VG Neustadt an der Weinstraße, Beschluss vom 14.11.2012 - 5 L 798/12.NW
Fundstelle
openJur 2020, 17521
  • Rkr:
Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Entscheidung der Antragsgegnerin vom 6. August 2012 (AZ. 5 K 799/12.NW) wird wiederhergestellt.

Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.

Der Streitwert wird auf 15.000,-- € festgesetzt.

Gründe

1) Der Antrag der Antragsteller, die aufschiebende Wirkung der Klage im Verfahren 5 K 799/12.NW wiederherzustellen, ist gemäß § 80 Abs. 5 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 VwGO zulässig.

Zunächst weist das Gericht darauf hin, dass Gegenstand des vorliegenden Eilverfahrens und der Anfechtungsklage 5 K 799/12.NW allein die Entscheidung der Antragsgegnerin vom 6. August 2012 ist, mit der der Bundesminister für Verteidigung durch Einzelfallentscheidung nach § 3 Abs. 2 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) i.V.m. der Richtlinie für die Durchführung von § 3 Abs. 2 UVPG - in der Neufassung vom 28. Februar 2003 (UVP-RL BMV) - für Vorhaben der Landesverteidigung eine Ausnahme vom UVP-Gesetz getroffen hat. Nicht zur Überprüfung des Gerichts steht in diesen Verfahren dagegen die Rechtmäßigkeit der Zulassungsentscheidung von Rodungsmaßnahmen, die von der dafür zuständigen, am vorliegenden Verfahren nicht beteiligten Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, Sparte Bundesforst, in dem Verfahren nach § 45 Abs. 2 Bundeswaldgesetz - BWaldG -, (erst noch) getroffen wird, oder von etwaigen anderen Entscheidungen, in denen möglicherweise eine Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 2 Abs. 1 Satz 3 UVPG durch sonstige Rechtsvorschriften ausgeschlossen ist.

Die antragstellenden Naturschutzverbände sind gem. § 42 Abs.2 VwGO befugt, gegen die angefochtene Entscheidung im Klagewege und dementsprechend auch mit vorläufigen Rechtsschutzanträgen vorzugehen, weil sie geltend machen können, in eigenen Rechten verletzt zu sein.

Werden vom Bundesministerium für Verteidigung als Einzelmaßnahme gemäß § 3 Abs. 2 UVPG Ausnahmen vom UVP-Gesetz zugelassen, so kann darin ein Eingriff in die Rechte Dritter liegen. Hier hat die Antragsgegnerin in dem Bescheid vom 2. August 2012, wie aus dessen Begründung und der Tatsache, dass zu dem Vorhaben eines Neubaus des US-Klinikums Weilerbach eine abgeschlossene Umweltverträglichkeitsstudie vorliegt, unzweifelhaft hervorgeht, keinen vollständigen Ausschluss der Anwendung der Vorschriften des UVPG verfügt, sondern für die im Verfahren nach § 45 Abs. 2 BWaldG - gemäß den Vorschriften in §§ 2 Abs. 1 Satz 3, 9 UVPG über UVP-pflichtige Vorhaben - grundsätzlich erforderliche Einbeziehung der Öffentlichkeit eine Ausnahme zugelassen. Die Durchführung von Rodungsmaßnahmen für ca. 47 ha Waldfläche i.S.d. § 9 Abs. 1 BWaldG auf den Flächen der US-Liegenschaft Rhine Ordnance Barracks Kaiserslautern stellt sich als UVP-pflichtige Maßnahme i.S.v. § 3 Abs. 1 Satz 1 UVPG i.V.m. Nr. 17.2.1 der Anlage zum UVPG dar. Die Antragsgegnerin hat durch eine Einzelmaßnahme mit dem Bescheid vom 2. August 2012 das Öffentlichkeitsverfahren ausgeschlossen.

Öffentlichkeitsverfahren verfolgen aber nicht nur den Zweck, die zuständigen Behörden durch die Beteiligung aller Betroffenen umfassend zu informieren, sondern sie eröffnen dem Einzelnen zugleich bereits im Zulassungsverfahren einen vorgezogenen Rechtsschutz, indem die Betroffenen Einwände gegen das Vorhaben nicht erst nach der Entscheidung über dessen Zulässigkeit vorbringen können sollen (vgl. BVerfG, Urteil vom 20. Dezember 1979, NJW 80, 759; Erbguth/Schink, UVPG-Kommentar, 2. Aufl., Einleitung, Rn. 118; Scheidler, Ausnahmen vom UVP-Gesetz für Vorhaben der Landesverteidigung, NVwZ 2008, 735). Diese Möglichkeit eines vorgezogenen Rechtsschutzes wird den Antragstellern aber genommen, wenn - wie hier - entgegen §§ 2 Abs. 1 Satz 3, 9 UVPG die Öffentlichkeit durch die Entscheidung der Antragsgegnerin ausgeschlossen wurde. Die mit einer Rechtsmittelbelehrung versehene, im Amtsblatt der Verbandsgemeinde Ramstein-Miesenbach veröffentlichte Entscheidung der Antragsgegnerin vom 2. August 2012 stellt gegenüber der betroffenen Öffentlichkeit einen Verwaltungsakt dar, der, da er von einer obersten Bundesbehörde erlassen wurde, einer Nachprüfung in einem Vorverfahren gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht bedurfte.

Zwar setzt eine auf eine Verletzung der Vorschriften über die Öffentlichkeitsbeteiligung gestützte Klage regelmäßig voraus, dass zugleich eine Verletzung von Individualrechten möglich erscheint (vgl. Erbguth/Schink, a.a.O., Einleitung Rn. 118 mw.N.). Eine Verletzung von materiellen Individualrechten ist allerdings entbehrlich, wenn lediglich ein vom materiellen Recht unabhängiger Anspruch auf Beteiligung am Verfahren durchgesetzt werden soll (vgl. z.B. Kopp/Schenke, VwGO-Kommentar, 17. Aufl., § 42, Rn. 75). So liegt es hier. Die Antragsteller wollen prozessual den von der Antragsgegnerin durch Verwaltungsakt ausgeschlossenen Anspruch auf Öffentlichkeitsbeteiligung an einem UVP-Verfahren durchsetzen. Dies entspricht auch dem Ziel der Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland in dem Hauptsacheverfahren 5 K 799/12.NW. Auch dort wird nicht die im Verfahren nach § 45 Abs. 2 BWaldG von einer anderen Behörde zu treffende und noch nicht ergangene Sachentscheidung über die Zulassung einer UVP-pflichtigen Rodung angegriffen.

Die Antragsbefugnis der Antragsteller ergibt sich insbesondere aus § 3 Umweltrechtsbehelfsgesetz - UmwRG -, wonach anerkannte Naturschutz- und Umweltvereinigungen wie die Antragsteller unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 UmwRG Rechtsbehelfe einlegen können, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen. Von dieser Regelung erfasst sind gemäß § 1 Abs. 1 UmwRG alle Entscheidungen i.S.v. § 2 Abs. 3 UVPG über die Zulässigkeit von UVP-pflichtigen Vorhaben. Dies gilt - wie bereits ausgeführt -, entgegen der Ansicht des Antragsgegnervertreters auch, soweit im Rahmen des Anhörungsverfahrens nach § 45 Abs. 2 BWaldG über die Zulässigkeit von Rodungsmaßnahmen einer Waldfläche von mehr als 10 ha zum Zwecke der Umwandlung in eine andere Nutzungsart entschieden werden soll (vgl. Ziff. 17.2.1 der Anlage zum UVPG). Insoweit handelt es sich nämlich um eine sonstige behördliche Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben, die in einem Verwaltungsverfahren getroffen wird i.S.v. § 2 Abs. 3 Nr. 1 UVPG (vgl. dabei zum Ausschluss des landesrechtlichen Genehmigungsverfahrens: Scheidler, Umweltsonderrecht für Vorhaben der Landesverteidigung, Natur und Recht 2005, 13). Davon, dass das Anhörungsverfahren nach § 45 BWaldG als sonstige behördliche Entscheidung i.S.v. § 2 Abs. 3 UVPG gilt, geht die Antragsgegnerin im Übrigen in der Begründung ihres Bescheids vom 2. August 2012 (S. 3) selbst aus.

Weiterhin ist der Antrag der Antragsteller auch nicht nach § 44 a Satz 1 VwGO unzulässig, wie die Antragsgegnerin meint. Nach § 44 a Satz 1 VwGO können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Eine Anwendung dieser Vorschrift scheidet hier aber schon deshalb aus, weil es sich bei dem am 2. August 2012 von der Antragsgegnerin verfügten und mit eigener Rechtsmittelbelehrung versehenen Ausschluss der Öffentlichkeit nach § 3 Abs. 2 UVPG einerseits und der Zulassung der Rodungsmaßnahmen nach § 45 Abs. 2 BWaldG andererseits um zwei in unterschiedlicher Zuständigkeit zu treffende, selbständige Entscheidungen zweier verschiedener Behörden handelt.

2) Der Antrag ist auch begründet. Bei der vom Gericht vorzunehmenden Abwägung zwischen dem Interesse der Antragsteller, von der Durchsetzung des angefochtenen Bescheids vorläufig verschont zu werden, und dem Interesse daran, dass die Antragsgegnerin "wegen des öffentlichen Interesses des Antragstellers" (also des vorliegend Beigeladenen) den Bescheid sofort vollziehen kann, überwiegt das Interesse der Antragsteller.

Der mit der Klage 5 K 799/12.NW angefochtene Bescheid der Antragsgegnerin erweist sich bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO dem Gericht nur möglichen summarischen Prüfung als voraussichtlich rechtswidrig, so dass er im Hauptsacheverfahren wahrscheinlich keinen Bestand haben wird. Es spricht nämlich viel dafür, dass es für die vom Bundesverteidigungsminister durch eine als Verwaltungsakt zu qualifizierende Einzelfallentscheidung über die Erteilung einer Ausnahme von den Vorschriften des UVP-Gesetzes an einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage fehlt.

Dafür sind folgende Erwägungen maßgebend: Gem. § 3 Abs. 2 UVPG in der bereits am 15. Dezember 2006 in Kraft getretenen Fassung - im Folgenden als UVPG n.F: bezeichnet - wird das Bundesministerium für Verteidigung ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrats zu bestimmen, dass für Vorhaben, die der Verteidigung dienen, die Anwendung dieses Gesetzes ausgeschlossen oder Ausnahmen von den Anforderungen dieses Gesetzes zugelassen werden können, soweit zwingende Gründe der Verteidigung oder die Erfüllung zwischenstaatlicher Verpflichtungen es erfordern. Mit dieser Neufassung des UVPG wurde der geänderte Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337 EWG und 96/91/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten (ABl. L 156 S. 17) - sog. Richtlinie Öffentlichkeitsbeteiligung - in Bundesrecht umgesetzt und die bis dahin bestehende Regelung in § 3 Abs. 2 UVPG a.F. ersetzt. Diese hatte gelautet: "Soweit zwingende Gründe der Verteidigung oder die Erfüllung zwischenstaatlicher Verpflichtungen es erfordern, kann der Bundesminister der Verteidigung nach Richtlinien, die im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit festzulegen sind, für Vorhaben, die der Landesverteidigung dienen, die Anwendung dieses Gesetzes ausschließen oder Ausnahmen von den Anforderungen dieses Gesetzes zulassen. Dabei ist der Schutz vor erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen zu berücksichtigen. Sonstige Rechtsvorschriften, die das Zulassungsverfahren betreffen, bleiben unberührt. Der Bundesminister der Verteidigung unterrichtet den Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit jährlich über die Anwendung dieses Absatzes". Damit durften also Ausnahmen vom UVP-Gesetz für Vorhaben, die der Landesverteidigung dienen, durch eine als Verwaltungsakt zu qualifizierende und direkt auf § 3 Abs. 2 UVPG zu stützende Einzelfallentscheidung des Bundesministers für Verteidigung zugelassen werden.

Die Antragsgegnerin hat ihre Entscheidung zur ausnahmsweisen Freistellung von Anforderungen nach dem UVPG hier ausweislich der Gründe seiner Entscheidung auch ausdrücklich auf § 3 Abs. 2 UVPG a.F. i.V.m. der Richtlinie des Bundesministers der Verteidigung für die Durchführung von § 3 Abs. 2 UVPG (UVPG-RL BMV) gestützt. Diese zuletzt im Februar 2003 geänderte Richtlinie hat den Charakter einer Verwaltungsvorschrift (vgl. Sagenstedt in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Kommentar, Band I, § 3 UVPG, Rn. 40). Zur Begründung dieser Verfahrensweise wurde darauf verwiesen, dass die in § 3 Abs. 2 UVPG n.F. genannte Rechtsverordnung noch nicht erlassen sei und deshalb gemäß der Übergangsvorschrift in § 25 Abs. 11 UVPG n.F. noch die bis 15. Dezember 2006 geltende Vorschrift des § 3 Abs. 2 UVPG weiterhin zur Anwendung komme.

Die Kammer hat jedoch durchgreifende Bedenken gegen diese Rechtsauffassung. Die Neufassung des UVPG im Jahre 2006 diente nämlich explizit der Anpassung des Bundesrechts an die zwingenden Vorgaben der Richtlinie 2003/35 EG, die eigentlich schon bis zum 25. Juni 2005 in deutsches Recht umzusetzen war (vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung, Drucksache 16/294, S. 1, 27). Entsprechend der am 15. Dezember 2006 in Kraft getretenen Neufassung des UVP-Gesetzes ist - wie zuvor zitiert - im Gesetz seither eine Ausnahme nicht mehr unmittelbar auf der Grundlage des § 3 Abs. 2 UVPG vorgesehen, sondern die Vorschrift wurde zu einer Ermächtigungsgrundlage für den Bundesminister der Verteidigung zum Erlass einer Rechtsverordnung umgestaltet, mit der bestimmt werden kann, dass für Vorhaben, die der Landesverteidigung dienen, u.a. Ausnahmen zugelassen werden können, soweit zwingende Gründe der Verteidigung oder die Erfüllung zwischenstaatlicher Verpflichtungen es erfordern (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 1 UVPG n.F.).

Da Gemeinschaftsrecht nur in Form eines Gesetzes oder einer Rechtsverordnung ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt werden kann, war die Umgestaltung des § 3 Abs. 2 Satz 1 UVPG zu einer Verordnungsermächtigung notwendig. Auf dieser Grundlage war dann im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit eine Rechtsverordnung zu erlassen, die die bisherige geltende Richtlinie für die Durchführung von § 3 Abs. 2 UVPG in die Form einer Rechtsverordnung überführt (so wörtlich BT-Drucksache 16/294, S. 20; vgl. auch Scheidler, NVwZ 2008, 733). Eine solche Rechtsverordnung ist allerdings - trotz des Anpassungsbedarfs für Entscheidungen nach § 3 Abs. 2 UVPG (vgl. BT-Drucksache 16/294, S. 20, Sagenstedt in Landmann/Rohmer, a.a.O., § 3 UVPG Rn. 35) - bis zum heutigen Tage nicht ergangen. Damit ist auch die Umsetzung der EG-Richtlinie in nationales Recht insoweit bis heute unvollständig geblieben.

Daraus folgt jedoch nicht, dass der Bundesverteidigungsminister weiterhin wie bisher verfahren durfte.

Eine Fortsetzung der bisherigen, gegen die EG-Richtlinie 2003/35/EG verstoßenden Verfahrensweise, die Entscheidung über Ausnahmen vom UVP-Gesetz für Vorhaben der Landesverteidigung auf eine als bloße Verwaltungsvorschrift zu qualifizierende Richtlinie zu stützen, entspricht schon nicht dem Willen des Gesetzgebers. Sie kann insbesondere nicht mit der Existenz einer Übergangsvorschrift gerechtfertigt werden. Nachdem der nationale Gesetzgeber durch die Neufassung des § 3 Abs. 2 UVPG mit einer Ermächtigung für den Verordnungsgeber zum Erlass einer Rechtsverordnung die EG-Richtlinie 2003/35/EG umgesetzt hatte, wurde zwar auch dafür eine Übergangsregelung getroffen: Nach § 25 Abs. 11 Satz 3 UVPG n.F. findet "für in der Anlage 1 aufgeführte Vorhaben, die der Verteidigung dienen, bis zum Inkrafttreten einer auf Grund von § 3 Abs. 2 erlassenen Rechtsverordnung § 3 Abs. 2 dieses Gesetzes in der vor dem 15. Dezember 2006 geltenden Fassung weiter Anwendung". Die Regelung nimmt innerhalb der übrigen Übergangsvorschriften des § 25 UVPG, die daran anknüpfen, dass Verfahren schon vor dem Inkrafttreten des geänderten UVP-Gesetzes begonnen hatten, eine Sonderstellung ein, weil sie auch neue Verfahren - ohne konkrete zeitliche Begrenzung - der alten Vorschrift des § 3 Abs. 2 UVPG a.F. unterstellt, solange es an der erforderlichen Rechtsverordnung fehlt. Angesichts der Notwendigkeit der Anpassung an europäisches Recht seit dem 25. Juni 2005 und der Vorgaben des Gesetzgebers kann sie aber - trotz ihres uneingeschränkten Wortlauts - jedenfalls nur für eine vorübergehende Zeit Geltung beanspruchen, keinesfalls aber über Jahre hinaus. Es käme ihr daher möglicherweise schon im Wege der teleologischen Auslegung nur ein eingeschränkter Geltungszeitraum zu. Dafür, dass der nationale Gesetzgeber nur eine kurze Übergangszeit im Blick hatte, spricht auch die Vorschrift des § 3 Abs. 2 Satz 4 UVPG; danach hat nämlich das Bundesministerium der Verteidigung das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit jährlich über die Anwendung der aufgrund von Satz 1 erlassenen Rechtsverordnung zu unterrichten. Diese Vorschrift ist ohne Umsetzung der Verordnungsermächtigung vollkommen sinnentleert.

Ob schon eine einschränkende Auslegung genügen würde, die Fortgeltung von § 25 Abs. 11 Satz 3 UVPG bis in jüngere Zeit auszuschließen, kann jedoch offen bleiben. Die Übergangsvorschrift des § 25 Abs. 11 Satz 3 UVPG darf nach Auffassung der Kammer jedenfalls wegen ihrer Unvereinbarkeit mit Gemeinschaftsrecht nicht mehr angewendet werden, und zwar unabhängig davon, ob sie überhaupt für einen begrenzten Zeitraum gemeinschaftsrechtskonform war. Da gerade auch die Änderung des § 3 Abs. 2 UVPG zur Umsetzung der EG-Richtlinie 2003/35/EG unerlässlich war, war jedenfalls im Jahre 2012, also fast sechs Jahre nach Inkrafttreten dieser Übergangsvorschrift, der Zeitraum zur Herstellung rechtmäßiger Zustände bei Weitem überschritten. Der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts, das hier nicht nur in der EG-Richtlinie 2003/35/EG selbst, sondern auch in der zu ihrer Umsetzung neugefassten Vorschrift des § 3 Abs. 2 UVPG n.F. verkörpert ist, stand daher ihrer Anwendung zum Zeitpunkt des Ergehens der Entscheidung der Antragsgegnerin am 6. August 2012 entgegen. Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts ist nämlich nicht nur von den nationalen Gerichten zu beachten, sondern er verpflichtet auch die Behörden dazu, entgegenstehendes nationales Recht von sich aus unangewendet zu lassen; damit haben die Behörden - wie die damit befassten Gerichte - nicht nur die "Verwerfungskompetenz", sondern im konkreten Kollisionsfall auch eine unionsrechtlich geforderte "Verwerfungspflicht" (so ausdrücklich BayVGH, Urteil vom 24. Januar 2012, 10 BV 10.2665 - juris - unter Hinweis auf Streinz in Streinz, EUV/AEUV, Kommentar, 2. Aufl. 2011, RdNr. 39 zu Art. 4 EUV m.w.N.). War aber die Übergangsregelung außer Betracht zu lassen, dann konnte sie auch den Weg zur weiteren Anwendung von § 3 Abs. 2 UVPG a.F. nicht mehr eröffnen und es besteht rechtlich keine Möglichkeit mehr, auf diesem Wege die Öffentlichkeitsbeteiligung in einem UVP-pflichtigen Verfahren zu beschränken, selbst wenn zwingende militärische Gründe dafür angeführt werden könnten.

Ist nach alledem davon auszugehen, dass die streitgegenständliche Entscheidung vom 6. August 2012 rechtswidrig ist, so spricht schon dies gegen ein öffentliches Interesse am Fortbestand ihrer sofortigen Vollziehbarkeit Gründe dafür, dass ausnahmsweise eine andere Interessenbewertung geboten wäre, vermag die Kammer nicht zu erkennen. Denn zum einen kommt der Öffentlichkeitsbeteiligung und der frühzeitigen Beteiligung der Umweltverbände in Verfahren, die Belange des Umwelt- und Naturschutzes voraussichtlich in erheblichem Maße betreffen, ein hoher Stellenwert zu, wie u.a. im Umweltrechtsbehelfsgesetz deutlich zum Ausdruck kommt. Zum andern enthält der Bescheid der Antragsgegnerin vom 6. August 2012 selbst keine inhaltliche Begründung dafür, warum nicht nur die Ausnahmeentscheidung selbst geboten, sondern darüber hinaus auch ein besonderes öffentliches Interesse oder ein überwiegendes Interesse eines Beteiligten im Sinne von § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO an ihrer sofortigen Vollziehung gegeben sei. Die Begründung beschränkt sich (in Ziffer 4) auf den Satz, die sofortige Vollziehung sei gerechtfertigt, weil wegen des öffentlichen Interesses des Antragstellers - des im vorliegenden Gerichtsverfahren Beigeladenen - an dem Erlass des Bescheides ein besonderes Vollzugsinteresse bestehe, das das Suspensionsinteresse etwaiger Rechtsmittelführer überwiege. Damit genügt sie auch nicht den formellen Anforderungen in § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO.

Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 2. August 2012 ist demnach wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Für eine Übernahme der Kosten der Beigeladenen besteht kein Anlass, da diese keinen Antrag gestellt hat und damit auch kein Kostenrisiko eingegangen ist.

Der Streitwert beträgt 15.000,-- € (2 x 7.500,-- €) und damit die Hälfte des im Klageverfahren nach den §§ 52 Abs. 1, 63 Abs. 1 GKG anzusetzenden Streitwerts. Dabei orientiert sich die Kammer an Ziff. 9.7 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327), wonach der Streitwert einer drittbetroffenen Person im Bau- und Bodenrecht zwischen 7.500,-- € (Privatpersonen) und 30.000,-- € (juristische Personen) festgesetzt werden kann.