LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 01.09.2016 - 7 Sa 113/16
Fundstelle
openJur 2020, 18596
  • Rkr:
Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 9. Dezember 2015, Az. 4 Ca 511/15, wird insgesamt (einschließlich des Antrags auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses) auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses vom 13. April 2015, die Weiterbeschäftigung des Klägers sowie einen von der Beklagten in zweiter Instanz hilfsweise gestellten Auflösungsantrag.

Die Beklagte produziert und vertreibt hochwertige technische Bürosysteme und unterhält Niederlassungen im gesamten Bundesgebiet. Sie beschäftigt mehr als 10 Arbeitnehmer. Ein Betriebsrat ist gebildet.

Der 1967 geborene, zwischenzeitlich geschiedene, gegenüber einem minderjährigen Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist seit dem 1. Januar 1995 bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin als Kundendiensttechniker im Vertriebsbereich Z-Stadt beschäftigt, wobei er den technischen Kundendienst im Großraum A-Stadt und Großraum Y.-Stadt verrichtet. Grundlage des Arbeitsverhältnisses sind der mit der X. W. V. U. GmbH geschlossene Arbeitsvertrag vom 23. Dezember 1994 sowie der Kraftfahrzeug-Übernahme- und Überlassungsvertrag vom 23. Dezember 1994.

Der Kläger erzielt eine monatliche Bruttovergütung nach Angaben der Beklagen in Höhe von 3.141,45 € zuzüglich eines 13. Monatsgehalts.

Im Jahr 2003 meldete der Kläger der Beklagten Unregelmäßigkeiten von Kollegen und Vorgesetzten.

Die Arbeitszeit im technischen Außendienst ist im Unternehmen durch eine "Gesamtbetriebsvereinbarung zur Regelung der Arbeitszeit im technischen Außendienst" vom 18. Dezember 2008 (im Folgenden: Gesamtbetriebsvereinbarung Arbeitszeit) geregelt. Wegen des Inhalts dieser Gesamtbetriebsvereinbarung wird auf Bl. 94 ff. d. A. Bezug genommen.

Im Bezirk A-Stadt ist eine Außenstelle bzw. ein Lager der Beklagten nicht vorhanden.

Per E-Mail übersandte der Vorgesetzte des Klägers U. T. am 17. Februar 2014 eine "AANr.3 Arbeitsanweisung Prozesseinhaltung" (Bl. 82 d. A.), in der es auszugsweise heißt:

"Alte Teile, bei denen eine Einlagerung auf Grund des Alters keinen Sinn macht, werden durch die Logistik verschrottet."

Der Kläger ist am 1. Oktober 2014 aus der bis dahin mit seiner damaligen Ehefrau bewohnten Wohnung ausgezogen und hat diese und den dazugehörigen Keller nach diesem Zeitpunkt nicht mehr betreten.

Am 20. Januar 2015 meldete der Kläger sein Diensthandy als defekt und erhielt erst im März 2015 ein neues.

Das Arbeitsgericht Trier verkündete am 11. Februar 2015 im Verfahren mit dem Az. 4 Ca 286/14, in welchem es um die Anwendbarkeit des Lohn- und Gehaltstarifvertrages für den Groß- und Außenhandel im S.-Stadt Wirtschaftsraum ging, ein Urteil, nach dem der Kläger obsiegte. Auf die Berufung der Beklagten wurde die Klage als unzulässig abgewiesen (Az. 5 Sa 121/15). Die Nichtzulassungsbeschwerde (4 AZN 948/15) hatte keinen Erfolg.

Am 23. Februar 2015 rief die damalige Ehefrau des Klägers bei der Beklagten an und teilte mit, dass sich im Keller ihres Hauses noch Gegenstände befinden würden, die ganz offensichtlich der Beklagten gehörten.

Die Beklagte schickte daraufhin am 27. Februar 2015 einen Mitarbeiter zur damaligen Ehefrau des Klägers, um diese Gegenstände abzuholen. Es handelte sich um folgende Ersatzteile: 56AA53061 - FIXING ROLLER/LOWER, 26 TA-PM 10 - PIM KIT 7035 und A02ER70211 - Print Head Assy.

Mit an den Kläger am 6. März 2015 versandtem, undatiertem Schreiben (Bl. 32 d. A.) hörte die Beklagte den Kläger an und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 10. März 2015. Der Kläger nahm mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 12. März 2015 (Bl. 33 ff. d. A.) zu den Vorwürfen Stellung.

Die Ex-Ehefrau des Klägers A. erklärte in einer an die Beklagte gerichteten E-Mail vom 18. März 2015 (Bl. 36 d. A.):

"Hiermit bestätige ich Frau A., daß ich meinen (Noch) Ehemann A. mehrmals darauf hingewiesen habe,das er die Ersatzteile von X. R. abholen soll. Darauf hat er geantwortet schmeiß sie auf den Speermüll."

Die Beklagte hörte den Kläger hierauf nochmals mit einem an seinen Prozessbevollmächtigten gerichteten Schreiben vom 20. März 2015 (Bl. 37 f. d. A.) an.

Der Kläger antwortete mit Schreiben vom 30. März 2015 (Bl. 39 d. A.).

Sodann hörte die Beklagte den Betriebsrat mit Schreiben vom 9. April 2015 (Bl. 42 ff. d. A.) zur beabsichtigten Kündigung des Klägers an. Der Betriebsrat teilte er der Beklagten mit E-Mail vom 13. April 2015 (Bl. 46 d. A.) mit, dass er beschlossen habe, sich zur beabsichtigten fristlosen/vorsorglich ordentlichen Kündigung zu verschweigen.

Mit Schreiben vom 13. April 2015 (Bl. 13 d. A.), dem Kläger zugestellt am 14. April 2015, hat die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum 30. November 2015 gekündigt.

Mit seiner am 24. April 2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen, der Beklagten am 5. Mai 2015 zugestellten Kündigungsschutzklage wandte sich der Kläger gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die außerordentliche, hilfsweise Kündigung vom 13. April 2015 und begehrte seine Weiterbeschäftigung.

Am 6. Mai 2015 wurden der Kläger und die Zeugin A. im Verfahren vor dem Amtsgericht - Familiengericht - Trier unter dem Aktenzeichen 0000 angehört. Wegen des Inhalts dieser Anhörung wird auf das Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung des Amtsgerichts - Familiengericht - Trier vom 6. Mai 2015 (Bl. 68 ff. d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger hat vorgetragen,Kündigungsgründe lägen nicht vor. Er hat die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats zur Kündigung sowie die Einhaltung der zweiwöchigen Ausschlussfrist gemäß § 626 Abs. 2 BGB bestritten. Diese sei mit Ablauf des 26. März 2015 abgelaufen. Hieran ändere auch seine wiederholte Anhörung nichts, da sich aus dieser keine erheblichen neuen Umstände ergeben hätten. Aber selbst dann wäre die Frist mit Ablauf des 13. April 2015 abgelaufen.

Er hat mit Nichtwissen bestritten, dass seine Ehefrau angegeben habe, dass er auf Mitteilungen, dass sich im Keller Ersatzteile von X. R. befänden, geäußert habe, dass sie diese vernichten bzw. wegwerfen könne. Es habe eine Kommunikation zwischen seiner Ehefrau und ihm gegeben, in welcher diese ihn aufgefordert habe, verbliebene Sachen aus dem Keller zu räumen. Hierbei habe sie indes keine Gegenstände explizit benannt. Sie habe ihn per WhatsApp am 2. November 2014 angeschrieben und gefragt, wann er gedenke, ihren Keller leer zu räumen. Die Räumung des Kellers sei an dem Verhalten der Zeugin A. selbst gescheitert. Aus der entsprechenden WhatsApp-Kommunikation werde insbesondere deutlich, das zu keinem Zeitpunkt über konkrete Gegenstände, geschweige denn über Ersatzteile der Beklagten gesprochen worden sei.

Später habe seine Ehefrau über WhatsApp bei ihm nachgefragt, was mit den X.-Sachen sei. Er habe hierauf nicht geantwortet, er habe gedacht, was das jetzt solle, da er der Meinung gewesen sei, dass er keine Sachen mehr von X. dort gehabt habe, er habe nicht gewusst, was sie damit meine. Dies sei gewesen, bevor ihm das Diensthandy runtergefallen und hierbei zerstört worden sei. Von Ersatzteilen habe seine Ehefrau nicht gesprochen. Das hätten auch Reinigungssprays oder -tücher gewesen sein können. Die Zeugin habe in ihrer Aussage vor dem Familiengericht richtiggestellt, dass sie auf die Nachfrage, was mit den X.-Sachen passieren solle, keine Antwort von ihm mehr erhalten habe. Tatsache sei, dass er die weitere Nachfrage der Zeugin überhaupt nicht mehr erhalten habe.

Er habe hinsichtlich dieser Gegenstände keine Zueignungsabsicht gehabt. Jeder Techniker der Beklagten habe einen bestimmten Warenbestand in seinem Auto. Er habe Verschleiß- oder Ersatzteile lediglich in seinem Dienstfahrzeug lagern können.

Bei den aufgeführten drei Teilen handele es sich um solche, die bei Kunden aufgrund eines Gerätewechsels nicht mehr benötigt und auch von der die Geräte abholenden Spedition nicht mitgenommen worden seien. Die Kunden hätten ihn daher gebeten, diese mitzunehmen. Mangels Platzreserve habe er diese im Keller abgestellt.

Hinsichtlich des Umbauteils Print Head Assy habe es sich dergestalt verhalten, dass dieses zeitweise kurzfristig nicht lieferbar gewesen sei, weshalb die Print Heads nicht im Set, sondern nur einzeln getauscht worden seien. Wegen der bekannten Lieferengpässe habe er dieses Umbauteil bei sich behalten, um im entsprechenden Fall Kunden weiterhelfen zu können. Das Verschleißteil Fixing Roller/Lower und das Inspektionskit PM KIT 7035 gehörten zu circa zehn Jahre alten Geräten. Diese seien mittlerweile bei Kunden der Beklagten überhaupt nicht mehr im Einsatz. Er habe diese Ende 2013/Anfang 2014 von Kunden erhalten, weil diese keine Verwendung für diese mehr gehabt hätten. Die Gegenstände seien wertlos.

Erstaunlich sei, dass die Zeugin A. nach seinem Kenntnisstand den Keller bis zum 9. Februar 2015 habe räumen müssen, aber erst am 23. Februar 2015 - nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils im Rechtsstreit mit dem Az. 4 Ca 286/14 - die Beklagte kontaktiert habe.

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 13. April 2015, zugegangen am 14. April 2015, beendet wird;

2. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 13. April 2015, zugegangen am 14. April 2015, zum Ablauf des 30. November 2015 beendet wird;

3. die Beklagte zu verurteilen, ihn über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits zu den bisherigen Bedingungen - vollzeitige Tätigkeit als Kundendiensttechniker im Großraum A-Stadt - weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen,der Kläger habe durch sein Verhalten einen Sachverhalt geschaffen, der geeignet sei, einen wichtigen Kündigungsgrund nach § 626 Abs. 1 BGB abzugeben. Aufgrund der Angaben seiner Ehefrau sei davon auszugehen, dass er diese am Telefon angewiesen habe, die Gegenstände, von denen er wusste, dass sie ihr Eigentum seien, zu entsorgen. Die Zeugin habe bei ihrem Anruf am 23. Februar 2015 angegeben, dass es sich vermutlich um Ersatzteile handele. Weiter habe sie geschildert, dass sie ihren Ehemann, den Kläger, der nicht mehr in der ehelichen Wohnung lebe, diesbezüglich angerufen habe, um zu erfahren, was mit diesen Gegenständen geschehen solle. Der Kläger habe ihr daraufhin mitgeteilt, dass sie die Gegenstände vernichten bzw. wegwerfen könne. Aus ihrer - der Beklagten - Sicht gebe es keine Anhaltspunkte, um an der Glaubwürdigkeit der Zeugin A. zu zweifeln. Vielmehr lege die Tatsache, dass die Eheleute mehrfach über die Räumung des Kellers kommuniziert hätten und der Kläger den Keller zunächst selbst habe räumen wollen, nahe, dass der Kläger gewusst habe, welche Gegenstände sich im Keller befanden. Jedenfalls zwei der Gegenstände habe er nach eigenen Angaben auch erst Ende 2013/Anfang 2014 von dem Kunden zurückbekommen. Auch wenn der Kläger seiner Ehefrau nicht mehr geantwortet habe und zuvor erklärt habe, sie solle die Sache wegwerfen, heiße das, dass es von ihm keine anderslautende Anweisung als wegwerfen gegeben habe.

Die Ersatzteile hätten einen Materialwert von aktuell 343,05 € gehabt. Es gebe bei ihr zahlreiche Anleitungen, wie mit Ersatzteilen, die nicht zeitnah bei einem Kunden benötigt würden, zu verfahren sei. Diese Richtlinien seien auch dem Kläger bekannt.

Sie war der Ansicht, die Kündigung sei auch rechtzeitig innerhalb der zweiwöchigen Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 S. 1 BGB ausgesprochen worden. Diese Frist habe frühestens am 31. März 2015 begonnen, dem Tag nach dem das Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers, in dem dieser zu der weiteren Aussage seiner Ehefrau Stellung genommen habe, bei ihr eingegangen sei. Sein Prozessbevollmächtigter habe sich am 30. März 2015, als das Fax des Klägervertreters um 17.30 Uhr eingegangen sei, nicht in seinem Büro befunden und erst am 31. März 2015 von dem Fax Kenntnis erhalten. Das Schreiben sei per E-Mail (Bl. 83 d. A.) an diesem Tag um 10.46 Uhr an die Personalleiterin Frau Q., die zum Ausspruch der Kündigung berechtigt gewesen sei, weitergeleitet worden.

Aus den vorgenannten Gründen bestehe auch der Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers nicht.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 9. Dezember 2015 festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 13. April 2015 weder fristlos noch zum Ablauf des 30. November 2015 beendet worden ist. Weiter hat es die Beklagte verurteilt, den Kläger über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits zu den bisherigen Bedingungen - vollzeitige Tätigkeit als Kundendiensttechniker im Großraum A-Stadt - weiter zu beschäftigen.

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt, die außerordentliche Kündigung sei unwirksam, da die Voraussetzungen des § 626 Abs. 2 BGB nicht erfüllt seien. Die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei nicht gewahrt. Die Beklagte habe bereits die erste Anhörung des Klägers nicht in der gebotenen Eile durchgeführt. Zwischen dem Anruf der Ehefrau und der Versendung des Anhörungsschreibens an den Kläger hätten nach dem eigenen Vortrag der Beklagten bereits 11 Kalendertage gelegen. Besondere Umstände für die Überschreitung der einzuhaltenden kurzen Frist von einer Woche seien weder ersichtlich noch vorgetragen worden. Darüber hinaus fehle es zur Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung auch am Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinn des § 626 Abs. 1 BGB. Es könne zugunsten der Beklagten unterstellt werden, es läge ein "an sich geeigneter" Grund für die außerordentliche Kündigung vor. Allerdings fehle es an der Erforderlichkeit und auch Verhältnismäßigkeit der außerordentlichen Kündigung.

Das Arbeitsverhältnis sei auch nicht durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 13. April 2015 zum 30. November 2015 beendet worden. Diese sei mangels Vorliegens einer einschlägigen Abmahnung ebenfalls nicht erforderlich, also unverhältnismäßig und damit nicht sozial gerechtfertigt im Sinn des § 1 Abs. 1, 2 KSchG.

Aufgrund der Unwirksamkeit der Kündigung sei die Beklagte verpflichtet, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits zu den bisherigen Bedingungen weiterzubeschäftigen.

Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Trier (Bl. 99 ff. d. A.) Bezug genommen.

Das genannte Urteil ist der Beklagten am 2. März 2016 zugestellt worden. Die Beklagte hat hiergegen mit einem am 29. März 2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 28. April 2016, eingegangen beim Landesarbeitsgericht am gleichen Tag, begründet.

Zur Begründung der Berufung macht die Beklagte nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes sowie der Schriftsätze vom 1. August 2016 sowie vom 29. August 2016, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 135 ff., 183 ff., 188 ff. d. A.), zusammengefasst geltend,

die außerordentliche Kündigung vom 13. April 2015 sei wirksam und habe das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger beendet. Sie habe beim Ausspruch der Kündigung die Zwei-Wochen-Frist nach § 626 Abs. 2 BGB eingehalten. Es liege zudem auch ein wichtiger Grund im Sinn des § 626 Abs. 1 BGB vor.

Nach der Abholung der Ersatzteile habe sie intern geprüft, um welche Teile es sich handelte. Zudem habe die mit der Durchführung der Ermittlungsmaßnahmen befasste Mitarbeitern der Personalabteilung intern die betriebliche Praxis im Umgang mit nicht mehr benötigten Ersatzteilen aufgeklärt. Hierzu habe Frau P. bei der Logistikerin N. M. angefragt, wie der Prozess zum Bestandsmanagement funktioniere, um nachvollziehen zu können, welche Teile bei dem Kläger lägen und zu klären, wie der Prozess für die Lagerung und Rückgabe von Ersatzteilen sei. Die Logistikerin habe durch die Buchungen im SAP-System feststellen können, um welche Teile es sich handelte. Die Antwort mit den Angaben zu den Ersatzteilen habe Frau P. durch die Servicelogistik per E-Mail am 4. März 2016 erhalten.

Aus der WhatsApp-Kommunikation zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau werde gerade nicht deutlich, dass zwischen diesen zu keinem Zeitpunkt über konkrete Gegenstände gesprochen worden sei. Die Ehefrau habe ihr mitgeteilt, dass sie den Kläger angerufen habe, um zu erfahren, was mit den Gegenständen geschehen solle. Die WhatsApp-Kommunikation stamme vom 2. November 2014 und damit aus einer Zeit weit vor dem Zeitpunkt als sich die Zeugin A. bei ihr gemeldet habe.

Jedenfalls sei das Arbeitsverhältnis aufgrund der ordentlichen Kündigung beendet worden.

Für den Fall, dass das Gericht die Kündigung nicht als sozial gerechtfertigt ansehen sollte, sei das Arbeitsverhältnis auf ihren Antrag aufzulösen, da eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht mehr erwartet werden könne.

Der Kläger habe seine Arbeitszeitnachweise fehlerhaft ausgefüllt und sich trotz mehrfacher Aufforderung und auch nach Ausspruch einer Abmahnung geweigert, diese zu korrigieren sowie sein Verhalten zu ändern. Entgegen der Regelung in § 4 der Gesamtbetriebsvereinbarung Arbeitszeit habe der Kläger die Fahrzeit von seiner Wohnung zu dem ersten Kunden sowie vom letzten Kunden zu seiner Wohnung in den Arbeitszeitnachweisen vollständig als Arbeitszeit erfasst. Er habe zur Begründung seiner Einträge auf die Rechtsprechung des EuGH sowie des BAG verwiesen und die Auffassung vertreten, die Regelungen des § 2 Gesamtbetriebsvereinbarung Arbeitszeit seien aufgrund dieser Rechtsprechung unwirksam und für ihn nicht bindend. Nachdem der Kläger die Zeiteinträge nicht korrigiert habe, habe sie am 21. April 2016 eine Abmahnung (Bl. 212 f. d. A.) ausgesprochen. Der Kläger habe sich jedoch uneinsichtig gezeigt, weiterhin die Arbeitszeitjournale fehlerhaft ausgefüllt und sich beharrlich geweigert, die fehlerhaften Arbeitszeitjournale zu korrigieren.

Neben dieser Weigerung zeugten auch die Äußerungen des Klägers gegenüber seinem Vorgesetzten in der E-Mail-Kommunikation zu diesem Thema von fehlendem Respekt. So habe der Kläger Herrn L. in der E-Mail vom 10. März 2016 (Bl. 207 f. d. A.) unter anderem bezichtigt, er habe die Unwahrheit gesagt ("Um bei der Wahrheit zu bleiben K., [...]").

In der Auseinandersetzung mit der Beklagten über die Dokumentation seiner Arbeitszeiten habe er überdies am 1. Juni 2016 eine E-Mail (Bl. 214 d. A.) an J. H., Manager Service Region Mitte, versendet, in der er nochmals seine Auffassung bezüglich der Aufzeichnung der Arbeitszeiten dargelegt habe. Diese E-Mail habe er in Blindkopie auch an alle bei der Beklagten beschäftigten Techniker sowie in Kopie an die Gewerkschaft ver.di gesandt. Hierdurch habe er nicht nur eine erhebliche Unruhe in die Belegschaft gebracht und den Betriebsfrieden gestört, sondern auch seine arbeitsvertragliche Treuepflicht gegenüber der Beklagten verletzt.

Diese Verhaltensweise des Klägers bei Auseinandersetzungen mit ihr bzw. ihren Mitarbeitern sei beispielhaft. Der Kläger sei extrem eigenwillig und mache bei jedweden Auseinandersetzungen, die er gerne mit Arbeitskollegen oder Vorgesetzten führe, regelmäßig erheblichen und unangemessenen Druck, um seine Meinung oder seine Interessen durchzusetzen.

So habe ihm nach einer längeren Krankheit sein Dienstfahrzeug an der Betriebsstätte in G.-Stadt zurückgegeben werden sollen. Seinerzeit sei eine Wiedereingliederungsmaßnahme im Umfang von 4 Stunden vorgesehen gewesen. Der Kläger sei aber nicht bereit gewesen, den Weg von A-Stadt nach G.-Stadt auf sich zu nehmen. Er habe daher am 13. Februar 2015 vorgeschlagen, dass man sich auf halben Weg treffen möge. Außerdem habe er darauf hingewiesen, dass er trotz Bestätigung seines Arztes, wonach er wieder arbeitsfähig und fahrtauglich sei, nicht uneingeschränkt belastbar sei. Er könne nur zwei Stunden Auto fahren. Als sein Vorgesetzter weiterhin darauf bestanden habe, dass das Fahrzeug in G.-Stadt abgeholt werden sollte, habe der Kläger seine Krankenkasse kontaktiert, die bei der Beklagten um die Klärung des Sachverhaltes gebeten habe. Der Kläger habe sein Fahrzeug nicht in G.-Stadt abgeholt, sondern sei weiter bis zum 31. März 2015 arbeitsunfähig krankgeschrieben worden.

Der Kläger habe immer wieder Einladungen zu Meetings ignoriert und angeblich dringende Kundentermine als Grund für sein Nichterscheinen angeführt.

Auch sein Teamverhalten sei nicht akzeptabel. Es habe stets Auseinander-setzungen mit seinen Teammitgliedern über die Art und Weise, wie die Arbeiten auszuführen seien, gegeben. Dies habe dann soweit geführt, dass die Mitarbeiter des Teams nicht mehr bereit gewesen seien, mit dem Kläger zusammenzuarbeiten, und sie vor allem seine Teamfähigkeiten in Frage gestellt hätten. Die Kritik-fähigkeit des Klägers sei erheblich eingeschränkt. Man habe den Eindruck gehabt, dass, sobald seine Vorgesetzten Kritik an ihm geübt hätten, er als unmittelbare Reaktion arbeitsunfähig erkrankt sei. Hierzu könne nur der Zeuge T. benannt werden, da insbesondere die Arbeitskollegen Sorge hätten, dass der Kläger ihnen gegenüber aggressiv werde. Er werde von vielen Mitarbeitern als unberechenbar angesehen.

Auch das prozessuale Verhalten, insbesondere die weit überzogenen Abfindungsforderungen des Klägers rechtfertigten den Auflösungsantrag. Auf tele-fonische Nachfrage ihres Prozessbevollmächtigten habe der Klägervertreter am 7. April 2016 mitgeteilt, dass der Kläger nur gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 400.000,00 € bereit sei, sich auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einigen.

Nachdem der Kläger über drei Instanzen erfolglos versucht habe, unter Verweis auf angeblich einschlägige Tarifverträge Gehaltserhöhungen klageweise durchzusetzen (Arbeitsgericht Trier 4 Ca 286/14, LAG Rheinland-Pfalz 5 Sa 121/15, BAG 4 AZN 948/15), habe er unter dem 9. März 2015 erneut eine Klage auf Feststellung erhoben, dass der Lohn- und Gehaltstarifvertrag für den Groß- und Außenhandel S.-Stadt zu Anwendung komme. Weiterhin habe er auf Entfernung der Abmahnung vom 21. April 2016 aus der Personalakte geklagt (Arbeitsgericht Trier 4 Ca 843/16). Allein die Anzahl der Auseinandersetzungen führe zu dem zwingenden Schluss, dass eine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht mehr gewährleistet sei.

Der Klägervertreter habe außerdem im Termin vor dem Landesarbeitsgericht am 1. September 2016 geäußert, die Beklagte habe nur einen Vorwand gesucht, dem Kläger kündigen zu können.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 9. Dezember 2015, Az. 4 Ca 511/15, aufzuheben und die Klage abzuweisen,

hilfsweise

das Arbeitsverhältnis gemäß §§ 9, 10 KSchG gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung aufzulösen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe seines Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 23. Juni 2016, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 169 ff. d. A.), als rechtlich zutreffend. Die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei nicht eingehalten worden. Ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB für die außerordentliche Kündigung vom 13. April 2015 liege nicht vor. Zu keinem Zeitpunkt habe er seine Ehefrau aufgefordert, Gegenstände der Beklagten wegzuwerfen. Er habe auch nicht billigend in Kauf genommen, dass seine Ehefrau aufgrund seiner Äußerungen im Keller befindliche Sachen der Beklagten weg-werfe, da er die Sachen der Beklagten schlicht und ergreifend vergessen gehabt habe. Selbst dann läge aber ein Verstoß gegen die Arbeitsanweisung vom 14. Januar 2014 nicht vor. Es sei nicht ersichtlich, ob er auf Kosten der Beklagten Ersatzteile erst - unökonomisch - zu einer Niederlassung der Beklagten hätte transportieren lassen sollen, damit sie dort verschrottet hätten werden können.

Auch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 13. April 2015 zum 30. November 2015 sei unwirksam.

Der Kläger ist hinsichtlich des Auflösungsantrags der Auffassung, hinsichtlich des Vorwurfs des fehlerhaften Ausfüllens der Arbeitszeitnachweise handele es sich um sein gutes Recht, die Wirksamkeit der Gesamtbetriebsvereinbarung Arbeitszeit überprüfen zu lassen. Da er seit dem 18. April 2016 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei, habe er nach der Abmahnung keine Arbeitszeitjournale mehr fehlerhaft ausgefüllt.

Bei der Formulierung in der E-Mail vom 10. März 2016 handele es sich um eine bloße Redewendung, eine Floskel.

Er habe das Dienstfahrzeug mehrfach in G.-Stadt abgeholt. Einmal während der Wiedereingliederung habe er den Vorschlag gemacht, sich auf der Hälfte zu treffen. Hintergrund sei gewesen, dass er sich seinerzeit in einer Wiedereingliederung befunden habe und eine Arbeitszeit von 2 Stunden gehabt habe. Er habe sich nach einer Achillessehnenoperation nicht zugetraut, 4 Stunden Auto zu fahren.

Die Meetings habe er wegen Technikerterminen verpasst.

Hinsichtlich des Vorwurfs überhöhter Abfindungsforderungen sei Hintergrund, dass die Beklagte gebeten habe, dass er seine Vorstellung für Vergleichsverhandlungen mitteile. Berücksichtigt werden müsse insoweit auch, dass es um die Beendigung auch weiterer Rechtsstreitigkeiten zwischen den Parteien gegangen sei.

Das Landesarbeitsgericht hat Beweis erhoben über die Frage, ob der Kläger der Zeugin A. telefonisch mitgeteilt habe, sie könne die der Beklagten gehörenden Gegenstände im Keller des Hauses wegwerfen, durch Vernehmung der Zeugin A.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 1. September 2016 (Bl. 250 d. A.) Bezug genommen.

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 1. September 2016 (Bl. 247 ff. d. A.) Bezug genommen.

Gründe

A.

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie erweist sich auch sonst als zulässig.

Einen Auflösungsantrag konnte die Beklagte gemäß § 9 Abs. 1 S. 3 KSchG bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.

B.

In der Sache hatte die Berufung der Beklagten keinen Erfolg. Wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, ist das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 13. April 2015, noch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung vom gleichen Tag zum 30. November 2015 beendet worden. Auch der zweitinstanzlich von der Beklagten gestellte Auflösungsantrag hatte keinen Erfolg. Der Kläger hat daher Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits zu den bisherigen Bedingungen (vollzeitige Beschäftigung als Kundendiensttechniker im Großraum A-Stadt).

I.

Die Kündigungsschutzklage ist zulässig, insbesondere innerhalb der Frist der §§ 4 S. 1, 7, 13 Abs. 1 S. 2 KSchG erhoben worden.

II.

Sie ist auch begründet. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist weder durch die außerordentliche, noch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 13. April 2015 beendet worden.

1. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 13. April 2015 nicht wirksam beendet worden.

Ein wichtiger Grund im Sinn des § 626 Abs. 1 BGB liegt nach Auffassung der Kammer nicht vor.

a) Es liegen keine Tatsachen vor, aufgrund derer es der Beklagten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht zugemutet werden kann, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen.

(1) Das Vorliegen eines wichtigen Grundes ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in zwei Schritten zu untersuchen. Danach ist zunächst zu prüfen, ob der Kündigungssachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund zu rechtfertigen. Ist dies der Fall, folgt als zweiter Schritt die Prüfung, ob dem Kündigenden unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der gegenseitigen Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zum vereinbarten Beendigungszeitpunkt zumutbar ist oder nicht (BAG, Urteil vom 21. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - NZA 2011, 798, 800 Rz. 24; vom 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - NZA 2010, 1227, 1229 Rz. 16, jeweils m. w. N.).

Vom Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber begangene Vermögensdelikte sind an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Das gilt auch dann, wenn diese lediglich das Versuchsstadium erreicht haben (BAG, Urteil vom 11. Dezember 2003 - 2 AZR 36/03 - NZA 2004, 486, 488). Dabei kommt es nicht auf die strafrechtliche Wertung an, sondern darauf, ob dem Arbeitgeber deswegen nach dem gesamten Sachverhalt die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses noch zuzumuten ist.

Damit verletzt der Arbeitnehmer zugleich in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen. Ein solches Verhalten kann auch dann einen wichtigen Grund im Sinn des § 626 Abs. 1 BGB darstellen, wenn die rechtswidrige Handlung Sachen von nur geringem Wert betrifft oder zu einem nur geringfügigen, möglicherweise zu gar keinem Schaden geführt hat (BAG, Urteil vom 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - NZA 2010, 1227, 1230 Rz. 26 m. w. N.).

Verhaltensbedingte Gründe bilden dabei in der Regel nur dann einen wichtigen Grund, wenn der Gekündigte nicht nur objektiv, sondern auch rechtswidrig und schuldhaft seine Pflichten aus dem Vertrag verletzt hat, wobei allerdings auch Fahrlässigkeit ausreichen kann.

Auch die schuldhafte Verletzung einer Nebenpflicht ist an sich als verhaltensbedingter Kündigungsgrund geeignet. Sie setzt aber für die Eignung als Kündigungsgrund in der Regel eine vorherige vergebliche Abmahnung voraus. Da die ordentliche verhaltensbedingte Kündigung die übliche und regelmäßig auch ausreichende Reaktion auf die Verletzung einer Nebenpflicht ist, kommt eine außerordentliche Kündigung nur in Betracht, wenn das regelmäßig geringere Gewicht dieser Pflichtverletzung durch erschwerende Umstände verstärkt wird (BAG, Urteil vom 12. Mai 2010 - 2 AZR 845/08 - NZA 2010, 1348, 1349 f. Rz. 19).

Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen des wichtigen Grundes trägt die kündigende Beklagte. Ihre Darlegungs- und Beweislast erstreckt sich dabei auch auf die Widerlegung von den Kläger entlastenden Umständen, Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründen.

(2) Zur Überzeugung der Kammer steht nicht fest, dass der Kläger die Zeugin A. am Telefon angewiesen hat, die Ersatzteile 56AA53061 - FIXING ROLLER/LOWER, 26 TA-PM 10 - PIM KIT 7035 und A02ER70211 - Print Head Assy, von denen er wusste, dass sie Eigentum der Beklagten sind, zu entsorgen und dass er der Beklagten dadurch Firmeneigentum entzogen hat. Ebenfalls steht zur Überzeugung der Kammer nicht fest, dass der Kläger eine Entsorgung der Ersatzteile durch die Zeugin A. billigend in Kauf genommen hätte.

Im Anruf bei der Beklagten am 23. Februar 2015 soll die Zeugin A. nach dem Vortrag der Beklagten angegeben haben, dass es sich bei Gegenständen in ihrem Keller vermutlich um Ersatzteile der Beklagten handele. Sie habe den Kläger angerufen, um zu erfahren, was mit diesen Gegenständen geschehen solle. Der Kläger habe ihr daraufhin mitgeteilt, dass sie die Gegenstände vernichten bzw. wegwerfen könne. Aus diesem Vortrag der Beklagten ergibt sich nicht, dass die Zeugin den Kläger konkret auf Ersatzteile bzw. Gegenstände der Beklagten angesprochen hätte. Einer Vernehmung des von der Beklagten zum Inhalt des Telefonats zwischen der Zeugin und einem Mitarbeiter der Beklagten benannten Zeugen T. bedurfte es daher nicht.

In der an die Mitarbeiterin F. E. der Beklagten gerichteten E-Mail vom 18. März 2015 hat die Zeugin A. zwar bestätigt, dass sie den Kläger mehrmals darauf hingewiesen habe, dass er die Ersatzteile von X. R. abholen solle und er darauf geantwortet habe, sie solle sie auf den Sperrmüll schmeißen. Die Zeugin A. hat in dieser E-Mail aber keine weiteren Details der Kommunikation mit dem Kläger angegeben. Zeit und Kommunikationsweg bleiben völlig offen, der genaue Inhalt der Kommunikation wird nicht genannt. Insbesondere äußert sich die Zeugin nicht dazu, wann in welcher Form sie die "Ersatzteile von X. R." dem Kläger bezeichnet oder umschrieben hat.

In ihrer Aussage vor dem Familiengericht hat die Zeugin A. zunächst erklärt, dass sie gefragt habe, was sie mit den "Sachen" machen solle. Hierauf habe der Kläger geantwortet, dass sie die auf den Sperrmüll tun solle, soweit sie nicht mit dem Haus zu tun hätten. Sie habe dann noch beim Kläger nachgefragt, "was mit den X. Sachen passieren solle, da ja auf den Teilen groß X. draufstand." Sie habe keine Antwort mehr vom Kläger erhalten. Aus dieser Aussage ergibt sich gerade nicht, dass der Kläger gegenüber der Zeugin geäußert hätte, dass diese die Ersatzteile entsorgen sollte. Offen bleibt insbesondere auch, ob die Zeugin dem Kläger gegenüber angegeben hat, dass auf den Teilen groß X. draufstand, oder ob sie nur selbst davon ausging, dass es sich um Teile der Beklagten handelte, weil diese mit X. beschriftet waren.

Obwohl die Zeugin A. sich in der E-Mail vom 18. März 2015 nur äußerst knapp und nicht detailliert geäußert hat, widersprechen sich ihre Angaben in der E-Mail und vor dem Familiengericht. Während sie in der E-Mail angegeben hat, den Kläger mehrfach darauf hingewiesen zu haben, dass er die Ersatzteile von X. R. abholen soll, hat sie vor dem Familiengericht nicht von einem Hinweis, sondern von einer an den Kläger gerichteten Frage gesprochen. Nach ihrer E-Mail erfolgte der Hinweis an den Kläger "mehrmals", nach ihrer Aussage vor dem Familiengericht will sie einmalig beim Kläger nachgefragt haben. In der E-Mail hat sie darauf hingewiesen, dass er die "Ersatzteile von X. R." abholen solle, während im Protokoll der Verhandlung vor dem Familiengericht wiedergegeben ist, dass sie nach den "X.-Sachen" gefragt habe. Schließlich hat sie in der sehr kurzen E-Mail angegeben, dass der Kläger "darauf" geantwortet habe, "schmeiß sie auf den Speermüll". Vor dem Familiengericht hat sie hingegen angegeben, sie habe auf ihre Frage keine Antwort vom Kläger mehr erhalten.

In diesem Zusammenhang ist nach Auffassung der Kammer auch zu berücksichtigten, dass zum Zeitpunkt des Anrufs der Zeugin A. bei der Beklagten und der von der Zeugin getätigten Aussagen sich der Kläger und die Zeugin in einer emotional belasteten Trennung befanden. Zu berücksichtigen ist insoweit auch, dass die Zeugin dem Kläger nicht ermöglicht hatte, den Keller bereits in zeitlicher Nähe zu seinem Auszug Anfang November 2014 zu räumen. Einen Termin am 3. November 2014 um 11.00 Uhr zur Kellerräumung sagte die Zeugin ab und erklärte per WhatsApp-Kommunikation: "Ich glaube im Moment habe ich kein Zeit für dich. Wie du mir so ich dir."

Vor dem Landesarbeitsgericht hat die Zeugin A. von ihrem Recht nach § 383 Abs. 1 Nr. 2 ZPO Gebrauch gemacht, als Ex-Ehefrau des Klägers keine Aussage machen zu müssen. Die Widersprüche zwischen den beiden Erklärungen der Zeugin konnten damit nicht aufgeklärt werden.

Dass der Kläger die Zeugin A. angewiesen hätte, konkret die drei Ersatzteile der Beklagten zu entsorgen, ergibt sich zur Überzeugung der Kammer auch nicht aus den teilweise widersprüchlichen Angaben des Klägers selbst. Daraus, dass der Kläger in der Sitzung des Amtsgerichts - Familiengericht - Trier angegeben hat, in der WhatsApp-Kommunikation zwischen ihm und der Zeugin A. habe diese lediglich angegeben, dass noch Sachen seines Arbeitgebers vorhanden seien, ohne diese Dinge näher zu spezifizieren, von Ersatzteilen sei keine Rede gewesen, es hätten zum Beispiel auch Reinigungssprays oder -tücher sein können, folgt nicht, dass ihm bewusst war, dass die Ersatzteile noch im Keller der ehemaligen Ehewohnung lagerten. Auch aus dieser Aussage des Klägers ergibt sich nicht, dass dem Kläger bekannt war oder bekannt sein musste, dass die Zeugin A. von den drei Ersatzteilen sprach. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Ersatzteile sich zumindest seit Ende 2013/Anfang 2014 im Keller befanden und seither nicht benötigt worden waren. Soweit der Kläger auch - insoweit widersprüchlich - vorgetragen hat, er habe die letzte Anfrage der Zeugin per WhatsApp wegen seines defekten Handys nicht mehr erhalten, begründet dies zwar Zweifel hinsichtlich der Richtigkeit seines Vortrags, vermag die Kammer jedoch nicht davon zu überzeugen, dass ihm entgegen seines Vortrags auch bewusst war oder bewusst sein musste, dass sich noch die drei Ersatzteile im Keller befanden.

(3) Jedenfalls fiele aber auch - die Kenntnis des Klägers unterstellt, dass sich noch die Ersatzteile der Beklagten in dem Keller befanden und er geäußert hätte, dass seine Ehefrau diese auf den Sperrmüll werfen könne - die vorzunehmende Interessenabwägung zu Lasten der Beklagten aus.

Die Verhältnismäßigkeit einer Kündigung ist anhand aller relevanten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zu prüfen (BAG, Urteil vom 19. April 2012 - 2 AZR 186/11 - NZA 2013, 27, 28 Rz. 21). Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zuzumuten ist oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Einer entsprechenden Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 in Verbindung mit § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes demnach nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (BAG, Urteil vom 19. April 2012 - 2 AZR 186/11 - NZA 2013, 27, 28 f. Rz. 21 f. m. w. N.).

Zugunsten des Klägers ist insbesondere zu berücksichtigen, dass er gegenüber einem Kind und im Kündigungszeitpunkt gegenüber seiner Ehefrau zum Unterhalt verpflichtet ist bzw. war. Die Dauer der Beschäftigung von 20 Jahren fällt ebenfalls zu seinen Gunsten ins Gewicht. Zu Gunsten des Klägers ist insoweit zu berücksichtigen, dass es in den vergangenen zwanzig Jahren seiner Tätigkeit für die Beklagte zu keinen Beanstandungen betreffend die Aufbewahrung und Entsorgung von Teilen der Beklagten kam. Vielmehr hat er unstreitig im Jahr 2003 zur Auf-klärung von Unregelmäßigkeiten von Kollegen und Vorgesetzten beigetragen.

Dagegen ist zu Gunsten der Beklagten vor allem zu berücksichtigen, dass ihr durch die Entsorgung der Ersatzteile möglicherweise ein finanzieller Schaden entstanden wäre. Dieser würde nach dem Vortrag der Beklagten 343,05 € betragen. Auch nach dem Vortrag der Beklagten handelte es sich jedoch um Ersatzteile, von denen zwei oder drei Geräte betreffen, die heute nicht mehr vertrieben werden, von denen jedoch nicht ausgeschlossen ist, dass ein Kunde diese doch noch für seine Altgeräte benötigt. Die eingelagerten Gegenstände befanden sich bereits seit geraumer Zeit im Keller des Klägers.

Zu berücksichtigen ist auch, dass die Beklagte im Bezirk des Klägers in A-Stadt keinen Ort vorgesehen und vorgegeben hat, an dem der Kläger und die anderen Techniker solche Ersatzteile lagern konnten und zu lagern hatten. Eine Lagerung war nur im Dienstfahrzeug möglich. Eine klare Arbeitsanweisung, wie mit von den Kunden mitgegebenen ausgetauschten Ersatzteilen zu verfahren war, hat die Beklagte nicht vorgetragen. Sie hat lediglich behauptet, es gebe zahlreiche Anleitungen, wie mit Ersatzteilen, die beim Kunden nicht mehr benötigt würden, zu verfahren sei. Diese seien dem Kläger bekannt. Da die Beklagte diese Anleitungen nicht näher benannt und ihren konkreten Inhalt nicht angeben kann, kann die Kammer konkrete Verstöße des Klägers gegen solche Anweisungen nicht feststellen. Gegenstand der mit E-Mail vom 17. Februar 2015 auch an den Kläger übersandten Arbeitsanweisung AANr. 3 ist in erster Linie das "Verschreiben von Ersatzteilen auf Maschinentypen", das Buchen von Ersatzteilen auf Maschinen, das Eintragen von Ersatzteilen nach Erledigung einer Störung in den Report sowie die vergessene Löschung von nicht eingebauten Teilen im Report. Lediglich der letzte Satz dieser Arbeitsanweisung bezieht sich darauf, dass alte Teile, bei denen eine Einlagerung auf Grund des Alters keinen Sinn macht, durch die Logistik verschrottet werden. Nach dem Vortrag der Beklagten handelte es sich bei den vom Kläger eingelagerten Gegenständen jedoch gerade nicht um solche, "bei denen eine Einlagerung auf Grund des Alters keinen Sinn macht", sondern um werthaltige Ersatzteile. Wie mit diesen verfahren werden soll, ist in der Arbeitsanweisung nicht geregelt.

Der Kläger hätte aus der Entsorgung der Gegenstände durch seine Ehefrau keinerlei erkennbare finanzielle Vorteile gezogen, so dass letztendlich die Interessen des Klägers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses diejenigen der Beklagten an seiner Beendigung (noch) überwiegen.

Die Kammer erachtet den Verstoß des Klägers, hält man ihn für erwiesen, für nicht so schwerwiegend, dass der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht einmal bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zuzumuten wäre.

(4) Soweit der Kläger durch die Lagerung der Ersatzteile in seinem privaten Keller arbeitsvertragliche Pflichten verletzt hat, vermögen diese den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung nicht zu rechtfertigen. Die Beklagte hat insoweit bereits nicht konkret vorgetragen, um welche arbeitsvertraglichen Pflichten genau es sich gehandelt haben soll. Solche ergeben sich auch nicht aus der Arbeitsanweisung AANr. 3. Insoweit wäre auch der Ausspruch einer Abmahnung als milderes Mittel aus Sicht der Kammer ausreichend gewesen.

b) Auch ein dringender Verdacht zu Lasten des Klägers, er habe versucht, der Beklagten Firmeneigentum zu entziehen, vermag die von der Beklagten ausgesprochene außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. nur Urteil vom 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 40 Rz. 28; vom 13. September 1995 - 2 AZR 587/94 - NZA 1996, 81, 83 m. w. N.) kann nicht nur eine erwiesene strafbare Handlung oder erwiesene Vertragsverletzung eines Arbeitnehmers, sondern auch der Verdacht, dieser habe eine strafbare Handlung oder eine schuldhafte Pflichtverletzung begangen, ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung sein. Eine "echte" Verdachtskündigung liegt dabei nur dann vor, wenn es gerade der Verdacht ist, der das zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauen des Arbeitgebers in die Redlichkeit des Arbeitnehmers zerstört oder zu einer unzumutbaren Belastung des Arbeitsverhältnisses geführt hat. Der Verdacht muss objektiv durch bestimmte, im Zeitpunkt der Kündigung vorliegende (Indiz-)Tatsachen begründet sein. Die subjektive Wertung des Arbeitgebers ist unmaßgeblich, bloße auf Vermutungen gestützte Verdächtigungen genügen nicht. Der Verdacht muss sich aus Umständen ergeben, die einen verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zum Ausspruch der Kündigung veranlassen können. Er muss insbesondere dringend sein und sich auf eine schwere Pflichtverletzung beziehen. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft. Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermag. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen dementsprechend zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus. Schließlich muss der Arbeitgeber alles ihm Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhalts getan, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben haben. Der Umfang der Nachforschungspflichten richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (BAG, Urteil vom 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - NZA 2013, 137, 138 Rz. 17 m. w. N.). Möglichen Fehlerquellen muss der Arbeitgeber nachgehen (BAG, Urteil vom 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 40 Rz. 30).

Nach Auffassung der Kammer ist auch nicht der dringende Verdacht gegeben, der Kläger habe seine Ehefrau angewiesen, die der Beklagten gehörenden Ersatzteile zum Sperrmüll zu geben. Zwar hatte die Zeugin A. sich gegenüber der Beklagten nach deren Vortrag dahingehend telefonisch geäußert, dass sich in ihrem Keller noch Gegenstände befänden, die wohl der Beklagten gehörten, und der Kläger habe erklärt, dass sie die Gegenstände auf den Sperrmüll werfen könne. Sie hatte mit E-Mail vom 18. März 2015 bestätigt, dass sie ihren (Noch) Ehemann mehrmals darauf hingewiesen habe, dass er die Ersatzteile von X. R. abholen solle und dass dieser darauf geantwortet habe: "schmeiß sie auf den Speermüll". Schließlich befanden sich die Ersatzteile befanden sich im Keller der Zeugin A.. Die von der Zeugin nach dem Vortrag der Beklagten getätigten Aussagen waren jedoch so pauschal, dass sie einen verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber ohne das Hinzutreten weiterer Einzelheiten nicht zum Ausspruch der Kündigung veranlassen konnten. Der Kläger hatte in seiner Anhörung die Angaben der Zeugin im Einzelnen unter Vorlage der WhatsApp-Kommunikation und den Hinweis auf die schwierige Trennungssituation zwischen der Zeugin und ihm bestritten. Weitere Umstände, insbesondere die Art der Kommunikation zwischen den Kläger und der Zeugin, ihr genauer Inhalt, ihr Zeitpunkt und die Umstände der von der Zeugin behaupteten Äußerung des Klägers waren der Beklagten nicht bekannt. Die Beklagte hat auch nicht behauptet, dass sie diese bei der Zeugin erfragt hätte.

Aber auch einen entsprechenden Verdacht unterstellt, überwöge nach der Auf-fassung der Kammer das Interesse des Klägers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses dasjenige der Beklagten an seiner Beendigung. Hinsichtlich der negativen Prognose ist auch zu berücksichtigen, dass eine etwaige Äußerung des Klägers betreffend die Entsorgung der Ersatzteile in einer für den Kläger ein-maligen Situation erfolgt wäre, deren Wiederholung nicht zu erwarten ist. Der Kläger war aus der zuvor gemeinsamen Ehewohnung ausgezogen und hatte diese danach nicht mehr betreten. Es war zunächst für ihn nicht möglich, Gegenstände aus der Wohnung oder aus dem Keller zu räumen. Es ist nicht damit zu rechnen, dass der Kläger erneut in die Ausnahmesituation kommt, dass er im Zuge einer Trennung von seiner Ehefrau Gegenstände zurücklässt, auf die er keine Zugriffsmöglichkeit hat. Im Übrigen gilt das oben zur Interessenabwägung im Rahmen der Tatkündigung Ausgeführte entsprechend.

2. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist auch durch die ordentliche Kündigung vom 13. April 2015 nicht zum 30. November 2015 beendet worden.

Sie ist weder als Tat- noch als Verdachtskündigung sozial gerechtfertigt im Sinn des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 13. Dezember 2007 - 2 AZR 818/06 - NZA 2008, 589, 592 Rz. 37 f m. w. N.) ist eine Kündigung aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers im Sinn von § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer mit dem ihm vorgeworfenen Verhalten eine Vertragspflicht - in der Regel - schuldhaft erheblich verletzt, das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit einer anderen Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint. Für eine verhaltensbedingte Kündigung gilt dabei das Prognoseprinzip. Eine negative Prognose liegt vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde auch zukünftig den Arbeitsvertrag nach einer Kündigungsandrohung erneut oder in gleicher Weise verletzen. Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus.

a) Wie oben dargelegt, ist nach Auffassung der Kammer bereits nicht erwiesen, dass der Kläger seine Ehefrau bewusst angewiesen hat, die Ersatzteile der Beklagten zum Sperrmüll zu geben, oder dies billigend in Kauf genommen hat.

Hinsichtlich etwaiger Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Einlagerung der Ersatzteile hat die Beklagte nicht ausreichend substantiiert vorgetragen.

Im Übrigen wäre angesichts der vorliegenden privaten Ausnahmesituation des Klägers der Ausspruch einer Abmahnung ein ausreichendes milderes Mittel, um den Kläger zur Erfüllung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten, insbesondere zum sorgfältigen Umgang mit im Eigentum der Beklagten stehenden Ersatzteilen anzuhalten. Eine Wiederholung des dem Kläger seitens der Beklagten vorgeworfenen Umgangs mit Ersatzteilen ist nach Auffassung der Kammer nicht zu erwarten.

Letztlich führt aber auch die abschließend vorzunehmende umfassende Interessenabwägung zu einem Überwiegen der Interessen des Klägers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

b) Eine Verdachtskündigung kommt - schon wegen der in besonderem Maße bestehenden Gefahr, dass ein Unschuldiger getroffen wird - auch als ordentliche Kündigung nur in Betracht, wenn das Arbeitsverhältnis bereits durch den Verdacht so gravierend beeinträchtigt wird, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Dies setzt voraus, dass nicht nur der Verdacht als solcher schwerwiegend ist. Vielmehr muss ihm ein erhebliches Fehlverhalten des Arbeitnehmers - strafbare Handlung oder schwerwiegende Pflichtverletzung (Tat) - zu Grunde liegen. Die Verdachtsmomente müssen daher auch im Fall einer ordentlichen Kündigung regelmäßig ein solches Gewicht erreichen, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses überhaupt nicht mehr zugemutet werden kann, hierauf also grundsätzlich eine außerordentliche Kündigung gestützt werden könnte (BAG, Urteil vom 27. November 2008 - 2 AZR 98/07 - NZA 2009, 604, 605 Rz. 20 m. w. N.).

Dies ist, wie oben dargelegt, vorliegend nach Auffassung der Kammer nicht der Fall.

3. Auf den Auflösungsantrag der Beklagten aus dem Schriftsatz vom 29. August 2016 war das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht gemäß §§ 9, 10 KSchG gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung aufzulösen. Zwar hat das Gericht, wenn es feststellt, dass das Arbeitsverhältnis durch eine ordentliche Kündigung nicht aufgelöst ist, auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessen Abfindung zu verurteilen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht mehr erwarten lassen, § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG.

a )Da das KSchG seiner Konzeption nach ein Bestandsschutz- und kein Abfindungsgesetz ist, sind an den Auflösungsgrund strenge Anforderungen zu stellen. Ein Auflösungsantrag kommt vor allem dann in Betracht, wenn während eines Kündigungsschutzstreites zusätzliche Spannungen zwischen den Parteien auftreten, die eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sinnlos erscheinen lassen (BAG, Urteil vom 23. Februar 2010 - 2 AZR 554/08 - NZA 2010, 1123, 1125 Rz. 28 m. w. N.). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob eine den Betriebs-zwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu erwarten ist, ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht. Das Gericht hat eine Vorausschau anzustellen, ob aufgrund des Verhaltens des Arbeitnehmers in der Vergangenheit in der Zukunft noch mit einer den Betriebszwecken dienenden weiteren Zusammenarbeit der Parteien zu rechnen ist.

Auflösungsgründe für den Arbeitgeber können solche Umstände sein, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Entscheidend ist, ob die objektive Lage die Besorgnis rechtfertigt, dass die weitere gedeihliche Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer gefährdet ist. In diesem Sinne als Auflösungsgrund geeignet sind etwa Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen. Auch das Verhalten des Arbeitnehmers oder seines Prozessbevollmächtigten im Kündigungsschutzprozess kann die Auflösung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen (BAG, Urteil vom 23. Februar 2010 - 2 AZR 554/08 - NZA 2010, 1123, 1125 Rz. 28 m. w. N.).

Gemessen an diesen Grundsätzen ist nach Ansicht der Kammer (noch) kein Auflösungsgrund im Sinn des § 9 KSchG gegeben. Dabei lassen die von der Beklagten vorgetragenen Gründe nach Ansicht der Kammer weder einzeln noch in einer Gesamtschau eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht mehr erwarten.

b) Ein fehlerhaftes Ausfüllen der Arbeitszeitnachweise durch den Kläger vermag die Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag der Beklagten nicht zu begründen. Diesem liegen unterschiedliche Rechtsansichten der Beklagten und des Klägers zur Wirksamkeit der Gesamtbetriebsvereinbarung Arbeitszeit im Hinblick auf die neuere Rechtsprechung des EuGH (3. Kammer, Urteil vom 10. September 2015 - C-266/14 [Federación de Servicios Privados del sindicato Comisiones obreras (CC.OO.)/Tyco Intergrated Security ua] - EuZW 2015, 791) und des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 22. April 2009 - 5 AZR 292/08 - NZA-RR 2010, 231) zugrunde.

Die Beklagte hat dieses Verhalten des Klägers unter dem 21. April 2016 abgemahnt. Wegen der durchgehenden Arbeitsunfähigkeit des Klägers ab dem 18. April 2016 hat der Kläger nach Erhalt dieser Abmahnung keine Arbeitszeitnachweise mehr ausgefüllt und dies damit auch nicht entgegen den Regelungen der Gesamtbetriebsvereinbarung getan. Ihm ist damit - unabhängig von der zwischen den Parteien streitigen Frage der Wirksamkeit der Gesamtbetriebsvereinbarung Arbeitszeit - nicht vorzuwerfen, dass er auch nach Ausspruch der Abmahnung weiterhin Arbeitszeitjournale fehlerhaft ausgefüllt hätte.

c) Die in der vom Kläger in der E-Mail vom 10. März 2016 verwendete Formulierung "um bei der Wahrheit zu bleiben, K.", ist - entgegen der Auffassung der Beklagten - kein Ausdruck fehlenden Respekts gegenüber seinem Vorgesetzten. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass diese Formulierung in Rahmen einer Korrespondenz zur zwischen den Parteien streitigen Frage der Erfassung der Arbeitszeiten gefallen ist. Vorangegangen war der Hinweis des Vorgesetzten L., er habe in den letzten Jahren aus unterschiedlichsten Gründen nicht so viele Arbeitszeit-journale des Klägers erhalten. Den in diesem Hinweis enthaltenen Vorwurf wollte der Kläger ersichtlich richtig stellen und hat hierfür die Formulierung "um bei der Wahrheit zu bleiben" gewählt. Der Kammer ist auch nicht bekannt, ob der Vorgesetzten tatsächlich nicht so viele Arbeitszeitjournale des Klägers erhalten hatte, oder ob die Äußerung des Klägers zutreffend war. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Vorgesetzte L. und der Kläger sich duzten und in einem lockeren Umgangston miteinander kommunizierten. So hat der Vorgesetzte L. seine der E-Mail des Klägers vorangegangene E-Mail mit den Worten eingeleitet: "ob Dich das wundert oder nicht, ist mir eigentlich egal".

d) Hinsichtlich der E-Mail des Klägers betreffend die Aufzeichnung der Arbeitszeiten vom 1. Juni 2016 steht es dem Kläger frei, seine - mit Rechtsprechungszitaten versehene - Rechtsauffassung zu äußern und zu verbreiten. Diese Rechtsauffassung kann er auch gegenüber seinen Kollegen vertreten, ohne die Beklagte hiervon in Kenntnis zu setzen. Eine gedeihliche Zusammenarbeit zwischen den Parteien ist auch nicht deshalb mehr zu erwarten, weil der Kläger seine E-Mail "cc" an "...@verdi.de" geschickt hat. Der Kläger hatte Anlass für die entsprechende Weiterleitung, da er in seiner Mail gerade eine Erklärung von Verdi Bezirk Region XZ. zitiert hat und dies damit der ver.di zur Kenntnis brachte. Zum anderen war ver.di ausweislich des Zitats für den Kläger in der Frage der Regelung der Arbeitszeit im technischen Außendienst tätig.

e) Soweit die Beklagte eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit als nicht zu erwarten ansieht, weil der Kläger extrem eigenwillig sei und bei jedweden Auseinandersetzungen, die er gerne mit Arbeitskollegen oder Vorgesetzten führe, regelmäßig erheblichen und unangemessenen Druck mache, ist ihr Vortrag zu pauschal, nicht auf konkrete Tatsachen gestützt und nicht einlassungsfähig. Der streitige Vortrag der Parteien zum Abholen des Dienstfahrzeugs an der Betriebsstätte in G.-Stadt vermag diesen Vortrag nicht zu begründen.

f) Auch der Vortrag der Beklagten, der Kläger habe immer wieder Einladungen zu Meetings ignoriert und angeblich dringende Kundentermine als Grund für sein Nichterscheinen angeführt, ist nicht einlassungsfähig. Die Beklagte hat nicht angegeben, welche genauen Einladungen der Kläger nicht wahrgenommen hätte. Eine Beurteilung, ob dringende Kundentermine den Kläger an der Wahrnehmung der Meetings hinderten oder ihm sein Nichterscheinen vorzuwerfen ist, ist der Kammer aufgrund des Vortrags nicht möglich.

g) Soweit die Beklagte sich auf ein nicht akzeptables Teamverhalten und mangelnde Kritikfähigkeit des Klägers beruft, handelt es sich um eine Wertung. Die Beklagte hierzu nicht konkret und einlassungsfähig vorgetragen. Durch die Vernehmung des von der Beklagten hierzu benannten Zeugen T. würde die Kammer die zugrundeliegenden Tatsachen erst ermitteln. Es liegt ein unzulässiger Ausforschungsbeweisantritt vor.

h) Auch die Abfindungsvorstellung des Klägers führt nicht dazu, dass eine gedeihliche Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht mehr zu erwarten ist. Zu bedenken ist insoweit insbesondere, dass der Kläger nicht von sich aus von der Beklagten 400.000,00 € für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und die Beilegung sämtlicher Streitigkeiten gefordert hat. Er hat lediglich auf eine entsprechende Anfrage des Beklagtenvertreters geantwortet. Es kann dem Kläger als gekündigtem Arbeitnehmer nicht zum Vorwurf gemacht werden, wenn er während einer Bestandsschutzstreitigkeit in erster Linie den Erhalt seines Arbeitsplatzes anstrebt und diesen nur gegen Zahlung einer sehr hohen Abfindung aufgeben möchte. Zu berücksichtigen ist auch, dass das vom Kläger angegebene Abfindungsangebot erst im Berufungsverfahren beziffert worden ist und der Kläger erstinstanzlich im Kündigungsschutzverfahren obsiegt hat. Insofern liegt der vorliegende Fall auch anders als der Sachverhalt, der der von der Beklagten herangezogenen Entscheidung des LAG Köln vom 4. Dezember 2014 (6 Sa 582/14 - BeckRS 2015, 66402) zugrunde lag. Im vom LAG Köln entschiedenen Fall ergab sich aus dem Voll-streckungsverhalten des Klägers nach der objektiv fehlerhaften Titulierung seines Weiterbeschäftigungsanspruchs, dass das Arbeitsverhältnis unheilbar zerrüttet war. Auch war eine weitere Vertrauensarbeit zwischen den dortigen Parteien ausgeschossen, weil dortige Kläger insoweit versucht hat, unter Ausnutzung einer formalen Rechtsposition der Beklagten wirtschaftlichen Schaden zuzufügen. Schließlich ist das LAG Köln davon ausgegangen, dass eine völlig unangemessene Forderung des Klägers erkennbar den Zweck hatte, die Geschäftsführung der dortigen Beklagten weiter zu reizen und die an sich unausweichliche Trennung zwischen dem Leiter Entwicklung und Konstruktion und seiner Arbeitgeberin so teuer wie möglich zu gestalten. Im vorliegenden Fall ist hingegen eine Trennung der Parteien nach Ansicht der Kammer nicht unausweichlich, zumal der Kläger als Kundendiensttechniker und nicht in einer Leitungsposition tätig ist.

i) Aus der Anzahl der gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen den Parteien kann nicht geschlussfolgert werden, dass eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht mehr zu erwarten ist. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass hinsichtlich der Anwendung des Lohn- und Gehaltstarifvertrags für den Groß- und Außenhandel S.-Stadt im Rechtsstreit Arbeitsgericht Trier 4 Ca 286/14, LAG Rheinland-Pfalz 5 Sa 121/15 (BeckRS 2015, 72313) und BAG 4 AZN 948/15 letztlich die zugrundeliegende Frage nicht geklärt wurde, da das Landesarbeitsgericht die Klage nach einem Obsiegen des Klägers in erster Instanz als unzulässig abgewiesen hat. Aus prozessualen Gründen kann daher nur eine erneute Klage des Klägers zu einer Entscheidung in der Sache führen. Daneben ist zwischen den Parteien neben der vorliegenden Kündigung lediglich eine arbeitsrechtliche Streitigkeit wegen der von der Beklagten erteilten Abmahnung anhängig. Es kann keinen Auflösungsgrund darstellen, wenn der Kläger insoweit seine Rechte verfolgt, sofern dies nicht als rechtsmissbräuchlich anzusehen wäre. Dieser Gedanke liegt auch dem Maßregelungsverbot des § 612 a BGB zugrunde.

j) Auch die Äußerungen des Klägervertreters im Kammertermin vor dem Landesarbeitsgericht lassen nicht erwarten, dass eine gedeihliche Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht mehr zu erwarten ist. Zu berücksichtigen ist dabei, dass Erklärungen im laufenden Kündigungsschutzverfahren durch ein berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers gedeckt sein können. Deshalb sind bei der Beurteilung, ob auf Grund von Äußerungen des Arbeitnehmers oder seines Prozessbevollmächtigen eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber nicht mehr zu erwarten steht, die grundrechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere das Grundrecht auf Meinungsfreiheit, zu beachten. Der Grundrechtsschutz besteht unabhängig davon, ob eine Äußerung rational oder emotional, begründet oder grundlos ist, ob sie von anderen für nützlich oder schädlich, wertvoll oder wertlos gehalten wird. Er bezieht sich sowohl auf den Inhalt als auch auf die Form der Äußerung. Selbst eine polemische oder verletzende Formulierung entzieht einer Äußerung noch nicht den Schutz der Meinungsfreiheit. Allerdings wird das Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG nicht schrankenlos gewährt, sondern durch die allgemeinen Gesetze und das Recht der persönlichen Ehre (Art. 5 Abs. 2 GG) beschränkt. Mit diesen muss es gegebenenfalls in ein ausgeglichenes Verhältnis gebracht werden. Darüber hinaus ist gerade im Rahmen einer prozessualen Auseinandersetzung zu berücksichtigen, dass Parteien zur Verteidigung von Rechten schon im Hinblick auf das rechtliche Gehör (Art. 103 GG) alles vortragen dürfen, was als rechts-, einwendungs- oder einredebegründender Umstand prozesserheblich sein kann. Anerkannt ist insbesondere, dass ein Verfahrensbeteiligter auch starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte benutzen darf, um seine Rechtsposition zu unterstreichen, selbst wenn er seinen Standpunkt vorsichtiger hätte formulieren können. Das gilt allerdings nur in den Grenzen der Wahrheitspflicht. Auch dürfen die Parteien nicht leichtfertig Tatsachenbehauptungen aufstellen, deren Unhaltbarkeit ohne Weiteres auf der Hand liegt (BAG, Urteil vom 23. Februar 2010 - 2 AZR 554/08 - NZA 2010, 1123, 1125 Rz. 31 m. w. N.).

Daran gemessen konnte der Klägervertreter im Rahmen der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung äußern, die Beklagte habe nur einen Vorwand gesucht, dem Kläger kündigen zu können. Dieser Vorwurf ist nicht so schwerwiegend und verletzend, dass durch ihn eine gedeihliche Zusammenarbeit zwischen den Parteien gefährdet werden könnte. In diesem Zusammenhang zu sehen ist auch, dass die Beklagte zur Begründung des Auflösungsantrags selbst zahlreiche gravierende, nicht einlassungsfähige Vorwürfe gegen den Kläger erhoben hat, so beispielsweise, er sei extrem eigenwillig, seine Kritikfähigkeit sei erheblich eingeschränkt und er werde von vielen Mitarbeitern als unberechenbar angesehen. Angesichts dieser massiven Vorwürfe konnte beim Kläger bzw. seinem Prozessbevollmächtigten durchaus der begründete Eindruck entstehen, man wolle auf Seiten der Beklagten das Arbeitsverhältnis mit ihm als unbequemem Mitarbeiter unbedingt beenden.

k) Auch eine Gesamtschau der überwiegend bereits nicht substantiiert dargelegten, vom Kläger bestrittenen Auflösungsgründe ergibt nach Auffassung der Kammer (noch) nicht, dass eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht mehr zu erwarten ist.

4. Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts (vom 27. Februar 1985 - GS 1/84 - NZA 1985, 702) hat der Kläger Anspruch auf Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Bedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Kündigungsschutzverfahrens.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt.

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