LG Landau in der Pfalz, Urteil vom 25.03.2014 - 1 S 96/13
Fundstelle
openJur 2020, 18641
  • Rkr:
Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Landau in der Pfalz vom 14.6.2013, Az. 5 C 1089/11, abgeändert: Die Klage wird abgewiesen.

1. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

1. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

1. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die zulässige Berufung ist begründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte - entgegen der amtsgerichtlichen Entscheidung - kein Anspruch auf Erstattung weiterer Mietwagenkosten zu.

1. Allerdings scheitert der Anspruch der Klägerin - anders als die Beklagte meint - nicht bereits an der fehlenden Erforderlichkeit der Anmietung.

a) Die Beklagte rügt mit der Berufung zwar zu Recht, dass das Amtsgericht aufgrund ihres Abrechnungsschreibens vom 29.3.2011, Bl. 13 d.A., zu Unrecht einen Einwendungsausschluss hinsichtlich der von ihr erst im Prozess bestrittenen Erforderlichkeit der Anmietung, der Mietdauer, etc. angenommen habe. Dem fraglichen Schreiben kann kein dahingehendes deklaratorisches Anerkenntnis entnommen werden, zumal es sich zu den Abrechnungsmodalitäten im Einzelnen überhaupt nicht näher auslässt. Ein deklaratorisches Anerkenntnis liegt allenfalls in Höhe der außergerichtlich gezahlten Summe vor. Mit Einwendungen, die die weitergehende Höhe betreffen, ist die Beklagte hingegen nicht ausgeschlossen (sh. LG Freiburg, Urteil vom 18.4.2013, Az. 1 S 17/13; Palandt/Sprau, BGB-Kommentar, 73. Aufl., § 781, Rn. 10).

b) Die Beklagte verkennt jedoch, dass sie solche konkreten Einwendungen gegen die Erforderlichkeit der Anmietung gar nicht erhoben hat.

aa) Dabei ist zunächst zu bedenken, dass das Anmieten eines Ersatzfahrzeugs grundsätzlich unabhängig davon erfolgen darf, ob der Geschädigte darauf angewiesen ist und ob er es privat oder geschäftlich nutzt. Es ist auch erforderlich, wenn der Geschädigte mit dem Pkw eine Auslandsreise, insbesondere einen Urlaub, unternehmen will. Er muss sich in der Regel nicht auf billigere Verkehrsmittel verweisen lassen. Etwas anderes gilt nur, wenn der Geschädigte keinen (eigenen) oder nur einen geringen Fahrbedarf (nicht mehr als 20 km pro Tag) hat und ein Taxi wegen der kurzen Reparaturzeit des Unfallfahrzeugs billiger und seine Nutzung zumutbar ist (vgl. Schubert in: BeckOK, 29. Aufl., 2011, § 249, Rn. 248 m.w.N.).

Die Klägerin hat in ihrem Schriftsatz vom 10.5.2012 aber substantiiert zur Erforderlichkeit der Anmietung vorgetragen. Insbesondere hat sie vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass die Geschädigte mit dem Mietwagen in den 23 Tagen Mietzeit 549 km und damit täglich mehr als 23 km zurückgelegt hat. Diese Kilometerzahl hat die Beklagte nicht bestritten, so dass von einem geringen Fahrbedarf, der einen Ersatzanspruch ausschließen würde (siehe Palandt/Grüneberg, aaO, § 249, Rn. 35), nicht ausgegangen werden kann.

bb) Die Geschädigte hat auch nicht über einen Zweitwagen, der eine Anmietung entbehrlich gemacht hätte, verfügt. Die Klägerin hat, nachdem die Beklagte ihren Vortrag zur Erforderlichkeit als nicht ausreichend gerügt hatte, vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass die Geschädigte keinen Zweitwagen hatte. Die Beklagte hat dies in der Folge nicht mehr angegriffen.

cc) Gleiches gilt für die Anmietdauer von 23 Tagen. Die Klägerin hat zu dem Reparaturverlauf in den Schriftsätzen vom 10.5.2012, Bl. 189 d.A., und vom 18.5.2012, Bl. 216 d.A., auf Rüge der Beklagten substantiiert vorgetragen und entsprechend Beweis angeboten. Auch die Notwendigkeit und die Angemessenheit der Reparaturdauer hat sie - u.a. durch Einholung eines Sachverständigengutachtens - unter Beweis gestellt. Auch diesem Vortrag ist die Beklagte nicht mehr konkret entgegengetreten, so dass von den nachvollziehbaren Angaben der Klägerin auszugehen und eine Mietdauer von 23 Tagen zu berücksichtigen ist.

2. Dennoch steht der Klägerin kein weiterer Anspruch zu.

a) Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. die Nachweise in BGH VersR 2013, 730, 731 unter II.2.b)) kann der Geschädigte vom Schädiger und seinem Haftpflichtversicherer nach §§ 249 Abs. 2 S. 1 BGB, 115 Abs. 1 VVG als erforderlichen Herstellungsaufwand nur Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist hierbei gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen (OLG Zweibrücken, Urt. v. 29. Juni 2005, Az. 1 U 9/05, juris Rn. 4). Dies bedeutet, dass er von mehreren auf dem örtlichen relevanten Markt erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen kann. Inwieweit dies der Fall ist, hat der bei der Schadensberechnung nach § 287 ZPO besonders freigestellte Tatrichter - gegebenenfalls nach Beratung durch einen Sachverständigen - zu schätzen, wobei unter Umständen auch ein pauschaler Zuschlag auf den "Normaltarif" in Betracht kommt (BGH aaO m.w.N.).

Bei der Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO ist die Art der Schätzgrundlage für die Ermittlung des Normaltarifs im Einzelnen nicht vorgegeben. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf diese allerdings nicht auf der Grundlage falscher oder offensichtlich unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden; ferner dürfen wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer Acht gelassen werden. Auch darf das Gericht in für die Streitentscheidung zentralen Fragen auf nach Sachlage unerlässliche fachliche Erkenntnisse nicht verzichten (BGH NJW 2011, 1947 ff.; NJW-RR 2011, 1109 jew. m.w.N.). Darüber hinausgehende, mithin nicht erforderliche Mietwagenkosten kann der Geschädigte aus dem Blickwinkel der subjektbezogenen Schadensbetrachtung nur ersetzt verlangen, wenn er darlegt und erforderlichenfalls beweist, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt kein wesentlich günstigerer (Normal-)Tarif zugänglich war (BGH VersR 2009, 83).

b) Die instanzgerichtliche Rechtsprechung zieht bei der Bestimmung des ortsüblichen Normaltarifs als Schätzgrundlage vornehmlich die Fraunhofer-Liste oder die Schwacke-Liste heran. Beide stellen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich taugliche Schätzgrundlagen dar (vgl. BGH NJW 2011, 1947). Die Eignung solcher Listen und Tabellen bedarf lediglich dann der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken (BGH VersR 2011, 643). Allein der Umstand, dass die vorgenannten Listen zu teils deutlich voneinander abweichenden Ergebnissen führen können, genügt nicht, um Zweifel an der Eignung der einen oder der anderen Erhebung als Schätzgrundlage zu begründen. Beide Listen sind vielmehr im Grundsatz geeignet, als Basis für eine Schätzung nach § 287 ZPO zu dienen (BGH NJW 2011, 1947, 1948). Dasselbe gilt auch für eine Bestimmung des Normaltarifs anhand einer Schätzung, die das arithmetische Mittel beider Erhebungen zu Grunde legt (vgl. BGH NJW-RR 2010, 1251).

c) Mit Urteil vom 22.1.2014, Az. 1 U 165/11, hat der 1. Senat des Pfälzischen OLG Zweibrücken sich einer vermittelnden und in der Rechtsprechung im Vordringen befindlichen Auffassung angeschlossen, nach welcher die nach § 249 Abs. 2 BGB ersatzfähigen Mietwagenkosten gem. § 287 ZPO auf der Grundlage des arithmetischen Mittels der Werte aus der Schwacke-Liste und der Fraunhofer-Liste geschätzt werden können, um den gegen die Eignung beider Listen jeweils geltend gemachten Bedenken Rechnung zu tragen und die Vor- und Nachteile beider Erhebungen angemessen auszugleichen. Hinsichtlich der für diese vermittelnde Auffassung streitenden Gründe kann hier, ebenso wie hinsichtlich der jeweiligen Einwände gegen die Eignung beider Erhebungen, zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen im genannten Urteil des Pfälzischen Oberlandesgerichts unter 3. sowie die dort zahlreich angeführten weiteren Fundstellen verwiesen werden. Zur Ermöglichung einer einheitlichen Handhabung der Unfallabwicklung im hiesigen Landgerichtsbezirk und nach erneuter Überprüfung ihrer bisherigen Rechtsprechung schließt sich die Berufungskammer des Landgerichts Landau i.d.P. aus Gründen der Rechtssicherheit der genannten Auffassung des für Verkehrsunfallsachen zuständigen 1. Senats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken an.

d) Den Ausgangspunkt der Schätzung des Normaltarifs bildet folglich der Mittelwert der beiden Listen. Heranzuziehen sind dabei die im Unfallzeitpunkt aktuellen Listen (OLG Zweibrücken aaO, OLG Köln, Urteil vom 1.8.2013, Az. 15 U 9/12, juris Rn. 42), hier also die aus dem Jahre 2011. Für den anzuwendenden Postleitzahlenbezirk ist der Anmietort maßgebend, d.h. der Postleitzahlenbezirk des Vermieters (hier: der Klägerin) in 67433 Neustadt/W. (OLG Köln, aaO, juris Rn. 42; OLG Celle Urteil vom 29.2.2012, Az. 14 U 49/11, juris Rn. 31, 32). Abzustellen ist weiterhin auf die Fahrzeugklasse des verunfallten Fahrzeugs und damit vorliegend auf ein Fahrzeug der Klasse 2 (OLG Zweibrücken, aaO; OLG Celle, aaO, juris Rn. 42). Auszugehen ist in beiden Tabellen des Weiteren jeweils vom arithmetischen Mittel (OLG Zweibrücken, aaO; OLG Köln, aaO, juris Rn. 42; OLG Celle, aaO, juris Rn. 44, 45). Für die Berechnung ist ferner grundsätzlich die erreichte Gesamtmietdauer maßgebend. Dieser wird der davon umfasste größte Zeitabschnitt entsprechend den Tabellenwerten entnommen und daraus ein entsprechender 1-Tages-Wert errechnet, der sodann mit der Anzahl der tatsächlichen Gesamtmiettage multipliziert wird (OLG Zweibrücken, aaO, OLG Köln, aaO, juris Rn. 44; OLG Celle, aaO, juris Rn. 46 ff). Die Kosten einer Vollkaskoversicherung sind für Unfälle ab dem Jahr 2011 nicht zu berücksichtigen, da diese in den Normaltarifen beider Listen bereits enthalten sind.

Hiernach ergibt sich folgende Berechnung des Normaltarifs:

Berechnung nach Schwacke 2011:23 x 78,98 Euro = 1.816,54 EuroBerechnung nach Fraunhofer 2011:23 x 28,71 Euro = 660,33 Euro

Daraus errechnet sich ein Mittelwert von 1.238,44 Euro.

e) Im Hinblick darauf, dass bei der Ermittlung des Normaltarifs auf die Fahrzeugklasse des Unfallwagens abgestellt wird, ist von diesem Wert eine Eigenersparnis in Abzug zu bringen (OLG Celle, aaO, juris Rn. 42), welche im Anschluss an das OLG Zweibrücken (aaO) pauschal 4 % beträgt. Abzuziehen sind danach vorliegend 49,54 Euro, so dass 1.188,90 Euro verbleiben.

f) Weiterhin sind auch Nebenkosten grundsätzlich erstattungsfähig, soweit sie tatsächlich angefallen sind und in den Grunderhebungen der beiden Tabellen nicht enthalten sind. Schätzgrundlage bildet die Schwacke-Liste (arithmetisches Mittel), da nur diese über eine entsprechende Nebenkostentabelle verfügt. Sind - wie vorliegend - allerdings tatsächlich geringere Kosten angefallen, als nach der Tabelle zu erstatten sind, sind diese maßgebend (vgl. OLG Köln, aaO, juris Rn. 48, 49, 59). Dies hat zur Folge, dass dem nach Abzug der Eigenersparnis verbliebenen Betrag die der Geschädigten von der Klägerin in Rechnung gestellten Kosten für Zustellung und Abholung in Höhe von je 25,- Euro (brutto) hinzuzurechnen sind.

g) Auf die Mietwagenkosten hat die Beklagte außergerichtlich 1.287,58 Euro gezahlt. Der berechtigte Anspruch der Klägerin in Höhe von insgesamt 1.238,90 Euro ist somit bereits erfüllt.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen; die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 579,55 € festgesetzt.