OLG Rostock, Beschluss vom 06.02.2019 - 17 Verg 6/18
Fundstelle
openJur 2020, 12346
  • Rkr:

1. Der Auftraggeber hat nach § 60 VgV in der Regel jedenfalls dann Anlass zur Prüfung, ob ein Preis Risiken für die Leistungserbringung begründet oder es sich um ein spekulatives Angebot handelt, wenn der Preis 20 % unter dem nächstgünstigen Angebot liegt (sog. Aufgreifschwelle). Die Preisprüfung kann unter Umständen während des laufenden Nachprüfungsverfahrens nachgeholt werden.

2. Unterlagen, die die Eignung betreffen, sind unternehmensbezogene Unterlagen im Sinn des § 56 Abs. 2 VgV, deren Nachforderung im Ermessen des Auftraggebers liegt. Die Formulierung „mit dem Angebot einzureichen“ in der Aufforderung zur Angebotsabgabe stellt nicht ohne Weiteres eine vorweggenommene Ermessensausübung im Sinn des § 56 Abs. 2 S. 2 VgV dar.

3. Nachgeforderte Eigenerklärungen sind nicht deshalb zurückzuweisen, weil sie erst nach Ablauf der Angebotsfrist erstellt wurden.

Tenor

1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer Mecklenburg-Vorpommern vom 09.11.2018 - 2 VK 05/18 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich des Eilverfahrens tragen Antragstellerin und Antragsgegner je zur Hälfte. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 80.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsgegner schrieb die dezentrale Schmutzwasserbeseitigung für die Jahre 2019/20 mit zweijähriger Verlängerungsoption im offenen Verfahren europaweit aus (2018/S...425). Alleiniges Zuschlagkriterium sollte der Preis sein. Den Gesamtauftragswert schätzte der Antragsgegner auf Basis der bisherigen Preise.

Gegenüber der bisherigen Leistungserbringung enthält die streitgegenständliche Ausschreibung einerseits eine Verdopplung der Schmutzwassermenge (S. 5 der Ausschreibungsunterlagen), andererseits eine Beschränkung der Anlieferungspunkte wie folgt (siehe Vergabeunterlagen und Technische Vertragsbedingungen). Die Abgabe von Nebenangeboten war zugelassen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Ausschreibung wird auf die Vergabeakte verwiesen.

Die Antragstellerin - die die Leistungen bis Ende 2018 erbrachte und mit Blick auf das vorliegende Verfahren im Weg der Interimsvergabe auch für die Monate 01/2019 und 02/2019 erbringt - und die Beigeladene gaben Angebote ab, die Antragstellerin zusätzlich ein Nebenangebot.

Ein vom Antragsgegner beauftragtes Ingenieurbüro unterbreitete unter dem 26.09.2018 einen Vergabevorschlag (Vergabeakte Abschnitt 8). Die Beigeladene habe das günstigste Angebot abgegeben. Das Angebot liege über der Kostenschätzung. Die Preise seien in letzter Zeit deutlich gestiegen. Das Angebot sei auskömmlich. Die teilweise befragten, in der Referenzliste aufgeführten Verbände und Stadtwerke hätten Qualität und Zuverlässigkeit der Beigeladenen bestätigt.

Ein Vergabevermerk findet sich in der Vergabeakte nicht. Stattdessen erteilte der Antragsgegner unter dem 28.09.2018 den Zuschlag an die Beigeladene, die Antragstellerin erhielt am 01.10.2018 eine negative Vorabinformation mit der Begründung, ein anderes Angebot sei günstiger. Per Whatsapp vom 04.10.2018 informierte der Antragsgegner die Antragstellerin über den erfolgten Zuschlag.

Die Antragstellerin rügte mit Schreiben vom 05.10.2018 folgende Vergabeverstöße:

- Das Hauptangebot der Beigeladenen sei als spekulatives oder Unterkostenangebot im Sinn des § 60 VgV nicht berücksichtigungsfähig.- Der Antragsgegner habe gegen § 134 GWB verstoßen, weil das Informationsschreiben nicht über den frühesten Zeitpunkt der Vergabe unterrichte und der Zuschlag vor Ablauf der 15-tägigen Wartefrist erteilt sei.

Unter dem 10.10.2018 vereinbarten Antragsgegner und Beigeladene die Vertragsaufhebung, mit Schreiben vom 11.10.2018 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin dies mit.

Die Antragstellerin hat am 12.10.2018 unter Wiederholung ihrer Rügen einen Nachprüfungsantrag eingereicht.

Der Antragsgegner leitete ein neues Vergabeverfahren ein und veröffentlichte die Ausschreibung am 27.10.2018 (2018/S...210). Danach sind Nebenangebote nicht zugelassen. Zudem finden sich einzelne Abweichungen in der Leistungsbeschreibung. In jenem Verfahren gaben wiederum Antragstellerin und Beigeladene Angebote ab, Einzelheiten hierzu sind nicht vorgetragen. Unter dem 30.11.2018 machte der Antragsgegner über die Ausschreibungsseite in Bezug auf das ursprüngliche Vergabeverfahren bekannt, ein Zuschlag sei wegen Einstellung des Verfahrens nicht erteilt.

Der Antragsgegner hat die Auffassung vertreten, der Nachprüfungsantrag sei unzulässig, weil er - statt die Abhilfe durch Vertragsaufhebung abzuwarten - zur Unzeit gestellt sei. Im Übrigen habe die Antragstellerin auch keine Chance auf den Zuschlag, selbst wenn nur ihre Angebote berücksichtigungsfähig wären. Denn dann habe das Vergabeverfahren aufgehoben werden können.

Die 2. Vergabekammer Mecklenburg-Vorpommern hat mit Beschluss vom 09.11.2018 - 2 VK 05/18 - den Nachprüfungsantrag als unzulässig verworfen, weil der Antrag voreilig gestellt und deshalb mangels Rechtschutzinteresses unzulässig sei. In der Aufhebung des Vertrags sei die Abhilfe des Antragsgegners zu sehen. Der Beschluss ist dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin per Fax unter Beifügung eines Empfangsbekenntnisses am 09.11.2018 übersandt worden, das Empfangsbekenntnis hat dieser am 12.11.2018 (Montag) vollzogen.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss ist per Fax am 26.11.2018 bei dem Oberlandesgericht eingegangen. Sie macht geltend, der Nachprüfungsantrag sei zulässig und begründet. Das (erste) Vergabeverfahren sei weder durch (wirksamen) Zuschlag noch durch Aufhebung beendet. Die Wertung sei zu wiederholen, das Angebot der Beigeladenen dabei als spekulatives bzw. Unterkostenangebot auszuschließen.

Nach im Beschwerdeverfahren gewährter Akteneinsicht in Teile der Vergabeakte beanstandet die Antragstellerin darüber hinaus, das Angebot der Beigeladenen habe auch nach § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV ausgeschlossen werden müssen, weil in der Ausschreibung geforderte Unterlagen nicht dem Angebot beigefügt, sondern erst am 24.09.2018 nachgereicht seien. Die Nachforderung sei gemäß § 56 Abs. 3 VgV ausgeschlossen gewesen, weil der Antragsgegner mit der Formulierung in der Ausschreibung, „mit dem Angebot einzureichen“ sein Ermessen bereits dahingehend ausgeübt und sich festgelegt habe. Zudem liege in der telefonischen Nachforderung ein Verstoß gegen § 9 Abs. 2 VgV. Soweit die nachgereichten Unterlagen im Übrigen erst am 24.09.2018 erstellt wurden, liege eine inhaltliche Nachbesserung des Angebots und damit ein Verstoß gegen § 57 Abs. 2 VgV vor. Schließlich sei zweifelhaft, ob die Beigeladene den Nachweis einer Reaktionszeit von maximal 1,5 Stunden erbracht habe.

Die Antragstellerin hat im Beschwerdeverfahren zunächst auch beantragt, die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, das denselben Beschaffungsgegenstand betreffende, im EU-Amtsblatt veröffentlichte Vergabeverfahren 2018/S...210 einzustellen bzw. aufzuheben. Diesen Antrag hat sie in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen.

Die Antragstellerin beantragt zuletzt,

1. den Beschluss der Vergabekammer Mecklenburg-Vorpommern vom 09.11.2018 - 2 VK 05/18 - aufzuheben,

2. festzustellen, dass der aufgrund des Zuschlags vom 28.09.2018 mit der Beigeladenen geschlossene Auftrag betreffend das „Vergabeverfahren Zweckverband P., Dezentrale Schmutzwasserbeseitigung und Erbringung weiterer Leistungen im Verbandsgebiet des Wasser- und Abwasserzweckverbands P., Entleerung abflussloser Sammelgruben, Kleinkläranlagen, Reinigung Pumpwerke, Abfuhr Überflussschlamm“ von Anfang an unwirksam ist,

3. die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, das streitgegenständliche Vergabeverfahren (veröffentlicht im EU Amtsblatt 2018/S...425) fortzusetzen, das Angebot der Beigeladenen auszuschließen und die Angebotswertung zu wiederholen,

4. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin für notwendig zu erklären,

5. hilfsweise für den Fall, dass den vorstehenden Anträgen nicht stattgegeben wird, festzustellen, dass die Antragstellerin durch die Vergabefehler des Antragsgegners in ihren Rechten verletzt ist.

Der Antragsgegner beantragt,

1. die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen,

2. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin für notwendig zu erklären.

Er meint, er habe durch Aufhebung des Zuschlags und Einleitung des neuen Vergabeverfahrens hinreichend Abhilfe geschaffen. Die Vergabekammer habe zutreffend ausgeführt, dass der Nachprüfungsantrag verfrüht gestellt sei und ihm deshalb das Rechtschutzinteresse fehle. Das ursprüngliche Vergabeverfahren sei im Übrigen durch den Zuschlag wirksam beendet. Die rückwirkende Unwirksamkeit nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB betreffe nur den Vertrag, nicht aber den Zuschlag. Vertrag und einseitiger Zuschlag seien zu unterscheiden. Hilfsweise liege in der Einleitung des neuen Vergabeverfahrens die Aufhebung des ursprünglichen Vergabeverfahrens. Die Aufhebung habe erfolgen können, weil die Ausschreibung Nebenangebote zugelassen, aber entgegen § 35 Abs. 2 S. 1 VgV keine Mindestanforderungen gestellt habe. Darüber hinaus sei der Nachprüfungsantrag auch deshalb unzulässig, weil die Zuschlagchancen der Antragstellerin sich nicht verschlechtert hätten. Das Angebot der Beigeladenen sei das wirtschaftlichste. Es liege mit Blick auf die Kostenschätzung auch im Bereich der erwartbaren Kosten. Ausweislich des Vergabevorschlags habe sich der Antragsgegner auch davon überzeugt, dass die Beigeladene zur sachgerechten Durchführung des Auftrags in der Lage sei. Auch den nach Akteneinsicht erhobenen Beanstandungen tritt er entgegen.

Im Beschwerdeverfahren hat der Antragsgegner unter Berücksichtigung der geänderten Leistungen eine neue Auftragswertschätzung (Anlage Ag6 GA III 96) sowie eine Preisprüfung vorgenommen und mitgeteilt (Anlagen Ag7 bis Ag10 GA IV 18 ff./36 ff.).

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung hat die Antragstellerin mit nachgelassenem Schriftsatz vom 28.01.2019 zur Preisprüfung Stellung genommen. Dabei hat sie auch den Angebotspreis der Beigeladenen berücksichtigt, der ihr nach der mündlichen Verhandlung durch versehentliche Übersendung einer ungeschwärzten Anlage zum Schriftsatz des Antragsgegners bekannt geworden ist.

Die im Beschwerdeverfahren Beigeladene hat sich zur Sache nicht eingelassen und Anträge nicht gestellt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist im noch anhängigen Umfang - d.h. hinsichtlich der Ausschreibung 2018/S...425 - zulässig, insbesondere fristgemäß eingelegt. Für den Zeitpunkt der Zustellung und damit den Fristbeginn kommt es auf die Vollziehung des Empfangsbekenntnisses an, nicht bereits auf den Eingang per Fax (Zöller/Schultzky, ZPO, 32. Aufl., § 174 Rn. 10, 15). Die Antragstellerin ist auch formell beschwert, weil die Vergabekammer ihren Nachprüfungsantrag verworfen hat.

In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg. Dabei bedarf es auch keiner Änderung der angefochtenen Entscheidung, soweit diese den Nachprüfungsantrag bereits als unzulässig verworfen und nicht als unbegründet zurückgewiesen hat.

1. Mit ihren Hauptanträgen erstrebt die Antragstellerin die Fortsetzung des ursprünglichen Vergabeverfahrens und die Wiederholung der Wertung. Weil sie dies nicht erreichen kann, wenn das Vergabeverfahren bereits wirksam beendet ist, begehrt sie – als „Eintrittskarte“ in die Prüfung von Vergabefehlern – die Feststellung der Unwirksamkeit des Zuschlags und die „Aufhebung der Aufhebung“ des Vergabeverfahrens.

Die so verstandenen Anträge sind zulässig (a), bleiben in der Sache indes ohne Erfolg (b).

a) Die Antragstellerin ist antragsbefugt (§ 160 Abs. 1 GWB). Sie hat ein Interesse am Auftrag und legt auch dar, ihr drohe ein Schaden, weil das Angebot der Beigeladenen auszuschließen sei und sich ihre Zuschlagchancen dadurch verbesserten.

Ihrer Rügeobliegenheit ist sie nachgekommen, die Antragsfrist hat sie gewahrt (§ 160 Abs. 3 GWB). Soweit die Antragstellerin vermeintliche Vergabefehler erst durch Akteneinsicht im Beschwerdeverfahren erkannt hat, konnte sie diese im laufenden Nachprüfungsverfahren geltend machen, ohne zuvor eine Rüge zu erheben (vgl. Reidt in: Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 4. Aufl., § 160 Rn. 68).

Die Antragstellerin hat hinsichtlich ihrer Hauptanträge auf Feststellung der Unwirksamkeit und Fortsetzung des ursprünglichen Vergabeverfahrens auch ein Rechtschutzbedürfnis. Entgegen der Auffassung der Vergabekammer ist der Antrag nicht wegen der Ankündigung der Abhilfe durch den Antragsgegner als „voreilig“ zu verwerfen. Allein maßgeblich ist, ob letztlich das Rechtschutzbedürfnis im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegt. Nichts anderes ergibt sich aus der zitierten Entscheidung des Oberlandesgerichts Bremen (Beschluss vom 05. März 2007 – Verg 4/2007 –, dort insbesondere Rn. 3, juris). Das Rechtschutzbedürfnis wäre nur dann zu verneinen, wenn der Antragsgegner den Rügen der Antragstellerin vollständig abgeholfen hätte. Eine vollständige Abhilfe ist hier aber nicht erfolgt. Der Antragsgegner sagte zwar eine nochmalige Prüfung der Rügen, anders als in dem der Entscheidung des Oberlandesgerichts Bremen zugrundeliegenden Sachverhalt aber nicht eine neue - fristauslösende - Vorabinformation im selben Vergabeverfahren zu. Zwar kann auch das neu eingeleitete Vergabeverfahren nicht ohne neue Vorabinformation beendet werden. Der Nachprüfungsantrag zielt aber nicht auf die Vergabe im neuen, sondern in dem ursprünglichen Vergabeverfahren ab. Maßgeblicher Unterschied ist, dass dann die Auswahl zwischen den in jenem Verfahren eingereichten, nicht abänderbaren Angeboten zu treffen ist und sich im Fall des Ausschlusses des Konkurrenzangebots die Zuschlagchancen der Antragstellerin deutlich verbessern, während im neuen Vergabeverfahren andere Angebote eingereicht sein können. Die erfolgte Teilabhilfe bietet keinen Anlass, dem Bieter vergaberechtlichen Rechtschutz zu versagen. Weder ist die vollständige Umsetzung des Rechtschutzziels der Antragstellerin unmöglich, wenn auch mit Blick auf § 135 GWB nur unter Inanspruchnahme der Nachprüfungsinstanzen. Noch ist der Rechtschutz des Bieters auf den Umfang der Abhilfemöglichkeiten des Auftraggebers beschränkt. Eine solche Beschränkung folgt insbesondere nicht daraus, dass das Vergaberecht umfangreiche Rügepflichten zur Ermöglichung der rechtzeitigen Korrektur von Vergabefehlern durch den Auftraggeber und damit zur Vermeidung von Nachprüfungsverfahren vorsieht. Zwar korrespondiert die - hier mit Schreiben vom 05.10.2018 gewahrte - Rügepflicht mit der Möglichkeit der (Teil-) Abhilfe. Kommt es nur zu einer Teilabhilfe, kann sich der Bieter damit begnügen, weshalb sie durchaus sinnhaft sein kann. Will er aber seine Rechte umfassend wahren, kann ihm die Nachprüfung nicht verwehrt werden. Nichts anderes ergibt sich aus den zitierten Senatsentscheidungen (Beschluss vom 06.11.2015 - 17 Verg 2/15; Beschluss vom 20. Oktober 2010 - 17 Verg 5/10).

Das Nachprüfungsverfahren ist auch nicht deshalb unzulässig, weil das Vergabeverfahren entweder durch den Zuschlag oder die Aufhebung beendet ist und die Antragstellerin insoweit ihr Rechtschutzziel gar nicht mehr erreichen könnte. Ob eine wirksame Beendigung des Vergabeverfahrens durch den Zuschlag oder die Aufhebung eingetreten ist, bildet gerade den Gegenstand der Nachprüfung. Der Senat folgt der Auffassung des Antragsgegners nicht, im Rahmen des § 135 Abs. 1 GWB sei zwischen Zuschlag und Vertrag zu unterscheiden und die Unwirksamkeit des Vertrags lasse die Wirksamkeit des Zuschlags - und damit die Beendigung des Vergabeverfahrens - unberührt. Zwar sind Zuschlag und Vertrag nicht gleichzusetzen, sondern ist der Zuschlag die vergaberechtsspezifische Annahme des Angebots eines bestimmten Bieters (Summa in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl. 2016, § 168 GWB, Rn. 94) und damit nur Teil des Vertrags. Auch spricht § 135 Abs. 1 GWB nicht vom Zuschlag, sondern vom „öffentlichen Auftrag“. Die Unwirksamkeit des Vertrags knüpft aber gerade an die Vergaberechtswidrigkeit des Zuschlags an und erfasst diesen. Gesetzestechnisch wird die Rechtsfolge der Unwirksamkeit nach § 135 GWB durch Beschränkung des § 168 Abs. 2 S. 1 GWB auf wirksam erteilte Zuschläge erstreckt (vgl. BT-Drucks. 16/10117, 23 für § 114 Abs. 2 S. 1 GWB in der Fassung vom 20.04.2009 und § 101b GWB aF; siehe auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03. März 2010 – VII-Verg 11/10 –, Rn. 4, juris; im Ergebnis ebenso Sommer in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl. 2016, § 135 GWB, Rn. 1; Summa, ebenda, § 168 GWB, Rn. 95: die Wirksamkeit der Zuschlagserteilung richte sich nach § 135 GWB). Anderenfalls könnte sich ein Auftraggeber unter Umgehung der vergaberechtlichen Regelungen auf diese Weise einfach eines unliebsam gewordenen Vergabeverfahrens entledigen. Wie auch sonst bei sowohl für die Zulässigkeit und als auch die Begründetheit eines Antrags (doppel-) relevanten Tatsachen genügt für die Zulässigkeit das schlüssige Vorbringen und kann deshalb die Zulässigkeit hier nicht verneint werden.

b) Der unstreitige Verstoß gegen die Vorabinformationspflicht und die Wartefrist nach § 134 GWB führt für sich genommen nicht zum Erfolg des Nachprüfungsantrags. Die Feststellung der Unwirksamkeit nach § 135 GWB und damit die Fortsetzung des Vergabeverfahrens setzen vielmehr voraus, dass darüber hinaus ein materieller Vergaberechtsverstoß vorliegt, sich also durch die Verletzung der Vorabinformationspflicht und der Wartefrist die Chancen des Bieters auf den Zuschlag verschlechtert haben. Infolge der Verletzung der Vorabinformationspflicht verschlechtern sich aber nicht automatisch die Chancen eines Bieters bzw. Bewerbers auf den Zuschlag. Eine isolierte Verletzung der Vorabinformationspflicht vereitelt keine Zuschlagschancen. Wenn das Vergabeverfahren sonst fehlerfrei ist, droht dem unterlegenen Bieter durch die Verletzung der Vorabinformationspflicht kein kausaler Schaden. Auch bei ordnungsgemäßer Beachtung der Vorabinformationspflicht wäre der Zuschlag dem favorisierten Bieter zu erteilen. Der unterlegene und unzureichend informierte Bieter hätte den Auftrag nicht erhalten (Sommer in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl. 2016, § 135 GWB, Rn. 9, 61; Glahs in: Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 4. Aufl., § 135 Rn. 20).

Solche weitergehenden Vergabefehler liegen nicht vor.

aa) Das betrifft zunächst den unterbliebenen Ausschluss wegen eines unangemessen niedrigen Angebots der Beigeladenen.

Allerdings kann sich die Antragstellerin auf § 60 VgV berufen, dieser wirkt drittschützend (BGH, Beschluss vom 31. Januar 2017 – X ZB 10/16 –, BGHZ 214, 11-31, Rn. 20). Danach ist eine Preisprüfung des Auftraggebers grundsätzlich angezeigt, wenn die sogenannte Aufgreifschwelle von in der Regel 20 % zum nächstgünstigen Angebot erreicht ist (BGH, Beschluss vom 31. Januar 2017 – X ZB 10/16 –, BGHZ 214, 11-31, Rn. 15; Wagner in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl. 2016, § 60 VgV, Rn. 10). Der Auftraggeber hat dann grundsätzlich mögliche Kostenrisiken durch rechtsmissbräuchliche Ausnutzung absehbarer Mengenverschiebungen bzw. die Auskömmlichkeit der Preiskalkulation und damit verbundene Risiken für die Leistungserbringung aufzuklären. Ihm steht dabei allerdings eine Einschätzungsprärogative zu, die seine Entscheidung hinnehmbar erscheinen lässt, wenn sie vertretbar, insbesondere nicht willkürlich ist und sich im Ergebnis nicht als eine krasse Fehlentscheidung darstellt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20. Dezember 2017 – VII-Verg 8/17 –, Rn. 88, juris). Die Überprüfung durch Vergabekammern und -senate hat sich darauf zu beschränken, ob die Entscheidung des Auftraggebers auf einer vollständigen und zutreffenden Tatsachengrundlage beruht und aus vernünftigen Erwägungen heraus und im Ergebnis vertretbar getroffen worden ist (Schneevogl in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl. 2016, § 97 GWB, Rn. 111). Deckt sich der Angebotspreis mit dem vom Auftraggeber ordnungsgemäß geschätzten Auftragswert und spiegelt die Ergebnisse der von ihm durchgeführten Markterkundung wider, kann er auf eine Preisprüfung selbst dann verzichten, wenn die Preisdifferenz mehr als 20 % zum nächsthöheren Angebotspreis beträgt. Aus Sicht des Auftraggebers besteht in diesen Fällen keine Gefahr, dass das Unternehmen nicht in der Lage sein wird, die Leistung vertragsgerecht oder rechtskonform auszuführen (Wagner in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl. 2016, § 60 VgV, Rn. 13). Die Darlegungs- und Beweislast für das offenbare Missverhältnis zwischen dem Angebotspreis des Bestbieters und der Leistung und die daraus folgende Annahme, der Bestbieter sei nicht in der Lage, die ausgeschriebene Leistung ordnungsgemäß zu erbringen, trifft denjenigen, der den Ausschlussgrund geltend macht (Wagner in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl. 2016, § 60 VgV, Rn. 40). Die Prüfung hat der Auftraggeber vorzunehmen (Schneevogl in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl. 2016, § 97 GWB, Rn. 51). Die Nachprüfungsinstanzen dürfen ihre Erwägungen nicht an deren Stelle setzen.

Der Antragsgegner hatte zunächst Anlass zur Prüfung, weil das Angebot der Beigeladenen mehr als 20 % unter dem Hauptangebot der Antragstellerin liegt. Auf das (mangels Festlegung der Mindestanforderungen nach § 35 Abs. 2 S. 1 VgV und wegen des Preises als alleinigem Zuschlagskriterium, vgl. BGH, Beschluss vom 07. Januar 2014 – X ZB 15/13 –, BGHZ 199, 327-344, Rn. 28; OLG Koblenz, Beschluss vom 31. Mai 2006 – 1 Verg 3/06 –, Rn. 54, juris; Lausen in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl. 2016, § 35 VgV, Rn. 34) nicht zuschlagfähige Nebenangebot kommt es nicht an, selbst insoweit ist aber die Aufgreifschwelle überschritten. Soweit der Antragsgegner geltend macht, nach Landesrecht (§ 6 Abs. 2 S. 1 VgG M-V) sei für die Aufgreifschwelle auf den Abstand zur Kostenschätzung abzustellen, stellt dies bereits nach dem Wortlaut der Regelung lediglich eine zusätzliche Bemessungsgröße dar, ohne den Vergleich mit dem nächstgünstigen Angebot auszuschließen. Zwar trifft zu, dass bei nur zwei Angeboten der auffallend große Abstand auch dadurch begründet sein kann, dass das zweite unangemessen hoch ist. Der Auftraggeber kann dies aber ohne jegliche Prüfung nicht feststellen. Ohnehin unterschreitet bei Vergleich von Brutto- und Bruttobetrag (bzw. Netto- und Nettobetrag) das Angebot der Beigeladenen die neue Kostenschätzung ebenfalls um mehr als 20 %.

Überlegungen zur Preisprüfung hat der Antragsgegner erstmals während des laufenden Beschwerdeverfahrens angestellt und dokumentiert. Diese Ausführungen sind nicht präkludiert, sondern durch den Senat zu berücksichtigen. Für eine unzureichende Dokumentation ist anerkannt, dass das Manipulationsmöglichkeiten entgegenwirkende Transparenzgebot gegenüber dem vergaberechtlichen Beschleunigungsgrundsatz zurückzutreten hat, wenn der Mangel im laufenden Nachprüfungsverfahren geheilt wird und dies ausreicht, um eine wettbewerbskonforme Auftragserteilung zu gewährleisten (BGH, Beschluss vom 08. Februar 2011 – X ZB 4/10 –, BGHZ 188, 200-233, Rn. 73; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. November 2018 – Verg 31/18 –, Rn. 46 - 47, juris). Dies gilt auch, wenn ein Verfahrensschritt - hier: die Preisprüfung - zuvor gänzlich unterblieben ist. Die Nachholung dieses Schritts kann in ein laufendes Nachprüfungsverfahren eingebracht werden, auch wenn sie dem Nachprüfungsantrag die Grundlage entzieht (Schneevogl in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl. 2016, § 97 GWB, Rn. 51).

Der Antragsgegner hat ein spekulatives Angebot hinreichend ausgeschlossen, indem er sich im Nachprüfungsverfahren die Ausführungen im Vergabevorschlag zueigen gemacht hat. Der Vergabevorschlag listet insoweit auf, dass einzig die Position Störungsbeseitigung von der Beigeladenen höher bepreist ist als von der Antragstellerin. Bei einer Kalkulation von 12 Stunden pro Jahr als Erfahrungswert ist mit einer erheblichen Preisverschiebung nicht zu rechnen.

Auch die nunmehrige Beurteilung des Antragsgegners, Risiken für die Leistungserbringung infolge eines unauskömmlichen Preises seien hinreichend ausgeschlossen, stellt sich nicht als krasse Fehlentscheidung dar. Weder geht der Antragsgegner von einem unzutreffenden Sachverhalt aus noch erscheinen seine Schlussfolgerungen als willkürlich.

Bei der Preisprüfung ist der Antragsgegner - wie oben dargestellt - zu einer mathematisch exakten Prüfung der Kalkulation nicht verpflichtet, sondern bereits im Eigeninteresse lediglich zu einer seriösen Prognose, Gefahren für die Leistungserbringung infolge einer Unterdeckung des Angebotspreises seien nicht zu erwarten. Ergeben sich in diesem Rahmen aus anderen Gesichtspunkten hinreichende Anhaltspunkte, braucht er die Urkalkulation der Beigeladenen nicht beizuziehen. Dabei ist er nicht gehalten, sich sachverständig beraten zu lassen. Soweit die Antragstellerin meint, die erfolgte Preisprüfung sei nicht geeignet, jegliche Zweifel an der Unauskömmlichkeit des Preises auszuschließen, verfolgt sie einen vom Senat nicht geteilten rechtlichen Ansatz. Die Beigeladene trägt die Feststellungslast dann, wenn dem Auftraggeber nach der Prüfung ernstliche Zweifel an der Auskömmlichkeit verbleiben und er deshalb das Angebot ausschließt. Das ist hier gerade nicht der Fall. Auch sind die eigene Kalkulation der Antragstellerin und die von ihr angestellte Vergleichsrechnung von vornherein kein geeigneter Maßstab für die Betrachtung. Einerseits kannte der Antragsgegner diese bei seiner Preisprüfung noch nicht und musste für seine Prüfung nicht alle aufgeführten Positionen in gleicher Weise berücksichtigen. Andererseits können insbesondere die technische und personelle Ausstattung der Antragstellerin und der Einsatz ihrer Ressourcen, die Kosten für die technische Ausstattung und die Verwaltung, die Effizienz der Organisation und die Höhe des kalkulierten Gewinns deutlich von denen der Beigeladenen abweichen. Soweit die Antragstellerin auf Grundlage ihrer Kalkulation Erlöse schätzt und die Möglichkeit einer wirtschaftlichen Leistungserbringung verneint, ist das angebotene Sachverständigengutachten deshalb bereits mangels geeigneter Grundlage nicht einzuholen. Dabei ist im Übrigen auch zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin jedenfalls bis Ende 2018 die Leistungen mengenbereinigt zu einem deutlich geringeren Preis als nach ihrem nunmehrigen Hauptangebot erbrachte, ohne geltend zu machen, der Auftrag sei unwirtschaftlich. Selbst ihr Nebenangebot - das die Beschränkung der Anlieferpunkte weitgehend aufhebt und insoweit den bisherigen Leistungen vergleichbar sein dürfte - weist einen deutlich höheren Preis als bisher aus.

Der Antragsgegner hat seiner Beurteilung stattdessen zugrunde gelegt, die Beigeladene habe die vergleichbare bzw. sogar niedrigere Größenordnung der Preise der Referenzen angegeben, die technische und personelle Ausstattung und effiziente Disponierung erläutert und durch Beibringung eines aktuellen Jahresabschlusses belegt, dass sie auf dieser Grundlage wirtschaftlich arbeite. Hierzu hat die Beigeladene eine Eigenerklärung abgegeben und der Antragsgegner telefonische Nachforschungen bei den angegebenen Referenzen angestellt und – diesmal – konkret dokumentiert. Der Antragsgegner schätzt die Kläranlagensituation in den Verbandsgebieten der Referenzen als vergleichbar ein, zumal etwa im Gebiet K. zur Kläranlage B. 2/3 der Menge angeliefert würden. Durchgreifende Bedenken gegen diese Tatsachenermittlung begründen die Ausführungen der Antragstellerin nicht. Zwar vermittelt die Karte Anlage Bf16 den Eindruck, nach der Größe der Verbandsgebiete, der Lage der Kläranlagen und den jeweiligen Anlieferkontingenten könnten im Gebiet des Antragsgegners durchschnittlich weitere Wegstrecken zurückzulegen sein (wobei Lage, Anzahl und Größe der zu entleerenden Kleinkläranlagen und abflusslosen Gruben als weitere Parameter für diesen Schluss nicht abgebildet sind). Allerdings kann auch hier eine Anlieferung im Umfang von 10 bzw. 25 % der Gesamtmenge an näher gelegene Kläranlagen erfolgen. Eine genaue Deckung der Referenzen mit der ausgeschriebenen Leistung muss für eine Vergleichbarkeit als Grundlage für die anzustellende Prognose nicht gegeben sein, zumal der Angebotspreis über den Referenzen liegt. Auch die weiteren Ausführungen der Antragstellerin lassen die Prognosegrundlage nicht als unvollständig oder fehlerhaft erscheinen. So ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Antragstellerin eine Mindeststrecke von 100 km ansetzt. Es ist nicht ersichtlich, sämtliche Anfahrten würden diese Strecke erreichen oder überschreiten. Bei kürzeren Strecken wird auf Grundlage des m³-Preises die Deckung höher sein als bei längeren, ohne dass für eine Beurteilung eine bestimmte Länge der Wegstrecke willkürlich herausgegriffen werden dürfte. Der Antragsgegner hatte auch nicht zwingend zu ermitteln, ob in den Referenzgebieten das Verhältnis zwischen Kleinkläranlagen und abflusslose Gruben mit dem im Verbandsgebiet übereinstimmt. Zwar verursachen diese mengenbedingt einen unterschiedlichen Aufwand. Die Antragstellerin zeigt aber nicht auf, im Verbandsgebiet des Antragsgegners sei der Anteil der Kleinkläranlagen ungewöhnlich hoch. Entsprechendes gilt für die gesonderte Vergütung von besonders großen Schlauchlängen. Den Ausführungen der Antragstellerin lässt sich nicht entnehmen, im Verbandsgebiet des Antragsgegners verursachten diese Fälle einen kalkulationsrelevanten Aufwand. Schließlich war der Antragsgegner nicht gehalten zu ermitteln, ob in den Referenzgebieten ebenfalls ein Fahrzeug mit Hilfs-Spüleinrichtung - das nach dem Vorbringen der Antragstellerin einen um 25.000 € höheren Anschaffungspreis hat - einzusetzen ist. Nach dem Leistungsverzeichnis betrifft der Einsatz pro Jahr ca. 100 gesondert vergütete Pumpwerksreinigungen und ca. 12 gesondert vergütete Stunden Störungsbeseitigung, so dass dieses Fahrzeug nicht zwingend nur für den ausgeschriebenen Auftrag einzusetzen ist. Zudem sind die (Mehr-) Kosten über mehrere Jahre abzuschreiben. Danach hat es einer entsprechenden Aufklärung der Referenzen zu diesem Punkt nicht bedurft.

Auf der von dem Antragsgegner beurteilungsfehlerfrei ermittelten Tatsachengrundlage ist die gezogene Schlussfolgerung, der angebotene Preis stelle keine Gefahr für die Leistungserbringung dar, nicht willkürlich.

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Antragstellerin im Zusammenhang mit dem Preis eine Marktverdrängungsabsicht der Beigeladenen, die zum Ausschluss des Angebots führen könnte, nicht ansatzweise dargetan hat.

bb) Auch die weiteren Beanstandungen der Antragstellerin treffen nicht zu.

So war das Angebot der Beigeladenen nicht nach § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV als unvollständig auszuschließen, weil eine Nachforderung von Unterlagen ausgeschlossen wäre. Die nachgeforderten Unterlagen waren nicht im Sinn des § 56 Abs. 3 VgV im Rahmen der Zuschlagkriterien auf die zu erbringende Leistung, sondern im Sinn des § 56 Abs. 2 VgV auf das Unternehmen bezogen. Unternehmensbezogene Unterlagen betreffen die Eignungsprüfung (Wagner in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl. 2016, § 56 VgV, Rn. 52). Dies ist hier in Bezug auf die nachgereichten, in Punkt 3.1 der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots aufgeführten Unterlagen durchgängig der Fall. Sie betreffen die Eignung der Beigeladenen und nicht die Wirtschaftlichkeit der angebotenen Leistung, insbesondere deren Preis. Nach § 56 Abs. 2 S. 1 VgV liegt die Nachforderung solcher Unterlagen im Ermessen des Auftraggebers. Zwar kann er gemäß § 56 Abs. 2 S. 2 VgV sein Ermessen bereits mit der Ausschreibung dahin auf Null reduzieren, eine Nachforderung auszuschließen. Das ist hier indes nicht erfolgt. Ein solcher Ausschluss der Nachforderung als Ausnahme vom gesetzlich vorgesehenen Grundsatz und damit eine Selbstbindung des Auftraggebers wird angenommen, wenn der Auftraggeber in der Ausschreibung angibt, „Erklärungen und Nachweise werden in keinem Fall nachgefordert“, „Unterlagen und Erklärungen sind zwingend vorzulegen“ oder „Angebote, die die geforderten Voraussetzungen nicht aufweisen, werden ausgeschlossen“ (Wagner in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl. 2016, § 56 VgV, Rn. 61). Auch in dem der antragstellerseits zitierten Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg zugrundeliegenden Fall waren Unterlagen „zwingend“ mit dem Angebot einzureichen (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 20. September 2011 – Verg W 11/11 –, Rn. 90, juris sowie die zugrundeliegende Entscheidung der Vergabekammer des Landes Brandenburg, Beschluss vom 01. August 2011 – VK 22/11 –, Rn. 6, juris). Eine vergleichbare Deutlichkeit weisen die streitgegenständliche Aufforderung zur Abgabe eines Angebots unter Punkt 3.1 mit der Formulierung „mit dem Angebot einzureichen“ und die Ausschreibung in Abschnitt IV (Technische Vertragsbedingungen) Nr. 5 „mit der Angebotsabgabe“ nicht auf.

Keinen Bedenken begegnet auch, dass die Beigeladene nachgeforderte Eigenerklärungen nicht bis zum Ablauf der Bewerbungsfrist, sondern erst am 24.09.2018 – dem Tag der nachträglichen Einreichung – erstellte. Dabei kann der Senat offen lassen, inwieweit § 56 Abs. 2 S. 1 VgV eine inhaltliche Nachbesserung eines Angebots ermöglicht. Nacherstellte und innerhalb der Nachfrist eingereichte Eigenerklärungen stellen jedenfalls nur eine zulässige Vervollständigung der unternehmensbezogenen Unterlagen dar, die dem Bieter keinen Wettbewerbsvorteil verschaffen.

Ein Verstoß gegen § 9 Abs. 2 VgV liegt in der telefonischen Nachforderung der Unterlagen bereits deshalb nicht, weil sie zudem mit E-Mail vom 21.09.2018 erfolgte.

Schließlich ist nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner den Nachweis einer Reaktionszeit von maximal 1,5 Stunden durch die Beigeladene als erbracht ansah. Mehr als die Eigenerklärung und die erfolgte Erläuterung hat sie nach der Ausschreibung nicht verlangen können.

c) Mangels Feststellung der Unwirksamkeit des Zuschlags ist dieser wirksam und hat das Vergabeverfahren beendet. Die Aufhebung des Verfahrens ging insoweit ins Leere. Die Vergabe hat nunmehr - bei fortbestehender Beschaffungsabsicht - in dem neu eingeleiteten Vergabeverfahren zu erfolgen. Dort wird die Vergabestelle auf Grundlage der eingereichten Angebote zu prüfen und zu dokumentieren haben, ob das Angebot mit dem günstigsten Preis zuschlagfähig ist. Zudem werden die Regelungen zur Vorabinformation einzuhalten sein.

2. Auch der Hilfsantrag auf Feststellung der Verletzung der Rechte der Antragstellerin im Vergabeverfahren ist zulässig (a), aber unbegründet (b).

a) Ein solcher Fortsetzungsfeststellungsantrag kann nach §§ 168 Abs. 2 S. 2, 178 S.4 GWB immer dann zulässig gestellt werden, wenn sich während des laufenden Vergabenachprüfungsverfahrens der Nachprüfungsantrag durch Zuschlag, Aufhebung, Einstellung oder in sonstiger Weise erledigt. Demgegenüber wäre ein isolierter, von Beginn an gestellter Feststellungsantrag unzulässig. Hier war Erledigung bei Einreichung des Nachprüfungsantrags noch nicht eingetreten. Insbesondere war der Zuschlag mit Blick auf § 135 GWB nur schwebend wirksam und eine Aufhebung des Verfahrens noch nicht erfolgt.

Ein Feststellungsinteresse besteht zudem nur dann, wenn eine Wiederholung des geltend gemachten Vergaberechtsverstoßes droht oder der Antrag Grundlage für einen Anspruch auf Schadenersatz sein kann. Beides ist hier der Fall, weil einerseits die Beschaffungsabsicht fortbesteht und ein neues Vergabeverfahren unter Beteiligung der Antragstellerin und der Beigeladenen bereits läuft und andererseits im Fall eines Vergaberechtsverstoßes im Ursprungsverfahren zumindest Anspruch auf Ersatz der Bewerbungskosten denkbar ist.

b) Eine Verletzung subjektiver Rechte der Antragstellerin ist aber nicht festzustellen. Zwar war der Zuschlag wegen Verstoßes gegen § 134 GWB vergaberechtswidrig. Wenn das Vergabeverfahren aber sonst fehlerfrei ist, droht dem unterlegenen Bieter durch die Verletzung der Vorabinformationspflicht kein kausaler Schaden. Weitergehende Vergaberechtsverstöße bestehen aber nicht. Auf die obigen Ausführungen nimmt der Senat Bezug. Auch die Aufhebung des Vergabeverfahrens begründet keine Ansprüche. Sie ging ins Leere, weil bereits der Zuschlag wirksam ist.

3. Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf den §§ 78, 175 Abs. 2 GWB und umfasst auch die Kosten des Eilverfahrens nach § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB. Danach trägt die Antragstellerin die Kosten, soweit sie ihr unzulässiges Rechtsmittel zurückgenommen hat (betreffend das im EU-Amtsblatt veröffentlichte Vergabeverfahren 2018/S...210). Hinsichtlich des ursprünglichen Vergabeverfahrens (Veröffentlichung 2018/S...425) ist die Antragstellerin mit ihren Anträgen zwar unterlegen, allerdings nur wegen der Heilung gerügter Vergaberechtsverstöße während des Beschwerdeverfahrens. Auf dieser Grundlage entspricht es der Billigkeit, die Kosten dem Antragsgegner aufzuerlegen, weil er durch Fehler im Vergabeverfahren das Nachprüfungsverfahren provoziert hat. Bei der Festlegung der Quote bewertet der Senat das Interesse an dem Ursprungsverfahren (Veröffentlichung 2018/S...425) und an dem neu eingeleiteten Verfahren (Veröffentlichung 2018/S...210) als gleichwertig.

Der Beigeladenen, die lediglich beobachtend an dem Beschwerdeverfahren teilgenommen und zur Wahrnehmung eigener Interessen weder in der Sache Stellung genommen noch Anträge gestellt hat, sind Kosten nicht aufzuerlegen. Andererseits entspricht es der Billigkeit, von der Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten abzusehen (Bracher in: Jaeger/Kokott/Pohlmann/ Schroeder, Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, 92. Lieferung 11.2018, § 78 GWB, Rn. 24 ff.).

Der Streitwert ist auf 5 % der Bruttoauftragssumme festzusetzen (§ 50 Abs. 2 GKG). Maßgeblich ist der gesamte Vertragszeitraum einschließlich aller Verlängerungsoptionen, wobei für den optionalen Zeitraum ein angemessener Abschlag - in der Regel 50 % - vorzunehmen ist (Summa in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl. 2016, VT 2 zu § 182 GWB, Rn. 18, 20).