LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15.10.2015 - 5 Sa 181/15
Fundstelle
openJur 2020, 18198
  • Rkr:
Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 15. Januar 2015, Az. 5 Ca 1759/14, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.

Der 1953 geborene, verheiratete Kläger war seit September 1996 bei der Beklagten als Produktionsmitarbeiter zu einem Bruttomonatslohn von ca. € 1.900,00 beschäftigt. Die Beklagte befasste sich mit Herstellung und Montage von Fenstern, Türen und Fassaden aus Aluminium. Sie beschäftigte Ende April 2014 61 Arbeitnehmer; ein Betriebsrat bestand nicht. Der Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Beklagten fasste am 22.04.2014, den - vom Kläger bestrittenen - Beschluss, den Betrieb stillzulegen. Mit Schreiben vom 23.04.2014 erstattete der Bevollmächtigte der Beklagten bei der zuständigen Agentur für Arbeit eine Massenentlassungsanzeige, die auszugsweise folgenden Wortlaut hat:

"Unsere Mandantin unterhält [...] einen Gewerbebetrieb, der Aluminiumfenster und -türen und Fassadenbau ausführt. Der Gewerbebetrieb besteht seit über 40 Jahren und derzeit sind dort insgesamt 62 Arbeitnehmer beschäftigt, die sich in 61 Arbeitnehmern und einem Auszubildenden aufgliedern. Wir überreichen als Anlage eine Liste der Mitarbeiter, aus der Name, Anschrift und Betriebszugehörigkeit hervorgehen. Außerdem ist das letzte gezahlte Nettogehalt aufgeführt. Ein Betriebsrat besteht nicht.

Seit Jahren erwirtschaftet der Betrieb keine Gewinne mehr. Die Auftragslage hat sich drastisch verschlechtert, was bedeutet, dass meine Mandantin dieses Jahr noch keinen neuen Auftrag erhalten hat. Zur Zeit werden lediglich die Altaufträge aus den vergangenen Jahren abgearbeitet sowie Garantiefälle. Eine Besserung ist nicht in Sicht. Der alleinige Geschäftsführer [...] ist am 00.00.1942 geboren. Er hat schon seit Jahren versucht - da er keinen Nachfolger hat - den Betrieb zu veräußern, was ebenfalls an den betrieblichen Bilanzen scheiterte.

Um ein drohendes Insolvenzverfahren abzuwenden, hat sich die Geschäftsleitung entschlossen, den Geschäftsbetrieb zum 30.04.2014 einzustellen bzw. die Betriebsstilllegung vorzunehmen. Das operative Geschäft wird zu diesem Zeitpunkt beendet. Danach werden lediglich die alten Aufträge noch abgearbeitet und die oben erwähnten Garantiefälle. Folge ist, dass sämtliche Mitarbeiter gekündigt werden müssen, da der Arbeitsplatz wegfällt. Die Kündigungsfrist beträgt zwischen 1 und 7 Monaten, wie Sie aus anliegender Arbeitnehmerliste entnehmen können.

Da somit der Arbeitsplatz zum 30.04.2014 wegfällt, sollen die Arbeitnehmer einschließlich des Lehrlings unter Berücksichtigung der ordentlichen Kündigungsfristen gekündigt werden. Wir bitten insoweit um Genehmigung."

Am 25.04.2014 informierte der Geschäftsführer die Belegschaft über die geplante Betriebsstilllegung und die damit verbundenen Kündigungen. Auf ihrer Internetseite veröffentlichte die Beklagte folgenden Text:

"Liebe Kunden, leider hat unser Betrieb seit Jahren keine betrieblichen Gewinne mehr erwirtschaftet. ... Eine Besserung der wirtschaftlichen Situation ist nicht in Sicht ...

Aus diesem Grund hat sich die Betriebsleitung entschlossen, den Betrieb zum 30.04.2014, auch aus altersbedingten Gründen [...] zu schließen, was bedeutet, dass zu diesem Zeitpunkt das operative Geschäft aufgegeben wird. Danach werden lediglich noch die Altverträge und die Garantiefälle abgearbeitet. ..."

Mit Schreiben vom 28.04.2014 ergänzte der Bevollmächtigte der Beklagten die Massenentlassungsanzeige wie folgt:

"... unter Bezugnahme auf unseren Antrag von 23.04.2014, Ihre E-Mail vom 24.04.2014 sowie auf das Telefonat teile ich Ihnen mit, dass die Kündigungen für sämtliche Mitarbeiter und auch den Auszubildenden zum 30.04.2014 ausgesprochen werden.

Die kurzfristige Entscheidung der Geschäftsleitung erging deshalb, da, wie bereits dargelegt in diesem Jahr noch keine Neuaufträge eingegangen sind und sich in den letzten Tagen auch ein Großauftrag, mit dem die Fa. [...] fest gerechnet hat, zerschlagen hat. Um eine drohende Insolvenz abzuwenden, musste kurzfristig gehandelt werden.

Des weiteren überreiche ich entsprechende Liste der Arbeitnehmer, die nunmehr ergänzt wurde um die Berufsgruppen und das Geburtsdatum. Schwerbehinderte sind bei der Fa. [...] nicht beschäftigt. ..."

Die Agentur für Arbeit antwortete mit Schreiben vom 28.04.2014, die Entlassungsanzeige sei am 28.04.2014 eingegangen. Damit beginne die in § 18 Abs. 1 KSchG festgesetzte Frist von einem Monat am 29.04.2014 und ende am 28.05.2014.

Mit Schreiben vom 28.04.2014 kündigte die Beklagte sämtlichen Arbeitnehmern wegen beabsichtigter Betriebsstilllegung. Dem Kläger kündigte sie ordentlich zum nächst möglichen Zeitpunkt. Das Kündigungsschreiben ging ihm am 29.04.2014 zu. Dagegen hat er am 02.05.2014 die vorliegende Klage erhoben. Er ist der Ansicht, die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt. Außerdem fehle es an einer korrekten Massenentlassungsanzeige.

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 28.04.2014, zugegangen am 29.04.2014, nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils vom 15.01.2015 Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe seines Urteils verwiesen.

Gegen das am 20.03.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger mit am 20.04.2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 20.05.2015 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Er macht geltend, die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt. Eine für den Arbeitsplatzwegfall ursächliche Unternehmerentscheidung habe nicht vorgelegen. Der schriftliche Beschluss des Alleingesellschafters und Geschäftsführers vom 22.04.2014 stelle keine zureichende Unternehmerentscheidung dar, denn die Entscheidung laute: "Die Gesellschaft wird zum 30.04.2014 liquidiert." Diese Entscheidung könne gegen ihren eindeutigen Wortlaut nicht dahin ausgelegt werden, dass eine Liquidation erst zum 31.12.2014 erfolgen sollte. Auch in ihrem Schreiben an die Agentur für Arbeit vom 23.04.2014 habe die Beklagte eine Liquidation zum 30.04.2014 angeführt. Weder die Information der Belegschaft vom 25.04.2014 noch der Ausspruch der Kündigungen im April 2014 ließen erkennen, dass der Betrieb erst zum 31.12.2014 stillgelegt werden sollte. Laut Gesellschafterbeschluss habe das "operative Geschäft" bereits zum 30.04.2014 beendet werden sollen. Gewährleistungsarbeiten, die Annahme kleinerer Aufträge und die Abwicklung von Altaufträgen gehörten jedoch noch zum operativen Geschäft.

Die Beklagte habe den Beschluss, wie er sich aus dem Dokument vom 22.04.2014 ergebe, auch so nicht umgesetzt. Die geplante Betriebsstilllegung habe bei Kündigungsausspruch keine greifbaren Formen angenommen. Der Liquidationsbeschluss und die behauptete Entlassung aller Arbeitnehmer belege nicht den Willen zu einer ernsthaften und endgültigen Betriebsschließung. Der Vortrag der Beklagten erschöpfe sich in Allgemeinplätzen. Sie habe nicht substantiiert dargelegt, welche Aufträge und Garantieleistungen noch durchgeführt werden sollten. Der pauschale Hinweis auf einen Beschluss, keine "Großaufträge" mehr anzunehmen, genüge nicht. Er widerspreche dem Vortrag, dass sie bereits zum 30.04.2014 das "operative Geschäft" eingestellt habe. Auch kleinere und mittlere Aufträge gehörten noch zum operativen Geschäft. Er habe bestritten, dass die Beklagte den Mietvertrag über die Liegenschaften zum 31.12.2014 gekündigt und das Betriebsgelände zum 01.01.2015 an die Firma H. Motorsport GmbH vermietet habe. Die Beklagte habe nicht substantiiert dargelegt, welche Betriebsmittel sie wann veräußert habe. Ihr Hinweis, dass sie die Firma Z. & Collegen damit beauftragt habe, den Maschinenbestand und die Werkstattausstattung sukzessive zu veräußern, sei unzureichend. Es sei fraglich, was mit etwaigen Materialbeständen geschehen sei, wann die Lieferantenverträge, die Telekommunikations-, Internet -und Reinigungsaufträge beendet worden sein sollen. Gegen eine Stilllegungsabsicht bei Kündigungsausspruch spreche auch, dass die Beklagte noch einen größeren Auftrag der Firma L. Racing über den Bau von zwei rollbaren Reifenregalen angenommen habe. Außerdem habe sie am Bauvorhaben "K. Quartier H." keine Mängel beseitigt, sondern neue Elemente verbaut. Schließlich seien der Beklagten noch neue Türen für den Umbau einer Apotheke geliefert worden. Er bestreite, dass es sich um eine Fehllieferung gehandelt habe.

Die Massenentlassungsanzeige gem. § 17 KSchG sei nicht korrekt erfolgt. Das Arbeitsgericht hätte über die Frage, ob die erwähnte Arbeitnehmerliste dem Antrag vom 28.04.2014 beigefügt worden sei, Beweis erheben müssen. Im Übrigen habe die Beklagte den Zeitpunkt der Kündigungserklärung, der zwingender Bestandteil der Massenentlassungsanzeige sei, nicht genannt. Aus ihrem Schreiben vom 23.04.2014 gehe nicht eindeutig hervor, dass der Entlassungszeitraum bis zum 30.04.2014 laufe.

Der Kläger beantragt zweitinstanzlich,

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 15.01.2015, Az. 5 Ca 1759/14, abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 28.04.2014 aufgelöst worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Ihr Alleingesellschafter habe sich im April 2014 entschlossen, den Betrieb stillzulegen. Der Kläger könne aus dem schriftlichen Beschluss vom 22.04.2014, "die Gesellschaft wird zum 30.04.2014 liquidiert", nicht herleiten, dass sie den Betrieb bereits zu diesem Datum hätte schließen wollen. Dies sei aufgrund der Kündigungsfristen der Arbeitnehmer und der laufenden Verträge (Altverträge und Garantiefälle) unmöglich gewesen. Der Betrieb habe letztlich zum Jahresende eingestellt werden sollen. Dies habe sie den Mitarbeitern informatorisch am 25.04.2014 vor Ausspruch der Kündigungen auch so mitgeteilt.

Sie habe am 22.04.2014 mit der Vermieterin der angemieteten Büro-, Hallen- und Lagerflächen (Grundstücksgemeinschaft W.) einen Mietaufhebungsvertrag zum 31.12.2014 geschlossen. Den Lagerbestand an Werkstoffen habe sie der Firma Sch. verkauft. Sie habe außerdem drei Firmenfahrzeuge sowie eine gebrauchte Drei-Walzen-Biegemaschine veräußert. Die weitere Geschäftsausstattung (kompletter Maschinenbestand, Werkstatteinrichtung) sowie die noch vorhandenen Fahrzeuge habe sie von der Firma Z. & Collegen verwerten lassen. Der Telefonanschluss sei seit Jahresende nicht mehr existent. Die Grundstückseigentümerin habe das ehemalige Betriebsgelände zum 01.01.2015 an die Firma H. Motorsport GmbH vermietet. Sie habe keine neuen Aufträge mehr angenommen. Die Räumlichkeiten der ehemaligen Apotheke seien von der Grundstücksgemeinschaft W. als Hauseigentümerin umgebaut worden. Für diesen Umbau seien neue Türen bestellt worden, die irrtümlich an sie geliefert worden seien. Der im Mai 2014 abgearbeitete Auftrag der Firma L. Racing zum Bau von zwei Reifenregalen sei ihr bereits im November 2013 erteilt worden. Bezüglich des Bauvorhabens "K. Quartier H." habe eine umfangreiche Mängelrüge der Auftraggeberin (Firma H.) vorgelegen. Die Mängelliste habe 28 Seiten umfasst, die sie habe abarbeiten müssen.

Die Massenentlassungsanzeige sei ordnungsgemäß erfolgt. Ihr Prozessbevollmächtigter habe der Agentur für Arbeit die Arbeitnehmerlisten übersandt, die sie bereits erstinstanzlich zur Gerichtsakte gereicht habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Gründe

I.

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO form- sowie fristgerecht eingelegt und ausreichend begründet worden.

II.

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage zu Recht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung der Beklagten vom 28.04.2014 mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zum 31.10.2014 aufgelöst worden.

1. Die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 28.04.2014 ist sozial gerechtfertigt, weil sie durch dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstehen. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der auch die Berufungskammer folgt, gehört die Stilllegung des gesamten Betriebes durch den Arbeitgeber zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen iSv. § 1 Abs. 2 KSchG, die einen Grund zur sozialen Rechtfertigung einer Kündigung abgeben können. Unter Betriebsstilllegung ist die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, dass der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, die Verfolgung des bisherigen Betriebszwecks dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiter zu verfolgen. Mit der Stilllegung des gesamten Betriebes entfallen alle Beschäftigungsmöglichkeiten. Der Arbeitgeber ist dabei nicht gehalten, eine Kündigung erst nach Durchführung der Stilllegung auszusprechen. Neben der Kündigung wegen erfolgter Stilllegung kommt auch eine Kündigung wegen beabsichtigter Stilllegung in Betracht. Erforderlich ist dazu aber, dass der Arbeitgeber im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung den ernsthaften und endgültigen Entschluss gefasst hat, den Betrieb endgültig stillzulegen (vgl. BAG 21.05.2015 - 8 AZR 409/13 - Rn. 51 ff. mwN, Juris).

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Arbeitsgericht zu Recht angenommen, dass die Beklagte die Kündigung vom 28.04.2014 in Befolgung ihrer Stilllegungsabsicht ausgesprochen hat. Im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung am 29.04.2014, der zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Kündigung maßgeblich ist, lag ein endgültiger Beschluss der Beklagten vor, ihren Betrieb stillzulegen. Diese Entscheidung hatte auch greifbare Formen angenommen.

aa) Der Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Beklagten hat im April 2014 vor Ausspruch der streitbefangenen Kündigung aus wirtschaftlichen Überlegungen und aus Altersgründen den endgültigen Entschluss gefasst, die Betriebstätigkeit der Beklagten auf Dauer einzustellen. Diesen inneren Willensbildungsprozess hat er nach außen durch seinen schriftlichen Beschluss vom 22.04.2014, die Information der Belegschaft am 25.04.2014 und den Internetauftritt manifestiert.

Entgegen der Ansicht der Berufung hat das Arbeitsgericht sowohl den schriftlichen Beschluss des Alleingesellschafters und Geschäftsführers der Beklagten vom 22.04.2014, "Die Gesellschaft wird zum 30.04.2014 liquidiert. Der operative Geschäftsbetrieb wird zu diesem Datum eingestellt", als auch das Anwaltschreiben vom 23.04.2014 an die Agentur für Arbeit, "die Geschäftsleitung [hat sich] entschlossen, den Geschäftsbetrieb zum 30.04.2014 einzustellen bzw. die Betriebsstilllegung vorzunehmen. Das operative Geschäft wird zu diesem Zeitpunkt beendet", zutreffend ausgelegt. Insofern gilt § 133 BGB, wonach der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften ist.

Das Gericht hat eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung so auszulegen, wie der Erklärungsempfänger sie nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte von seinem Empfängerhorizont aus verstehen musste (vgl. dazu die Rechtsprechungsnachweise bei Palandt/Ellenberger BGB 74. Aufl. § 133 Rn. 9). Innerhalb dieses normativen Rahmens kommt es darauf an, was der Erklärende gewollt und inwieweit er seinen Willen für den Erklärungsempfänger erkennbar zum Ausdruck gebracht hat. Die von der Berufung vertretene Ansicht, "eindeutige" Willenserklärungen seien weder auslegungsbedürftig noch auslegungsfähig, entspricht nicht mehr dem heutigen Stand der Rechtsprechung. Auch wenn eine Willenserklärung ihrem Wortlaut nach eindeutig erscheint, ist das Gericht nicht gehindert, ihr einen anderen Sinn zu entnehmen, wenn sich aus einem äußeren, dem Erklärungsgegner erkennbaren Verhalten des Erklärenden ausreichende Anhaltspunkte dafür ergeben, dass er mit den gebrauchten Worten einen anderen Sinn verbunden hat als den, der sich aus dem üblichen Sprachgebrauch ergibt (so schon BGH 30.09.1987 - IVa ZR 22/86 - NJW-RR 1988, 159, mwN). Ob der Wortlaut einer Erklärung eindeutig ist, steht erst als Ergebnis einer Auslegung fest (vgl. BAG 15.10.2013 - 9 AZR 572/12 - Rn. 34 mwN, AP BGB § 611 Nr. 17).

Die schriftlichen Erklärungen vom 22. und 23.04.2014, sind anders als die Berufung meint, nicht so zu verstehen, dass die Beklagte ihren Betrieb bereits zum 30.04.2014 komplett stilllegen wollte. Die Beklagte wollte nach dem objektiven Inhalt ihrer Erklärungen bis zum 30.04.2014 sämtlichen Arbeitnehmern und dem Auszubildenden unter Einhaltung der jeweiligen ordentlichen Kündigungsfristen (von bis zu sieben Monaten) kündigen und bis dahin Altverträge und Garantiefälle abarbeiten. Die fehlerhafte Verwendung der Begriffe "Liquidation" oder "operativer Geschäftsbetrieb" ändert an dieser Auslegung nichts. Entscheidend ist, dass aus den Erklärungen der Wille hinreichend deutlich hervorgeht, den Betrieb stillzulegen. Dieser Wille ist den Schriftstücken klar zu entnehmen.

Hinzu kommt, dass die Beklagte die Belegschaft am 25.04.2014 mündlich über ihren Entschluss informiert hat. Darüber hinaus hat sie ihre Stilllegungsabsicht auf ihrer Homepage im Internet publiziert. In der Regel liegt ein starkes Indiz für einen ernstlichen und endgültigen Stilllegungsplan vor, wenn der Arbeitgeber den Stilllegungsbeschluss gegenüber Lieferanten, Kunden, Banken usw. bekannt gibt, weil ein Arbeitgeber, der die Betriebsfortführung oder Veräußerung ernsthaft ins Auge fasst, die Geschäftsbeziehungen zu Lieferanten, Kunden, Banken etc. in der Regel nicht durch die Bekanntgabe einer Stilllegungsentscheidung gefährden will (vgl. BAG 16.02.2012 - 8 AZR 693/10 - Rn. 51 mwN, NZA-RR 2012, 465 ). So ist es hier.

Schließlich steht einer ernsthaften Stilllegungsabsicht, entgegen der Ansicht der Berufung, nicht entgegen, dass die Beklagte die gekündigten Arbeitnehmer über den 30.04.2014 hinaus in ihrer jeweiligen Kündigungsfrist noch eingesetzt hat, um vorhandene Aufträge oder Garantiefälle abzuarbeiten. Der Arbeitgeber erfüllt damit gegenüber den tatsächlich eingesetzten Arbeitnehmern lediglich seine auch im bereits gekündigten Arbeitsverhältnis bestehende Beschäftigungspflicht (vgl. BAG 20.06.2013 - 6 AZR 805/11 - Rn. 53 mwN, NZA 2013, 1137).

Selbst wenn die Beklagte, wie die Berufung behauptet, nach Ausspruch der Kündigung noch neue Aufträge angenommen haben sollte (Bau zweier Reifenregale, Türeneinbau in einer ehemaligen Apotheke), spricht dies nicht gegen die Stilllegungsabsicht. Erforderlich, aber auch ausreichend für eine Stilllegungsabsicht ist, dass bis zum Ende der Kündigungsfristen keine Tätigkeiten mehr ausgeführt werden; nicht erforderlich ist, dass der Arbeitgeber bis dahin ineffizient arbeitet oder es unterlässt, mögliche Geschäfte zu tätigen (vgl. BAG 21.05.2015 - 8 AZR 409/13 - Rn. 56, Juris).

Auch die tatsächliche Stilllegung des Betriebs, die der Kläger nicht in Zweifel zieht, lässt entgegen der Ansicht der Berufung Rückschlüsse auf die Ernsthaftigkeit der Unternehmerentscheidung zu. Zwar ist maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Kündigung der des Kündigungszugangs. Verläuft die Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung planmäßig, ist es jedoch gerechtfertigt, von einem tragfähigen Konzept im Zeitpunkt der Kündigung auszugehen. Die im Kündigungszeitpunkt gestellte Prognose, mit Ablauf der Kündigungsfrist werde der Beschäftigungsbedarf entfallen, wird so bestätigt (vgl. BAG 16.02.2012 - 8 AZR 693/10 - Rn. 40 mwN, NZA-RR 2012, 465).

bb) Die Berufung rügt zu Unrecht, dass die Stilllegungsabsicht der Beklagten zum Kündigungszeitpunkt noch keine "greifbaren Formen" angenommen habe. Richtig ist, dass die Entlassung von Arbeitnehmern allein für die Betriebsstilllegung im Sinne eines betriebsbedingten Kündigungsgrundes nichts besagt, weil es gerade um die Frage geht, ob diese Entlassungen gerechtfertigt sind. Anders als die Berufung meint, muss beim Vorliegen einer ernsthaft und endgültig beabsichtigten Betriebsstilllegung vor Zugang der Kündigung nicht bereits mit der Verwirklichung der Entscheidung begonnen worden sein (vgl. BAG 20.11.2014 - 2 AZR 512/13 - Rn. 24 mwN, NZA 2015, 679). Das betrifft nicht nur deren unmittelbare Umsetzung. Auch vorbereitende Maßnahmen musste die Beklagte noch nicht ergriffen haben. Es genügt, dass sie berechtigterweise annehmen durfte, die laufende Kündigungsfrist biete ihr hierfür ausreichend Zeit.

Im Streitfall haben sich dringende betriebliche Gründe für die beabsichtigte Betriebsstilllegung konkret und greifbar abgezeichnet. Der Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Beklagten hat seine Entscheidung nicht etwa für sich behalten, sondern die Belegschaft am 25.04.2014 hierüber informiert. Er hat seinen Stilllegungsbeschluss außerdem auf der Homepage veröffentlicht und eine Massenentlassungsanzeige erstattet.

Der Kläger bestreitet nicht, dass der Betrieb spätestens zum 31.12.2014 tatsächlich stillgelegt worden ist. Die Beklagte hat vorgetragen und durch Urkunden belegt, dass sie mit der Vermieterin der angemieteten Büro-, Hallen- und Lagerflächen einen Mietaufhebungsvertrag zum 31.12.2014 geschlossen hat. Mit notariellem Vertrag vom 28.10.2014 hat die Grundstückseigentümerin das ehemalige Betriebsgelände zum 01.01.2015 an die Firma H. Motorsport GmbH vermietet. Die Beklagte hat ihren Lagerbestand an Werkstoffen an die Firma Sch. verkauft. Sie hat außerdem drei Firmenfahrzeuge sowie eine gebrauchte Drei-Walzen-Biegemaschine an verschiedene Käufer veräußert. Die weitere Geschäftsausstattung, nämlich den kompletten Maschinenbestand und die Werkstatteinrichtung, sowie die noch vorhandenen Fahrzeuge hat sie von der Firma Z. & Collegen verwerten lassen.

Es sind auch zweitinstanzlich keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, die zumindest in ihrer Gesamtschau dafür sprechen könnten, dass die Beklagte im April 2014 nicht endgültig beabsichtigt haben könnte, den Betrieb stillzulegen. Entgegen der Ansicht der Berufung steht einer ernsthaften Stilllegungsabsicht nicht entgegen, dass die Beklagte im Mai 2014 für die Firma L. Racing zwei rollbare Reifenregale gefertigt hat. Selbst wenn die Beklagte nach Ausspruch der Kündigung für den Umbau der ehemaligen Räumlichkeiten einer Apotheke noch Türen geliefert haben sollte, spricht dies nicht gegen eine Stilllegungsabsicht, denn dem Arbeitgeber ist es nicht verwehrt, die Arbeitnehmer während ihrer Kündigungsfrist sinnvoll zu beschäftigen (vgl. BAG 21.05.2015 - 8 AZR 409/13 - Rn. 56, Juris). Soweit die Berufung geltend macht, die Beklagte habe nach Ausspruch der Kündigung noch Arbeiten am Bauvorhaben "K. Quartier H." verrichtet und neue Elemente bestellt, gilt dasselbe. Der Arbeitgeber kann die gekündigten Arbeitnehmer in der jeweiligen Kündigungsfrist noch für die Abarbeitung vorhandener Aufträge einsetzen, statt die fraglichen Arbeiten sofort einzustellen. Die Beklagte hat substantiiert vorgetragen und durch die hierzu vorgelegten Unterlagen untermauert, dass sie auf dieser Baustelle noch umfangreiche Nachbesserungsarbeiten zu verrichten hatte, weil sie vom Bauherrn zur Mängelbeseitigung aufgefordert worden ist. Sie habe ua. mangelhafte Elemente austauschen müssen. Der Stilllegungsbeschluss und das Stilllegungskonzept der Beklagten lassen sich angesichts dieser Faktenlage nicht mit dem Berufungsvorbringen in Frage stellen, die Beklagte habe für diese Baustelle neue Elemente bestellt.

2. Die Kündigung vom 28.04.2014 verstößt nicht gegen die Vorschriften über das Verfahren bei Massenentlassungen (§§ 17 ff. KSchG). Auch dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.

Ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht aus § 17 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 KSchG als solche liegt nicht vor. Die Beklagte hat der örtlichen Agentur für Arbeit mit Schreiben vom 23.04.2014 die beabsichtigte Massenentlassung aller Arbeitnehmer angezeigt und ihre Angaben mit Schreiben vom 28.04.2014 ergänzt. Beide Schreiben sind dort vor Erklärung der streitbefangenen Kündigung eingegangen. Das wird auch vom Kläger nicht mehr in Abrede gestellt. Die Beklagte hat bereits erstinstanzlich die zwei Listen zur Gerichtsakte gereicht, die sie ihren Schreiben vom 23. und 28.04.2014 an die Agentur für Arbeit beigefügt hat. Entgegen der Ansicht der Berufung musste das Arbeitsgericht hierüber keinen Beweis erheben.

Nach § 17 Abs. 3 Satz 4 KSchG muss die Massenentlassungsanzeige Angaben über den Namen des Arbeitgebers, den Sitz und die Art des Betriebes enthalten, ferner die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen und die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer. Fehler bei den "Muss-Angaben" nach § 17 Abs. 3 Satz 4 KSchG führen zur Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige und damit zur Unwirksamkeit der Kündigung (vgl. BAG 22.11.2012 - 2 AZR 371/11 - Rn. 31 ff, NZA 2013, 845), es sei denn, dass die Fehler den gekündigten Arbeitnehmer nicht betreffen und keine Auswirkungen auf die sachliche Prüfung der Arbeitsagentur haben können (vgl. BAG 28.06.2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 50 mwN, NZA 2012, 1029; BAG 18.01.2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 36 mwN, NZA 2012, 817; ErfK/Kiel KSchG § 17 Rn. 35).

Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat bereits erstinstanzlich die Liste zur Gerichtsakte gereicht, die er seinem Schreiben an die Arbeitsagentur vom 23.04.2014 beigefügt hatte (Anlage B 9). Weiterhin legte er in erster Instanz die um die Geburtsdaten und die Berufsgruppen ergänzte ("nachgebesserte") Liste vor, die er auf Verlangen der Arbeitsagentur seinem weiteren Schreiben vom 28.04.2014 (Anlage B 10) beigefügt hatte. Die Arbeitsagentur hat ihm mit E-Mail vom 28.04.2014 den Empfang von drei mit Telefax übermittelten Seiten bestätigt und geantwortet, dass "mit den nun vorgelegten Informationen" die Anzeige nach § 17 KSchG wirksam sei. Auch wenn dieses Schreiben mögliche Fehler der Massenentlassungsanzeige nicht heilt (vgl. detailliert BAG 28.06.2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 70 ff. mwN, NZA 2012, 1029), hat das Arbeitsgericht die Vollständigkeit der "Muss-Angaben" verfahrensfehlerfrei als unstreitig behandelt. Es gibt keinen objektiven Anhaltspunkt dafür, dass die zwei Listen den Schreiben an die Arbeitsagentur nicht beigefügt worden sein könnten. Der Kläger hat die Beifügung der Listen zunächst zulässig mit Nichtwissen bestritten, § 138 Abs. 4 ZPO. Im Hinblick darauf, dass die Beklagte den Inhalt der Massenentlassungsanzeige schlüssig aufgezeigt und die der Arbeitsagentur übermittelten Listen dem Arbeitsgericht vorgelegt hat, wäre es Aufgabe des Klägers gewesen, seinen Sachvortrag insoweit zu substantiieren. Da er dies nicht getan hat, ist die Übersendung der Listen an die Agentur für Arbeit gem. § 138 Abs. 3 ZPO unstreitig geworden (vgl. zu einem ähnlich gelagerten Fall BAG 21.03.2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 30 ff., NZA 2012, 1058).

Entgegen der Ansicht der Berufung geht aus den beiden Anschreiben der Beklagten vom 23. und 28.04.2014 an die zuständige Arbeitsagentur mit hinreichender Deutlichkeit hervor, dass sie die Kündigungen gegenüber den Arbeitnehmern noch im April 2014 erklären wollte. Für einen verständigen Sachbearbeiter der Agentur für Arbeit war den zwei Schreiben nach den Maßstäben des § 133 BGB hinreichend klar zu entnehmen, dass die Beklagte den Arbeitnehmern noch im April 2014 unter Einhaltung der jeweiligen Kündigungsfristen (von bis zu sieben Monaten) kündigen wollte. Die juristisch eher unscharfe Formulierung "... teile ich Ihnen mit, dass die Kündigungen für sämtliche Mitarbeiter und auch den Auszubildenden zum 30.04.2014 ausgesprochen werden" ist unter Berücksichtigung aller erkennbaren Umstände ohne weiteres im gemeinten Sinne verständlich. Die Beklagte wollte die ordentlichen Kündigungen noch im April 2014 aussprechen und zustellen.

3. Weitere Gründe, die zur Unwirksamkeit der Kündigung führen könnten, hat der Kläger nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.

4. Da der Kläger länger als 15 Jahre bei der Beklagten beschäftigt war, betrug die gesetzliche Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 2 Ziff. 6 BGB sechs Monate zum Ende eines Kalendermonats. Der aus der Kündigungserklärung erkennbare Wille der Beklagten ging dahin, eine ordentliche Kündigung unter Wahrung der einzuhaltenden Kündigungsfrist auszusprechen. Das Arbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Angabe eines fehlerhaft berechneten Kündigungstermins im Kündigungsschreiben ("31.07.2014") unschädlich ist (vgl. BAG 15.12.2005 - 2 AZR 148/05 - Rn. 27 mwN, NZA 2006, 791), weil die Kündigung zum "nächst möglichen Zeitpunkt" wirken sollte. Das Arbeitsverhältnis endete folglich zum 31.10.2014.

III.

Der Kläger hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen.

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.