes der Z. KG integriert.

Zur Verdeutlichung der beschriebenen Integration der Arbeitnehmer der Y. in die Organisation des Betriebs der Z. KG in C-Stadt wird auf die Übersicht der Mitarbeiter Innendienst (Anlage 1a), die Gebietskarten für den Außendienst (Anlage 1b) und die Regionskarte (Anlage 1c) verwiesen.(2) (...)

§ 3 Betriebsübergang

(...) Der geplante Betriebsübergang soll am Stichtag erfolgen. (...)

§ 4 Auswirkungen auf die betriebsverfassungsrechtliche Vertretung

(1) Ab dem Stichtag werden die Arbeitnehmer von dem Betriebsrat des Betriebs der Z. KG in C-Stadt und dem Gesamtbetriebsrat der Z. KG im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit vertreten. (...)(2) Das Mandat des Betriebsrats im Betrieb der Y. endet mit dem Stichtag.

§ 5 Betriebsvereinbarungen

(1) Ab dem Stichtag gelten für die Arbeitnehmer des Betriebs der Y. alle im Betrieb der Z. KG in C-Stadt geltenden Betriebsvereinbarungen.(2) (...)

§ 6 Ausscheiden und Umzug von Mitarbeitern

Die Betriebsparteien sind sich einig, dass bei Widerspruch eines Mitarbeiters zum Betriebsübergang kein Anspruch auf eine Abfindung besteht.

Z. bietet den Mitarbeitern der Y. ab Stichtag eine Beschäftigung an.

Mitarbeiter, die bei der Z. KG nicht vertragsgemäß und nicht zumutbar beschäftigt werden können, haben Anspruch auf Abfindung gemäß dem Berechnungsschema des Sozialplans Projekt Change der Z. KG vom 31. März 2010 (Anlage 2).

Eine Beschäftigung ist beispielsweise nicht vertragsgemäß und nicht zumutbar, wenn sie mit Entzug von Personalverantwortung, einer Gebietsvergrößerung von mehr als 50 %, einer Zuweisung eines komplett anderen Gebietes oder einer erforderlichen Verlagerung des Wohnortes von mindestens 100 km einhergeht. Sofern der Mitarbeiter die nicht vertragsgemäße und nicht zumutbare Beschäftigung nicht annehmen möchte, hat er dies spätestens sechs Wochen nach Antritt der angebotenen Beschäftigung schriftlich gegenüber der Z. KG anzuzeigen. Die Z. KG wird dann im Falle eines berechtigten Anspruchs dem Mitarbeiter innerhalb von zwei Wochen einen entsprechenden Aufhebungsvertrag mit einer Annahmefrist von zwei Wochen anbieten.

Sofern die Beschäftigung bei der Z. KG eine Verlagerung des Wohnorts von mehr als 100km erfordert, hat der Mitarbeiter alternativ zur Abfindungsregelung Anspruch auf Umzugsunterstützung gemäß Sozialplan Change vom 31.03.2010 (Anlage 3).

§ 7 Beteiligungsrechte des Betriebsrats

(...)

§ 8 Schlussbestimmungen

(1) Die Parteien sind sich darin einig, dass geringfügige zeitliche Verzögerung der unter § 2 und § 3 beschriebenen Maßnahmen von diesem Interessenausgleich mit umfasst sind.(2) (...)."

Wegen des Inhalts dieser BV im Übrigen wird auf Bl. 9 ff. d. A. Bezug genommen, hinsichtlich des Inhalts des in Bezug genommenen Sozialplans "Projekt CHANGE", abgeschlossen am 31. März 2010 zwischen der Beklagten und 1) deren Konzernbetriebsrat sowie 2) deren Gesamtbetriebsrat, auf Bl. 14 ff. d. A.

Während einer Außendiensttagung, die vom 1. bis 4. September 2015 stattfand, erhielt der Kläger einen Anruf von Frau T., der damalige Personalchefin der Y., im dem diese darauf hinwies, dass Frau S. sich mit ihm wegen der Übernahme eines Gebietes in Nordrhein-Westfalen oder des Abschlusses einer Altersteilzeitvereinbarung in Verbindung setzen werde.

Am 8. September 2015 telefonierten der Kläger und Frau S. über die Möglichkeit eines Altersteilzeitvertrages.

Am 9. September 2015 fand eine Betriebsversammlung der Y. statt, bei der auch die Karte der neuen Z. Außendienststruktur präsentiert wurde. Auf der ursprünglichen Karte erschien das für den Kläger vorgesehene Gebiet, auf weiteren Karten dann jedoch nicht mehr. Für eine Vertriebstagung vom 20. bis 23. September 2015 in R.-Stadt war für den Kläger kein Zimmer reserviert. Er wurde vorzeitig nach Hause geschickt.

Am 25. September 2015 wandte sich der Kläger mit einer - zusätzlich per Post übersandten - E-Mail (Bl. 115 d. A.) an Frau S. sowie in Kopie an Frau T.. In dieser heißt es:

"leider habe ich bis zum heutigen Tage keinerlei Informationen zu meiner Tätigkeit ab dem 01.10.2015, daher gehe ich davon aus, dass ich auch ab dem 01.10.2015 weiterhin mein bisheriges Arbeitsgebiet bereise.

Sollte ich keinen gegenteiligen Bescheid erhalten, werde ich am kommenden Donnerstag - wie gewohnt - meine Tätigkeit fortführen.

Ich weise darauf hin, dass ich am 28. und 29.09.2015 genehmigten Urlaub habe."

Anschließend wurde der Kläger - zunächst bis 6. Oktober 2015, insgesamt bis zum 31. Januar 2016 - freigestellt.

Nach dem zum 1. Oktober 2015 erfolgten Betriebsübergang wandte sich der Kläger am 25. Oktober 2015 (Bl. 116 d. A.) unter dem Betreff: "AW: Rentenanspruch nach ATZ" erneut an Frau S. und führte aus:

"vorab möchte ich noch einmal die einzelnen Aussagen schriftlich formulieren:

1. Das mir angebotene Außendienstgebiet in NRW wurde von mir wegen Unzumutbarkeit und wegen 100%iger Änderung des Arbeitsgebietes abgelehnt.

2. Wie bereits mehrfach telefonisch angegeben, kommt für mich eine ATZ-Regelung nur bis zum Eintritt der Regelaltersrente (01.07.2021) in Frage, vorausgesetzt, dass ich hier keine größeren Verluste zu meinem jetzigen Einkommen habe.

3. Aus finanziellen Gründen ist es für mich vollkommen indiskutabel, einen früheren Renteneintritt anzustreben. Die einzige Ausnahme wäre, dass zusätzlich zu einer für mich angemessenen ATZ-Regelung und vorzeitigem Eintritt in die Altersrente für die Zeit bis zum 01.07.2021 ein umfänglich finanzieller Ausgleich stattfindet. Wobei ich darauf hinweisen möchte, dass eine ATZ-Regelung - wie bisher angeboten - bei Weitem nicht ausreichend ist."

Mit E-Mail vom 17. November 2015 (Bl. 71 d. A.) an den Kläger schrieb Frau S. unter anderem:

"Im Interessenausgleich vom 02.09.2015 wurde geregelt, dass Mitarbeiter, denen keine vertragsgemäße Beschäftigung angeboten werden kann, Anspruch auf Abfindung nach Sozialplan Change haben. Diese Variante würde für Sie bedeuten, dass wir eine Aufhebungsvereinbarung schließen und Sie eine einmalige Abfindung in Höhe von etwa € 300k erhalten. Um Ihnen entgegen zu kommen, haben wir Ihnen alternativ den ATZ-Vertrag angeboten, der eigentlich gar nicht Teil des Interessenausgleichs ist. Eine Nachbesserung des ATZ-Angebots können wir Ihnen nicht anbieten.

Bitte berücksichtigen Sie, dass wir neben den beiden Optionen Aufhebungsvereinbarung und ATZ-Vertrag keine weiteren Szenarien verfolgen können.

Ich denke, dass wir Ihnen alle Informationen geliefert haben, die Sie für die Entscheidungsfindung benötigen. Wenn Sie noch Fragen haben sollten, können wir gerne zeitnah einen Telefontermin vereinbaren, um nun einen Abschluss in Anlehnung an § 6 des Interessenausgleichs zu erzielen."

Unter dem 30. Dezember 2015 forderte der Kläger die Beklagte durch seinen Prozessbevollmächtigten per Mail auf, die Aufhebungsvereinbarung gemäß § 6 BV zu übersenden. Dieser Aufforderung kam die Beklagte nicht nach.

Unter dem 12. Januar 2016 (Bl. 54 d. A.) mailte Frau S. an den Klägervertreter:

"Wie in meiner letzten Mail angekündigt, bieten wir Herrn A. als Alternative zu einem ATZ-Vertrag mit Laufzeit bis 30.06.2011 nach den bekannten Z.-Konditionen auch eine Weiterbeschäftigung als Pharmareferent an.

Ich kann Ihnen nun schon weitere Details zu dieser möglichen Weiterbeschäftigung nennen. (...)

Die Rahmenbedingungen dieser Beschäftigung erfüllen nach unserem Verständnis die Voraussetzungen des IA vom 02.09.2015."

Der Klägervertreter nahm das Weiterbeschäftigungsangebot der Beklagten am 25. Januar 2016 im Namen des Klägers unter Vorbehalt an und kündigte die Einreichung einer Klage an. Diese ging am 26. Januar 2016 beim Arbeitsgericht ein und wurde der Beklagten am 4. Februar 2016 zugestellt.

Seit 1. Februar 2016 ist der Kläger im Gebiet 0000 tätig. Dieses ist in 18 Segmenten deckungsgleich mit dem Gebiet, das der Kläger bei der Y. betreut hat, 3 neue Segmente kamen hinzu.

Der Kläger war der Ansicht,er habe Anspruch auf die Zahlung einer Abfindung gemäß § 6 der BV, ohne dass es einer weiteren Voraussetzung bedürfe, jedenfalls aber auf den Abschluss eines entsprechenden Aufhebungsvertrages.

Die Beklagte habe ihm "ab Stichtag" eine zumutbare Beschäftigung anbieten müssen. Er habe das Gebiet in Nordrhein-Westfalen bereits im September 2015 berechtigt abgelehnt. Ihm sei nach seiner Ablehnung erklärt worden, dass eine Weiterbeschäftigung in seinem bisherigen Gebiet nicht in Betracht käme. Am 30. September 2015 habe Frau S. ihn angerufen und ihm erklärt, dass es definitiv kein Gebiet mehr für ihn gebe und er deshalb zunächst freigestellt sei, damit über den gleichzeitig übersandten Entwurf zur Altersteilzeit eine Einigung erzielt werden könne.

Die Beklagte habe allein die Aufhebungsvereinbarung oder eine Altersteilzeitregelung als einzige Optionen verfolgt, wie sich aus ihrer E-Mail vom 17. November 2015 ergebe. Erst als er darauf hingewiesen habe, dass eine Kappungsgrenze bei der Abfindungssumme von 300.000,00 € im Sozialplan nicht vorgesehen sei, habe die Beklagte an der Aufhebungsvereinbarung nicht mehr festhalten wollen. Damit sei ein Anspruch auf Abfindung entstanden, ohne dass es einer weiteren Voraussetzung bedurft habe und weit bevor die Beklagte auf die Idee gekommen sei, eine andere Tätigkeit im ursprünglichen Gebiet anzubieten.

Die Weiterbeschäftigung sei von seiner Seite aus nur unter Vorbehalt erfolgt. Es handele sich von Seiten der Beklagten um keine ernst gemeinte Beschäftigung. Dies ergebe sich bereits daraus, dass ihm bis Mitte März 2016 kein Zugang zur EDV und zum Reisekostentool zur Abrechnung der von ihm verauslagten Kosten verschafft worden sei, so dass er nicht arbeitsfähig gewesen sei. Ihm seien nunmehr völlig andere Produkte zugeordnet, die er bei Allgemeinärzten und Internisten vertreiben solle. Das Gebiet 0000 sei mit einer Kollegin besetzt. Er habe keinen eigenen Kundenstamm. Ihm sei die Beschäftigung als Pilotprojekt benannt worden.

Sein Anspruch sei sofort entstanden, als die Beklagte ihm ab Stichtag 1. Oktober 2015 keinen zumutbaren Arbeitsplatz benannt habe. Die BV sehe auch keine Regelung vor, wonach ein bereits einmal entstandener Anspruch wieder erlöschen könne.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 641.167 € brutto Abfindung nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Klageantrag zu 1.

2. die Beklagte zu verurteilen, seinem Angebot auf Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit folgendem Inhalt zuzustimmen:

a. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis endet mit Ablauf des 7. vollen Kalendermonats nach Zustandekommen dieser Aufhebungsvereinbarung.b. Die Beklagte zahlt an den Kläger als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung gemäß § 6 des Interessenausgleichs vom 2. September 2015 auf der Grundlage des Berechnungsschemas des Sozialplanes Projekt Change der Z. KG vom 31. März 2010 (Anlage 2 zum Interessenausgleich vom 2. September 2015), mindestens 649.603,40 € brutto,

höchst hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit den Klageanträgen zu 1 und 2,

3. die Beklagte zu verurteilen, ihm einen Aufhebungsvertrag folgenden Inhaltes anzubieten:

a. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis endet mit Ablauf des 7. vollen Kalendermonats nach Zustandekommen dieser Aufhebungsvereinbarung.b. Die Beklagte zahlt an den Kläger als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung gemäß § 6 des Interessenausgleichs vom 2. September 2015 auf der Grundlage des Berechnungsschemas des Sozialplanes Projekt Change der Z. KG vom 31. März 2010 (Anlage 2 zum Interessenausgleich vom 2. September 2015), mindestens 649.603,40 € brutto.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie war der Ansicht,dem Kläger stehe weder ein Anspruch auf Zahlung einer Abfindung noch auf Zustimmung zu dem vom Kläger angebotenen Aufhebungsvertrag bzw. auf Angebot eines Aufhebungsvertrags zu, da er seit dem 1. Februar 2016 in einem weitgehend vergleichbaren Gebiet arbeite.

Sie hat vorgetragen, für den Kläger sei zunächst ein Gebiet im Großraum V-Stadt vorgesehen gewesen, das zwar keine Überschneidung mit seinem bisherigen Gebiet habe, aber nach ihrer Auffassung bei entsprechender Tourenplanung durchaus zumutbar wäre. Die Karte dieses Gebiets habe sie am 19. August 2015 von der Vertriebssteuerung erhalten. Da vom Betriebsrat der Y. erwartet worden sei, dass es für den Kläger keine ideale Lösung darstellen würde, habe die damalige Betriebsratsvorsitzende der Y. Frau Q. - mit ihr, der Beklagten, abgesprochen - sich beim Kläger erkundigt, ob dieser gegebenenfalls an einem ATZ-Vertrag mit vorzeitiger Freistellung interessiert wäre.

Frau W. (Interim HR Manager Y.) habe dem Kläger am 21. August 2015 das neue Gebiet angeboten. Der Kläger habe sich dahingehend geäußert, dass er an diesem Gebiet kein Interesse habe, sondern weiter bis zum Renteneintritt in seinem bisherigen Gebiet arbeiten wolle. Unter bestimmten Umständen könne er sich aber vorstellen, mit 63 Jahren und 6 Monaten in Rente zu gehen, so das finanziell für ihn tragbar wäre.

Im Telefonat vom 8. September 2015 habe Frau S. mit dem Kläger über die Möglichkeit eines ATZ-Vertrags gesprochen. Da Frau S. die Information Rente mit 63 + 6 Monate vorgelegen habe, sei es zunächst um dieses Szenario gegangen. Es sei dann klar geworden, dass für den Kläger nur die Option Renteneintritt ohne Abschläge im Juli 2021 in Frage käme. Nach mehreren Abstimmungen in weiteren Telefonaten über einen Zeitraum bis zum 11. November 2015 habe sie dem zugestimmt.

Es sei auch zu berücksichtigen, dass die geforderte Abfindung das bis zum Eintritt in den Ruhestand zu zahlende Entgelt bei weitem übersteige. Sinn und Zweck einer zu zahlenden Abfindung sei demgegenüber jedoch der Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes. Dies sei hier nicht gegeben.

Das Arbeitsgericht Koblenz hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung in Höhe von 641.167,00 € brutto. Ein solcher Anspruch ergebe sich insbesondere nicht aus § 6 der BV in Verbindung mit dem in Bezug genommenen Sozialplan.

§ 6 der BV verpflichte die Beklagte zunächst, "den Mitarbeitern der Y. ab Stichtag eine Beschäftigung" anzubieten. Des Weiteren setze der Anspruch des Mitarbeiters auf Abschluss eines Aufhebungsvertrages nach § 6 der BV voraus, dass diese Beschäftigung nicht vertragsgemäß und nicht zumutbar sei und der betroffene Mitarbeiter dies spätestens sechs Wochen nach (tatsächlichem) Antritt der angebotenen Beschäftigung schriftlich gegenüber der Beklagten anzeige. Diese Voraussetzungen müssten nach dem klaren Wortlaut der BV kumulativ vorliegen. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, dem Kläger "zum" Stichtag eine adäquate Beschäftigung anzubieten. Eine zeitliche Begrenzung, bis wann dies spätestens zu geschehen habe, sehe die Vorschrift nicht vor. Die Beklagte habe noch am 12. Januar 2016 eine aus ihrer Sicht zumutbare Stelle anbieten können. Der Kläger, der die ihm angebotene Beschäftigung auch tatsächlich angetreten habe, habe diesem Angebot nicht unter Vorbehalt innerhalb von sechs Wochen schriftlich widersprochen. Die Beklagte habe dem Kläger auch zuvor noch keine entsprechende Beschäftigung ab dem Stichtag angeboten. Das Angebot von August 2015 sei zu einem Zeitpunkt erfolgt, als der Interessenausgleich noch gar nicht abgeschlossen gewesen sei. Nachteilige Folgen hieraus könnten der Beklagten nicht erwachsen. Auch die Freistellung des Klägers von der Verpflichtung der Arbeitsleistung nach dem 1. Oktober 2015 aufgrund von Verhandlungen mit Blick auf den Abschluss eines Aufhebungsvertrages oder eines ATZ-Vertrages stelle keine Zuweisung einer Beschäftigung dar. Entsprechendes gelte auch für die E-Mail der Beklagten vom 17. November 2015, die lediglich den damaligen Sachstand der Verhandlungen mit dem Kläger wiedergebe. Auch die Hilfsanträge des Klägers seien unbegründet. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz (Bl. 83 ff. d. A.) Bezug genommen.

Das genannte Urteil ist dem Kläger am 14. Juli 2016 zugestellt worden. Der Kläger hat hiergegen mit einem am 12. August 2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 10. August 2016 Berufung eingelegt und diese mit am 4. Oktober 2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 27. September 2016 innerhalb der durch Beschluss vom 8. September 2016 bis einschließlich 14. Oktober 2016 verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet.

Zur Begründung der Berufung macht der Kläger nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 108 ff. d. A.), zusammengefasst geltend,die Beklagte habe ihm bereits begründend ab dem 1. Oktober 2015 eine zumutbare Beschäftigung anbieten müssen. Dies ergebe sich aus der Formulierung "ab Stichtag" in der BV. Diese könne auch sinngemäß nicht bedeuten, dass die Beklagte ab dem 1. Oktober 2015 unendlich viel Zeit haben solle, den Mitarbeitern einen zumutbaren Arbeitsplatz anzubieten. Dies würde zu einer großen Unsicherheit bei den Mitarbeitern führen. Gerade die Legaldefinition des Stichtages in § 2 Abs. 1 BV spreche für eine Rechtspflicht der Beklagten, ihm zum 1. Oktober 2015 eine Beschäftigung anzubieten. Die Parteien der BV hätten den eindeutigen Willen im Sinn der §§ 133, 157 BGB gezeigt, die Integration der Arbeitnehmer der Y. zum Stichtag zu verwirklichen und gerade nicht zu einer beliebigen Zeit nach dem 1. Oktober 2015. Dieser Wille der Parteien liege auch § 6 der BV zu Grunde, da es bei diesem gerade um den in § 2 BV definierten Stichtag gehe.

Das Angebot der Beklagten vom 12. Januar 2015 sei verspätet. Rechtsfolge sei die Zahlung der Abfindung gemäß dem Berechnungsschema des Sozialplans Project Change.

Die Beklagte sei ihrer Pflicht zur Abgabe eines Beschäftigungsangebots auch nicht durch das Angebot vom 21. August 2015 nachgekommen. Hierbei habe es sich um ein Angebot auf freiwilliger Basis gemäß § 145 BGB gehandelt, das er sofort gemäß §§ 146, 147 Abs. 1 BGB abgelehnt habe. Selbst wenn dieses Angebot über den 1. Oktober 2015 fortbestanden hätte, hätte er Anspruch auf die Abfindung. Dieses Angebot sei unzumutbar gewesen. Er habe das Angebot sofort, aber auch schriftlich am 25. Oktober 2015 mit E-Mail an die Beklagte abgelehnt. Der schriftlichen Ablehnung habe es überdies nicht bedurft, da § 6 Abs. 2 BV die Ablehnung nach ANTRITT der Beschäftigung erfordere. Ein solcher sei jedoch nicht erfolgt. Als Ablehnung gedeutet werden könne auch schon seine E-Mail vom 25. September 2015, da er schon in dieser eindeutig zu verstehen gebe, dass er ab dem 1. Oktober 2015 seine alte Tätigkeit wieder ausüben werde und e contrario sinngemäß die ihm zum 1. Oktober 2015 angebotene neue Stelle ablehne.

Der Kläger ist der Ansicht, die Rechtsfolge des § 6 Abs. 1 S. 2 BV greife schon ein, ohne dass es einer Beendigung durch Aufhebungsvertrag bedürfe. Dies ergebe sich aus der Systematik der Abfindungsklausel und dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift.

Die Tatsache, dass die Beklagte ihm zum 1. Oktober 2015 überhaupt kein Beschäftigungsangebot gemacht habe, löse aber erst recht die Rechtsfolge aus, dass die Beklagte ihm einen Aufhebungsvertrag anbieten müsse.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 29. Juni 2016, Az. 12 Ca 241/16, zugestellt am 14. Juli 2016, die Beklagte zu verurteilen,

1. an ihn 641.167,00 € brutto Abfindung nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit des erstinstanzlichen Rechtsstreits zu zahlen,

2. die Beklagte in Abänderung des angefochtenen Urteils hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Klageantrag zu 1 zu verurteilen, ihm einen Aufhebungsvertrag folgenden Inhalts anzubieten:

a. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis endet mit Ablauf des siebten vollen Kalendermonats nach Zustandekommen dieser Aufhebungsvereinbarung.b. Die Beklagte zahlt an den Kläger als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung gemäß § 6 des Interessenausgleichs vom 2. September 2015 auf der Grundlage Berechnungsschemas des Sozialplans Project Change der Z. KG meinen 30. März 2010, mindestens 649.603,40 € brutto,

3. die Beklagte in Abänderung des angefochtenen Urteils äußerst hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Klageantrag zu 1 und 2 zu verurteilen, ihm einen Aufhebungsvertrag folgenden Inhalts anzubieten:

a. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis endet mit Zustandekommen dieser Aufhebungsvereinbarung.b. Die Beklagte zahlt an den Kläger als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung gemäß § 6 des Interessenausgleichs vom 2. September 2015 auf der Grundlage Berechnungsschemas des Sozialplans Project Change der Z. KG meinen 30. März 2010, mindestens 649.603,40 € brutto.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe des Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 9. Dezember 2016, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 127 ff. d. A.), als rechtlich zutreffend. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, dem Kläger "zum Stichtag" eine adäquate Beschäftigung anzubieten. Das Angebot vom 12. Januar 2016 sei weder verspätet erfolgt noch unzumutbar. Das "Angebot" vom 21. August 2015 sei bereits vor Abschluss der BV erfolgt und nicht nach Inkrafttreten des Interessenausgleichs wiederholt worden. Weder die zeitweise Freistellung des Klägers von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung noch ihre E-Mail vom 17. November 2015 böten eine Anspruchsgrundlage für die begehrte Abfindungszahlung bzw. auf das hilfsweise begehrte Angebot zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages. Das Arbeitsverhältnis werde zu adäquaten Bedingungen fortgeführt.

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der Sitzung vom 15. März 2017 (Bl. 134 ff. d. A.) Bezug genommen.

Gründe

A.

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie erweist sich auch sonst als zulässig.

B.

In der Sache hatte die Berufung des Klägers teilweise Erfolg.

I.

1.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung ohne den Abschluss eines Aufhebungsvertrags. Zwar findet die BV im vorliegenden Fall Anwendung. Ein Anspruch auf Zahlung einer Abfindung nach § 6 Abs. 2 Unterabs. 2 BV besteht aber nicht, ohne dass es einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages bedürfte.

2.

Die BV ist vorliegend anwendbar. Der Kläger war Arbeitnehmer der Y. (§ 1 Abs. 1 S. 1 BV). Die Parteien streiten über aus der Eingliederung des Betriebs der Y. in den Betrieb der Beklagten resultierende (§ 1 Abs. 2 BV), in der BV geregelte Ansprüche des Klägers.

3.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung aus § 6 Abs. 2 Unterabs. 2 BV ohne gleichzeitigen Abschluss eines Aufhebungsvertrages.

§ 6 Abs. 2 Unterabs. 2 BV bestimmt: " Mitarbeiter, die bei der Z. KG nicht vertragsgemäß und nicht zumutbar beschäftigt werden können, haben Anspruch auf Abfindung gemäß dem Berechnungsschema des Sozialplans Projekt Change der Z. KG vom 31. März 2010 (Anlage 2)."

Die Auslegung dieser Vorschrift ergibt nach Auffassung der Kammer, dass der in ihr geregelte Anspruch auf Abfindung nicht nur voraussetzt, dass der Mitarbeiter nicht vertragsgemäß und zumutbar beschäftigt werden kann, sondern auch, dass das Arbeitsverhältnis beendet wird.

Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge und Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmungen und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (BAG, Urteil vom 27. Juli 2010 - 1 AZR 874/08 - NZA 2010, 1369, 1371 Rz. 33 m. w. N.). Wegen des Rechtsnormcharakters der Regelungen kann ein etwaiger anderer Wille der Betriebsparteien nur berücksichtigt werden, wenn er im Text in irgendeiner Art und Weise seinen Niederschlag gefunden hat. Ist dagegen die Auslegung nach Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck bereits eindeutig, kann auf den wirklichen Willen der Betriebsparteien nicht mehr zurückgegriffen werden (BAG, Urteil vom 10. November 2015 - 3 AZR 576/14 - NJOZ 2016, 502, 508 Rz. 49 m. w. N.).

Zwar nennt § 6 Abs. 2 Unterabs. 2 BV seinem Wortlaut nach das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis nicht ausdrücklich als Voraussetzung des Anspruchs auf Abfindung.

Dass es sich hierbei um eine Anspruchsvoraussetzung handelt, ergibt sich aber aus der Systematik der Vorschrift. Die Überschrift des § 6 lautet: "Ausscheiden und Umzug von Mitarbeitern". Demnach regelt Abs. 2 des § 6 BV die Modalitäten des "Ausscheidens" von Mitarbeitern, Abs. 3 hingegen den "Umzug von Mitarbeitern". Der Arbeitnehmer, der bei der Beklagten nicht vertragsgemäß und nicht zumutbar beschäftigt werden kann, hat die Wahl, ob er eine von der Beklagten angebotene, aber nicht vertragsgemäße und nicht zumutbare Beschäftigung annehmen möchte oder nicht. In erstem Fall wird die Beklagte ihm einen entsprechenden Aufhebungsvertrag anbieten, im zweiten Fall hat der Mitarbeiter "alternativ zur Abfindungsregelung Anspruch auf Umzugsunterstützung".

Der Gesamtzusammenhang zeigt ebenfalls, dass die Abfindung nur in Verbindung mit einem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb gezahlt werden soll. Hinsichtlich der Höhe der Abfindung nimmt § 6 Abs. 2 Unterabs. 2 BV Bezug auf das Berechnungsschema des Sozialplans Projekt Change der Z. KG vom 31. März 2010, dort geregelt in Nr. 5. In Nr. 5 dieses Sozialplans ist eine Abfindung vorgesehen, für "Mitarbeiter, die aufgrund der diesem Sozialplan zugrunde liegenden Betriebsänderungen durch eine betriebsbedingte Entlassung (Kündigung oder Aufhebungsvertrag) ausscheiden". Hieran orientieren sich die Höhe und Berechnung der Abfindung. Deutlich wird dies an den in die Berechnung einbezogenen Faktoren Lebensjahre, Dienstjahre, Kinder, Schwerbehinderung/Gleichstellung und vorzeitiges Ausscheiden. "Betriebszugehörigkeit" ist dabei definiert als "die Zeit der ununterbrochenen - oder vertraglich zugesagten Zugehörigkeit zu Z. - (...) - zum Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Anstellungsverhältnisses." Auch für "die Feststellung des Alters gilt das Lebensalter im Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Anstellungsverhältnisses". Die Berechnung der Faktoren Betriebszugehörigkeit und Lebensalter geht somit von der Beendigung des Anstellungsverhältnisses aus. Haben die Betriebsparteien auf diese Berechnung Bezug genommen, wird deutlich, dass auch sie davon ausgegangen sind, dass Anspruch auf eine Abfindung nur im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht.

Diese Auslegung entspricht auch dem Sinn und Zweck von § 6 BV. Die zu zahlende Abfindung soll - was bereits an ihrer Höhe deutlich wird - einen Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes darstellen und nicht lediglich den Entzug von Personalverantwortung, Gebietsvergrößerungen von mehr als 50%, einer Zuweisung eines komplett anderen Gebiets oder einer erforderlichen Verlagerung des Wohnorts von mindestens 100 km ausgleichen. Letzteres kann etwa durch die in § 6 Abs. 3 BV vorgesehene Umzugsunterstützung ausgeglichen werden. Es ist schließlich nicht im Interesse der Arbeitsvertragsparteien, ein Arbeitsverhältnis aufrechtzuerhalten, in dem der Arbeitgeber seiner Beschäftigungspflicht nicht mehr nachkommen kann.

Der Antrag zu 1) auf Zahlung einer Abfindung nebst Zinsen hatte daher keinen Erfolg.

II.

1.

Auch der (erste) Hilfsantrag (Antrag zu 2) des Klägers hatte keinen Erfolg. Der Kläger hat nach Auffassung der Kammer einen Anspruch auf das Angebot eines Aufhebungsvertrags durch die Beklagte, jedoch nicht zu den im Antrag zu 2) genannten Konditionen.

2.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf das Angebot eines Aufhebungsvertrags. Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Unterabs. 2 in Verbindung mit Unterabs. 3 BV liegen vor.

Der Kläger konnte bei der Beklagten nicht vertragsgemäß und nicht zumutbar beschäftigt werden. Dabei kann nach Auffassung der Kammer letztlich dahinstehen, ob dem Kläger bereits vor dem Betriebsübergang eine nicht vertragsgemäße und nicht zumutbare Beschäftigung angeboten worden ist oder ob die Beklagte ihm zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs eine vertragsgemäße und zumutbare Beschäftigung hätte anbieten müssen. Denn spätestens mit der E-Mail der Beklagten vom 27. November 2015 hat die Beklagte nach Auffassung der Kammer deutlich gemacht, dass sie dem Kläger keine Beschäftigung mehr anbieten wird. Spätestens ab diesem Zeitpunkt konnte der Kläger daher das Angebot eines Aufhebungsvertrages mit Zahlung einer Abfindung verlangen. Dieser Anspruch des Klägers ist auch nicht durch das spätere Beschäftigungsangebot der Beklagten wieder entfallen. Im Einzelnen:

a)

Eine Beschäftigung des Klägers in dem neuen Gebiet im Großraum V-Stadt, das zwischen der Interim HR Managerin der Y. X. W. und dem Kläger am 21. August 2015 im Gespräch war, war nicht vertragsgemäß und dem Kläger nicht zumutbar im Sinn des § 6 Abs. 2 Unterabs. 3 S. 1 BV, da es sich um die Zuweisung eines komplett anderen Gebietes gehandelt hätte.

Sollte dem Kläger dieses Gebiet der Beklagten zurechenbar angeboten worden sein, hätte er "schriftlich gegenüber der Z. KG" angezeigt, dass er diese nicht vertragsgemäße und nicht zumutbare Beschäftigung nicht annehmen möchte (§ 6 Abs. 2 Unterabs. 3 S. 2 BV). Zwar hat der Kläger in dem Gespräch am 21. August 2015 zunächst nur mündlich geäußert, dass er an diesem Gebiet kein Interesse habe, sondern weiter bis zum Renteneintritt in seinem bisherigen Gebiet arbeiten wolle.

Er hat jedoch auch in der E-Mail vom 25. Oktober 2015 (Bl 116 d. A.) nochmals schriftlich bestätigt, dass er das "angebotene Außendienstgebiet in NRW (...) wegen Unzumutbarkeit und wegen 100 %iger Änderung des Arbeitsgebiets abgelehnt" hat. Diese Erklärung genügte dem Erfordernis einer "schriftlichen" Anzeige im Sinn des § 6 Abs. 2 Unterabs. 3 S. 2 BV.

Zwar begründen in einer Betriebsvereinbarung aufgestellte Formerfordernisse grundsätzlich einen gesetzlichen Formzwang im Sinn von § 125 S. 1 BGB. Allerdings verlangt nicht jedes in einer Betriebsvereinbarung aufgestellte Schriftformerfordernis die Einhaltung der Voraussetzungen der§§126 ff. BGB. Diese gelten unmittelbar nur für Rechtsgeschäfte. Bei rechtsgeschäftsähnlichen Erklärungen oder einem Schriftlichkeitserfordernis für Mitteilungen oder Informationen kommt eine Anwendung dieser Vorschriften allenfalls analog in Betracht (BAG, Urteil vom 18. Juni 2014 - 10 AZR 699/13 - NZA-RR 2015, 430, 434 Rz. 25). Eine Auslegung des § 6 Abs. 2 Unterabs. 3 S. 2 BV ergibt im vorliegenden Fall, dass eine Anzeige per E-Mail als ausreichend anzusehen ist. In der Vorschrift heißt es "schriftlich" und nicht etwa "in der Schriftform des § 126 BGB". Hintergrund der schriftlichen Anzeige ist, dem Arbeitgeber Klarheit darüber zu schaffen, ob der Arbeitnehmer die angebotene Beschäftigung annimmt. Ab Zugang der Anzeige läuft außerdem die 2-Wochen-Frist für das Angebot eines Aufhebungsvertrages durch die Beklagte. Diesem Zweck genügt auch eine Mitteilung per E-Mail. Hierfür spricht systematisch auch, dass in der BV sowohl für das von der Beklagten abzugebende Beschäftigungsangebot als auch für das Angebot des Aufhebungsvertrages keine ausdrückliche Form vorgesehen ist.

Auch die Aufforderung durch den Klägervertreter an die Beklagte vom 30. Dezember 2015, die Aufhebungsvereinbarung gemäß § 6 BV zu übersenden, enthält eine Ablehnung.

Die in § 6 Abs. 2 Unterabs. 3 S. 2 BV vorgesehene Frist von "spätestens 6 Wochen nach Antritt der angebotenen Beschäftigung" begann nicht zu laufen, da der Kläger die Tätigkeit zu keinem Zeitpunkt angetreten hat. Sie wäre durch die E-Mail vom 25. Oktober 2015 jedoch auch dann gewahrt, wenn man einen Fristlauf ab einem etwaig geplanten Beschäftigungsbeginn am 1. Oktober 2015 annehmen würde.

b)

Ist § 6 BV dahingehend auszulegen, dass die Beklagte dem Kläger am 1. Oktober 2015 oder zumindest zeitnah zu diesem Zeitpunkt eine vertragsgemäße und zumutbare Beschäftigung anbieten musste, liegen die Voraussetzungen dieser Vorschrift ebenfalls vor. Die Beklagte hat dem Kläger weder am 1. Oktober 2015 noch zeitnah zu diesem Zeitpunkt eine solche Beschäftigung angeboten.

Die Stelle, die im August 2015 im Gespräch war, wurde dem Kläger für die Zeit ab dem 1. Oktober 2015 nicht mehr angeboten. Bereits auf den geänderten Gebietskarten, die auf einer Betriebsversammlung der Y. gezeigt wurden, erschien kein Gebiet für den Kläger mehr. Die Teilnahme des Klägers an der Vertriebstagung in R.-Stadt vom 20. bis 23. September 2015 war seitens des Arbeitgebers nicht mehr geplant. Nach dem Betriebsübergang wurde der Kläger freigestellt.

Gemäß § 6 Abs. 2 Unterabs. 1 BV bietet die Beklagte "den Mitarbeitern der Y. ab Stichtag eine Beschäftigung an". Der Wortlaut dieser Bestimmung ist nicht eindeutig. Zum einen kann sich die zeitliche Komponente "ab Stichtag" auf den Zeitpunkt des abzugebenden Angebots beziehen. Zum anderen deckt der Wortlaut auch die Auslegung, dass die anzubietende Beschäftigung "ab Stichtag" zu erfolgen hat. Für das letztere Verständnis spricht der Gesamtzusammenhang. Die BV knüpft an vielen Stellen an den Stichtag, gemeint ist der Zeitpunkt des Betriebsübergangs an, so in § 2 Abs. 1, § 3, § 4 und in § 7 Abs. 2 der BV. In § 4 Abs. 1 und § 5 Abs. 1 BV findet sich die gleiche Formulierung "ab Stichtag" hinsichtlich der Auswirkungen auf die betriebsverfassungsrechtlichen Strukturen und auf die Geltung von Betriebsvereinbarungen. Damit werden die Folgen des Betriebsübergangs umschrieben, die im Zeitpunkt des Betriebsübergangs eintreten und fortwirken. Dasselbe gilt für die Beschäftigungspflicht, die im Zeitpunkt des Betriebsübergangs auf die Beklagte übergeht und "ab" diesem Zeitpunkt besteht.

Nichts anderes folgt aus Sinn und Zweck der Regelung. In Anbetracht der ab dem Betriebsübergang bestehenden Beschäftigungspflicht der Beklagten war die Einräumung einer längeren Frist für die Beklagte, um einen vertragsgemäßen und zumutbaren Arbeitsplatz für die übergegangenen Arbeitnehmer zu finden, nicht veranlasst. Auch enthalten § 6 Abs. 2 Unterabs. 3 S. 2 und S. 3 BV vergleichsweise kurze Fristen für die Umsetzung der neuen Gebietsstruktur. So ist eine Frist von 6 Wochen nach Antritt der angebotenen Beschäftigung für den Arbeitnehmer zur Prüfung und Entscheidung über das Beschäftigungsangebot vorgesehen, sodann eine zweiwöchige Frist für die Beklagte zur Prüfung der Berechtigung des Anspruchs und Unterbreitung eines Aufhebungsvertrages und schließlich eine zweiwöchige Annahmefrist für den Arbeitnehmer. Diesem Streben der Betriebsparteien danach, die Frage der Beschäftigung bzw. des Ausscheidens der Mitarbeiter innerhalb von insgesamt zehn Wochen nach Antritt der angebotenen Beschäftigung zu klären, widerspräche es, wenn der Beklagten unbegrenzte Zeit zur Prüfung von zu unterbreitenden Beschäftigungsangeboten zur Verfügung stehen würde.

Dem entsprechen auch die tatsächlichen Abläufe im Sommer/Herbst 2015. Bereits im August 2015 - noch vor Abschluss der BV - gab es Überlegungen zur neuen Außendienststruktur. Im Rahmen von diversen Gesprächen zwischen dem Betriebsrat der Y. und der Arbeitgeberseite (Y. und Beklagte) wurden auch zukünftige Einsatzmöglichkeiten der Y.-Mitarbeiter bei der Beklagten diskutiert. Mit dem Kläger wurde ebenfalls seitens der Interim HR Managerin Y. W. gesprochen. Die am 2. September 2015 abgeschlossene BV sieht "mit Wirkung zum 1. Oktober 2015" die Integration der bisherigen Arbeitnehmer der Y. in die Organisation der Beklagten vor (§ 2 Abs. 1 BV) und verweist in seinem § 2 Abs. 1 Unterabs. 2 "zur Verdeutlichung der beschriebenen Integration der Arbeitnehmer der Y. in die Organisation des Betriebs der Z. KG in C-Stadt (...) auf die Übersicht der Mitarbeiter Innendienst (Anlage 1a), die Gebietskarten für den Außendienst (Anlage 1b) und die Regionskarte (Anlage 1c)". Anfang September 2015 wurden mit dem Kläger Möglichkeiten eines Altersteilzeitvertrages besprochen. Auf der Betriebsversammlung am 9. September 2015 wurde eine Karte der neuen Außendienststruktur präsentiert. Es gab zu diesem Zeitpunkt konkrete Planungen, damit die Mitarbeiter bereits ab dem Stichtag in der neuen Organisation der Beklagten tätig werden konnten.

c)

Spätestens jedoch mit E-Mail der Beklagten vom 17. November 2015 (Bl. 71 d. A.) hat diese deutlich gemacht, dass sie dem Kläger keinen Arbeitsplatz anbieten wollte. Damit ist nach Auffassung der Kammer spätestens mit Zugang dieser E-Mail ein Anspruch des Klägers auf Abgabe eines Angebots eines Aufhebungsvertrages zu den Konditionen des § 6 Abs. 2 BV entstanden.

In dieser E-Mail hat die Beklagte ausgeführt: "Bitte berücksichtigen Sie, dass wir neben den beiden Optionen Aufhebungsvereinbarung und ATZ-Vertrag keine weiteren Szenarien verfolgen können." Damit hat die Beklagte deutlich gemacht, dass sie gegenüber dem Kläger kein Beschäftigungsangebot mehr abgeben will. Die Beklagte war daher verpflichtet, dem Kläger binnen zwei Wochen einen entsprechenden Aufhebungsvertrag anzubieten.

Vor diesem Hintergrund musste der Kläger nicht von der Beklagten zunächst die Abgabe eines nicht vertragsgemäßen und unzumutbaren, für den Kläger von vornherein nicht in Betracht kommenden Beschäftigungsangebots verlangen. Dies ergibt sich auch daraus, dass § 6 Abs. 2 Unterabs. 3 BV lediglich Beispiele ("beispielsweise") für eine nicht vertragsgemäße und nicht zumutbare Beschäftigung enthält und für den Fall des Angebots einer solchen Beschäftigung den weiteren Ablauf regelt. § 6 Abs. 2 Unterabs. 2 BV spricht dagegen nur davon, dass die Mitarbeiter Anspruch auf Abfindung haben, "die bei der Z. KG nicht vertragsgemäß und zumutbar beschäftigt werden können". Dies schließt den Fall ein, dass für den Mitarbeiter überhaupt kein in Frage kommender Arbeitsplatz zur Verfügung steht und daher bereits nicht angeboten werden kann.

d)

Der Anspruch des Klägers auf Angebot eines Aufhebungsvertrages ist auch nicht dadurch entfallen, dass die Beklagte ihm - nachdem er sie aufgefordert hatte, eine Aufhebungsvereinbarung gemäß § 6 BV zu übersenden - im Januar 2016 eine aus ihrer Sicht vertragsgemäße und zumutbare Beschäftigung angeboten hat. Der Kläger hat dieses Angebot am 25. Januar 2016 lediglich unter Vorbehalt der gerichtlichen Überprüfung angenommen und damit nicht auf einen bereits entstandenen Anspruch auf das Angebot eines Aufhebungsvertrages verzichtet.

3.

§ 6 der BV sieht jedoch nicht vor, dass der von der Beklagten anzubietende Aufhebungsvertrag die Einhaltung der individuellen ordentlichen Kündigungsfrist beinhalten müsste. Zwar wird in Aufhebungsverträgen in der Regel - insbesondere zur Vermeidung von sozialversicherungsrechtlichen Nachteilen - ein Beendigungszeitpunkt gewählt, hinsichtlich dessen die ordentliche Kündigungsfrist eingehalten ist. Eine irgendwie geartete Regelung zu dieser Frage enthält die BV jedoch nicht. Nr. 5.5 des Sozialplans, auf den § 6 BV hinsichtlich der Berechnung der Abfindung Bezug nimmt, regelt für den Fall des vorzeitigen Ausscheidens lediglich, dass unter Abkürzung der Kündigungsfrist ausscheidende Arbeitnehmer "die Sozialplanabfindung in der Höhe erhalten, die sich bei einer Beendigung unter Zugrundelegung der ordentlichen Kündigungsfrist berechnen würde."

III.

Der weitere Hilfsantrag des Klägers (Antrag zu 3) hatte Erfolg. Der Kläger hat, wie oben unter B.II.2 dargelegt, Anspruch darauf, dass die Beklagte ihm einen Aufhebungsvertrag anbietet.

Da § 6 BV keine Angaben über eine etwaig einzuhaltende Kündigungsfrist enthält (s. oben unter B.II.3), kann der Kläger aber zumindest eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit Zustandekommen der Aufhebungsvereinbarung verlangen.

Hinsichtlich der Berechnung der Mindesthöhe der im Aufhebungsvertrag vorzusehenden Abfindung haben die Parteien nicht gestritten.

Die Abfindungshöhe ist auch nicht gemäß § 242 BGB zu reduzieren, weil sie über dem Betrag liegt, den der Kläger als Arbeitsentgelt bis zum Eintritt in den Ruhestand erzielen könnte. Im Sozialplan ist keine Kappungsgrenze vorgesehen. Anzurechnen sind gemäß Nr. 8.3 des Sozialplans nur in vollem Umfang "etwaige gesetzliche, tarifvertragliche oder individualvertragliche Abfindungen, Nachteilsausgleichsansprüche oder sonstige Entschädigungsleistungen (z. B. nach § 113 BetrVG, § 9, 10 KSchG) für den Verlust des Arbeitsplatzes".

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt.

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