AG Daun, Urteil vom 19.10.2005 - 3 C 27/05
Fundstelle
openJur 2020, 14435
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 619,- EUR nebstZinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem08.12.2004 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerseite gegenSicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckendenBetrages abwenden, soweit nicht die Klägerseite vor derVollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger betreibt ein Sachverständigenbüro zur Begutachtung von Kfz.-Unfallschäden; die Beklagte ist eine Kfz-Haftpflichtversicherung.

Am 08.10.2004 geriet der Zeuge ... in ... mit einem bei der Beklagten versicherten Pkw in einen Verkehrsunfall. Das Fahrzeug des Zeugen wurde hierbei erheblich beschädigt.

Noch am gleichen Tag wandte der Zeuge sich an den Kläger und beauftragte diesen mit der Erstellung eines Schadensgutachtens. Der Kläger ermittelte hierbei Nettoreparaturkosten in Höhe von 9.018,71 EUR sowie eine Wertminderung in Höhe von 1.000,- EUR. Nach der gutachterlichen Prüfung des Klägers betrug der Gesamtschaden damit 10.018,71 EUR.

In der Folge stellte der Kläger dem vorsteuerabzugsberechtigten Zeugen ... einen Nettobetrag in Höhe von 905,20 EUR in Rechnung. Hierbei entfiel eine Teilsumme in Höhe von 809,- EUR auf eine Grundgebühr, die nach Maßgabe einer am jeweiligen Gegenstandswert (Nettoschaden) ausgerichteten Entgelttabelle bestimmt worden war. Der Kläger hatte diese Tabelle in Anlehnung an vergleichbare Gebührentabellen von Sachverständigenorganisationen selbst erstellt. Wegen der Einzelheiten der Rechnungsstellung bzw. der Gebührentabelle wird auf die Blätter 31 und 96 ff d. A. Bezug genommen.

Im Rahmen der Regulierung des Unfallschadens erkannte die Beklagte eine Haftung ihrerseits dem Grunde nach zu 100 % an. Auf die hier streitgegenständliche Rechnung des Klägers zahlte sie aber lediglich einen Betrag in Höhe von 291,20 EUR.

Der Kläger ließ sich den die Sachverständigenkosten betreffenden Schadensersatzanspruch des Zeugen ... gegenüber der Beklagten abtreten und macht nunmehr nach entsprechender Mahnung den beklagtenseits nicht regulierten Differenzbetrag geltend.

Er beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 614,- EUR sowie 15,- EUR Mahnkosten, insgesamt 629,- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 08.12.2004 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Parteien vertreten unterschiedliche Rechtsansichten zu der Frage, ob die Abrechnung eines Sachverständigen nach dem Gegenstandswert billigem Ermessen im Sinne des § 315 BGB entspricht.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten aus abgetretenem Recht ein Anspruch auf Zahlung des noch ausstehenden Honorares zu.

Bei der Ermittlung des Schadens auf Grund eines Verkehrsunfalles gehören Sachverständigenkosten grundsätzlich zu den Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte; sie sind daher im Rahmen der §§ 249 ff BGB als ersatzfähige Schadenspositionen zu betrachten (Heinrichs, in: Palandt, BGB, 63. Auflage, § 249 Rdnr. 12). Da bei Auftragserteilung durch den Zeugen ... eine konkrete Honorarvereinbarung nicht getroffen wurde, läßt sich gegenüber dem Zeugen auch nicht der Vorwurf machen, er habe sehenden Auges ein erkennbar im Vergleich zu anderen Büros überteuertes Sachverständigenbüro beauftragt.

Die klägerseits vorgenommene Bestimmung des Honorars nach § 315 Abs. 1 BGB war im Verhältnis zum Zeugen ... auch wirksam. Sie entsprach, wie es die vorzitierte Norm fordert, billigem Ermessen.

Was billigem Ermessen entspricht, ist unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien und des in vergleichbaren Fällen Üblich festzustellen; der Berechtigte, hier der Kläger, hat insoweit einen Entscheidungsspielraum (Heinrichs, aaO, § 315 Rdnr. 10). Vorliegend wurde der Honoraranspruch ausschließlich an den Netto-Schadenskosten und mithin an der wirtschaftlichen Bedeutung der Sache ausgerichtet. Der im konkreten Fall erforderlich gewordene Zeitaufwand wurde nicht berücksichtigt. Eine solche Berechnungsweise ist nicht zu beanstanden (vgl. AG Wiesbaden, Schaden-Praxis 2002, 323, AG Dortmund, Schaden-Praxis 2003, 213; a.A.Heinrichs, aaO, Rdnr. 10 m.w.N; sehr str.).

Es ist richtig, dass die klägerseits angewandte Honorarermittlung eine Mischkalkulation enthält und mithin im Regelfall die anfallenden Kosten bei geringen Schadenssummen subventioniert, bei höheren Schadenssummen relativ gesehen verteuert sind. Eine solche Mischkalkulation ist indes in vergleichbaren Berufsfeldern, etwa bei Rechtsanwälten oder Architekten, üblich und sogar von Gesetzes wegen vorgesehen. Sie hat den Vorteil, dass auch bei kleineren Summen in wirtschaftlich vertretbarer Art und Weise ein Gutachten erstellt werden kann und überdies der Aufwand zur Erstellung der Honorarrechnung gemindert wird. Stellt also die Abrechnung nach dem Gegenstandswert eine in weiten Teilen des Rechts- und Gesellschaftslebens Deutschlands verbreitete Art der Abrechnung dar, kann diese im Rahmen des § 315 Abs. 1 BGB nicht als unbillig angesehen werden. Etwas anderes folgt, auch nicht daraus, dass nunmehr in Teilbereichen des RVG seitens des Gesetzgebers eine Neuregelung beabsichtigt ist. Die grundsätzliche Wertentscheidung, eine Abrechnung nach Gegenstandswerten als zulässig anzusehen, wird hierdurch nicht in Frage gestellt.

Soweit die Beklagtenseite einwendet, eine Ausrichtung des Honorares allein an der Schadenshöhe verleite den Sachverständigen dazu, in Zweifelsfällen den Schaden mit dem Ziel der Erlangung einer höheren Vergütung höher zu bewerten, vermag auch dies eine gegenteilige Entscheidung nicht zu rechtfertigen. Zum einen ließe sich dieses Argument auch auf andere Berufsgruppen übertragen, die nach Gegenstandswerten abrechnen. Zum anderen kann diese gleichsam "generalpräventiven" Zwecken dienende Forderung auf die Bestimmung eines Honorars zwischen zwei konkreten Einzelpersonen nur bedingt Einfluss haben; sollten hier im allgemeinen Mißstände zu beobachten sein, wäre es in erster Linie Aufgabe des Gesetzgebers, den dem Sachverständigen nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 315 BGB) eingeräumten Ermessensspielraum durch entsprechende Vorschriften einzuschränken.

Die klägerseits in Bezug genommene Abrechnungstabelle (Bl. 96 ff d. A.) ist gleichfalls nicht zu beanstanden. Unstreitig wurde sie an vergleichbaren Gebührentabellen anerkannter Sachverständigenorganisationen ausgerichtet; der Gebührenverlauf ist nachvollziehbar und in sich konsistent. Ab einem Gegenstandswert von ca. 3.500,- EUR liegen die Sachverständigenkosten unterhalb von 10 % des Netto-Fahrzeugschadens. Die absolute Höhe der klägerseits berechneten Kosten ist daher gleichfalls nicht zu beanstanden.

Die Zusprache der Zinsen beruht auf § 291 Satz 1 BGB; die Mahnkosten konnte das Gericht gemäß § 287 Abs. 1 ZPO auf 5,- EUR schätzen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 11, 711 S. 1 ZPO.