LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10.06.2015 - 7 Sa 36/15
Fundstelle
openJur 2020, 18156
  • Rkr:
Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Az.:12 Ca 2477/14 - vom 9. Dezember 2014 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Entlohnung des Klägers nach dem aus seiner Sicht jeweils einschlägigen Entgelttarifvertrag für die chemische Industrie einschließlich der entsprechenden Eingruppierung nach der Entgeltgruppe 07 sowie über Vergütungsrückstände.

Die Beklagte ist auf dem Gebiet der Verarbeitung und Entwicklung hochwertiger flexibler Packstoffe tätig und führender Erzeuger von Verpackungen für Lebensmittel und Hersteller von Folien. Sie beschäftigt am Standort C-Stadt circa 250 Mitarbeiter. Im dortigen Betrieb existiert ein Betriebsrat.

Der 1954 geborene, verwitwete Kläger ist gemäß Arbeitsvertrag vom 26. März 1987 seit dem 1. April 1987 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern beschäftigt. Er hat eine Berufsausbildung zum Großhandelskaufmann absolviert.

Er ist seit April 1987 Mitglied der IG Chemie-Papier-Keramik und seit 1997 Mitglied der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (im Folgenden: IG BCE).

Der Arbeitsvertrag vom 26. März 1987 (Bl. 9 d. A.), welcher mit der Z. GmbH auf Arbeitgeberseite abgeschlossen wurde, enthält unter anderem folgende Regelungen:

"Maßgeblicher Tarifvertrag chemische Industrie Tarifgruppe IV

Einstell-Lohn

Tariflohn nach der z. Zt. gültigen Lohntafel

DM 14.04

freiwillige übertarifliche Zulage nach Z.-Gruppe 1-2

DM 1.06

(...)

Mehrarbeit           für jede angeordnete, die tarifliche Arbeitszeit überschreitende

Arbeitsstunde 25 %

(...)

Auf freiwillige übertarifliche Leistungen des Unternehmens besteht auch dann kein Rechtsanspruch, wenn sie wiederholt gewährt werden.

(...)

Probezeit           3 Monate Wochen mit beiderseitiger Kündigungsfrist von 3 Tagen.

Danach gelten die gesetzlichen und tariflichen Kündigungsfristen".

Die damalige Arbeitgeberin Z. GmbH erwarb durch Beschluss des Vorstandes des Landesverbandes Chemische Industrie Rheinland-Pfalz e. V. rückwirkend zum 1. November 1977 die Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband Chemie Rheinland-Pfalz e. V. (damals Landesverband Chemische Industrie Rheinland-Pfalz e. V.). Mit Vertrag vom 23. August 1994 wurde die Z. GmbH auf die Y. GmbH verschmolzen. Letztere war durch Beschluss vom 14. Juni 1988 in den Landesverband Chemische Industrie Rheinland-Pfalz e. V. aufgenommen worden. Sodann wurde der Betrieb der Y. GmbH mit Vertrag vom 27. August 2001 auf die C. Y. GmbH & Co. KG ausgegliedert, die ihr Geschäft per Anwachsung an die C. X. GmbH & Co. KG, als Zweigniederlassung C. C-Stadt übertragen hat. Die neue Firmierung der Zweigniederlassung C. C-Stadt der C. X. GmbH & Co. KG wurde auf der Vorstandssitzung des Landesverbandes Chemische Industrie Rheinland-Pfalz zur Kenntnis genommen und damit die Fortführung der Mitgliedschaft unter neuem Namen gebilligt.

Der zuletzt erfolgte Betriebsübergang vollzog sich mit Wirkung zum 1. August 2012. Hierbei ging der Betrieb der C. C-Stadt, Zweigniederlassung der C. X. GmbH & Co. KG auf die Beklagte über. Zugleich wurde die C. C-Stadt, Zweigniederlassung, als Zweigniederlassung der C. X. GmbH & Co. KG aus dem Handelsregister gelöscht. Aus diesem Grund kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 31. August 2012 die Mitgliedschaft der C. C-Stadt, Zweigniederlassung und teilte dem Arbeitgeberverband Chemie Rheinland-Pfalz e. V. zugleich mit, dass es über ihre Verbandszugehörigkeit noch keine Entscheidung gebe.

Der "Bundesentgelttarifvertrag für die chemische Industrie West" vom 18. Juli 1987 in der Fassung vom 30. September 2004 (im Folgenden: BETV) enthält u.a. folgende Regelungen:

"§ 1 Räumlicher, persönlicher und fachlicher Geltungsbereich

Der Tarifvertrag gilt für den räumlichen, persönlichen und fachlichen Geltungsbereich des Manteltarifvertrages für die chemische Industrie, jedoch nicht für Auszubildende.

§ 2 Öffnungsklausel

Arbeitgeber und Betriebsrat können unter Berücksichtigung der tariflichen Mindestbestimmungen ergänzend zu diesem Tarifvertrag Betriebsvereinbarungen unter Beachtung des § 76 Absatz 6 BetrVG abschließen. Bis zum In-Kraft-Treten dieses Tarifvertrages abgeschlossene andere tarifliche Bestimmungen ergänzende Betriebsvereinbarungen gelten unabhängig von dieser Öffnungsklausel weiter und können unter Beachtung des § 76 Absatz 6 BetrVG geändert werden.

§ 3 Allgemeine Entgeltbestimmungen

1. Der Bundesentgelttarifvertrag ist in Verbindung mit dem jeweils geltenden bezirklichen Entgelttarifvertrag Grundlage der Entgeltfestsetzung.

2. Die Arbeitnehmer werden entsprechend der von ihnen ausgeübten Tätigkeit in die Entgeltgruppe eingruppiert. Für die Eingruppierung in eine Entgeltgruppe ist nicht die berufliche Bezeichnung, sondern allein die Tätigkeit des Arbeitnehmers maßgebend. Die Eingruppierung richtet sich nach den Tätigkeitsmerkmalen der Oberbegriffe; hierzu sind als Erläuterung die bei den Entgeltgruppen aufgeführten Richtbeispiele heranzuziehen. Passen die Oberbegriffe nicht auf eine ausgeübte Tätigkeit, so ist ein Arbeitnehmer in diejenige Entgeltgruppe einzugruppieren, die seiner Tätigkeit am nächsten kommt.

3. Ein- und Umgruppierungen erfolgen unter Beachtung des Mitbe-stimmungsrechts des Betriebsrates nach den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes.

§ 8 Aufbau der Entgeltsätze

[....]

5. Die sich aus den Ziffern 1 bis 3 ergebenden Relationen zwischen den einzelnen Tarifentgeltsätzen gelten für die Laufzeit dieses Tarifvertrages. Für Änderungen der Entgeltstruktur sind die Parteien des Bundesentgelttarifvertrages zuständig. [...]

§ 10 Tariföffnungsklausel

Zur Sicherung der Beschäftigung und/oder zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit am Standort Deutschland, insbesondere auch bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten, können Arbeitgeber und Betriebsrat mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien für Unternehmen und Betriebe durch befristete Betriebsvereinbarung bis zu 10 % von den bezirklichen Tarifentgeltsätzen abweichende niedrigere Entgeltsätze unter Beachtung des § 76 Absatz 6 BetrVG vereinbaren. Diese mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien betrieblich abweichend festgelegten Entgeltsätze gelten als Tarifentgeltsätze. Sie verändern sich - soweit die Betriebsvereinbarung nichts anderes regelt - bei einer Veränderung der in den bezirklichen Entgelttarifverträgen geregelten Tarifentgelte um den gleichen Prozentsatz wie diese.

Durch diese Regelung wird der Entgeltaufbau nicht verändert. [...]

Beschäftigungssichernd und wettbewerbsverbessernd sind unter anderem beschäftigungserhaltende und beschäftigungsfördernde Investitionen am Standort, die Vermeidung von Entlassungen, die Vermeidung der Verlagerung von Produktion, sonstiger Aktivitäten oder Investitionen ins Ausland oder die Vermeidung von Ausgliederungen. Die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit umfasst auch ihre Wiederherstellung oder Erhaltung sowie sonstige existenzsichernde Maßnahmen für das Unternehmen oder den Betrieb.[...]

Die Anwendung dieser Tariföffnungsklausel schließt eine Kombination mit anderen tariflichen Öffnungsklauseln nicht aus."

Protokollnotizen

[...] 6. Hintergrund für die Einführung der Tariföffnungsklausel war der Vorschlag der Arbeitgeber zur Schaffung einer tariflichen Spartenlösung für die Chemiefaser-, kunststoffverarbeitende und kautschukverarbeitende Indus-trie. Die Tarifvertragsparteien gehen gemeinsam davon aus, dass deshalb insbesondere in den Unternehmen dieser Sparten die Anwendung des § 10 geprüft wird. Die Tarifvertragsparteien werden in den vorgenannten Fällen bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Betriebsparteien vermittelnd einwirken."

Die Vorbemerkung des zwischen dem BAVC und der IG BCE geschlossenen "Manteltarifvertrages für die chemische Industrie" vom 24. Juni 1992 in der Fassung vom 16. April 2008 (im Folgendem: MTV) lautet wie folgt:

"Die Anmerkungen und Protokollnotizen sind von den Tarifvertragsparteien vereinbart und gelten als Bestandteil dieses Tarifvertrages1)."

Die Fußnote 1) hierzu lautet:

"Arbeitgeber und Betriebsrat können unter Berücksichtigung der tariflichen Mindestbestimmungen ergänzend zu diesem Manteltarifvertrag Betriebsvereinbarungen im Sinne des § 77 Abs. 3 BetrVG unter Beachtung des § 76 Abs. 6 BetrVG abschließen. Das gilt nicht für die §§ 1, 4, 5, 7, 8, 10, 17 und 18 dieses Tarifvertrages. [...]

Zur Sicherung der Beschäftigung oder zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber tarifkonkurrierenden Bereichen können Arbeitgeber und Betriebsrat mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien für Unternehmen, Betriebe und Betriebsabteilungen durch befristete Betriebsvereinbarung von den bezirklichen Tarifentgeltsätzen abweichende niedrigere Entgeltsätze unter Beachtung des § 76 Abs. 6 BetrVG vereinbaren. In der Betriebsvereinbarung kann geregelt werden, dass sie nach Ablauf unbefristet weiter gilt. Tarifkonkurrierend sind solche Tarifverträge, die sich mit dem fachlichen Geltungsbereich des Manteltarifvertrages der chemischen Industrie überschneiden oder unter deren Geltungsbereich das Unternehmen, der Betrieb oder die Betriebsabteilung bei einer Ausgliederung oder Umstrukturierung fallen würde.

Zwischen den Tarifvertragsparteien besteht Einvernehmen darüber, dass zur Sicherung der Beschäftigung oder Verbesserung der Wettbewerbs-fähigkeit im Einzelfall abweichende tarifliche Regelungen auch in firmenbezogenen Tarifverträgen zwischen dem BAVC und der IG BCE vereinbart werden können. Soweit die tarifliche Regelung auch die bezirklichen Tarifentgeltsätze verändert, sind die firmenbezogenen Verbandstarifverträge von den regional zuständigen Arbeitgeberverbänden mit abzuschließen."

In dem Formular "Personalveränderung" vom 16. Januar 2008 wurde eine "Umgruppierung" des Klägers von Entgeltgruppe "E 06/6 Jahre", Tarifentgelt "€ 2.435,-" in die Entgeltgruppe "€ 2.566,-", Tarifentgelt "E 07/6 Jahre" festgehalten. Wegen des Inhalts des Formulars im Einzelnen wird auf Bl. 14 d. A. Bezug genommen.

Im Jahr 2013 führte die Beklagte Verhandlungen mit der IG BCE zu den künftigen tariflichen Regelungen. Die IG BCE informierte die Mitarbeiter der Beklagten durch öffentliche Aushänge der Tarifkommission der IG BCE vom 2. Juli 2013 und vom 21. August 2013 über die geplanten Einschnitte im Bereich der Personalkosten durch eine Tarifvertragslösung. Mit gemeinsamem Aushang der Geschäftsleitung der Beklagten und der Tarifkommission der IG BCE C. vom 20. Januar 2014 im Betrieb der Beklagten wurden konkrete Eckpunkte (Eingruppierungsrichtlinien, Entgeltabsenkung, Überleitungsvereinbarung) als Verhandlungsergebnis vorgestellt. Dort heißt es unter anderem: "Diese Anpassung soll insbesondere über eine Anrechnung der zukünftigen Tariferhöhungen geschehen."

Am 5. Februar 2014 einigten sich die Tarifparteien des Bundesarbeitgeberverbandes Chemie e.V. und der IG BCE auf eine Erhöhung der Entgelte um 3,7 %. Die Tariflohnerhöhung für den Tarifbezirk Rheinland-Pfalz sollte rückwirkend zum 1. Februar 2014 erfolgen. Unter dem 12. Mai 2014 schlossen der Bundesarbeitgeberverband Chemie e.V. und der Arbeitgeberverband Chemie Rheinland-Pfalz e. V. einerseits und die IG BCE und die IG BCE, Landesbezirk Rheinland-Pfalz/Saarland, andererseits rückwirkend ab dem 15. Dezember 2013 einen "firmenbezogenen Verbandstarifvertrag für die C. GmbH & Co. KG gemäß Fußnote 1 Abs. 3 zum Manteltarifvertrag vom 24. Juni 1992 i.d.F. vom 16. April 2008" (im Folgenden: FVTV) für die Beklagte, der bis zum 31. Dezember 2018 Geltung haben soll. Dieser sieht unter anderem vor, dass für die Beschäftigen der Beklagten ein um 9 % abgesenkter Tarifvertrag zur Anwendung kommt (vgl. § 4 Abs. 1). Zudem soll sich die Zuweisung der Tätigkeiten auf die im Bundesentgelttarifvertrag definierten Entgeltgruppen aus der Betriebsvereinbarung über eine Eingruppierungsrichtlinie und die Überleitung auf die neue Entgeltstruktur vom 12. Mai 2014 zwischen dem Betriebsrat und der Beklagten ergeben (§ 3).

In dem FVTV ist unter anderem Folgendes geregelt:

"Präambel

Bei der C. handelt es sich um eine Tochter des C. Konzerns mit Sitz in W.-Stadt, Finnland.

Am Standort in C-Stadt werden Kunststoffprodukte zur Verpackung, Transport oder Präsentation von Lebensmitteln hergestellt und mit ähnlichen Produkten aus Schwesterwerken in Deutschland und der EU gehandelt.

Auf Grund der derzeitigen Wettbewerbssituation in diesem Marktsegment und der Notwendigkeit, eine langfristige Planung und damit Anreize für Investitionen seitens des Konzerns zu ermöglichen besteht die Notwendigkeit, die Regelungen der Bundestarifverträge, die zwischen dem Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC) und der IG BCE abgeschlossen wurden für die C. anzupassen.

Dieser firmenbezogenes Verbandstarifvertrag dient damit der Sicherung der Beschäftigung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit.

§ 1 Geltungsbereich

Dieser Tarifvertrag gilt räumlich für die C., Standort C-Stadt und das Lager in V.-Stadt und persönlich für alle an diesen Standorten tariflich beschäftigten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.

§ 2 Bundestarifverträge und Bezirksentgelttarifverträge

(1) Die zwischen dem Bundesarbeitgeberverband Chemie e. V. und der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie vereinbarten Bundestarifverträge einschließlich der Schlichtungsregelungen finden in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung, soweit nicht in den nachfolgenden Bestimmungen von diesen Tarifverträgen abgewichen wird. [...]

(2) Die zwischen dem AGV Chemie Rheinland-Pfalz e. V. und der Indus-triegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie abgeschlossenen Bezirksentgelttarifverträge finden nur insoweit Anwendung, wie in den nachfolgenden Bestimmungen von diesen Tarifverträgen nicht abgewichen wird.

§ 3 Eingruppierung

Die für die C., Standort C-Stadt und das Lager in V.-Stadt jetzt und zukünftig geltende Zuweisung der Tätigkeiten auf die im Bundesentgelttarifvertrag (BETV) definierten Entgeltgruppen ergibt sich aus der Betriebsvereinbarung über eine Eingruppierungsrichtlinie und die Überleitung auf die neue Entgeltstruktur vom 12.05.2014 zwischen dem Betriebsrat und der C., Standort C-Stadt.

§ 4 Entgelthöhe

(1) Es wird vereinbart, dass für die Beschäftigten im Sinne des § 1 dieses firmenbezogenen Verbandstarifvertrages ein um 9 % abgesenkter Tarif zur Anwendung kommt.

(2) Ausgehend von diesem abgesenkten Tarif werden zukünftige, zwischen dem BAVC und der IG BCE vereinbarte Tariferhöhungen ohne Anrechnung sonstiger tariflicher Entgeltbestandteile berechnet und weitergegeben.

(3) Zur Regelung der Überleitung der jetzigen Entgelte auf die abgesenkten Entgelte wird ein zusätzlicher Überleitungstarifvertrag abgeschlossen."

[...]

§ 6 Beginn und Laufzeit

Dieser Tarifvertrag gilt rückwirkend ab dem 15.12.2013 bis zum 31.12.2018 und kann mit einer Frist von drei Monaten zum Jahresende gekündigt werden."

An demselben Tag schlossen die Beklagte und die IG BCE zur weiteren Ergänzung einen "Überleitungstarifvertrag" (im Folgenden: Ü-TV) mit Wirkung zum 15. Dezember 2013. Dort heißt es auszugsweise:

"Präambel

Auf Grund der derzeitigen Wettbewerbssituation und der Notwendigkeit, eine langfristige Planung und damit Anreize für Investitionen seitens des Konzerns zu ermöglichen sind die Regelungen der Bundestarifverträge, die zwischen dem Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC) und der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) abgeschlossen wurden, für die C., Standort C-Stadt und das Lager in V.-Stadt mit Wirkung des firmenbezogenen Verbandstarifvertrages zwischen dem Bundesarbeitgeberverband Chemie e. V. und dem Arbeitgeberverband Chemie Rheinland-Pfalz e. V. sowie der IG BCE vom 12.05.2014 angepasst worden.

Diese Anpassung erfordert eine ergänzende Regelung, die den Übergang der individuellen Auswirkungen auf die Bedingungen des firmenbezogenen Verbandstarifvertrages regelt.

§ 1 Geltungsbereich

Dieser Tarifvertrag gilt räumlich für die C., Standort C-Stadt und das Lager in V.-Stadt und persönlich für alle an diesen Standorten tariflich beschäftigten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.

§ 2 Überleitung der Entgelte

(1) Zur Überführung des bisherigen Entgeltes auf das neue Entgelt wird eine nicht tarifdynamisierte Besitzstandszulage gebildet.

(2) Die Besitzstandszulage setzt sich aus den Beträgen zusammen, die sich zum einen aus der neuen Entgeltgruppe gemäß § 3 des firmenbezogenen Verbandstarifvertrages vom 12.05.2014 i. V. m. der Betriebsvereinbarung über eine Eingruppierungsrichtlinie und die Überleitung auf die neue Entgeltstruktur vom 12.05.2014 ("Abschmelzungsbetrag I") ergibt und zum anderen aus der Absenkung des Entgelts nach § 4 des firmenbezogenen Verbandstarifvertrages vom 12.05.2014 ("Abschmelzungsbetrag II").

(3) Bei der Absenkung des Entgelts nach § 4 des firmenbezogenen Verbandstarifvertrages vom 12.05.2014 ("Abschmelzungsbetrag II") ist die ab dem 01.02.2014 vereinbarte Tarifsteigerung um 3,7 % bereits zu berücksichtigen, so dass aus zukünftigen Tarifsteigerungen maximal noch 5,3 % nicht zur Anwendung kommen. Bei künftigen Tariferhöhungen wird die Steigerung des Tarifentgelts gegen die Besitzstandszulage gerechnet.

[...]

§ 3 Beginn und Laufzeit

Dieser Tarifvertrag gilt rückwirkend ab dem 15.12.2013 und längstens bis die im Verbandstarifvertrag vereinbarte Entgeltabsenkung erreicht ist."

Zur Anpassung der Eingruppierung der Mitarbeiter der Beklagten schlossen die Beklagte und der Betriebsrat der Beklagten am 30. Juni 2014 mit Wirkung zum 12. Mai 2014 eine "Betriebsvereinbarung über eine Eingruppierungsrichtlinie und die Überleitung auf die neue Entgeltstruktur" (im Folgenden: BV) ab. In der Präambel heißt es unter anderem:

"Präambel

Auf Grund verschiedener personeller und struktureller Veränderungen passen die im Werk C-Stadt der C. GmbH & Co. KG und im Lager V.-Stadt zurzeit geltenden individuellen Eingruppierungen und gezahlten Entgelte nicht in allen Fällen mit den im - zwischen dem Bundesarbeitgeberverband Chemie e. V. und der IG BCE abgeschlossenen - Bundesentgelttarifvertrag (BETV) für die chemische Industrie in der Fassung vom 30. September 2004 vereinbarten Beschreibungen und nachgelagerten Honorierungen der Entgeltgruppen zusammen.

Um die Zuweisung der verschiedenen, an den Standorten abgeforderten Arbeitsaufgaben inhaltlich und strukturell wieder klarer auf die im BETV definierten Entgeltgruppen zu beziehen einigen sich Arbeitgeber und Betriebsrat auf die im Folgenden genauer definierten Stellenbeschreibungen, die darauf aufbauende Eingruppierungsrichtlinie und eine Überleitung der jetzigen Entgelte auf die neue Struktur.

[....]

§ 2 Stellenbeschreibungen

(1) Für alle vom Arbeitgeber zurzeit abgeforderten Tätigkeiten sind entsprechende Stellenbeschreibungen (Anlage 1) definiert worden.

(2) Diese Stellenbeschreibungen umfassen jeweils die einzelnen Tätigkeit, die geforderte Qualifikation und relevante Besonderheiten der einzelnen Tätigkeit. [....]

§ 3 Zuweisung der Entgeltgruppen des BETV

(1) Die beschriebenen Tätigkeiten (Stellen) werden den im zwischen dem Bundesarbeitgeberverband Chemie e. V. (BAVC) und der IG BCE vereinbarten Bundesentgelttarifvertrag in der Fassung vom 30. September 2004 (BETV) definierten Entgeltgruppen zugeordnet (Anlage 2).

(2) Diese Zuweisung gilt für alle derzeitigen und zukünftigen Eingruppierungen.

§ 7 Mitbestimmung der Betriebsräte

Für die auf Grundlage dieser Eingruppierungsrichtlinie zwischen den Betriebsparteien final verhandelten erstmalig individuell vorzunehmenden Umgruppierungen der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Anlage 4) in Verbindung mit der Umsetzung der §§ 4 und 5 dieser Betriebsvereinbarung gilt die Zustimmung i. S. d. § 99 Abs. 1 BetrVG als erteilt.

[...]

§ 9 Laufzeit und Kündigung

(1) Diese Betriebsvereinbarung gilt ab dem 12.05.2014 und längstens bis die stufenweise Anpassung der Entgeltveränderungen erreicht ist.(2) [...]."

Mit Schreiben vom 10. April 2014 teilte der Arbeitgeberverband Chemie Rheinland-Pfalz e. V. der Beklagten mit, dass diese entsprechend ihrem Antrag auf Mitgliedschaft vom 11. März 2014 rückwirkend zum 1. Januar 2014 neu im Kreise ihrer Mitgliedsunternehmen aufgenommen sei.

Die Beklagte informierte mit Schreiben vom 23. Mai 2014 "Überführung in den C.-Tarifvertrag" (Bl. 10 ff. d. A.) die Arbeitnehmer, darunter den Kläger, über die Geltung des neuen firmenbezogenen Tarifvertrages. Dem Schreiben waren je eine vorformulierte Vertragsergänzung zur Eingruppierung sowie zur Geltung des neuen firmenbezogenen Verbandstarifvertrages beigefügt.

Danach sollte der Kläger ab dem 1. Juni 2014 in der Funktion als Mitarbeiter/in Packstofflager unter Zugrundelegung der Entgeltgruppe E 06 beschäftigt werden. Der Tätigkeit als Mitarbeiter Packstofflager liegt die Funktionsbeschreibung der Beklagten vom 5. Mai 2014 (Bl. 15 d. A.) zugrunde. Die Vertragsangebote unterschrieb der Kläger nicht.

Der Kläger erzielte zuletzt, jedenfalls seit dem 1. Januar 2008 ein Tarifentgelt in Höhe von 3.203 € brutto entsprechend der Entgeltgruppe E 07. Die seit dem 1. Februar 2014 geltende Tariflohnerhöhung von 3,7 % zahlte die Beklagte bislang nicht aus. Im Zuge des Änderungsangebotes der Beklagten würde das Regel-Tarifentgelt - ohne Berücksichtigung der Besitzstandszulage - 2.868,00 € brutto betragen. Der firmenbezogene Tarifvertrag würde zu einer Reduzierung des Tarifentgelts um 9 % führen.

Der Kläger hat mit außergerichtlichem Schreiben vom 20. Juni 2014 (Bl. 16 f. d. A.) die Vergütung nach seiner bisherigen Entgeltgruppe verlangt und ferner Entgeltdifferenzen aufgrund der an ihn nicht weitergegebenen Tariflohnerhöhung mit Wirkung zum 1. Februar 2014 geltend gemacht. Seine Ansprüche verfolgte er mit seiner am 27. Juni 2014 beim Arbeitsgericht Koblenz eingegangenen Klage weiter.

Er war der Ansicht,seine Entgeltansprüche richteten sich nach den allgemeinen Tarifverträgen der chemischen Industrie und nicht nach dem FVTV und dem Ü-TV. Dies ergebe sich aus der Auslegung der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel.

Trotz der statischen Formulierung und der Bezugnahme eines Tarifvertrages in einer bestimmten Fassung liege vorliegend eine kleine dynamische Bezugnahmeklausel auf den BETV vor. Die Parteien hätten die existierenden Vorschriften für die Branche der chemischen Industrie in Bezug genommen. Die Einbeziehung weiterer Normen, die lediglich im Bereich des Arbeitgebers gelten sollten, sei dieser Klausel hingegen nicht zu entnehmen. Die Formulierung "Tariflohn" verdeutliche gerade, dass eine globale Sichtweise anzulegen sei. Es liege eine Bezugnahmeklausel vor, aus der sich für den Kläger nicht erkennbar ergebe, dass die für den Betrieb einschlägigen kollektivrechtlichen Rechtnormen für die im Arbeitsvertrag ausdrücklich genannte Branche insgesamt im Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung finden sollten. Die Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB streite für ihn. Dabei verdränge der Bestandteil des Arbeitsvertrages gewordene und im Gesamtvergleich günstigere (Verbands-)Tarifvertrag den betreffenden Firmentarifvertrag. Das gelte selbst dann, wenn der Arbeitnehmer an den Haustarifvertrag als Gewerkschaftsmitglied gebunden sei; auch dann setze sich der Arbeitsvertrag mit der Bezugnahme zu einem günstigeren Flächentarifvertrag durch. Etwas anderes ergebe sich auch nicht etwa aus der Tariföffnungsklausel des § 10 BETV.

Der MTV habe keine Regelungen zu abweichenden Entgeltsätzen festlegen können, da insofern gerade ein eigener ETV existiere, der entgeltliche Fragen für den im Übrigen identischen Anwendungsbereich des MTV normiere.

Der Kläger hat bestritten, dass der FVTV und der Ü-TV wirksam zustande gekommen seien. Der FVTV sei weder von der Öffnungsklausel der Fußnote 1 des MTV noch von § 10 BETV gedeckt. Äußerst fraglich sei, ob die erforderliche ausdrückliche Normierung einer Tariföffnungsklausel im Tarifvertrag einer Fußnote bzw. Vormerkung entnommen werden könne. Er hat bestritten, dass der FVTV zum Zweck der Sicherung der Beschäftigung oder zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, noch dazu gegenüber tarifkonkurrierenden Bereichen, geschlossen worden sei. Er hat weiter bestritten, dass vor allem die Tarifverträge der kunststoffverarbeitenden Industrie tarifkonkurrierend im Sinn von Fn. 1 Abs. 2 S. 3 MTV seien und sich daraus für die Beklagte ein Wettbewerbsnachteil mit vergleichbaren Firmen ergebe. Im Übrigen hätten die Mitarbeiter der Beklagten nicht mit einer rückwirkenden Regelung des firmenbezogenen Verbandstarifvertrages rechnen müssen.

Auch seine Umgruppierung von der Entgeltgruppe E 07 in die Entgeltgruppe E 06 sei rechtswidrig. Eine Vergütungsabrede, die über der von der Beklagten gewählten Eingruppierung liege, liege in der Personal-Veränderung vom 16. Januar 2008 begründet. Nach dieser sei er ab dem 1. Januar 2008 von der Entgeltgruppe E 06 in die Entgeltgruppe E 07 höhergruppiert worden. Die Personal-Veränderung sei mit Unterschriften beider Parteien versehen. Sie grenze sich dabei deutlich von einer formularmäßigen Verweisung auf eine bestimmte Vergütungsgruppe ab, so dass insgesamt nicht mehr von einer deklaratorischen Erklärung gesprochen werden könne. Aus dieser Vergütungszusage, die Bestandteil des Arbeitsvertrags geworden sei, resultiere ein individual-rechtlicher Anspruch auf Fortzahlung seiner Vergütung nach Entgeltgruppe E 07. Diese Vergütungszusage sei Bestandteil des Arbeitsvertrags geworden.

Die Tätigkeit als Mitarbeiter Packstofflager entsprechend der Funktionsbeschreibung der Beklagten rechtfertige im Übrigen - auch unter Außerachtlassung der Vergütungszusage - eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe E 07. Die Eingruppierung habe allein anhand der Regelungen des BETV zu erfolgen. Von der darin enthaltenen Öffnungsklausel seien lediglich "ergänzende" Regelungen durch Betriebsvereinbarung, nicht hingegen "ersetzende" Bestimmungen zum Entgelttarifvertrag erfasst. Letzteres sei vorliegend der Fall, da allein durch die Anlage 2 der BV in Verbindung mit den jeweiligen Tätigkeitsbeschreibungen eine verbindliche Zuordnung zu den Entgeltgruppen stattfinde. Dies widerspreche auch dem Grundsatz der Tarifautomatik. Bestritten werde, dass der Betriebsrat an der Betriebsvereinbarung über eine Eingruppierungsrichtlinie und der Überleitung auf die neue Entgeltstruktur ordnungsgemäß mitgewirkt habe. Er hat weiter bestritten, dass durch § 7 der Betriebsvereinbarung eine nach § 99 Abs. 1 BetrVG notwendige Zustimmung als erteilt gelte.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn auch über den 1. Juni 2014 hinaus nach Entgeltgruppe E 07 des jeweils einschlägigen Entgelttarifvertrages für die chemische Industrie, zuletzt des Bundesentgelttarifvertrages für die chemische Industrie West vom 18. Juli 1987 in der Fassung vom 30. September 2004 in Verbindung mit dem für das Land Rheinland-Pfalz geltenden bezirklichen Entgelttarifvertrag, zu vergüten;

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn118,51 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. März 2014,weitere 118,51 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. April 2014,weitere 118,51 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Mai 2014 sowieweitere 118,51 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2014 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, der Kläger habe keinen Anspruch, zu unveränderten Bedingungen nach der Entgeltgruppe E 07 des BETV über den 1. Juni 2014 hinaus vergütet zu werden. Sie habe sich unter anderem entschieden, die Tarifentgelte zur Sicherung der Beschäftigung und Verbesserung des Wettbewerbs abzusenken.

Der geschlossene FVTV habe normative Geltung zwischen den Parteien nach §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG. Die Geltung des FVTV ergebe sich für den Fall der fehlenden normativen Geltung des FVTV jedenfalls aus der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel. Diese stelle nach ihrem Wortlaut und ihrem Zweck unter Berücksichtigung der Stichtagsregelung des Bundesarbeitsgerichtes eine Gleichstellungsabrede dar. Aufgrund dessen würden nicht nur die Verbandstarifverträge, sondern gleichzeitig auch der FVTV erfasst. Die Verweisung könne sich auf mehrere Tarifverträge beziehen, die sich im Geltungsbereich deckten, aber unterschiedliche Regelungen aufwiesen. Dieser Fall sei durch die Kollisionsauflösungsregel zu lösen mit der Folge, dass die Bundestarifverträge und Bezirksentgelttarifverträge gemäß § 2 FVTV nur insoweit Anwendung finden würden, wie in den Bestimmungen des FVTV nicht abgewichen werde.

Der FVTV und die darin getroffenen abweichenden Regelungen zu den Entgelt-sätzen seien unter Mitwirkung des regional zuständigen Arbeitgeberverbands Chemie Rheinland-Pfalz e. V. wirksam zustande gekommen. Er basiere auf dem MTV und passe diesen nur unternehmensspezifisch an. Der MTV ermögliche aufgrund seiner in § 1 Fußnote 1 enthaltenen Öffnungsklausel, abweichende Entgeltsätze festzulegen. Unerheblich sei hierbei, ob die Öffnungsklausel als Fußnote spezifiziert, als Protokollnotiz ergänzt oder als eigenständiger Paragraph verfasst sei.

Die Absenkung des Tarifentgelts um 9 % erfasse gemäß § 4 Absatz 3 FVTV in Verbindung mit § 2 Abs. 3 Ü-TV jedenfalls auch die Tarifsteigerung von 3,7 % der Bundestarifvertragsparteien zum 1. Februar 2014. Wegen der vorhergehenden eingehenden Information der Mitarbeiter durch öffentliche Aushänge bestünde kein Vertrauensschutz, so dass die rückwirkende Geltung der Tarifabsenkungsregelungen auf den Zeitraum der Tarifsteigerung im Februar 2014 zulässig sei.

Die in der BV vorgenommene Zuordnung der 63 abstrakten Stellenbeschreibungen auf die im BETV definierten Entgeltgruppen stelle eine Korrekturmaßnahme aufgrund von fehlerhaften Eingruppierungen dar. Daher stelle die BV eine Richt-linie zur Eingruppierung und keine Regelung zur Schaffung eines eigenen Tarifsystems dar. Mit der Definition eigener Funktionsbeschreibungen und personenunabhängigen Bewertungen von Arbeitsplätzen hätten die Betriebsparteien in zulässiger Weise die abstrakten Formulierungen des BETV mit passgenauen Formulierungen der BV ausgefüllt, ohne dabei die Entgeltgruppe selbst zu verändern. Es handele sich hierbei um einen gängigen Vorgang und eine übliche Regelung der Betriebsparteien. Die neu erfolgte Eingruppierung (Umgruppierung) entspreche der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit des Klägers. Er übe gemäß Anlage 2 der BV eine Tätigkeit aus, die der Entgeltgruppe 06 des § 7 BETV vollumfänglich entspreche.

Die "Personal-Veränderung" vom 22. Januar 2008 nenne ausdrücklich die Entgeltgruppe und die Anzahl der Tätigkeitsjahre und spreche damit gerade nicht eine übertarifliche Leistung zu, sondern eine Leistung mit ausdrücklichem Bezug auf den Tarif. Es handele sich um den regelmäßig zu beobachtenden Fall, dass langjährige Mitarbeiter durch eine Höhergruppierung motiviert werden sollten. Stattdessen hätte die Motivation unter Tariftreuegesichtspunkten mittels echter übertariflicher Leistungen erfolgen müssen. Ein Anknüpfungspunkt für eine Höhergruppierung habe seinerzeit nicht vorgelegen, so dass es an einem das Vertrauen des Klägers rechtfertigenden Element fehle.

Das Arbeitsgericht Koblenz hat die Klage durch Urteil vom 9. Dezember 2014 abgewiesen.

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt, die Klage sei zulässig, aber unbegründet. Das erforderliche Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO für den Feststellungsantrag zu 1. ergebe sich daraus, dass auch hinsichtlich der Zukunft zwischen den Parteien Uneinigkeit darüber bestehe, nach welcher Entgeltgruppe und nach welchem Entgelttarifvertrag der Kläger zu vergüten sei. Mit dem Feststellungsantrag solle außerdem zugleich geklärt werden, welche Entgelttarifverträge auf das vorliegende Arbeitsverhältnis anzuwenden seien (sog. Elementenfeststellungsklage).

Der Kläger könne nicht die Feststellung verlangen, nach der Entgeltgruppe E 07 des Entgelttarifvertrages für die chemische Industrie Vergütung zu erhalten. Er habe bereits keinen Anspruch auf die tarifvertragliche Vergütung einschließlich der Entgelterhöhung von 3,7 %, da ein derartiger Vergütungsanspruch durch die Tarifabsenkung gemäß § 4 Abs. 1 des FVTV in Verbindung mit § 2 Abs. 3 Ü-TV in Höhe von 9 % rückwirkend zum 1. Februar 2014 gekürzt worden sei. Insoweit fänden die Bundestarifverträge und die Bezirksentgelttarifverträge gerade keine uneingeschränkte Anwendung, sondern kämen gemäß § 2 FVTV nur insoweit zur Anwendung wie in den Bestimmungen des FVTV hiervon nicht abgewichen werde. Da der mit dem Klageantrag zu 1. verfolgte Anspruch bereits aus diesem Grund unschlüssig sei, komme es auf die weitere Frage der richtigen Eingruppierung nicht mehr an. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fänden die Regelungen des FVTV und des Ü-TV kraft normativer Wirkung gemäß §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG unmittelbar und zwingend Anwendung. Ob die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel den FVTV sowie den Ü-TV erfasse, könne mithin offen bleiben. Beide Tarifverträge ergänzten lediglich, wenn auch zum Nachteil der Arbeitnehmer, den BETV auf derselben Normenhierarchieebene (Verbandstarifvertrag). Das Verhältnis der beiden Tarifverträge zum BETV werde nach den Grundsätzen der Tarifkonkurrenz gelöst, wobei die Verbandstarifverträge zusammen mit den firmenbezogenen Verbandstarifverträgen ein Sinnganzes darstellten. Der FVTV sei als firmenbezogener Verbandstarifvertrag in seinem Anwendungsbereich der speziellere Tarifvertrag und finde damit vorrangig auf das Arbeitsverhältnis der tarifgebundenen Parteien unmittelbar und zwingend Anwendung, § 4 Abs. 1 TVG. Die zwischen den Tarifvertragsparteien abgeschlossenen Bundestarifverträge fänden gemäß § 2 FVTV Anwendung, "soweit nicht in den nachfolgenden Bestimmungen von diesen Tarifverträgen abgewichen" werde. Das Günstigkeitsprinzip nach § 4 Abs. 3 TVG sei bei dieser Fallgestaltung nicht anwendbar. Der FVTV und demzufolge auch der Ü-TV seien wirksam zustande gekommen. Der MTV enthalte in der Fußnote 1 Abs. 2 und 3 MTV Öffnungsklauseln. Die Öffnungsklausel in der Fußnote 1 Abs. 3 des MTV-Chemie werde auch nicht durch die in § 10 BETV geregelte Öffnungsklausel als speziellere verdrängt. Sämtliche in der Fußnote 1 Abs. 3 des MTV genannten Voraussetzungen zum Abschluss eines firmenbezogenen Verbandstarifvertrages zur Entgeltabsenkung seien erfüllt. Soweit die Klägerseite bestreite, dass dieser firmenbezogene Verbandstarifvertrag der Sicherung der Beschäftigung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit diene, stehe dem bereits die Präambel des FVTV entgegen, in der die tarifvertragsschließenden Parteien die Gründe für den Abschluss dieses Tarifvertrages ausdrücklich aufgeführt hätten. Schließlich hätten auch die regional zuständigen Tarifvertragsparteien diesen Verbandstarifvertrag mitunterschrieben. Die in § 4 Abs. 1 FVTV vorgesehene Absenkung des Tariflohns um 9 % habe bei der ab dem 1. Februar 2014 vereinbarten Tarifsteigerung um 3,7 % bereits berücksichtigt werden können, § 2 Abs. 3 Ü-TV. Denn diese tarifvertraglichen Regelungen gälten gemäß den Bestimmungen in § 6 FVTV und § 3 Ü-TV rückwirkend ab dem 15. Dezember 2013 und damit rückwirkend auf den Zeitraum vor der Tariflohnerhöhung im Februar 2014. Die rückwirkende Anwendung der Tariflohnkürzung um 3,7 % auf die entsprechende Tariflohnerhöhung ab dem 1. Februar 2014 sei als Fall der echten Rückwirkung zulässig. Für die Mitarbeiter der Beklagten bestehe kein Vertrauensschutz.

Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz (Bl. 359 ff. d. A.) Bezug genommen.

Das genannte Urteil ist dem Kläger am 5. Januar 2015 zugestellt worden. Der Kläger hat hiergegen mit einem am 2. Februar 2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet.

Zur Begründung der Berufung macht der Kläger nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes sowie der Schriftsätze vom 12. März 2015 und vom 21. Mai 2015, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 384 ff., 516 f., 571 ff. d. A.), seinen erstinstanzlichen Vortrag ergänzend und vertiefend zusammengefasst geltend,

der FVTV und der hierzu geschlossene Ü-TV seien nicht wirksam zustande gekommen. Es fehle an einer entsprechenden Ermächtigungsnorm (Öffnungsklausel), welche die Tarifvertragsparteien entsprechend ermächtige, den FVTV nebst Ü-TV samt den in Bezug genommenen Regelungen betreffend die Vergütung und Eingruppierung des Klägers abzuschließen. § 10 BETV sei keine taugliche Ermächtigungsnorm. Die Formulierung "in Kombination mit" in § 10 BETV erfordere, dass die grundsätzliche Regelungsbefugnis der Parteien (der Beklagten und der beteiligten Tarifvertragsparteien) bereits aus § 10 BETV folgen müsse und nur ergänzend weitere Öffnungsklauseln hinzutreten dürften. Der Begriff "ergänzend" sei sonst sinnentleert. Die Öffnungsklausel in Fn. 1 zum MTV werde durch die in § 10 BETV enthaltene "Tariföffnungsklausel" als speziellere Regelung verdrängt. Sie sei keine geeignete Ermächtigungsnorm zum Abschluss des FVTV und des Ü-TV. Auch lägen die tatbestandlichen Voraussetzungen der Öffnungsklausel in Fn. 1 zum MTV nicht vor. Diese lasse nur ergänzende Regelungen zu, sofern diese den eigentlichen Regelungsbereich des MTV beträfen ("zu diesem Manteltarifvertrag"), gelte lediglich für Sonderfälle und stelle gerade keine generelle Ermächtigung an die Tarifvertragsparteien dar. Firmenbezogene Tarifverträge hätten nur dann zulässiges Regelungsinstrument sein sollen, wenn dies im Einzelfall nicht anders, das heißt durch eine befristete Betriebsvereinbarung (vgl. Fn. 1 Abs. 1 und 2), geregelt werden könne.

Der Kläger bestreitet weiter, dass insbesondere der FVTV und der Ü-TV der Sicherung der Beschäftigung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Beklagten dienten. Er ist der Ansicht, der bloße Hinweis auf die Präambel des FVTV sei nicht ausreichend, die Beklagte sei insoweit darlegungs- und beweispflichtig. Der Aushang der Beklagten vom 13. Februar 2015 bestätige seine Bedenken hinsichtlich deren Behauptung, der FVTV diene der Sicherung der Beschäftigung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Beklagten.

Der Kläger ist weiter der Ansicht, der FVTV und Ü-TV seien nicht auf das Arbeitsverhältnis zwischen ihm und der Beklagten anwendbar. Erstinstanzlich sei offen geblieben, ob die Z. GmbH im Zeitpunkt der Einstellung Mitglied des Arbeitgeberverbands gewesen sei. Die Beklagte selbst sei zunächst nicht Mitglied des Arbeitgeberverbandes geworden. Bei inkongruenter Tarifbindung im Zeitpunkt des Betriebsübergangs würden die bei dem Betriebsveräußerer geltenden Tarifnormen jedoch nach § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses. Es liege eine kleine dynamische Bezugnahmeklausel auf den BETV vor. Der Verbandstarifvertrag verdränge den FVTV. Die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB streite bezüglich des Umfangs der Bezugnahme für ihn.

Der zu seinen Gunsten anzunehmende Vertrauensschutz stehe der Zulässigkeit einer Rückwirkung der hier in Rede stehenden tarifvertraglichen Regelungen entgegen. Er sei davon ausgegangen, dass allein die Regelung des BETV für ihn Anwendung finde. Die Informationen hätten sich nicht konkret an ihn, sondern lediglich an die Belegschaft in ihrer Gesamtheit gerichtet. Er habe angenommen, dass sich die von der Beklagten genannten Informationen unter Umständen an andere Beschäftigte richteten, welche eben keine mit seiner eigenen arbeitsrechtlichen Regelung übereinstimmende Regelung hätten.

Hinsichtlich des nunmehr unter Ziffer 3. weitergehend geltend gemachten Zahlungsantrags handele es sich lediglich um die weitere Geltendmachung der ihm nicht ausgezahlten Fehlbeträge. Die Entgelterhöhungen ergäben sich aus je 3,7 % von den Tarifentgelten gemäß der Lohnabrechnungen (exklusiv vermögenswirksame Leistungen und exklusiv Kontoführungsgebühren).

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 9. Dezember 2014, Az. 12 Ca 2477/14 abzuändern und

1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn auch über den 1. Juni 2014 hinaus nach Entgeltgruppe E 07 des jeweils einschlägigen Entgelttarifvertrages für die chemische Industrie, zuletzt des Bundesentgelttarifvertrages für die chemische Industrie West vom 18. Juli 1987 in der Fassung vom 30. September 2004 in Verbindung mit dem für das Land Rheinland-Pfalz geltenden bezirklichen Entgelttarifvertrag, zu vergüten,

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn118,51 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. März 2014,weitere 118,51 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. April 2014,weitere 118,51 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Mai 2014 sowieweitere 118,51 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2014 zu zahlen.

3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn135,66 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2014,weitere 112,96 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. August 2014,weitere 112,96 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. September 2014,weitere 112,96 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2014,weitere 112,96 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. November 2014,weitere 186,37 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2014 sowieweitere 112,96 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2015 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 9. März 2015 sowie des Schriftsatzes vom 3. Juni 2015, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 444 ff., 574 ff. d. A.), unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags als rechtlich zutreffend. Sie ist der Ansicht,

eine einschlägige Ermächtigungsnorm für den Abschluss des FVTV und des Ü-TV sei in Form der Öffnungsklausel in Fn. 1 zum MTV vorhanden, die unabhängig von der gewählten Form als Fußnote wirksamer Bestandteil des MTV sei. Die Bundestarifvertragsparteien hielten mit dem FVTV ihre Normsetzungskompetenz aufrecht. § 4 Abs. 3 Var. 1 TVG lasse die Tarifvertragsparteien selbst darüber entscheiden, ob sie die Abmachung gestatteten. Grundsätzlich seien Öffnungsklauseln in eben jenem Tarifvertrag enthalten, dem sie die Abweichung gestatteten. Schließlich könnten Öffnungsklauseln Unternehmen in der Krise erlauben, tarifliche Arbeitsbedingungen zu unterschreiten, um Betrieb und Arbeitsplätze zu erhalten. Alle Maßnahmen, die der Beschäftigungssicherung oder der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit dienten, rechtfertigten die Anwendung der Tariföffnungsklausel. Aufgrund der Eigenständigkeit der Öffnungsklausel "Tarifkonkurrierende Bereiche" fänden die Bestimmungen des § 10 BETV keine Anwendung. § 10 BETV sei nicht die Öffnungsklausel für eine Kombination mit der Öffnungsklausel der Fußnote 1 zu § 1 MTV, sondern eine eigenständige Regelungsmöglichkeit auf Betriebsebene mittels Betriebsvereinbarung. Demzufolge könne eine Kombination auch nur mit einer anderen Öffnungsklausel, die zu einer Betriebsvereinbarung berechtige, in Frage kommen (so zum Beispiel eine Kombination des Entgeltkorridors mit dem Arbeitszeitkorridor, § 2 Abs. 1 Ziff. 3 MTV). Diese Lösung sei jedoch für die Beklagte kein gangbarer Weg gewesen, da zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit eine unbefristete Entkoppelung vom Tarifgeleitzug notwendig geworden sei. Die Bewertung, ob diese Voraussetzung erfüllt sei, sei Aufgabe der Tarifvertragsparteien. Das Vorliegen eines tarifkonkurrierenden Bereichs sei nicht bereits für die Möglichkeit von den tariflichen Regelungen des MTV Chemie durch FVTV abzuweichen erforderlich, sondern erst dann, wenn eine Gesamtregelung gefunden werden solle, die nach Abs. 2 der Fn. 1 zu § 1 MTV niedrigere Entgeltsätze im Vergleich zu einem tarifkonkurrierenden Bereich nach sich ziehe. Solle wie im hier vorliegenden Fall eine Gesamtlösung (Entgeltabsenkung, Eingruppierung, Jahresleistung etc.) zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit vorliegen, müssten die Voraussetzungen der Absätze 2 und 3 kumulativ erfüllt werden. Tarifkonkurrierend im Sinn der Fn. 1 Abs. 2 seien vor allem die Tarifverträge der kunststoffverarbeitenden Industrie, die für Arbeitgeber im Schnitt circa 15 % günstiger als die Verbandsflächentarifverträge der Chemie seien.

Sie befinde sich seit Jahren in wirtschaftlich sehr schwerer Lage. 2012/2013 seien von ursprünglich rund 400 Mitarbeitern nahezu 200 Mitarbeiter abgebaut worden. Die Firma U. stelle nahezu die gleichen Produkte her.

Der FVTV bzw. der Ü-TV seien daher kraft normativer Wirkung anwendbar. Eine Gleichstellungsabrede spiele bei Anwendung kraft normativer Wirkung keine Rolle. Durch ihre zwischenzeitlich fehlende Tarifgebundenheit zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs am 1. August 2002 habe sich nichts geändert. Wegen ihres Beitritts zum Arbeitgeberverband greife die der Bezugnahmeklausel innewohnende auflösende Bedingung nicht mehr ein.

Die Auslegung der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel ergebe im vorliegenden Fall, dass die Parteien für den Streitzeitraum den FVTV vereinbart hätten. Seien die Verbandstarifverträge durch die Bezugnahmeklausel erfasst, müsse davon auch der FVTV als Verbandstarifvertrag erfasst sein. Eine differenzierende Formulierung finde sich in der Bezugnahmeklausel nicht und widerspräche auch der Normenhierarchie. Vor dem Hintergrund einer Gleichstellungsabrede könne eine solche Differenzierung weder gewollt noch vereinbart sein. Dafür spreche auch das Verhalten der Parteien nach dem Vertragsschluss. Der Kläger habe an der gesamten Tarifentwicklung - positiv wie negativ - teilgenommen, insbesondere auch an der Anwendung der tarifvertraglichen Öffnungsklauseln nach § 10 BETV Chemie bzw. nach § 2 Abs. 1 MTV Chemie zur Absenkung der Tarifentgelte. Zudem seien über Jahre und Jahrzehnte hinweg Tariflohnerhöhungen und sonstige Besserstellungen weitergegeben worden. Der übereinstimmenden Vorstellung der Vertragsparteien stehe auch nicht entgegen, dass die Anwendbarkeit des FVTV für den Verwender in diesem Fall günstiger sei. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass die Bezugnahme nicht auch die Öffnungsklauseln der Fußnote 1 zu § 1 MTV und die damit verbundenen firmenbezogenen Anpassungen erfassen solle. Es sei auch nicht ausgeschlossen, dass die Verweisung sich auf mehrere Tarifverträge beziehen könne, die sich im Geltungsbereich deckten, aber unterschiedliche Regelungen aufwiesen. Danach hätten die Arbeitsvertragsparteien mit ihrer Verweisung bei einer möglichen Konkurrenz zwischen mehreren in Bezug genommenen Tarifverträgen dem spezielleren Tarifvertrag den Vorrang einräumen wollen.

Der Aushang vom 13. Februar 2015 lasse keinen Rückschluss auf "gut gefüllte Auftragsbücher" zum Zeitpunkt des Tarifvertragsabschlusses zu. Die wirtschaft-liche Lage sei nach wie vor sehr angespannt.

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll des Kammertermins vom 10. Juni 2015 (Bl. 593 ff. d. A.) Bezug genommen.

Gründe

A.

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Zwar ist das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz dem Klägervertreter ausweislich des Empfangsbekenntnisses erst am 5. Januar 2015 zugestellt worden, während es bei dem Beklagtenvertreter bereits am 19. Dezember 2014 eingegangen ist. Die Zustellung eines Urteils per Empfangsbekenntnis bei einem Prozessbevollmächtigten (§ 212 a ZPO) ist aber erst dann bewirkt, wenn dieser das Urteil mit dem Willen, es als zugestellt gegen sich gelten zu lassen, entgegennimmt und dies durch seine Unterschrift auf dem Empfangsbekenntnis mit Angabe des Zustellungszeitpunkts dokumentiert. Der Eingang in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten ist insoweit nicht maßgeblich (st. Rspr. des BGH, vgl. nur Urteil vom 19. Juni 2002 - IV ZR 147/01 - juris; vom 18. September 1990 - XI ZB 8/90 - NJW 1991, 42). Im vorliegenden Berufungsverfahren spricht das auf den 5. Januar 2015 datierte Empfangsbekenntnis für eine Zustellung an diesem Tag. Denn ein Empfangsbekenntnis erbringt grundsätzlich Beweis nicht nur für die Entgegennahme des darin bezeichneten Schriftstücks als zugestellt, sondern auch für den Zeitpunkt der Entgegennahme durch den Unterzeichner und damit für den Zeitpunkt der Zustellung.

Die Berufung erweist sich auch sonst als zulässig.

B.

In der Sache hatte die Berufung des Klägers keinen Erfolg.

I.

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist ein Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO für Klageantrag zu 1. gegeben. Die Anwendbarkeit eines im Klageantrag hinreichend bestimmten (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) Tarifwerks auf ein Arbeitsverhältnis kann durch eine so genannte Elementenfeststellungsklage geklärt werden (BAG, Urteil vom 6. Juli 2011 - 4 AZR 706/09 - NZA 2012, 100, 101, Rz. 15; vom 22. Oktober 2008 - 4 AZR 784/07 - NZA 2009, 151, 152, Rz. 11 m. w. N.).

Die mit der Berufungsbegründung erfolgte Klageerweiterung ist zulässig, § 264 Nr. 2 ZPO. Durch diese ist keine Änderung des Klagegrundes erfolgt (§ 533 ZPO).

II.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Beklagte ist weder kollektivrechtlich noch individualvertraglich verpflichtet, an den Kläger auch über den 1. Juni 2014 hinaus Vergütung nach der Entgeltgruppe E 07 des jeweils einschlägigen Entgelttarifvertrages für die chemische Industrie, zuletzt des Bundesentgelttarifvertrages für die chemische Industrie West vom 18. Juli 1987 in der Fassung vom 30. September 2004 in Verbindung mit dem für das Land Rheinland-Pfalz geltenden bezirklichen Entgelttarifvertrag zu zahlen (Antrag zu 1.). Auch für die Zeit vom 1. Februar 2014 bis zum 31. Mai 2014 hat der Kläger keinen Anspruch auf die Zahlung der Vergütungserhöhung in Höhe von 3,7 % durch die Beklagte, so dass auch der Antrag zu 2. unbegründet ist. Die zweitinstanzlich erfolgte Klageerweiterung hinsichtlich der Differenzbeträge für die Zeit vom 1. Juni 2014 bis zum 31. Dezember 2014 (Antrag zu 3.) hat ebenfalls keinen Erfolg.

1. Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung von Vergütung über den 1. Juni 2014 hinaus nach Entgeltgruppe E 07 des jeweils einschlägigen Entgelttarifvertrages für die chemische Industrie, zuletzt des BETV für die chemische Industrie West vom 18. Juli 1987 in der Fassung vom 30. September 2004 in Verbindung mit dem für das Land Rheinland-Pfalz geltenden bezirklichen Entgelttarifvertrag besteht weder kollektivrechtlich noch aufgrund einer für den Kläger günstigeren einzelvertrag-lichen Abrede.

a) Der Kläger hat keinen entsprechenden Anspruch aus dem BETV in Verbindung mit dem jeweils geltenden Bezirkstarifvertrag für Rheinland-Pfalz in der jeweils geltenden Fassung gemäß §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG. Die jeweils aktuelle Fassung findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung, da die Be-stimmungen des FVTV und des Ü-TV für die Zeit ab dem 1. Juni 2014 den Regelungen des BETV in Verbindung mit dem jeweils geltenden Bezirkstarifvertrag für Rheinland-Pfalz in der jeweils geltenden Fassung vorgehen. Der FVTV und der Ü-TV sehen gemäß § 4 Abs. 1 FVTV in Verbindung mit § 2 Abs. 3 Ü-TV eine Tarifabsenkung in Höhe von 9 % rückwirkend zum 1. Februar 2014 vor.

(1) Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Vorschriften der Tarifverträge für die chemische Industrie kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit Anwendung. Der Kläger war seit April 1987 Gewerkschaftsmitglied. Die Beklagte ist seit dem 1. Januar 2014 Mitglied des Arbeitgeberverbandes Chemie Rheinland-Pfalz.

(2) Der BETV in Verbindung mit dem jeweils geltenden Bezirkstarifvertrag für Rheinland-Pfalz findet kollektivrechtlich jedoch nur insoweit Anwendung auf das Arbeitsverhältnis als der FVTV und der Ü-TV für das Arbeitsverhältnis der Parteien keine vorgehenden Regelungen enthalten.

(3) Der FVTV und der Ü-TV sind in räumlicher Hinsicht auf Arbeitsverhältnis anwendbar. Diese beiden Tarifverträge gelten persönlich für alle an den Stand-orten C-Stadt und Lager V.-Stadt tariflich beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (§ 1 FVTV, § 1 Ü-TV) und damit für den am Standort C-Stadt tariflich beschäftigten Kläger.

(4) Der FVTV und der Ü-TV sind wirksam zustande gekommen. Beide sind schriftlich (§ 1 Abs. 2 TVG) zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden (§ 2 Abs. 1 TVG) abgeschlossen worden. Die jeweiligen Bundesverbände konnten sich beim Vertragsabschluss durch ihre Landesverbände vertreten lassen.

(5) Dem wirksamen Zustandekommen dieser Tarifverträge stehen auch nicht die Regelungen des BETV entgegen.

(a) Grundsätzlich sind die Tarifvertragsparteien frei darin, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten Tarifverträge abzuschließen und von ihnen geschlossene Tarifverträge abzuändern. Aus dem Ablösungsprinzip, nach dem die jüngere Tarifregelung der älteren vorgeht, ergibt sich, dass eine Tarifnorm stets unter dem Vorbehalt steht, durch eine nachfolgende tarifliche Regelung verschlechtert oder ganz gestrichen zu werden (BAG, Urteil vom 6. Juni 2007 - 4 AZR 382/06 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 9, Rz. 18 und 20). Die Tarifvertragsparteien bedürfen keiner tariflichen Öffnungsklausel, um einen firmenbezogenen Verbandstarifvertrag zu vereinbaren, der einem anderen Verbandstarifvertrag vorgehen soll (vgl. BAG, Urteil vom 19. November 2014 - 4 AZR 761/12 - BeckRS 2015, 67088, Rz. 28; ErfK/Franzen, 15. Aufl. 2015, § 4 TVG Rn.30 m. w. N.). Es ist daher unerheblich, ob der MTV eine Öffnungsklausel enthält (vgl. BAG, Urteil vom 23. März 2005 - 4 AZR 203/04 - NZA 2005, 1003, 1006). An ihre Protokollnotizen sind die Tarifvertragsparteien nicht gebunden (vgl. BAG, Urteil vom 20. Januar 2009 - 9 AZR 146/08 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Chemie Nr. 18, Rz. 25). Eine Grenze bilden lediglich der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 2 GG sowie zwingendes einfach-gesetzliches Recht. Dabei gehört es insbesondere zu dem durch das Grundgesetz geschützten Kernbereich der Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG), dass die Tarifvertragsparteien bis zur Grenze der Willkür in freier Selbstbestimmung festlegen, ob und für welche Berufsgruppen und Tätigkeiten sie überhaupt tarifliche Regelungen treffen oder nicht treffen wollen (vgl. BAG, Urteil vom 29. August 2001 - 4 AZR 352/00 - NZA 2002, 863, 865; vom 30. August 2000 - 4 AZR 563/99 - NZA 2001, 613, 615 zur Festlegung des persönlichen Geltungsbereichs eines Tarifvertrags m. w. N.). Diese Grenze haben die Tarifvertragsparteien mit dem Abschluss des FVTV und des Ü-TV nicht überschritten.

(b) Mit dem Abschluss des FVTV und des Ü-TV sind die Tarifvertragsparteien überdies im Rahmen der Kompetenzen geblieben, die sie sich selbst durch die Öffnungsklausel in Fußnote 1 Abs. 3 zur Vorbemerkung MTV eingeräumt haben.

Gemäß der Fußnote 1 Abs. 3 zur Vorbemerkung MTV besteht zwischen den Tarifvertragsparteien Einvernehmen darüber, dass zur Sicherung der Beschäftigung oder Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit im Einzelfall abweichende tarifliche Regelungen auch in firmenbezogenen Tarifverträgen zwischen dem BAVC und der IG BCE vereinbart werden können. Dabei sind diese firmenbezogenen Tarifverträge von den regional zuständigen Arbeitgeberverbänden mit abzuschließen, soweit die tarifliche Regelung auch die bezirklichen Tarifentgeltsätze verändert.

Diese Klausel ist wirksamer Bestandteil des Tarifvertrags geworden. Die Tarifvertragsparteien des MTV haben in der Vormerkung zu diesem Tarifvertrag ausdrücklich klargestellt, dass (auch) die Anmerkungen und Protokollnotizen von ihnen vereinbart sind und als Bestandteil dieses Tarifvertrages gelten. Die Protokollnotiz ist auch in der erforderlichen Schriftform vereinbart worden. Eine Öffnungsklausel kann sich auch auf einen anderen Tarifvertrag beziehen. Dadurch nimmt der sich öffnende Tarifvertrag seinen Geltungsanspruch gegenüber dem anderen Tarifvertrag zurück (ErfK/Franzen, 15. Aufl. 2015, § 4 TVG Rn. 30).

Die Öffnungsklausel in Fußnote 1 Abs. 2 und 3 Vorbemerkung MTV wird auch nicht für den Bereich der Vergütung durch die in § 10 BETV geregelte Öffnungsklausel als speziellere Regelung verdrängt. Eine solche Verdrängung ergibt sich weder aus dem Wortlaut des § 10 BETV, dass "eine Kombination mit anderen tariflichen Öffnungsklauseln" nicht ausgeschlossen ist, noch aus den verschiedenen Wirkungsmechanismen der beiden tarifvertraglichen Öffnungsklauseln. § 10 BETV regelt nicht die Zulässigkeit der Vereinbarung niedriger Entgeltsätze durch Verbandstarifvertrag, sondern den Abschluss befristeter Betriebsvereinbarungen mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien.

Schließlich gilt auch insoweit, dass die Tarifvertragsparteien nicht an ihre eigene Öffnungsklausel in § 10 BETV gebunden sind.

Die Voraussetzungen der Öffnungsklausel der Fn. 1 zur Vorbemerkung MTV sind gegeben. Insoweit haben die Tarifvertragsparteien selbst eine Einschätzungsprärogative. Diese steht den Tarifvertragsparteien zu, soweit es um die Beurteilung der tatsächlichen Regelungsprobleme geht. Weiter steht ihnen ein Beurteilungs- bzw. Ermessensspielraum zu, soweit es um die inhaltliche Gestaltung der Regelungen geht (BAG, Urteil vom 29. August 2001 - 4 AZR 352/00 - NZA 2002, 863, 865 m. w. N.). Die Tarifvertragsparteien haben in der Präambel zum FVTV durch die Formulierung "Dieser firmenbezogene Verbandstarifvertrag dient damit der Sicherung der Beschäftigung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit" deutlich gemacht, dass sie die Voraussetzungen der Fn. 1 Vorbemerkung MTV als gegeben erachtet haben.

Die Beklagte, die auf dem Gebiet der Verarbeitung und Entwicklung hochwertiger flexibler Packstoffe tätig ist und Verpackungen für Lebensmittel erzeugt sowie Folien herstellt, steht in Wettbewerb mit den im Gesamtverband Kunststoffverarbeitende Industrie e. V. zusammengeschlossenen Unternehmen der Kunststoffpackmittelindustrie in Deutschland, die ebenfalls Lebensmittelfolien und Kunststoffverpackungen herstellen, so insbesondere zur Firma U.. Die Tariflöhne in der kunststoffverarbeitenden Industrie liegen unter denjenigen in der chemischen Industrie. Die Beklagte befand sich in der Vergangenheit in einer schweren wirtschaftlichen Situation, die sich in einem erheblichen Stellenabbau widerspiegelte.

Dem Vortrag der Beklagten, der FVTV und der Ü-TV seien zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit abgeschlossen worden, stehen auch nicht die Entwick-lungen im Jahr 2015, insbesondere der Aushang vom 13. Februar 2015 entgegen. Aus der wirtschaftlichen Entwicklung nach Abschluss der firmenbezogenen Verbandtarifverträge kann nicht auf die wirtschaftliche Lage bei Vertragsabschluss geschlossen werden.

(6) Die Bestimmungen des FVTV und des Ü-TV gehen im Rahmen ihres Geltungsbereichs den Regelungen des BETV und des für das Land Rheinland-Pfalz geltenden bezirklichen Entgelttarifvertrags vor. Dies ergibt sich aus dem Willen der Tarifvertragsparteien, der in den von ihnen abgeschlossenen Bestimmungen zum Ausdruck kommt. Im vorliegenden Fall wurden die Tarifverträge von denselben Tarifvertragsparteien abgeschlossen. Diese legen fest, in welchem Verhältnis die von ihnen abgeschlossenen Tarifverträge stehen.

Insoweit ist unschädlich, dass neben den Bundesverbänden auch die regionalen Verbände den FVTV und den Ü-TV mitunterzeichnet haben.

Auch kommt es nicht darauf an, ob die Bundesverbände oder die regionalen Verbände die den Tarifvertragsabschlüssen vorangehenden Verhandlungen geführt oder maßgeblich beeinflusst haben. Entscheidend ist allein, ob Tarifverträge letztlich durch die Bundesverbände wirksam abgeschlossen wurden.

Sowohl in der Fn. 1 zur Vorbemerkung MTV als auch in der Präambel und in § 2 FVTV sowie in der Präambel des Ü-TV haben die Tarifvertragsparteien deutlich gemacht, dass die Bestimmungen des FVTV und des Ü-TV im Rahmen ihres Geltungsbereichs dem BETV vorgehen sollen, soweit in diesen abweichende Regelungen enthalten sind. Die Fn. 1 zur Vorbemerkung MTV sieht ausdrücklich die Vereinbarung abweichender tariflicher Regelungen vor. Dies macht nur dann Sinn, wenn die so vereinbarten Bestimmungen den übrigen tariflichen Regelungen vorgehen. In der Präambel des FVTV weisen die Tarifvertragsparteien ausdrücklich darauf hin, dass die Regelungen der Bundestarifverträge für die Beklagte angepasst werden müssen. Schließlich ist in § 2 FVTV explizit formuliert:

"(1) Die zwischen dem Bundesarbeitgeberverband Chemie e. V. und der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie vereinbarten Bundestarifverträge einschließlich der Schlichtungsregelungen finden in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung, soweit nicht in den nachfolgenden Bestimmungen von diesen Tarifverträgen abgewichen wird. (2) Die zwischen dem AGV Chemie Rheinland-Pfalz e. V. und der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie abgeschlossenen Bezirksentgelttarifverträge finden nur insoweit Anwendung, wie in den nachfolgenden Bestimmungen von diesen Tarifverträgen nicht abgewichen wird." In der Präambel des Ü-TV haben die Tarifvertragsparteien klargestellt, dass die Anpassung der Regelungen der Bundestarifverträge durch den FVTV "eine ergänzende Regelung" erfordert.

Zudem stellen der FVTV und der Ü-TV den spezielleren Tarifvertrag dar und verdrängen auch aus diesem Grund den BETV. Firmenbezogene Verbandstarifverträge stellen gegenüber Flächentarifverträgen stets die speziellere Regelung dar. Dieselbe Rechtsfolge ergibt sich aus dem Ablösungsprinzip, das im Verhältnis von zwei zeitlich aufeinanderfolgenden Normen desselben Normgebers gilt. Danach können die Tarifvertragsparteien grundsätzlich jederzeit einen von ihnen früher selbst vereinbarten Tarifvertrag abändern, einschränken oder aufheben (BAG, Urteil vom 20. Januar 2009 - 9 AZR 146/08 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Chemie Nr. 18, Urteil vom 6. Juni 2007 - 4 AZR 382/06 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 39, Rz. 18, jeweils m. w. N.).

Für die Anwendbarkeit des Günstigkeitsprinzips nach § 4 Abs. 3 TVG ist im Verhältnis des FVTV und des Ü-TV zum BETV kein Raum. Das Günstigkeitsprinzip stellt eine Kollisionsregelung für das Verhältnis von schwächeren zu stärkeren Rechtsnormen dar. Es ist nicht anzuwenden, wenn mehrere tarifvertragliche und damit gleichrangige Regelungen zusammentreffen (BAG, Urteil vom 24. Januar 2001 - 4 AZR 655/99 - NZA 2001, 788, 790).

b) Der Kläger hat auch keinen gegenüber der kollektivrechtlichen Regelung günstigeren arbeitsvertraglichen Anspruch auf Vergütung nach dem jeweils einschlägigen Entgelttarifvertrag für die chemische Industrie, zuletzt des Bundesentgelttarifvertrages für die chemische Industrie West vom 18. Juli 1987 in der Fassung vom 30. September 2004 in Verbindung mit dem für das Land Rheinland-Pfalz geltenden bezirklichen Entgelttarifvertrag (§ 4 Abs. 3 TVG). Ein solcher Anspruch des Klägers ergibt sich insbesondere nicht aus einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel in Verbindung mit § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB. Infolge des (letzten) Betriebsübergangs ist die Beklagte gemäß § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB in die arbeitsvertraglich begründeten Rechte und Pflichten der Vorarbeitgeberin eingetreten.

Der Bezugnahmeklausel kommt rechtsbegründende Wirkung zu, auch wenn die in Bezug genommenen Tarifnormen ohnehin nach §§ 4 Abs. 1, 3 Abs. 1 TVG zwingend und unmittelbar gelten. Die Wirkung einer Bezugnahmeklausel wird nicht dadurch berührt, dass der in Bezug genommene Tarifvertrag noch aus einem weiteren rechtlichen Grund für das Arbeitsverhältnis der Parteien maßgebend ist (Urteil vom 29. August 2007 - 4 AZR 767/06 - NZA 2008, 364, 365, Rz. 13; vom 19. März 2003 - 4 AZR 331/02 - NZA 2003, 1207, 1209). Auch dann, wenn ein Arbeitnehmer gleichzeitig Gewerkschaftsmitglied ist, wirkt die Bezugnahme im Arbeitsvertrag auf Tarifverträge stets konstitutiv (und nicht nur deklaratorisch). Dies ergibt sich bereits aus der tatsächlichen Situation des Arbeitsvertragsschlusses und im Hinblick darauf, dass die Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit des Bewerbers nicht zulässig ist (Däubler/Lorenz, TVG, 3. Aufl. 2012, § 3 Rn. 225). Die konstitutive Wirkung der Bezugnahmeklausel konnte auch nicht dadurch später entfallen, dass die Beklagte in den Arbeitgeberverband eingetreten ist.

In dem von den Parteien am 26. März 1987 abgeschlossenen Arbeitsvertrag haben die damaligen Arbeitsvertragsparteien eine Bezugnahmeregelung vorge-sehen. Bei dieser handelt es sich um eine so genannte Gleichstellungsabrede im Sinn der früheren Rechtsprechung des 4. Senats des Bundesarbeitsgerichts. Infolge des Betriebsübergangs auf die Beklagte sind die aus dem in Bezug genommenen Tarifwerk herrührenden individualvertraglichen Rechte und Pflichten nach § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB Inhalt des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten als Erwerberin geworden und zwar mit dem tariflichen Regelungsbestand vom 31. Juli 2012. Die Bezugnahme erstreckt sich damit nicht mehr auf die nach diesem Zeitpunkt abgeschlossenen Tarifverträge, insbesondere auch nicht auf die Tarif-einigung vom 5. Februar 2014. Aber auch dann, wenn man annehmen würde, dass mit dem Eintritt der Beklagten in den Arbeitgeberverband Chemie aufgrund der im Arbeitsvertrag vereinbarten Gleichstellungsabrede wieder die tariflichen Regelungen Anwendung finden würden, hätte der Kläger keinen Anspruch auf die Vergütungserhöhungen. In diesem Fall wären - wie oben dargelegt - der FVTV und der Ü-TV auf das Arbeitsverhältnis anwendbar. Im Einzelnen:

(a) Nach dem in § 4 Abs. 3 TVG normierten Günstigkeitsprinzip gehen abweichende arbeitsvertragliche Regelungen den Abmachungen eines Tarifvertrags dann vor, wenn sie für Arbeitnehmer günstiger sind. Die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf einen Tarifvertrag steht außerhalb des tarifkollisionsrechtlichen Rahmens. Die Kollision zwischen den kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit für das Arbeitsverhältnis der Parteien normativ geltenden und den aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme anwendbaren Tarifvorschriften ist nach dem Günstigkeitsprinzip (§ 4 Abs. 3 TVG) zu lösen (BAG, Urteil vom 10. Dezember 2014 - 4 AZR 503/12, Rz. 41 m. w. N.). Seine insoweit anders lautende Rechtsauffassung (Urteil vom 23. März 2005 - 4 AZR 203/04 - NZA 2005, 1003) hat das Bundesarbeitsgericht zwischenzeitlich ausdrücklich wieder aufgegeben (Urteil vom 29. August 2007 - 4 AZR 767/06 - NZA 2008, 364, 366, Rz. 20). Eine Tarifkonkurrenz kann bei der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf einen Tarifvertrag nicht entstehen (BAG, Urteil vom 9. Juni 2010 - 5 AZR 122/09 - BeckRS 2010, 73884, Rz. 24 m. w. N.). Es geht nicht um die Konkurrenz zweier Tarifverträge, sondern um die Konkurrenz einer arbeitsvertraglichen Regelung und eines normativ wirkenden Tarifvertrags. Nach dem Günstigkeitsprinzip treten unmittelbar und zwingend geltende Tarifbestimmungen hinter einzelvertraglichen Vereinbarungen mit für den Arbeitnehmer günstigeren Bedingungen zurück.

(b) Im vorliegenden Fall ist der Kläger durch die arbeitsvertraglichen Verein-barung hinsichtlich der jeweiligen Vergütungserhöhungen jedoch nicht besser gestellt als durch die kollektivrechtlich geltenden Bestimmungen.

Im Arbeitsvertrag vom 13. Januar 1981 haben der Kläger und die Rechtsvor-gängerin der Beklagten (Z. GmbH) eine so genannte Gleichstellungsabrede im Sinne der früheren Rechtsprechung des 4. Senats des Bundesarbeitsgerichts vereinbart.

Nach dieser Rechtsprechung waren bei Tarifgebundenheit des Arbeitgebers - anders als bei nicht tarifgebundenen Arbeitgebern - Verweisungsklauseln in aller Regel als so genannte Gleichstellungsabreden auszulegen. Mit der Verweisung auf die einschlägigen Tarifverträge sollen die Arbeitnehmer so gestellt werden, wie sie tarifrechtlich stünden, wenn sie tatsächlich tarifgebunden wären. Das bedeutet, dass das Arbeitsverhältnis an der dynamischen Entwicklung der in Bezugnahme stehenden Tarifverträge nur so lange teilnimmt, wie der Arbeitgeber selbst tarifgebunden ist (BAG, Urteil vom 27. Januar 2010 - 4 AZR 570/08 - NJW-Spezial 2010, 402 Rz. 18). Ab diesem Zeitpunkt sind die in Bezug genommenen Tarifverträge nur noch statisch anzuwenden (BAG, Urteil vom 14. Dezember 2011 - 4 AZR 79/10 - AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 104, Rz. 18; vom 19. März 2003 - 4 AZR 331/02 - NZA 2003, 1207). Dies beruhte auf der Vorstellung, dass mit einer solchen von einem tarifgebundenen Arbeitgeber gestellten Vertrags-klausel lediglich die möglicherweise fehlende Gebundenheit des Arbeitnehmers an die im Arbeitsvertrag genannten Tarifverträge ersetzt werden soll, um jedenfalls zu einer vertraglichen Anwendung des einschlägigen Tarifvertrags zu kommen und damit - bei deren genereller Verwendung - zu dessen Geltung für alle Beschäftigten (vgl. nur BAG, Urteil vom 21. August 2002 - 4 AZR 263/01 - NZA 2003, 442). Diese Auslegungsregel hält der 4. Senat des Bundesarbeitsgerichts nicht mehr aufrecht. Er wendet sie aus Gründen des Vertrauensschutzes aber weiterhin auf die Verweisungsklauseln in Arbeitsverträgen an, die vor dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum 1. Januar 2002 abgeschlossen worden sind (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BAG, Urteil vom 6. Juli 2011 - 4 AZR 706/09 - NZA 2012, 100, 102 Rz. 18 m. w. N.; vom 23. Januar 2007 - 4 AZR 602/06 - AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 63 Rz. 21). Dieser Vertrauensschutz unterliegt keiner zeitlichen Beschränkung (BAG, Urteil vom 14. Dezember 2011 - 4 AZR 79/10 - AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 104, Rz. 18).

Da die im Arbeitsvertrag enthaltene Verweisung vor dem 1. Januar 2002 vereinbart worden ist, kommt bei dessen Auslegung weiterhin die frühere Recht-sprechung des 4. Senats des Bundesarbeitsgerichts zur Anwendung. Danach ist die Bezugnahme im Arbeitsvertrag eine Gleichstellungsabrede. Sie ist dahin auszulegen, dass sie auf die fachlich einschlägigen Tarifverträge der chemischen Industrie verweist, an die die damalige Arbeitgeberin tarifgebunden war. Auf diese Weise sind deren Regelungen mit der sich aus dem Charakter als Gleichstellungsabrede ergebenden Maßgabe Inhalt des Arbeitsvertrages des Klägers geworden.

Die Z. GmbH war im Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrags tarifgebunden. Sie hatte durch Beschluss des Vorstandes des Landesverbandes Chemische Industrie Rheinland-Pfalz e. V. rückwirkend zum 1. November 1977 die Mitgliedschaft im damaligen Landesverband Chemische Industrie Rheinland-Pfalz e. V. erworben (vgl. die Niederschrift der Vorstandssitzung des Landesverbands Chemische Industrie Rheinland-Pfalz vom 18. Januar 1978).

Bei dem zwischen dem Kläger und der Rechtsvorgängerin der Beklagten vereinbarten Arbeitsvertrag handelt es sich dem äußeren Erscheinungsbild nach um ein vervielfältigtes Klauselwerk dieser Rechtsvorgängerin der Beklagten, bei dem prima facie anzunehmen ist, dass es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. Der Inhalt dieses Formularvertrags ist als Allgemeine Geschäftsbedingung nach dem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie er von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden wird, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zu Grunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage (BAG, Urteil vom 6. Juli 2011 - 4 AZR 706/09 - NZA 2012, 100, 102, Rz. 21 m. w. N.).

Danach enthält der Arbeitsvertrag eine zeitdynamische Bezugnahme auf die jeweiligen Regelungen der Verbandstarifverträge der Chemischen Industrie. Der Kläger und die Rechtsvorgängerin der Beklagten haben im Arbeitsvertrag an die tariflichen Regelungen der Chemischen Industrie in ihrer Gesamtheit angeknüpft und gestalten sie zeitdynamisch. Davon gehen die Parteien übereinstimmend aus und dem entsprach auch die arbeitsvertragliche Praxis. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten wollte in ihrem Betrieb in C-Stadt das für die chemische Industrie geltende Tarifwerk anwenden und die dort stattfindende tarifliche Entwicklung in dem Arbeitsverhältnis des Klägers nachvollziehen. Im Arbeitsvertrag ist als "maßgeblicher Tarifvertrag" "chemische Industrie" angegeben. Er ist zeitlich offen gefasst und knüpft damit gerade nicht an eine bestimmte Fassung der Tarifverträge an. Auch aus der Formulierung "Tariflohn nach der z. Zt. gültigen Lohntafel DM 14.04" wird deutlich, dass nicht nur der gegenwärtige Tariflohn vereinbart werden, sondern der Kläger auch an späteren Tariflohnerhöhungen teilnehmen sollte. Die Formulierung "zur Zeit gültigen" deutet auf die dynamische Verweisung hin.

Die Bezugnahme bezieht sich - ausgedrückt durch die allgemeine Formulierung "chemische Industrie" auch nicht nur auf die tariflichen Regelungen, die das Entgelt betreffen, sondern auf das gesamte Tarifwerk der chemischen Industrie. Hinsichtlich der Definition von "Mehrarbeit" knüpft der Arbeitsvertrag ebenfalls an die tarifliche Arbeitszeit an: "jede angeordnete, die tarifliche Arbeitszeit überschreitende Arbeitsstunde". Auch hinsichtlich der Kündigungsfrist sollen die "gesetzlichen und tariflichen Kündigungsfristen" gelten. Für die Bezugnahme des gesamten Tarifwerks spricht auch der enge Zusammenhang der Regelungen, so beispielsweise zwischen Arbeitszeit und Tarifentgelt. Zu dem Tarifwerk der chemischen Industrie gehören auch firmenbezogene Verbandstarifverträge. Auch sie werden von den Tarifvertragsparteien der chemischen Industrie (Bundesarbeitgeberverband Chemie e. V. bzw. Arbeitgeberverband Chemie Rheinland-Pfalz e. V. einerseits und IG BCE andererseits) abgeschlossen.

Das Auslegungsergebnis wird durch die von den Parteien bzw. der Rechtsvorgängerin der Beklagten praktizierte Durchführung des Arbeitsvertrags bestätigt. Für die Auslegung einer vertraglichen Vereinbarung ist gegebenenfalls auch die vertragliche Praxis heranzuziehen, weil diese für den Fall der Einvernehmlichkeit Rückschlüsse auf den Willen der Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zulässt (BAG, Urteil vom 14. Dezember 2005 - 10 AZR 296/05 - NZA 2006, 744, 745).

Die Bezugnahmeklausel ist keine überraschende Klausel und deshalb Vertragsbestandteil geworden (§ 305c Abs. 1 BGB). Dynamische Verweisungen auf einschlägige Tarifverträge sind im Arbeitsleben als Gestaltungsinstrument so verbreitet, dass ihre Aufnahme in Formularverträge nicht überraschend ist (BAG, Urteil vom 24. September 2008 - 6 AZR 76/07 - NZA 2009, 154, 156, Rz. 20). Das gilt auch soweit durch die Bezugnahme Tarifverträge zur Beschäftigungssicherung in Bezug genommen werden.

Für die Anwendung der Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB ist angesichts des Auslegungsergebnisses kein Raum.

Infolge des Betriebsübergangs wurden die begründeten, aus dem in Bezug genommenen Tarifwerk herrührenden individualvertraglichen Rechte und Pflichten nach § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB Inhalt des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten als Erwerberin und zwar, weil es sich um eine Gleichstellungsabrede handelt, mit dem tariflichen Regelungsbestand vom 31. Juli 2012. Mit dem Betriebsübergang auf die - zunächst - nicht tarifgebundene Beklagte hat sich die in der Gleichstellungsabrede enthaltene auflösende Bedingung für die dynamische Fortgeltung realisiert. Der in Bezug genommene Tarifvertrag ist nur noch in der zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs geltenden Fassung anzuwenden. Davon geht auch der Kläger aus.

Infolge der eingetretenen Statik hat der Kläger jedoch individualvertraglich keinen Anspruch auf die erst nach Betriebsübergang von den Tarifvertragsparteien des Bundearbeitgeberverbandes Chemie e. V. und der IG BCE nach Betriebsübergang (mit Wirkung zum 1. August 2012) am 5. Februar 2014 beschlossene Er-höhung der Entgelte um 3,7 % und zukünftige Lohnerhöhungen.

Aber auch dann, wenn man davon ausgehen würde, dass infolge des - späteren - Verbandseintritts der Beklagten die Bezugnahmeklausel wieder dynamisch zu verstehen wäre, wäre ein individualvertraglicher Anspruch des Klägers nicht gegeben. In diesem Fall würden auch die Regelungen des FVTV und des Ü-TV auf sein Arbeitsverhältnis Anwendung finden. Auch die Regelungen firmenbezogener Verbandstarifverträge sind von der Bezugnahmeklausel im Arbeitsverhältnis erfasst. Wie dargelegt, bezieht sich diese auf das gesamte Tarifwerk. Zu diesem gehören auch firmenbezogene Verbandstarifverträge (vgl. BAG, Urteil vom 20. Januar 2009 - 9 AZR 146/08 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Chemie Nr. 18). Es kann daher letztlich dahinstehen, ob die zwischen den Parteien vereinbarte Bezugnahmeklausel so auszulegen ist und ausgelegt werden kann, dass mit einem erneuten Verbandseintritt des Arbeitgebers die ursprüngliche Dynamik wiederauflebt bzw. die Klausel wieder "ein Bezugnahmeobjekt" findet und "die schuldrechtliche Tarifgeltung" "aktualisiert" wird (Löwisch/Rieble, TVG, 3. Aufl. 2012, § 3 Rn. 656).

Darauf ob die Parteien in der "Personal-Veränderung" vom 16. Januar 2008 eine Vergütung des Klägers nach der Vergütungsgruppe E 07 vereinbart haben und ob der Kläger von der Beklagten zutreffend eingruppiert worden ist, kommt es für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits damit nicht mehr an.

2. Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf die Zahlung von Vergütungsdifferenzen für die Monate Februar bis Mai 2014. Auch in diesem Zeitraum gehen jedenfalls die Bestimmungen des FVTV und des Ü-TV den Regelungen des BETV und des für das Land Rheinland-Pfalz geltenden bezirklichen Entgelttarifvertrags vor.

Die in § 4 Abs. 1 FVTV vorgesehenen Absenkung des Tariflohns um 9 % konnte bereits bei der ab dem 1. Februar 2014 vereinbarten Tarifsteigerung um 3,7% berücksichtigt werden.

§ 6 FVTV und § 3 Ü-TV sehen ihre rückwirkende Geltung ausdrücklich vor. Die Vereinbarung, dass die Tarifverträge rückwirkend die Tariflohnerhöhung zum 1. Februar 2014 erfassen, ist nicht unwirksam.

Aus dem Ablösungsprinzip, nach dem die jüngere Tarifregelung der älteren vorgeht, ergibt sich, dass eine Tarifnorm stets unter dem Vorbehalt steht, durch eine nachfolgende tarifliche Regelung verschlechtert oder ganz gestrichen zu werden (BAG, Urteil vom 6. Juni 2007 - 4 AZR 382/06 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 39, Rz. 20; vom 23. März 2005 - 4 AZR 203/04 - NZA 2005, 1003, 1006). Ein Vertrauensschutz besteht insoweit grundsätzlich nicht. Dies gilt in gleicher Weise bei der Änderung eines Tarifvertrags durch einen anderen - spezielleren - Tarifvertrag. Soweit die Änderungen der Tarifnorm Sachverhalte berühren, die in der Vergangenheit liegen, haben die Tarifvertragsparteien allerdings die Grenzen für eine Rückwirkung einzuhalten, die auch vom Gesetzgeber zu beachten sind. Die Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien zur rückwirkenden Änderung tarifvertraglicher Regelungen ist durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes der Normunterworfenen begrenzt (BAG, Urteil vom 6. Juni 2007 - 4 AZR 382/06 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 39, Rz. 20; vom 11. Oktober 2006 - 4 AZR 486/05 - NZA 2007, 634). Die den Tarifvertragsparteien in Art. 9 Abs. 3 GG eingeräumte Normsetzungsbefugnis umfasst die rückwirkende Inkraftsetzung von verschlechternden Bedingungen nur insoweit, als sie nicht den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes verletzen, wie ihn das BVerfG für die Rückwirkung von Gesetzen aus Art. 20 GG ableitet. Dabei ist das Vertrauen in den Bestand des tariflichen Anspruchs unabhängig davon schutzwürdig, ob der Tarifvertrag für das Arbeitsverhältnis kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit gilt oder ob dessen Anwendung vertraglich vereinbart ist. Für die Beantwortung der Frage, ob ein Tarifvertrag rückwirkend in einen tariflichen Anspruch eingreifen kann, ist maßgeblich auf den Zeitpunkt der Anspruchsentstehung und nicht auf den gegebenenfalls später liegenden Zeitpunkt der Fälligkeit abzustellen. Bereits von diesem Zeitpunkt an hat der Arbeitnehmer nicht nur eine Anwartschaft, sondern einen Rechtsanspruch erworben, auf dessen Bestand er grundsätzlich vertrauen kann.

Die Grundlage für schützenswertes Vertrauen besteht nicht mehr, wenn und sobald die Normunterworfenen mit einer Änderung rechnen müssen. Dabei hat der Wegfall des Vertrauensschutzes nicht zur Voraussetzung, dass der einzelne Tarifunterworfene positive Kenntnis von den maßgeblichen Umständen hat. Entscheidend und ausreichend ist vielmehr die Kenntnis der betroffenen Kreise (BAG, Urteil vom 11. Oktober 2006 - 4 AZR 486/05 - NZA 2007, 634, 636 Rz. 27; vom 23. November 1994 - 4 AZR 879/93 - NZA 1995, 844, 849 f.). In der Regel müssen Arbeitnehmer nicht damit rechnen, dass in bereits entstandene Ansprüche eingegriffen wird, auch wenn sie noch nicht erfüllt oder noch nicht fällig sind. Etwas anderes gilt nur dann, wenn bereits vor der Entstehung des Anspruchs hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Tarifvertragsparteien diesen Anspruch zu Ungunsten der Arbeitnehmer ändern werden. Dann ist das Vertrauen der Arbeitnehmer in die Fortgeltung der Tarifnorm nicht mehr schutzwürdig. Auch dann, wenn die Tarifnorm nicht oder nicht wirksam gekündigt worden ist, kann das schutzwürdige Vertrauen in ihren Fortbestand beseitigt werden. Eine gemeinsame Erklärung der Tarifvertragsparteien, eine ungekündigte tarifliche Regelung werde zu einem bestimmten Zeitpunkt einen näher beschriebenen anderen Inhalt erhalten, ist ein Beispiel dafür, dass das Vertrauen der Normunterworfenen in den Fortbestand dieser Regelung über den bekanntgegebenen Zeitpunkt ihrer Änderung hinaus nicht mehr schutzwürdig ist (BAG, Urteil vom 23. November 1994 - 4 AZR 879/93 - NZA 1995, 844, 849 f.). Es können aber auch andere Umstände eine rückwirkende Änderung ungekündigter kollektiver Normen ankündigen und damit das schutzwürdige Vertrauen in den unveränderten Bestand der Tarifregelung beseitigen (BAG, Urteil vom 17. Mai 2000 - 4 AZR 216/99 - NZA 2000, 1297, 1299 m. w. N.).

Wegen der vorangehenden, eingehenden Information der Mitarbeiter der Beklagten können sich diese wie auch der Kläger nicht auf Vertrauensschutz berufen. Sie mussten mit einer rückwirkenden Regelung rechnen.

Bereits durch die Tarifinfo vom 2. Juli 2013 der Tarifkommission der IG BCE wurden die Beschäftigten darüber informiert, dass eine erste Verhandlungsrunde zu den zukünftigen tariflichen Regelungen der Beklagten stattfand, in der die Notwendigkeit diskutiert wurde, mit Blick auf die Wettbewerbssituation die Kosten-basis der Beklagten mittel- bis langfristig anzupassen. Beide Seiten der Verhandlungsrunde hätten dabei für den Bereich der Personalkosten eine verbandsbezogene Haustariflösung als sinnvollste Variante angesehen.

Insbesondere aber durch den gemeinsamen Aushang der Geschäftsleitung der Beklagten und der Tarifkommission der IG BCE C. vom 20. Januar 2014 wurden konkrete Eckpunkte (Eingruppierungsrichtlinien, Entgeltabsenkung, Überleitungsvereinbarung) als Verhandlungsergebnis vorgestellt. So hieß es in diesem Aushang ausdrücklich: "Diese Anpassung soll insbesondere über eine Anrechnung der zukünftigen Tariflohnerhöhungen geschehen." Diese Hinweise sind hinreichend konkret. Es ist weder erforderlich, dass über eine bereits getroffene Entscheidung zu den beabsichtigten Eingriffen informiert wird, noch, dass konkrete Angaben über das Ausmaß der beabsichtigten Eingriffe gemacht werden. Anderenfalls würden die Gestaltungsmöglichkeiten der Tarifvertragsparteien unangemessen eingeschränkt.

Die Hinweise mussten nicht an den Kläger persönlich gerichtet sein. Sie stammten von der Beklagten und der Tarifkommission selbst, also aus einer verlässlichen Quelle. Die Tarifinfo ist von dem General Manager C. T.S. sowie dem Vorsitzenden der IG BCE Tarifkommission C. R.Q. veröffentlicht worden, deren Namen unter der Tarifinfo angegeben sind.

Die Beschäftigten mussten die Informationen so verstehen, dass Tarifverhand-lungen über einen Sanierungstarifvertrag mit den genannten Regelungsgegenständen geführt werden. Dies ergibt sich insbesondere aus dem ersten Absatz dieser Tarifinfo, wonach sich die IG BCE Tarifkommission C. "heute in konstruktiven Gesprächen mit den Arbeitgebern auf folgende Eckpunkte geeinigt" hat.

3. Aus den unter 1. dargelegten Gründen folgt, dass der Kläger gegen die Beklagte ebenfalls keinen Anspruch auf die - mit der Klageerweiterung in der Berufungsinstanz - eingeklagte Zahlung von Vergütungsdifferenzen für die Zeit vom 1. Juni 2014 bis zum 31. Dezember 2014 hat.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt; insbesondere hat die Rechtssache nach Auffassung der Kammer keine grundsätzliche Bedeutung. Die Frage des Verhältnisses mehrerer Tarifverträge derselben Tarifvertragsparteien zueinander ist höchstrichterlich ebenso geklärt wie diejenige des Verhältnisses zwischen normativ geltenden tariflichen Bestimmungen einerseits und kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme anwendbaren tariflichen Regelungen andererseits. Auf die Auslegung des § 10 BETV und der Fn. 1 zur Vorbemerkung MTV kommt es nicht entscheidungserheblich an. Auch die Frage der Dynamik einer Bezugnahme nach Betriebsübergang ist im vorliegenden Rechtsstreit letztlich nicht entscheidungserheblich. Bei dem vorliegenden Verfahren handelt es sich ebenfalls nicht um ein Musterverfahren.

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