FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 09.07.2019 - 1 K 367/17
Fundstelle
openJur 2020, 13026
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen werden dem Kläger auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger im Jahr 2015 kirchensteuerpflichtig war.

Der Kläger wurde am  ...  1963 in ... geboren und am ... 1964 in ... getauft. Seine Haustaufe im evangelischen Glauben wurde unter der laufenden Nr. ...  im Taufregister ... beurkundet. Taufpaten waren Herr ... und Frau .... Nach eigenen Angaben des Klägers ging er drei Jahre lang in den Kindergarten und die Vorschule in ..., wurde 1970 in der POS ... eingeschult, war Anfang der 70er Jahre Jungpionier, danach Thälmannpionier und wurde anschließend in die FDJ aufgenommen. Mit 14 Jahren erhielt er die Jugendweihe, wurde 1978 an die EOS ... delegiert, leistete ... seinen Grundwehrdienst in der NVA in ... ab und begann im Jahr ... ein Studium an der Universität .... Ab 1988 war er Abteilungsleiter eines ACZ. Ab dem Jahr 1991 übte er eine selbständige gewerbliche Tätigkeit aus.

Der Kläger reichte am ... 2016 durch elektronische Übermittlung seine Einkommensteuererklärung für das Jahr 2015 beim Beklagten ein. In der Zeile „Religion“ trug er „nicht kirchensteuerpflichtig“ ein. Seiner Erklärung fügte er eine Steuerbescheinigung der ... AG für das Kalenderjahr 2015 bei, in der u. a. Kirchensteuer zur Kapitalertragsteuer für die Evangelisch-Lutherische Kirche (Zeile 49 Anlage KAP) i. H. v. ... € bescheinigt wurde.

Mit dem Bescheid vom ... 2017 setzte der Beklagte neben der Einkommensteuer i. H. v. ... € eine Kirchensteuer  i. H. v.  ... € fest.  Die von der Bank einbehaltene und abgeführte Kirchensteuer zur Kapitalertragsteuer i. H. v.  ... € wurde in Abzug gebracht. Die Einkünfte des Klägers stammten im Wesentlichen aus Gewerbebetrieb als Einzelunternehmer und aus Vermietung und Verpachtung von bebauten Grundstücken und zu einem geringen Teil aus privaten Veräußerungsgeschäften.

Dagegen legte der Kläger am ... 2017 Einspruch mit der Begründung ein, von seiner Taufe und der daraus resultierenden Kirchenmitgliedschaft keine Kenntnisse gehabt zu haben. Er sei weder konfirmiert worden noch habe er kirchlich geheiratet. Im Übrigen wies er auf den Beschluss des VerfGH des Landes Berlin vom 15.04.2011 (Az. 131/10) hin.

Der Beklagte holte eine Stellungnahme des Landeskirchenamtes der Evangelisch-Lutherischen Kirche ein. Dieses teilte im Schreiben vom ... 2017 zusammenfassend mit, dass der Kläger getaufter evangelischer Christ mit Wohnsitz  im Gebiet der Nordkirche sei, er erst am ........2016 seinen Kirchenaustritt erklärt habe und nicht ausschließlich einer anderen Kirche oder Religionsgemeinschaft angehöre. Damit sei er Kirchenmitglied i. S. v. Artikel 9 Abs. 2 der Verfassung der Nordkirche.

Mit der Einspruchsentscheidung vom ... 2017 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Auf die Gründe der Einspruchsentscheidung wird Bezug genommen.

Der Kläger hat am ... 2017 Klage erhoben.

Zur Begründung bringt er im Wesentlichen vor, dass eine Kommunikation seiner Eltern, der Kirche sowie staatlicher Behörden zum Thema Kirchenzugehörigkeit und Taufe ihm gegenüber nicht erfolgt sei. In seinen Steuerklärungen seit 1991 habe er ohne jeden eigenen Zweifel angegeben, keiner Konfession anzugehören. Erst im Dezember 2016 sei ihm bewusst geworden, Kirchenmitglied zu sein. Bei Unwissenheit einer Kirchenzugehörigkeit verstoße die Heranziehung zur Kirchensteuer gegen Art. 4 Grundgesetz (GG). Er hat eine eidesstaatliche Versicherung seiner Mutter vom ... 2017 vorgelegt, in der diese versichert, ihren Sohn nicht von seiner Taufe und der damit verbundenen Kirchenzugehörigkeit unterrichtet zu haben.

Dazu hat er, der Kläger, vorgetragen, seine Mutter erst nach Klarstellung seiner Kirchenzugehörigkeit durch das Amt ... mit seiner Taufe „konfrontiert“ zu haben. Er führt im Schreiben vom ... 2017 wörtlich aus: „Wenn ein Sohn seiner ...jährigen Mutter vorträgt, dass er durch ihr Versäumnis ihn nicht von einer Taufe unterrichtet zu haben in großen Schwierigkeiten steckt, löst dass verständlicher Weise ein Schuldgefühl aus und drängt sie zur Wiedergutmachung. Der Kläger konnte seiner Mutter erklären, dass ihr Versäumnis ihrem Sohn nicht zugerechnet werden kann.“

Er trägt weiter vor, dass nach Angaben seiner Mutter seine Taufe auf Wunsch der Schwiegermutter erfolgt sei, die bis Mitte der 60er Jahre im gemeinsamen Haushalt gelebt habe und Mitte der 60er Jahre in die Bundesrepublik Deutschland gezogen sei. Eine christliche Erziehung sei von seinen Eltern nicht verfolgt worden, weil sie – wörtlich – „diese Weltanschauung nicht teilten und keinen Kontakt zu einer christlichen Gemeinde hatten. Kirche fand wie schon erwähnt in dem Haushalt des Klägers nicht statt. Die eingeschränkten Entwicklungsmöglichkeiten (Abitur, Studium etc.) die bekennende Christen in der DDR hatten, spielten auf Nachfrage des Klägers keine Rolle, weil ihr Weltbild auch materialistisch war und ist.“

Er könne seine von Art. 4 GG geschützte Religionsfreiheit erst dann ausüben, wenn ihm die Zugehörigkeit zu einer Religion bewusst sei. Die Taufpaten seien ihm von Person nicht bekannt.

Auch seinem Bruder A. sei bis zum Jahr 2006 eine Kirchenmitgliedschaft nicht bewusst gewesen. Erst bei der erstmaligen Beantragung einer Lohnsteuerkarte sei ihm erklärt worden, Mitglied in einer Kirche zu sein. Vom Kirchenaustritt seines Bruders im Jahr 2006 habe er nichts gewusst. Dazu hat der Bruder A. eine eidesstaatliche Versicherung vom ... 2018 abgegeben, auf die Bezug genommen wird  Insbesondere hat er versichert, seinen Bruder nicht über seine Kirchenzugehörigkeit und seinen Austritt unterrichtet zu haben.

Mit seinem Schreiben vom ... 2018 macht er, der Kläger, den Untergang der Kirchensteuerpflicht durch den Untergang der Deutschen Demokratischen Republik geltend und dass nach dem 03.10.1990 eine Kirchensteuerpflicht hätte neu begründet werden müssen. Auf die Anlage K 17 zum Schreiben vom ... 2018 wird Bezug genommen. Diese Ausführungen hat er im Schreiben vom ... 2019 ergänzt, auf die ebenfalls Bezug genommen wird.

Der Klägervertreter beantragt,den Kirchensteuerbescheid für das Jahr 2015 vom ... 2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ... 2017 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,die Klage zurückzuweisen.

Zur Begründung bezieht sich der Beklagte auf die Gründe seiner Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend im Wesentlichen vor, dass der Kläger im Streitjahr Kirchenmitglied gewesen sei, er deshalb der Steuerpflicht unterliege und dies unabhängig davon, ob er sich dessen bewusst gewesen sei oder nicht, gelte. Die dieses Ergebnis begründenden Regelungen seien mit dem Grundrecht auf Religionsfreiheit, Art. 4 GG und den entsprechenden Normen der Landesverfassungen vereinbar. Der Hinweis auf Art. 29 Abs. 1 Satz 1 Verfassung von Berlin gehe ins Leere. Eine Verheimlichung der Taufe durch die Eltern des Klägers wäre erst einmal seiner Sphäre zuzurechnen. Es komme nur auf die objektive Mitgliedschaft und nicht auf deren subjektive Kenntnis an. Es erscheine nicht nachvollziehbar, dass der Kläger trotz Mitgliedschaft seiner nächsten Familienangehörigen nicht eine eigene Mitgliedschaft in Erwägung gezogen habe. Der Kläger sei seiner Familie nach der Taufe nicht entfremdet worden.

Auf die Schreiben des Beklagten vom ...  wird ergänzend Bezug genommen.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Sie hat sich zum Klagebegehren im Wesentlichen wie folgt geäußert:

Nach Art. 9 Abs. 2 der Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland sind Mitglieder der Nordkirche alle getauften evangelischen Christinnen und Christen, die im Kirchengebiet ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben und weder ihre Kirchenmitgliedschaft nach Maßgabe des geltenden Rechts aufgegeben haben noch ausschließlich Mitglied einer anderen Kirche oder Religionsgemeinschaft sind. Die Kirchenmitgliedschaft gründe in der Taufe bzw. werde durch die Taufe erworben. Danach sei der Kläger im Streitjahr Mitglied der Nordkirche gewesen und damit kirchensteuerpflichtig. Ein Kirchenmitglied habe zu jeder Zeit die Möglichkeit, seinen Kirchenaustritt zu erklären und damit die Kirchenmitgliedschaft zu beenden. Für den Regelfall der Kindestaufe erklären die sorgeberechtigten Eltern die Bereitschaft zur Erziehung des Kindes in diesem Bekenntnis. Das Abstellen auf den Willen der sorgeberechtigten Eltern beeinträchtige nicht das Grundrecht des Kindes auf Glaubens- und Bekenntnisfreiheit. Insoweit handelten die Eltern kraft ihrer Elternverantwortung für das Kind, das ihrer Hilfe bedürfe, um sich zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit innerhalb der sozialen Gemeinschaft zu entwickeln und sein Grundrecht auf Glaubens- und Bekenntnisfreiheit noch nicht selbst ausüben könne. Das den Kirchen durch Art. 137 Abs. 3 Satz 1 Weimarer Reichsverfassung (WRV)  i. V. m. Art. 140 GG verbürgte Selbstbestimmungsrecht verpflichte den Staat zur Anerkennung der kirchlichen Mitgliedschaftsordnung für seinen Bereich. Die Mutter des Klägers sei bis heute Mitglied der Nordkirche. Der im Jahr ...  geborene jüngere Bruder des Klägers sei ebenfalls getauft worden, und zwar zu einem Zeitpunkt, an dem die Großmutter bereits nach Westdeutschland verzogen gewesen sei. Die Vermutung, dass der Kläger eine Kirchenmitgliedschaft nicht in Erwägung ziehen konnte, sei auf Grund der Kirchenmitgliedschaft naher Familienangehöriger abwegig. Sprachlosigkeit über Glaubensfragen sei kein besonderer Lebensumstand i. S. d. Urteils des Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlin vom 15.04.2011 (131/10). Im Ergebnis sei keine Verletzung von Art. 4 GG zu erkennen.

Zum Zeitpunkt der Taufe des Klägers habe in der ehemaligen DDR noch das BGB vom 18.08.1896 Anwendung gefunden. Erst durch das Einführungsgesetz zum Familiengesetzbuch der DDR vom 20.12.1965 (§ 27 Nr. 1) sei das 4. Buch des BGB mit Wirkung zum 01.04.1966 außer Kraft gesetzt worden. Gemäß Art. 48 der Verfassung der DDR vom 07.10.1949 habe die Entscheidung über die Zugehörigkeit von Kindern zu einer Religionsgemeinschaft bis zu deren vollendetem 14. Lebensjahr den Erziehungsberechtigten zugestanden. Die Verfassung vom 07.10.1949 sei mit Inkrafttreten der Verfassung der DDR vom 06.04.1968 am 09.04.1968 außer Kraft getreten. Mit dem Untergang der DDR sei die Kirchensteuerpflicht in diesem Teil Deutschlands nicht mituntergegangen. Die Pommersche Evangelische Kirche sei eine der Rechtsvorgängerinnen der heutigen Nordkirche und zählte zu den altkorporierten Religionsgemeinschaften. Sie habe deshalb ohne Unterbrechung während der Zeit der ehemaligen DDR den Korporationsstatus  besessen und sei gemäß Art. 140 GG  i. V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV berechtigt, Kirchensteuern zu erheben. Die Pommersche Evangelische Kirche werde in § 2 Nr. 1 Buchst. d des Gesetzes zur Regelung des Kirchensteuerwesens der DDR ausdrücklich genannt.

Das Gesetz zur Regelung des Kirchensteuerwesens der DDR sei nicht verfassungswidrig. Das Gesetz sei durch den Einigungsvertrag (EV) vom 31.08.1990 als DDR-Gesetz erlassen worden und gelte nach Art. 9 Abs. 5 des EV als Landesrecht fort.

Die Argumentation des Klägers im Schreiben vom ... 2019 unter 6. und 7. könne nicht nachvollzogen werden. Der Kläger sei nicht aus dem Gebiet einer nicht der EKD angehörenden Kirche zugezogen. Der Kläger sei durch die Taufe Mitglied der Pommerschen Evangelischen Kirche gewesen, die zunächst eine Gliedkirche der Evangelischen Kirche in Deutschland gewesen sei und später dem Bund der Evangelischen Kirche angehört habe. Faktisch seien die östlichen Gliedkirchen durch die Gründung des Kirchenbundes nicht aus der Evangelischen Kirche ausgeschieden.

Ergänzend wird auf die Schriftsätze der Beigeladenen vom ... Bezug genommen.

Der Senat hat mit Beschluss vom ... 2017 die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland zum Verfahren beigeladen.

Der Senat hat mit Beschluss vom ... 2017 den Antrag des Klägers, den Kirchensteuerbescheid vom ... 2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ... 2017 von der Vollziehung auszusetzen, zurückgewiesen.

Der Senat hat mit Beschluss vom ... 2019 beschlossen, Herrn A. zu der Behauptung der Beigeladenen, dass der Bruder des Klägers im Hinblick auf seinen Kirchenaustritt im Jahr 2006 von seiner Taufe und der daraus resultierenden Kirchenmitgliedschaft gewusst zu haben scheine und dass der Vortrag des Klägers, durch seine Eltern über eine Taufe nicht informiert worden zu sein, nicht schlüssig sei sowie zu der Behauptung des Klägers, vom Kirchenaustritt seines Bruders im Jahr 2006 nichts gewusst zu haben, als Zeugen zu hören. Mit einem weiteren Beschluss vom selben Tag hat der Senat beschlossen, Frau B. zu der Behauptung des Klägers, dass hinsichtlich einer Taufe und der damit verbundenen Kirchenzugehörigkeit eine Kommunikation mit den Eltern nicht stattgefunden habe und dass er bis zum Jahr 2015 nichts von einer Kirchenzugehörigkeit gewusst habe, als Zeugin zu hören.

Auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 09.07.2019 wird Bezug genommen.

...

Gründe

1.) Für Streitigkeiten in Kirchensteuersachen ist der Finanzrechtsweg gegeben (§ 24 Abs. 1 Kirchensteuergesetz Mecklenburg-Vorpommern - KiStG -, GVOBl für M-V 2014, 586).

Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland - Landeskirchenamt - ist zu diesem Verfahren beizuladen gewesen. Das Finanzgericht lädt in kirchenrechtlichen Abgabenangelegenheiten diejenige Kirche oder Religionsgesellschaft, deren rechtliche Interessen durch die Entscheidung als kirchensteuererhebende Kirche oder Religionsgesellschaft unmittelbar berührt sind, bei (§ 24 Abs. 2 KiStG).  Das Landeskirchenamt ist die oberste Verwaltungsbehörde der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland mit Sitz in Kiel und einer Außenstelle in Schwerin. Es führt im Rahmen des geltenden Rechts und der von der Kirchenleitung aufgestellten Grundsätze in eigener Verantwortung die Verwaltung aller Angelegenheiten der Landeskirche, wenn die Verwaltung nicht anderen kirchlichen Stellen übertragen ist.

Das Landeskirchenamt vertritt die Landeskirche nach Maßgabe des Kirchenrechtes (Art. 105 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 der Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) vom 07.01.2012 (KABl. S. 2, 127).

Durch die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des streitigen Kirchensteuerbescheides werden die rechtlichen Interessen der Nordkirche unmittelbar berührt.

Alle Kirchenmitglieder der Nordkirche sind steuerpflichtig (§ 3 Kirchensteuergesetz der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Kirchensteuerordnung – KiStO) vom 25.09.2013, KABl. S. 438).  Die Zugehörigkeit zu der einen Kirche Jesu Christi gründet in der Taufe (Art. 9 Abs. 1 Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Kirche). Mitglieder der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland sind alle getauften evangelischen Christinnen und Christen, die im Kirchengebiet ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben und weder ihre Kirchenmitgliedschaft nach Maßgabe des geltenden Rechts aufgegeben haben noch ausschließlich Mitglied einer anderen Kirche oder Religionsgemeinschaft sind (Art. 9 Abs. 2 Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Kirche). Nach § 6 des Kirchengesetzes über die Kirchenmitgliedschaft, das kirchliche Meldewesen und den Schutz der Daten der Kirchenmitglieder (Kirchengesetz über die Kirchenmitgliedschaft) vom 10.11.1976 (ABl. EKD S. 389, GVOBl. 1977, S. 254) wird die Kirchenmitgliedschaft durch die Taufe in einer Kirchengemeinde, die einer Gliedkirche der Evangelischen Kirche in Deutschland angehört, erworben. Die Taufe wird im Kirchenbuch öffentlich beurkundet. Das Kirchengesetz über die Kirchenmitgliedschaft ist für die ehemalige Pommersche Evangelische Kirche in Kraft getreten durch das Kirchengesetz des Bundes der Evangelischen Kirchen zur Regelung von Fragen im Zusammenhang mit der Herstellung der Einheit der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 24.02.1991 (ABl. S. 74; KABl. S. 42).

Der Kläger wurde unstreitig am ...1964 in ... im Gebiet der ehemaligen Pommerschen Evangelischen Kirche in einer Haustaufe getauft. Die Taufe ist im Taufregister/Kirchenbuch der Kirchengemeinde ... beurkundet worden. Der Wohnsitz des Klägers befand sich im Streitjahr in ... im Bereich der Nordkirche.

Der Kläger hatte seine Kirchenmitgliedschaft bis zum Ende des Streitjahres nicht nach Maßgabe des geltenden Rechts beendet. Die Kirchenmitgliedschaft endet nach § 10 Kirchengesetz über die Kirchenmitgliedschaft u. a. mit dem Wirksamwerden der nach staatlichem Recht zulässigen Austrittserklärung. Nach der Kirchenaustrittszuständigkeitsverordnung (KiAustrZustVO) vom 09.07.1991 (GVOBl. M-V 1991, 226) sind die Standesämter als zuständige Stellen bestimmt worden. Der Kirchenaustritt ist gegenüber dem Standesamt zu erklären, in dessen Bezirk der Erklärende seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat (§ 6 Abs. 2 KiStG M-V). Der Kläger hat am ... 2016 beim zuständigen Standesamt seinen Kirchenaustritt erklärt und damit seine Mitgliedschaft in der Nordkirche beendet. Der Kläger war weder nach eigenen Angaben noch nach dem Akteninhalt zu irgendeiner Zeit ausschließliches Mitglied einer anderen Kirche oder Religionsgemeinschaft, sondern seit seiner Taufe im Jahr 1964 und bis zu seinem Austritt Mitglied der Pommerschen Evangelischen Kirche und seit Pfingsten 2012 der Nordkirche.

2.) Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger war im Streitjahr kirchensteuerpflichtig gemäß § 4 KiStG M-V. Der Beklagte hat die Kirchensteuer zutreffend mit ... € festgesetzt.

2.1.) Nach Art. 140 Grundgesetz (GG) i. V. m. Art. 137 Abs. 6 Weimarer Reichs-Verfassung (WRV) ist den  Religionsgesellschaften, welche Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, mit Verfassungskraft das Recht gewährleistet, aufgrund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben. Die Verpflichtung zur landesrechtlichen Regelung der Kirchensteuererhebung ist in Mecklenburg-Vorpommern für das Streitjahr durch das KirchStG vom 30.10.2014 (GVOBl. für M-V 2014, 586) erfüllt worden. Nach § 4 KirchStG sind natürliche Personen, die einer steuerberechtigten Kirche oder Religionsgesellschaft angehören und ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nach den §§ 8 und 9 der Abgabenordnung (AO) in Mecklenburg-Vorpommern haben, kirchensteuerpflichtig. Der Kirchensteuererhebung im Streitjahr liegen die Kirchensteuerordnung (KiStO) vom 25.09.2013 (GVOBl. für M-V 2013, 669 und der Kirchensteuerbeschluss (KiStB) vom 28.09.2013 (GVOBl. für M-V 2013, 678) zugrunde, die beide staatlich anerkannt sind (§ 3 Abs. 1 und 2 KiStG M-V). Demnach beträgt die Kirchensteuer 9 v. H. der nach Maßgabe von § 6 Abs. 1 und Abs. 3 der KiStO ermittelten Einkommensteuer, jedoch höchstens 3 v. H. des nach § 6 Abs. 2 KiStO ermittelten zu versteuernden Einkommens (§ 1 KiStB). Im Streitfall hat der Beklagte im Hinblick auf die Obergrenze die Kirchensteuer zu Recht mit 3 v. H. von ... € (= zvE) = ... € berechnet.

2.2.) Der Beklagte ist für die Verwaltung der streitigen Kirchensteuer (Festsetzung, Erhebung einschließlich Vollstreckung) zuständig. Auf Antrag einer im Land Mecklenburg-Vorpommern steuerberechtigten Kirche oder Religionsgesellschaft ist die Verwaltung der ihr zustehenden Kirchensteuer als Zuschlag zur Einkommensteuer durch Rechtsverordnung des Finanzministeriums den Finanzämtern zu übertragen (§ 10 Abs. 1 KiStG M-V). Dieses ist für die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland durch die Verordnung zur Durchführung des Kirchensteuergesetzes Mecklenburg-Vorpommern (Kirchensteuer-Durchführungsverordnung - KiStDVO M-V) vom 17.03.2015 geschehen (GVOBl. für M-V 2015, 106).

2.3.) Die Verpflichtung zur landesrechtlichen Regelung der Kirchensteuererhebung erfolgte durch das KiStG M-V vom 30.10.2014 nicht erstmalig. Bereits durch das Gesetz zur Regelung des Kirchensteuerwesens (KirchStG) vom 20.09.1990 (BGBl. II 1990, 1194; GBl. der DDR 1990, 1627, 1934) erfolgte eine landesrechtliche Regelung. Das von der ehemaligen DDR im Rahmen des Einigungsvertrages erlassene Gesetz (Anl. II Kapitel IV Abschnitt I Einigungsvertrag - EV) galt nach Art. 9 Abs. 5 EV als Landesrecht fort. In der Folge ist das KirchStG vom 20.09.1990 durch die Kirchensteuergesetze M-V vom 17.12.2001 (GVOBl. 2001, 605), vom 20.10.2008 (GVOBl. M-V 2008, 414) und vom 30.10.2014 (GVOBl. M-V 2014, 586) ersetzt worden.

2.4.) Die Pommersche Evangelische Kirche ist seit Inkrafttreten der Weimarer Reichs-Verfassung ununterbrochen eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Insbesondere hat sie ihren Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht in der Zeit der ehemaligen DDR verloren und ist die Kirchenmitgliedschaft deshalb nicht untergegangen.

Die Pommersche Evangelische Kirche als eine der Rechtsvorgängerinnen der Nordkirche zählt zu den altkorporierten Religionsgemeinschaften, die diesen Status bereits vor 1919 besaßen (Zu Kirchen als öffentliche Körperschaft: List, Kirchensteuer – Rechtsgrundlagen und neuere Rechtsprechung, BB 1997, 17). Soweit die Religionsgemeinschaften in der ehemaligen DDR den ihnen nach der gesamtdeutschen Verfassungstradition zustehenden öffentlich-rechtlichen Korporationsstatus infolge der Nichtanerkennung dieses Status durch die DDR verloren hatten, haben sie ihn am 03.10.1990 verfassungskräftig wiedererlangt (BVerwG-Urteil vom 15.10.1997 – 7 C 21/96 (Berlin), NJW 1998, 253). Art. 39 Abs. 2 der DDR-Verfassung von 1968, ebenso die Verfassung von 1974, garantierten den Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften nur noch das Recht zur Ordnung ihrer Angelegenheiten und zur Ausübung ihrer Tätigkeit  „in Übereinstimmung mit der Verfassung und den gesetzlichen Bestimmungen der DDR.“ Den zuvor korporierten Religionsgemeinschaften wurde zwar der Körperschaftsstatus nicht förmlich entzogen, sie wurden aber als andere rechtlich selbständige Organisationen und Vereinigungen i. S. d. § 11 Abs. 3 ZGB-DDR angesehen und dem Privatrecht unterstellt. Damit war kein Verlust des Körperschaftsstatus verbunden. Mit dem Wirksamwerden des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik Deutschland  am 03.10.1990 trat gemäß Art. 3 EV das Grundgesetz, also auch Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV, auf dem Gebiet der ehemaligen DDR in Kraft. Hieraus kann geschlossen werden, dass der Körperschaftsstatus, soweit er bis 1968 bestand, verfassungsunmittelbar wiedererstanden ist. Zumindest hat das Kirchensteuerrecht den Status wiederhergestellt (vgl. Korioth in Maunz-Dürig, GG, Art. 140 Rdnr. 71 m. w. N.). Aus Art. 9 EV und dem darin als Recht der neuen Bundesländer aufrechterhaltenen Kirchensteuergesetz der DDR vom 31.08.1990 lässt sich entnehmen, dass nach dem Willen der Vertragsparteien diejenigen Religionsgemeinschaften in der DDR, die bereits nach Art. 137 Abs. 5 WRV Körperschaften des öffentlichen Rechts gewesen waren, als solche ab dem Steuerjahr 1991 zur Erhebung von Kirchensteuern berechtigt sein sollten (BVerwG-Urteil vom 15.10.1997 – 7 C 21/96 (Berlin), NJW 1998, 253). § 2 Nr. 1 Buchstabe d des Gesetzes zur Regelung des Kirchensteuerwesens der DDR vom 31.08.1990 (Anl. II Kapitel IV Abschnitt I Nr. 5 EV) bestimmt, „Körperschaften des öffentlichen Rechts sind: ... die Pommersche Evangelische Kirche ...“. Dieser Bestimmung kommt eine rein deklaratorische Bedeutung zu, da der altkorporierten Pommerschen Evangelischen Kirche ihre körperschaftliche Qualifikation nie förmlich entzogen wurde (vgl. Suhrbier-Hahn, Das Kirchensteuerrecht, 2.2.1, S. 31 f.; Engelhardt, Die Kirchensteuer in den neuen Bundesländern, Kapitel 3 I.  1. b, S. 22). Dementsprechend kommt das OVG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 29.03.2011, OVG 5 N 24.08, juris) in Rdnr. 25 zu dem Ergebnis, dass „alle Religionsgesellschaften in Deutschland, soweit sie bereits vor Inkrafttreten der Weimarer Verfassung am 11. August 1919  Körperschaften des öffentlichen Rechts waren oder denen dieser Status unter der Geltung der Reichsverfassung verliehen worden war, weiterhin Körperschaften waren und - ungeachtet der Nichtanerkennung durch die ehemalige DDR, deren Verfassung den Korporationsstatus nicht kannte – geblieben sind.“ Diese Aussage erfasst auch die Pommersche Evangelische Kirche als eine der Rechtsvorgängerinnen der Nordkirche. Der erkennende Senat schließt sich dieser rechtlichen Würdigung des OVG Berlin-Brandenburg an.

2.5.) Die Kirchenmitgliedschaft des Klägers ist mit seiner Taufe am ... 1964 wirksam begründet worden.

Die Regelung des Erwerbs der Kirchenmitgliedschaft ist nicht Angelegenheit des Staates, sondern der Kirche. Sie erfolgt deshalb nicht durch staatliche, sondern durch innerkirchliche Rechtsetzungsakte. Während bei Erwachsenen und dem Kindesalter Entwachsenen die Taufe eine Taufbitte, d. h. eine auf den Erwerb der Mitgliedschaft gerichtete Willenserklärung voraussetzt, kommt es bei der üblichen Kindstaufe, die auch der Staat für den staatlichen Bereich anerkennt, auf eine Erklärung der Eltern an. Diese bedarf nach allgemeiner Auffassung keiner vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung, da es sich bei der Taufbitte der Eltern nicht um ein Rechtsgeschäft, sondern um ein tatsächliches Handeln im Rahmen der Bestimmung des religiösen Bekenntnisses handelt, das wiederum seine Rechtfertigung in dem den Eltern zustehenden Personensorgerecht findet. Damit bewirkt die Kindstaufe, dass ein Mitgliedschaftsverhältnis zu der jeweiligen Religionsgemeinschaft ohne Berücksichtigung des Willens des betroffenen Kindes begründet wird (Wagner, Zur persönlichen Steuerpflicht im Kirchensteuerrecht, FR 1996, 10, 13; Birk/Jahndorf, Kirchensteuerpflicht trotz fehlender Kirchenmitgliedschaft?, StuW 1995, 103, 114; Engelhardt, Kirchensteuer bei Zuzug aus dem Ausland, NVwZ 1992, 239, 240; List, Kirchensteuer-Rechtsgrundlagen und neuere Rechtsprechung, BB 1997, 17, 19;  Korioth in Maunz-Dürig, GG, Art. 140 Rdnr. 34 Mitgliedschaftsrecht). Nach der im Jahr 1964 geltenden Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 07.10.1949 (Gesetzblatt der DDR 1949, 4) stand die Entscheidung über die Zugehörigkeit von Kindern zu einer Religionsgesellschaft bis zu deren vollendetem vierzehnten Lebensjahr den Erziehungsberechtigten zu (Art. 48 Satz 1 Verfassung der DDR).

Ohne Belang ist, ob der Getaufte oder bei der Kindstaufe der Personensorgeberechtigte an die Entstehung einer Kirchensteuerpflicht gedacht hat. Wie bei jeder anderen Steuer entsteht die Steuerpflicht, sobald der Tatbestand erfüllt ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft (§ 38 AO). Ein Verwirklichungswille des Steuerpflichtigen ist nicht erforderlich (Wagner, FR 1996, 10, 13 m. w. N.).

2.6.) Art. 4 GG steht der Kirchensteuerpflicht nicht entgegen.

Zu den in Art. 137 Abs. 3 WRV genannten Schranken des für alle geltenden Gesetzes gehört das Grundrecht auf Religionsfreiheit (Art. 4 GG). Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verbietet, als Grundlage für die Kirchensteuerpflicht eine kirchliche Mitgliedschaftsregelung heranzuziehen, die eine Person einseitig und ohne Rücksicht auf ihren Willen der Kirchengewalt unterwirft (BVerfG-Beschluss vom 31.03.1971, 1 BvR 744/67, BVerGE 30, 415).

Die vom Beklagten und der Beigeladenen vertretene Rechtsauffassung verstößt unter Beachtung der Ausführungen des Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlin im Beschluss vom 15.04.2011 (Az. 131/10 juris) nicht gegen Art. 4 GG. Der Verfassungsgerichtshof hat in Orientierungssatz 2 Buchst. c ausgeführt, dass die Auffassung des OVG, dass die Anknüpfung der Kirchenzugehörigkeit und damit der Kirchensteuerpflicht an eine im Kindesalter erfolgte Taufe auch dann unter dem Gesichtspunkt der Glaubensfreiheit keinen Bedenken begegne, wenn ein Kirchenaustritt nur mangels Kenntnis des Betroffenen von dieser Taufe unterbleibe, weil er sich in diesem Fall eine unterbliebene Unterrichtung durch die Sorgeberechtigten stets zurechnen lassen müsse, mit Art. 29 Abs. 1 Satz 1 Verfassung Berlin nicht zu vereinbaren sei. Diese vom OVG vertretene, ohne Ausnahme (generalisierende Erwägung - vgl. Rdnr. 20 des Beschlusses) anzuwendende Auffassung hat der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin nach Maßgabe der in Rdnr. 20 seines Beschlusses wiedergegebenen Auffassung nur dann mit Art. 29 Abs. 1 Satz 1 Verfassung von Berlin für unvereinbar gehalten, wenn „eine solche Person bei objektiver Betrachtung aufgrund besonderer Lebensumstände keine Veranlassung hatte, die Möglichkeit einer ihr verschwiegenen und auch sonst nicht bekannt gewordenen Taufe im Kindesalter auch nur in Erwägung zu ziehen, und daher als sicher ausgehen durfte, nicht Mitglied einer Kirche und deshalb auch nicht kirchensteuerpflichtig zu sein.“ Eine „Entscheidung über die Beendigung einer Kirchenmitgliedschaft ist demjenigen nicht möglich, der mit der Existenz einer solchen Mitgliedschaft nicht rechnen kann und muss.“

Es lagen keine besonderen Lebensumstände vor, nach denen der Kläger keine Veranlassung hatte, die Möglichkeit einer ihm – wie behauptet – verschwiegenen und auch sonst nicht bekannt gewordenen Taufe im Kindesalter auch nur in Erwägung zu ziehen.

Der Kläger wurde seit 1991 in den Erklärungsvordrucken zur Einkommensteuererklärung bei den Personalien regelmäßig nach der Religion gefragt und hat diese Frage im Streitjahr mit „nicht kirchensteuerpflichtig“ beantwortet. Die Angaben in der Steuererklärung müssen nach § 150 Abs. 2 AO wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen gemacht werden. Dem Kläger stand sowohl für die Steuerklärung des Streitjahres als auch für die Vorjahre seit 1991 seine Mutter als Auskunftsperson zur Verfügung, da sie als bei der Taufe Sorgeberechtigte von der Taufe wusste. Bei der Taufe im Kindesalter liegt es in der Natur der Sache, dass sich der Täufling selbst nicht an die Taufe erinnern kann. Wenn ein Steuerpflichtiger die im Erklärungsvordruck auch für einen Laien verständliche, ausdrücklich, klar und unmissverständlich gestellte Frage nach der Religionszugehörigkeit verneint oder wie im Streitjahr mit „nicht kirchensteuerpflichtig“ beantwortet, ohne die in seiner Sphäre liegende Möglichkeit, seine Mutter dazu zu befragen, nutzt, kann er nicht nach bestem Wissen und Gewissen als sicher davon ausgehen, nicht Mitglied einer Kirche und deshalb nicht kirchensteuerpflichtig zu sein. Der Gesetzgeber hat die Eigenart der Steuererklärung als grundsätzlich persönlich abzugebende Wissenserklärung hervorgehoben, indem er dem Steuerpflichtigen selbst diese Verpflichtung auferlegt, Angaben in Steuererklärungen nach bestem Wissen und Gewissen zu machen (§ 150 Abs. 2 Abgabenordnung - AO -, BFH-Urteil vom 14.01.1998 X R 84/95, BStBl II 1999, 203; Klein, AO, 14. Aufl., § 150 Rdnr. 22).

Es ist dem Kläger aufgrund seiner persönlichen Fähigkeiten nach seiner Ausbildung an der Universität ... und seiner beruflichen Tätigkeit als Abteilungsleiter in ......  zumutbar gewesen, bereits ab dem Jahr 1991 vor der Eintragung im Kästchen „Religion“ sich in erster Linie bei seiner in räumlicher Nähe wohnenden Mutter nach einer möglichen Taufe im Säuglingsalter zu erkundigen, statt es bei der behaupteten eigenen Unkenntnis zu belassen. Zu einer Antwort war seine Mutter, Frau B., nach dem persönlichen Eindruck, den der Senat in der mündlichen Verhandlung gewonnen hat, bei der Erstellung der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2015 ebenso in der Lage wie in all den Veranlagungszeiträumen seit 1991. Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass sein sachlich unzutreffender Eintrag im Kästchen „Religion“ seit dem Jahr 1991 ihm keinen Anlass gegeben hat, dieser Frage für das Streitjahr mit der gebotenen Sorgfalt nachzugehen und sich seine persönliche Auffassung, keiner Konfession anzugehören, dadurch verfestigt habe. Die Verletzung der Sorgfaltspflicht hat sich vielmehr jährlich seit 1991 wiederholt und abschnittsweise fortgesetzt. Die behauptete Sicherheit in der Auffassung, keiner Konfession anzugehören, gründet sich nach dem klägerischen Vortrag allein darin, mit dieser Frage zu keiner Zeit an Dritte, insbesondere seine Mutter, herangetreten zu sein. Bei objektiver Betrachtung und unter Berücksichtigung des normalen Lebensumstandes, dass dem Kläger bis heute seine Mutter als ehemals Sorgeberechtigte für Fragen zur Taufe im Kindesalter und Konfessionszugehörigkeit zur Verfügung stand und steht, hatte der Kläger Veranlassung, die Möglichkeit – wie von ihm behauptet – einer ihm verschwiegenen und auch sonst nicht bekannt gewordenen Taufe im Kindesalter in Erwägung zu ziehen. Deshalb durfte er nicht als sicher davon ausgehen, nicht Mitglied einer Kirche zu sein.

Ob der Kläger durch seine Mutter tatsächlich nicht zu einem früheren Zeitpunkt über seine Taufe und damit verbundene Kirchenzugehörigkeit unterrichtet worden ist, wird durch die vorgelegte eidesstattliche Versicherung der Mutter vom ... 2017 weder bewiesen noch glaubhaft gemacht.

Die eidesstattliche Versicherung der Mutter ist Ausdruck ihres Bestrebens, die bei ihr durch die „Konfrontation“ mit der Taufe ihres Sohnes, des Klägers, entstandenen Schuldgefühle wieder gut zu machen. Die Erklärung, den Sohn weder von der Taufe noch seiner Kirchenzugehörigkeit unterrichtet zu haben, ist Ausdruck einer Gefälligkeitsbescheinigung. Aus der eidesstattlichen Versicherung geht nicht hervor, ob Frau B. vorher über die Strafbarkeit einer falschen Versicherung an Eides statt i. S. v. §§ 156, 161 Strafgesetzbuch (StGB) belehrt worden und ihr die Bedeutung der eidesstattlichen Versicherung überhaupt bewusst gewesen ist. Nach der Aussage des Klägers in der mündlichen Verhandlung ist diese eidesstattliche Versicherung von ihm gemeinsam mit seiner Mutter formuliert und von ihm getippt worden. Deshalb hatte der Kläger die Möglichkeit, den Text in seinem für richtig gehaltenen Sinne zu beeinflussen und zu bestimmen.

Die vom Kläger selbst gewählte Formulierung „seine Mutter erst nach Klarstellung der Kirchenzugehörigkeit durch das Amt ... mit seiner Taufe konfrontiert“ zu haben und er „durch ihr Versäumnis, ihn nicht von einer Taufe unterrichtet zu haben, in großen Schwierigkeiten“ stecke, zeigt, dass er auf seine Mutter Druck ausgeübt hat, in seinem Sinne eine Erklärung abzugeben, zumal er ihr erklärt haben will, „dass ihr Versäumnis ihrem Sohn nicht zugerechnet werden kann“.

Zweifel am Wahrheitsgehalt der eidesstattlichen Versicherung der Mutter ergeben sich auch aus dem Umstand, dass der Zeuge A. u. a. erklärt hat, sich nach seinem Kirchenaustritt im Jahr 2006 mit seiner Mutter über seine Taufe unterhalten zu haben. Da die Mutter wusste, dass ihre beiden Söhne getauft waren, ist es nicht von vornherein auszuschließen, dass sie über das Gespräch mit Herrn A. bezüglich seiner Taufe mit dem Kläger gesprochen und ihn auf seine Taufe hingewiesen hat. Dass es seit 1991 überhaupt keinen persönlichen Kontakt zwischen dem Kläger und seinem Bruder und seiner Mutter – egal aus welcher Richtung – gegeben hat, wurde weder vom Kläger noch dem Zeugen A. vorgetragen.

2.7.) Der Kläger ist weder aus dem Gebiet einer nicht der EKD angehörenden Kirche zugezogen noch in die neue Kirchengemeinde eingetreten. Nach der Wiedervereinigung erfolgte ein Wiedereintritt der östlichen Gliedkirchen in die EKD. Es handelt sich hierbei um die Reaktivierung der Mitgliedschaft, denn die östlichen Gliedkirchen der EKD sind auch durch die Gründung des Kirchenbundes nicht aus der EKD ausgeschieden (vgl. Ute Suhrbier-Hahn, Das Kirchensteuerrecht, S. 38, 2.4.1).

2.8.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidung über die Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen beruht auf § 139 Abs. 4 FGO. Zwar hat die Beigeladene keinen eigenen Sachantrag gestellt. Jedoch liegt hier ein Ausnahmefall vor. Die Beigeladene hat das Verfahren durch ihren Sachvortrag und ihre Rechtsausführungen wesentlich gefördert (vgl. Gräber, FGO, 9. Aufl., § 139 Rdnr. 160 m. w. N.).

Die Revision war nicht zuzulassen. Insbesondere hat der Streitfall keine grundsätzliche Bedeutung i. S. v. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

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