OLG Rostock, Urteil vom 14.11.2019 - 3 U 28/18
Fundstelle
openJur 2020, 12270
  • Rkr:

1. Ansprüche können im Urkundsprozess und im ordentlichen Verfahren im Wege der objektiven Klagehäufung im Sinne des § 260 ZPO nebeneinander geltend gemacht werden.

2. Die Erteilung einer Dauerrechnung, die allein zur Vorlage vor den Finanzbehörden zur Geltendmachung steuerlicher Ansprüche dient, ist nicht Bestandteil der Erfüllung der in § 535 BGB bestimmten Hauptpflicht des Vermieters zur Gebrauchsüberlassung, sondern nur eine Nebenpflicht, gegenüber der nur ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB besteht.

3. Die Frage, in welchem Umfang und für welchen Zeitraum dem Mieter, der die mit Mängeln behaftete Mietsache weiter nutzen kann und auch nutzt, danach ein Leistungsverweigerungsrecht zusteht, entzieht sich einer allgemein gültigen Betrachtung. Sie ist vielmehr vom Tatrichter im Rahmen seines Beurteilungsermessens aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 320 Abs. 2, § 242 BGB) zu beantworten.

4. Voraussetzungen einer Zug-um-Zug-Verurteilung im Urkundsprozess

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten wird zurück gewiesen.

2. Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 20.03.2018 – Az: 2 O 1190/12 – in Ziffer 2. Satz 1 abgeändert und der Beklagte im Urkundsprozess verurteilt, an die Klägerin 14.980,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf jeweils 267,50 € monatlich vom 05.02.2012, 05.03.2012, 05.04.2012, 05.05.2012, 05.06.2012, 05.07.2012, 05.08.2012, 05.09.2012, 05.10.2012, 05.11.2012, 05.12.2012, 05.01.2013 und 05.02.2013 sowie weitere 2.846,20 € Zug-um-Zug gegen Ausstellung einer den Vorgaben des § 14 Abs. 4 UStG entsprechenden Rechnung für die in der Zeit von Januar 2012 bis 02.04.2014 seitens des Beklagten zu zahlende Miete bzw. Nutzungsentschädigung zu zahlen.

Im Übrigen wird die Anschlussberufung zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 26,4% und der Beklagte 73,6%.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können jeweils die Vollstreckung gegen sich durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils gegen sie aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die jeweils andere Partei Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens wird auf 29.557,38 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin macht – soweit für das Berufungsverfahren noch von Interesse - Ansprüche aus einem Gewerberaummietverhältnis geltend.

Sie hat den Beklagten zunächst auf Räumung und Herausgabe der Mieträume in Anspruch genommen. Im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens hat sie diesen Antrag nach Rückgabe der Räumlichkeiten für erledigt erklärt. Der Beklagte hat der Erledigungserklärung nicht zugestimmt.

Klageerweiternd hat sie – soweit für das Berufungsverfahren noch von Interesse - zudem im Urkundenprozess die Miete in Höhe von 535,00 € netto zzgl. Ust, d.h. 636,65 € monatlich, für die Zeit von Januar 2012 bis April 2014 (28 Monate x 636,65 € = 17.826,20 €) geltend gemacht.

Mit Teilvorbehaltsurteil und Urteil vom 20.03.2018 hat das Landgericht bezüglich den Räumungsantrag die Erledigung der Hauptsache festgestellt. Weiter hat es den Beklagten im Urkundsprozess zur Zahlung von 17.210,09 € nebst gestaffelter Zinsen Zug-um-Zug gegen Ausstellung einer den Vorgaben des § 14 Abs. 4 UStG entsprechenden Rechnung verurteilt. Hierfür hat es dem Beklagten die Ausführung seiner Rechte im Nachverfahren vorbehalten.

Wegen der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen, der in erster Instanz gestellten Anträge und der Entscheidungsgründe nimmt der Senat auf das angefochtene Urteil Bezug.

Das Nachverfahren ist unter dem Aktenzeichen 3 U 103/18 ebenfalls vor dem Senat im Berufungsverfahren anhängig.

Die Klägerin hat zunächst Berufung eingelegt, diese dann aber wieder zurückgenommen.

Der Beklagte begehrt mit seiner Berufung die Abänderung des landgerichtlichen Urteils in Ziffer 1. und 2. wie folgt:

1. Der Räumungs- und Herausgabeantrag der Klägerin aus der Klageschrift vom 27.11.2012 wird abgewiesen.

2. Der Klagantrag zu Ziffer 1. im Urkundenprozess (Zahlung in Höhe von 17.826,20 € nebst Zinsen) wird abgewiesen.

sowie im Kostenausspruch.

Die Feststellung, dass der Räumungs- und Herausgabeantrag sich durch die Räumung des Beklagten erledigt habe, sei rechtsfehlerhaft. Das Landgericht gehe davon aus, dass im Zeitraum zwischen Januar 2012 und November 2012 erhebliche Mängel an der Mietsache vorgelegen hätten, deren Beseitigung die Klägerin trotz mehrfacher Aufforderung durch den Beklagten unter Fristsetzung und Ankündigung der Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes deutlich vor dessen tatsächlicher Geltendmachung nicht vorgenommen habe. Trotzdem beschränke es das Zurückbehaltungsrecht des Beklagten am Mietzins auf 50 % des monatlich zu zahlenden Mietzinses in den ersten 11 Monaten, für die ein Zurückbehaltungsrecht am Bruttomietzins geltend gemacht worden sei. Für 11 Monate x 636,65 € x 50 % ergebe dies 3.501,58 €.

Nach den Feststellungen des Landgerichts hätten zum Zeitpunkt der Kündigung vom 21.11.2012 folgende Mängel vorgelegen: Die Holzfenster des Restaurants hätten nicht geschlossen. Außenseitig seien Fäulniserscheinungen sichtbar gewesen und es sei zu Zuglufterscheinungen gekommen. Die Lüfter in den Gäste-WC seien defekt gewesen. Bereichsweise seien Durchfeuchtungen im Fußboden (Estrich inklusive Dämmschicht) des Kellergeschosses vorhanden gewesen und eine auskömmliche Beheizung des Gastraumes sei mit der vorhandenen Heizungsanlage nicht möglich gewesen. Die Lüftungsanlage, die dieses Manko habe ausgleichen können, sei defekt gewesen.

In den Gewerberäumen sei vereinbarungsgemäß ein Sushi-Restaurant, welches definitionsgemäß im wesentlichen Rohfischgerichte serviere, bei denen Probleme im Gastraum naturgemäß bei Kunden als besonders problematisch empfunden würden, betrieben. Der Zeitraum von Januar 2012 bis November 2012, in dem der Beklagte den vollständigen Mietzins zurückbehalten habe, um Druck auf den Vermieter hinsichtlich der Beseitigung der vorliegenden Mängel auszuüben, habe insgesamt sieben Monate der Heizperiode umfasst. Dies sei die Zeit von Januar bis Mai und Oktober und November gewesen. Insgesamt sei ein Betrag von etwa 7.000,00 € zurückbehalten worden. Es sei offensichtlich, dass die Beseitigung der von dem Sachverständigen festgestellten Mängel einen Betrag erfordert hätte, der den bis November 2012 zurückbehaltenen Mietzins um mindestens den Faktor 10 überschritten hätte. Die Fenster hätten ausgewechselt werden müssen. Die Lüfter hätten ersetzt werden müssen. Im Kellergeschoss hätten Estrich und Dämmschicht aufgenommen und sodann nach Feststellung der Ursachen für die Durchfeuchtung und deren Beseitigung neu aufgebracht werden müssen. Zudem hätte entweder die Heizungsanlage ausgebaut und durch eine stärkere ersetzt oder die Lüftungsanlage ertüchtigt werden müssen. Für einen Betrag unter 70.000,00 € brutto wäre eine solche Instandsetzung ganz offensichtlich nicht realisierbar. Jedenfalls stehe ein Zurückbehaltungsbetrag von etwa 7.000,00 €, von dem noch der angemessene Minderungsbetrag abgezogen werden müsste, - also nur noch 5.400,00 € - in einem so angemessenen Verhältnis zu der vorhandenen Mängelerscheinung, dass ersichtlich keine Unbilligkeit der Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes im November 2012 angenommen werden könne.

Nur wenn dem Mieter eine effektive Druckausübung auf den Vermieter möglich gemacht werde, könne dieser außerhalb eines Erkenntnisverfahrens seine berechtigten Interessen an der Mängelbeseitigung tatsächlich realisieren. Jede andere Betrachtung, insbesondere diejenige des Landgerichtes, führe dazu, dass der Mieter effektiv rechtlos bleibe. Insoweit habe der BGH in seinem Urteil vom 26.03.2003 – XII ZR 167/01 - ausgeführt, dass eine Zurückbehaltung in Höhe des dreifachen Mangelbeseitigungswertes jedenfalls revisionsrechtlich nicht zu beanstanden sei. Angesichts der Tatsache, dass hier allenfalls ein einstelliger geringer Prozentsatz der Mangelbeseitigungskosten zurückbehalten worden sei, könne eine Beschränkung des Zurückbehaltungsrechtes insbesondere unter Beachtung des kurzen Zeitraumes seiner Geltendmachung von 11 Monaten aus Billigkeitsgründen nicht in Betracht kommen.

Die Grenze von zwei Monatsmieten Rückstand sei im November 2012 darüber hinaus auch aus anderen Gründen keinesfalls überschritten gewesen. In den Monaten Januar bis Mai und Oktober und November wäre auch unter Zugrundelegung der Betrachtung des Landgerichtes wegen der nicht auskömmlichen Heizleistung allein eine Minderung in Höhe von 50 % zulässig gewesen, wegen der übrigen Mängel zusätzliche 10 %. Selbst bei einer Zurückbehaltungsquote von nur 30 % wäre der eine Kündigung tragende Rückstand nicht erreicht gewesen.

Soweit das Landgericht zu Ziffer 2. des Tenors den Beklagten im Urkundenprozess verurteilt hat, an die Klägerin 17.210,09 € nebst Zinsen Zug-um-Zug gegen Ausstellung einer Rechnung nach den Vorgaben des § 14 Abs. 4 UStG zu zahlen, entspreche auch dies nicht den gesetzlichen Vorgaben. Zum einen berücksichtige die Entscheidung nicht, dass das Verfahren insgesamt – also nicht nur im Urkundenprozess – bereits bei Erlass des Urteils insgesamt entscheidungsreif gewesen sei, da alle minderungsrelevanten Gutachten vorgelegen hätten und bereits seit Jahren Gegenstand mehrerer mündlicher Verhandlungen gewesen seien. Dass das Landgericht nicht zu früheren Zeiten ein Vorbehaltsurteil im Urkundenprozess gefällt habe, führe nicht dazu, dass bei nun ebenfalls seit langen Jahren vorliegender Entscheidungsreife auch unabhängig von den Beschränkungen des Urkundsprozesses noch ein Vorbehaltsurteil hätte ergehen dürfen. Dieses sei, aufzuheben, da vom Landgericht das Nachverfahren terminiert worden sei.

Auch in der Sache beruhe die Verurteilung des Beklagten auf der rechtsfehlerhaften Annahme des Landgerichts, die Kündigung aus November 2012 sei wirksam gewesen, weshalb das Zurückbehaltungsrecht des Beklagten seit diesem Tage entfallen sei. Grundsätzlich entspreche es der Rechtsprechung des BGH, dass ein Zurückbehaltungsrecht unabhängig von einer Mangelbeseitigung bei Beendigung des Mietverhältnisses ende. Letztere Voraussetzung habe aber gerade nicht vorgelegen, so dass auch das Zurückbehaltungsrecht weiterbestanden habe.

Aus Rechtsgründen gelte zudem, dass nach Ablauf des steuerlichen Vierjahreszeitraums sämtliche Möglichkeiten des Beklagten, die Mietzins- und Umsatzsteuerforderungen der Klägerseite steuerlich noch berücksichtigen zu können, endgültig abgelaufen seien. Da eine Rechnung der Klägerseite im Sinne des UStG auch im Jahr 2018 immer noch nicht vorgelegen habe, gelte nunmehr aus Rechtsgründen, dass die Klägerseite ihre Forderung nicht mehr durchsetzen kann, da diese vom Beklagten steuerlich im Rahmen seines Gewerbebetriebes, der bereits 2014 aufgegeben worden sei, nicht mehr berücksichtigt werden könne.

Soweit die Klägerin geltend macht, der Beklagte habe die Lüftungsanlage außer Betrieb gesetzt, bestreitet er dies.

Die Klägerin begehrt die Zurückweisung der Berufung und verteidigt insoweit das angefochtene Urteil.

Wenn der Beklagte für die Umsatzsteuer eine gesonderte Rechnung benötigt hätte, wäre ihm allenfalls auch in Höhe der Umsatzsteuer ein Nachteil entstanden. Sein Nachteil reduziere sich auf 19 % von 17.726,20 €. Der Beklagte habe sein Gewerbe aufgegeben und vorgetragen, dass es ihm nicht mehr möglich sei, die Vorsteuer noch in Abzug zu bringen. Damit entfalle das Zurückbehaltungsrecht. Der Beklagte sei vielmehr zur vorbehaltlosen Zahlung von 14.980,00 € zu verurteilen gewesen.

Die Klägerin legt gegen das Urteil des Landgerichts Rostock vom 20.03.2018 Anschlussberufung ein und beantragt,

das Urteil des Landgerichts Rostock vom 20.03.2018 in Ziffer 2. dahin abzuändern, dass der Beklagte im Urkundenprozess verurteilt wird, an die Klägerin 14.980,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf jeweils 267,50 € monatlich vom 05.02.2012, 05.03.2012, 05.04.2012, 05.05.2012, 05.06.2012, 05.07.2012, 05.08.2012, 05.09.2012, 05.10.2012, 05.11.2012, 05.12.2012, 05.01.2013 und 05.02.2013 sowie 2.846,20 € zzgl. Zinsen zu zahlen und zwar wegen dieses Betrages Zug-um-Zug gegen Ausstellung einer den Vorgaben des § 14 Abs. 4 UStG entsprechenden Rechnung für die in der Zeit von Januar 2012 bis 02.04.2014 seitens des Beklagten zu zahlende Miete bzw. Nutzungsentschädigung zu zahlen..

Der Beklagte beantragt,

die Anschlussberufung zurück zu weisen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien nimmt der Senat auf die zu Gericht gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 24.10.2019 Bezug.

II.

Die Berufung und die Anschlussberufung sind zulässig. Insbesondere ist die Anschlussberufung innerhalb der der Klägerin gesetzten Berufungserwiderungsfrist erhoben worden.

Während die Berufung des Beklagten keinen Erfolg hat, ist der Anschlussberufung der Klägerin Erfolg beschieden.

1.

Die Klägerin hat in erster Instanz zunächst Räumungsklage im ordentlichen Verfahren erhoben, welche sie im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens einseitig für erledigt erklärt hat. Sodann hat sie die Klage – soweit für das Berufungsverfahren noch von Interesse - um Zahlungsansprüche im Urkundsprozess erweitert.

Die Geltendmachung von Ansprüchen im Urkundsverfahren und im ordentlichen Verfahren nebeneinander im Wege der Klagehäufung ist nicht zu beanstanden. Der BGH (Urt. v. 28.11.2001, VIII ZR 75/00, BGHZ 149, 222 = NJW 2002, 751) hat ausgesprochen das Ansprüche im Urkundsprozess und im ordentlichen Verfahren im Wege der objektiven Klagehäufung im Sinne des § 260 ZPO neben einander geltend gemacht werden können (vgl. auch Beck-OK-ZPO/Bacher, § 260 Rn. 17; Musielak/Förster, ZPO, 16. Aufl., § 260 Rn. 6d; Vollkommer EWiR 2002, 409; Remmerbach, MDR 2002, 407; a. A. OLG Frankfurt, Urt. v. 12.02.2015, 3 U 117/14, MDR 2015, 671). Zwischen dem Urkundsprozess und dem ordentlichen Verfahren bestünden – anders als etwa beim Wechselprozess und dem ordentlichen Verfahren – keine so gravierenden Unterschiede, dass diese nicht verbunden werden könnten. Wesentlicher Unterschied sei allein die Beweisbeschränkung, der dadurch Rechnung getragen werden könne, dass über den Anspruch im Urkundsverfahren durch Teilurteil entschieden werde. Dann könne der ordentliche Anspruch mit dem Anspruch im Nachverfahren zusammen fortgeführt werden. Die Vermeidung widersprüchlicher Entscheidungen könne durch die Vorläufigkeit des Vorbehaltsurteils erreicht werden (Schultz, BGHReport, 2002, 251).

Die Entscheidung über das im Tenor in Ziffer 2. enthaltene Vorbehaltsteilurteil wird auch nicht dadurch entbehrlich, dass auch das Nachverfahren bereits in der Berufungsinstanz schwebt und am gleichen Tag wie dieses Verfahren verhandelt worden ist. Erst eine rechtskräftige Entscheidung im Nachverfahren ließe das Berufungsverfahren betreffend das Vorbehaltsurteil gegenstandslos werden (Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., § 600 Rn. 27, 28; Musielak/Voit, a.a.O., § 600 Rn. 11; Guhling/Günter-Geldmacher, Gewerberaummiete, 2. Aufl., Teil 16 Abschn. 1 Kap. 4 Rn. 38; OLG Braunschweig, Beschl. v. 23.04.199, 1 U 47/9, NJW-​RR 2000, 1094; für Unzulässigkeit des Rechtsmittels bei rechtskräftiger Klagabweisung im Nachverfahren MünchKomm-ZPO/Braun, § 600 Rn. 28). Das Nachverfahren ist vorliegend nicht rechtskräftig abgeschlossen. Die Zivilprozessordnung geht davon aus, dass die Rechtsmittelverfahren im Urkundenprozess und im Nachverfahren gleichzeitig laufen können. Die Entscheidung soll dort ergehen, wo sie zuerst ohne Mangel ergehen kann (BGH, Urt. v. 17.01.1973, VIII ZR 48/71, NJW 1973, 467 = MDR 1973, 312).

Soweit sich die Berufung des Beklagten dagegen richtet, dass das Landgericht die Erledigung der Räumungs- und Herausgabeanspruches der Klägerin festgestellt hat (Ziffer 1. des Urteilstenors), hat sie keinen Erfolg.

Die Klägerin hat zunächst Räumungs- und Herausgabeklage erhoben. Nachdem der Beklagte die Räume im April 2014 zurückgegeben hat, hat die Klägerin den Räumungs- und Herausgabeantrag für erledigt erklärt. Der Beklagte hat der Erledigung nicht zugestimmt. Da die Erledigungserklärung somit einseitig geblieben ist, ist vom Senat zu prüfen, ob auch tatsächlich Erledigung eingetreten ist. Dies ist der Fall, wenn die Räumungsklage zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses zulässig und begründet war und durch das erledigende Ereignis gegenstandslos geworden ist. Das ist vorliegend der Fall, denn das Mietverhältnis war zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses, am 03.04.2014, bereits beendet.

Das Landgericht hat zu Recht eine wirksame Kündigung wegen Zahlungsverzuges am 21.11.2012 angenommen und den Räumungsanspruch darauf gestützt. Zum Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung am 21.11.2012 bestand ein hinreichender Zahlungsrückstand für eine Kündigung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3b BGB.

a.

Dem Mietzahlungsanspruch der Klägerin und damit auch dem Verzug mit diesem kann der Beklagte nicht mit Erfolg ein Zurückbehaltungsrecht wegen der Nichterteilung einer Dauerrechnung betreffend die Umsatzsteuer entgegenhalten, weil die Einrede erst mit Schriftsatz vom 30.01.2013 erhoben worden ist.

Die Erteilung einer Dauerrechnung, die allein zur Vorlage vor den Finanzbehörden zur Geltendmachung steuerlicher Ansprüche dient, ist nicht Bestandteil der Erfüllung der in § 535 BGB bestimmten Hauptpflicht des Vermieters zur Gebrauchsüberlassung, sondern nur eine Nebenpflicht. Der Mieter kann auch ohne Vorliegen einer solchen Rechnung von der Mietsache uneingeschränkt Gebrauch machen. Als Nebenpflicht unterliegt die Rechnungslegung nicht dem Zurückbehaltungsrecht aus § 320 BGB, sondern demjenigen aus § 273 BGB. Dieses aber entfaltet seine Wirkung erst mit Erhebung der Einrede des Zurückbehaltungsrechtes und hat somit keine rückwirkende Hinderung des Verzuges zur Folge (Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl., § 286 Rn. 11; LG Aachen, Urt. v. 09.03.2016, 8 O 355/15, ZMR 2016, 779; OLG Köln, Beschl. v. 17.10.2017, 22 U 60/16, zit. nach juris).

Ob der Beklagte eine solche Rechnungslegung gegenüber den Rechtsvorgängern der Kläger bereits angemahnt hatte, kann der Senat dahinstehen lassen, denn die Klägerin muss sich dies nicht über § 566 BGB zurechnen lassen. Zum einen ist ein Zurückbehaltungsrecht nur gegenüber demjenigen wirksam ausgeübt, den der Vorwurf einer Vertragspflichtverletzung trifft und kann somit nicht gemäß § 566 BGB übergehen (BGH, Urt. v. 19.06.2006, VIII ZR 284/05, NZM 2006, 696 = GE 2006, 1034). Zum anderen kann jeder Erwerber der Mietsache für sich entscheiden, ob er zur Umsatzsteuerpflicht optieren möchte und somit überhaupt ein Anspruch auf Zahlung von Umsatzsteuer gegenüber dem Mieter entstehen kann.

b.

Der Beklagte kann auch ein Zurückbehaltungsrecht wegen der von ihm gerügten Mängel nicht mit Erfolg geltend machen.

Die Frage, in welchem Umfang und für welchen Zeitraum dem Mieter, der die mit Mängeln behaftete Mietsache weiter nutzen kann und auch nutzt, danach ein Leistungsverweigerungsrecht zusteht, entzieht sich einer allgemein gültigen Betrachtung. Sie ist vielmehr vom Tatrichter im Rahmen seines Beurteilungsermessens aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 320 Abs. 2, § 242 BGB) zu beantworten (BGH, Urt. v. 18.04.2007, XII ZR 139/05, NZM 2007, 484; BGH, Urt. v. 26.03.2003, XII ZR 167/01, NZM 2003, 437; BGH, Urt. v. 17.06.2015, VIII ZR 19/14, BGHZ 206, 1 = NZM 2015, 618; BGH, Urt. v. 10.04.2019, VIII ZR 39/18, NJW 2019, 1745).

Das Zurückbehaltungsrecht an den laufenden Mietzahlungen kann redlicherweise nur so lange ausgeübt werden, als es noch dem Zweck dient, den Vermieter durch den dadurch ausgeübten Druck zur Mangelbeseitigung anzuhalten. Ist aufgrund der Höhe des Mieteinbehalts und/oder der verstrichenen Zeit seit dem erstmaligen Einbehalt der Miete nicht mehr zu erwarten, dass der Vermieter seiner Verpflichtung auf Beseitigung des Mangels unter dem Druck der Leistungsverweigerung nachkommen wird, hat das Leistungsverweigerungsrecht seinen Zweck verfehlt, den Vermieter zur eigenen Vertragstreue anzuhalten. Mit einer weiteren Fortsetzung eines über die Minderung hinausgehenden Einbehalts würde der Zustand eintreten, dass der Mieter einen Mangel, der die Gebrauchstauglichkeit lediglich einschränkt, aber nicht aufhebt, hinnimmt, aber für einen längeren Zeitraum nicht die geschuldete (geminderte) Miete entrichtet (BGH, Urt. v. 17.06.2015, VIII ZR 19/14, BGHZ 206, 1 = NZM 2015, 618; LG Freiburg (Breisgau), Beschl. v. 02.05.2019, 3 S 10/18, zit. nach juris). Letzteres ist hier der Fall. Der Beklagte selbst hat in erster Instanz wiederholt vorgetragen, er habe, nachdem sich gezeigt habe, dass die Klägerin kein Interesse habe die Mängel zu beseitigen, sondern ihn aus dem Mietobjekt drängen wollte, von seinem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch gemacht, um die Mangelbeseitigungskosten anzusparen. Er hat mithin bereits bei der erstmaligen Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes zugrunde gelegt, dass die Klägerin die Mängelbeseitigung nicht durchführen werde. Somit konnte das Zurückbehaltungsrecht von Anfang an seinen Zweck als Druckmittel nicht erfüllen. Zudem wäre ein Zurückbehaltungsrecht zum Zeitpunkt der Kündigung nicht mehr gerechtfertigt gewesen, da der Vermieter sich nicht zur Mängelbeseitigung hatte bewegen lassen, obgleich der Beklagte über mehr als zehn Monate keinerlei Miete zahlte.

Der vom Beklagten angestrebte Spareffekt ist weder vom Normzweck des § 320 BGB gedeckt noch ist eine solche Vorgehensweise überhaupt erforderlich, denn dem Beklagten hätte ein Aufwendungsersatzanspruch nach § 536 a Abs. 2 BGB bei Vorliegen der dort bestimmten Voraussetzungen, mit welchem er gegen die Mieten hätte aufrechnen können, und dementsprechend ggf. ein Vorschussanspruch zur Seite gestanden (vgl. zur Rechtslage: BGH, Urt. v. 07.05.1971, V ZR 94/70, BGHZ 56, 136; BGH, Urt. v. 28.05.2008, VIII ZR 271/07, NJW 2008, 2432; BGH, Urt. v. 17.06.2015, VIII ZR 19/14, BGHZ 206, 1 = NZM 2015, 618).

c.

Der Beklagte meint, eine angemessene Minderung sei für die Heizungsleistung in der Heizperiode von 50 % der Miete und für die übrigen Mängel noch einmal 10 % angemessen gewesen. Unterstellt der Senat dies als richtig, verbleibt gleichwohl für die Zeit von Januar 2012 bis November 2012 ein Zahlungsrückstand, der die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 b BGB erfüllt.

2.

Ebenso erfolglos wendet sich die Berufung gegen die Verurteilung zur Zahlung im Urkundsprozess durch Vorbehaltsteilurteil in Ziffer 2. des Tenors des angefochtenen Urteils.

Die Zahlung rückständiger Miete kann im Urkundsprozess geltend gemacht werden. Der Vermieter muss nur darlegen und mit Urkunden belegen, dass er einen Anspruch auf die vereinbarte Miete hat. Dies kann er durch die Vorlage des Mietvertrages als Urkunde beleben. Die Mangelhaftigkeit der Mietsache und damit der Umstand, dass eine geringere Miete als die im Vertrag bestimmte aufgrund einer Minderung zu zahlen ist, ist ein Einwand des Mieters, den dieser vorzutragen und zu beweisen hat und zwar mit den hierfür nach §§ 595 Abs. 2, 598 ZPO zulässigen Beweismitteln (BGH, Beschl. v. 10.03.1999, XII ZR 321/97, NZM 1999, 401; BGH, Urt. v. 01.06.2005, VIII ZR 216/04, NZM 2005, 661; Both, NZM 2007, 156; Flatow, DWW 2008, 88).

Der Beklagte hat die von ihm eingewandten Mängel, die eine Minderung und ein Zurückbehaltungsrecht belegen sollen, nicht mit Urkunden belegt. Eine Parteivernehmung hat er hierzu nicht angeboten. Zutreffend führt das Landgericht auch aus, dass er sich im Urkundsprozess auch nicht auf die vom Landgericht gemäß § 411a ZPO aus dem Verfahren 3 U 52/18 stammenden und im ordentlichen Verfahren sowie im Nachverfahren verwerteten Gutachten stützen kann (BGH, Urt. v. 18.09.2007, XI ZR 211/06, MDR 2008, 160).

Der Geltendmachung der Ansprüche im Urkundsprozess steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin ihre Rechtsnachfolge im Mietvertrag nicht gemäß § 593 ZPO mit Urkunden belegt hat. Die lückenlose Belegung mit Urkunden ist jedenfalls dann entbehrlich, wenn dem Gericht sowie dem Gegner entsprechende Informationen durch Einsichtnahme in öffentliche Register oder wie hier das Grundbuch zur Verfügung stehen.

Der Beklagte kann der Zulässigkeit des Vorbehaltsteilurteils nicht die lange Verfahrensdauer in erster Instanz entgegenhalten. Zwar soll der Urkundsprozess dem Kläger einen schnelleren vollstreckbaren Titel verschaffen. Allerdings sieht das Gesetz nicht vor, dass eine lange Verfahrensdauer den Kläger zwingen könnte, vom Urkundsprozess Abstand zu nehmen. Daher ist auch der Einwand des Beklagten, das Landgericht habe kein Vorbehaltsurteil erlassen dürfen, weil der Rechtsstreit im Nachverfahren bereits entscheidungsreif gewesen sei, fern der Regelungen der Zivilprozessordnung.

3.

Die Anschlussberufung der Klägerin hat hingegen Erfolg. Sie hat mit dieser beantragt, das Urteil dahin abzuändern, dass der Beklagte im Urkundenprozess verurteilt wird, an die Klägerin 14.980,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf jeweils 267,50 € monatlich vom 05.02.2012 fortlaufend bis 05.02.2013 zu zahlen. Weiter solle die Beklagte im Urkundsprozess verurteilt werden, weitere 2.846,20 € zzgl. Zinsen zu zahlen und zwar wegen dieses Betrages Zug um Zug gegen Ausstellung einer den Vorgaben des § 14 Abs. 4 UStG entsprechenden Rechnung für die in der Zeit von Januar 2012 bis 02.04.2014 seitens des Beklagten zu zahlende Miete bzw. Nutzungsentschädigung.

Das Landgericht hätte eine entsprechende Zug-um-Zug-Leistung bereits im Urkundsprozess nicht aussprechen dürfen. Der Zug-um-Zug-Ausspruch ist Ausfluss eines Zurückbehaltungsrechtes, welches der Fälligkeit des Leistungsanspruches des Gegners entgegengehalten wird, welches seiner Geltendmachung bedarf. Somit trägt derjenige, der sich hierauf beruft für das Vorliegen der Voraussetzungen die Vortrags- und Beweislast. Gemäß § 598 sind Einwendungen des Beklagten, wenn der dem Beklagten obliegende Beweis nicht mit den im Urkundenprozess zulässigen Beweismitteln angetreten oder mit solchen Beweismitteln nicht vollständig geführt ist, als im Urkundenprozess unstatthaft zurück zu weisen. Da der Beklagte die Voraussetzungen eines Anspruches auf Erteilung einer Dauerrechnung nicht mit Urkunden belegen kann, ist er insoweit ins Nachverfahren verwiesen.

Überdies hat die Klägerin die Zug-um-Zug-Leistung im Nachverfahren bereits bewirkt, so dass der Beklagte vollständig ohne Ausspruch einer Zug-um-Zug-Leistung zu verurteilen wäre. Sie hat entsprechende Rechnungen mit Schriftsatz vom 18.09.2018 vorgelegt. Der Senat ist an einem solchen Ausspruch allerding gemäß § 308 ZPO gehindert, da dieser über den Antrag der Klägerin aus der Anschlussberufung hinausgehen würde. Der Senat hierauf in der mündlichen Verhandlung vom 24.10.2019 hingewiesen.

Soweit die Klägerin mit der Anschlussberufung Zinsen auf weitere 2.846,20 € begehrt hat, konnte der Senat diesem Antrag mangels hinreichender Bestimmtheit nicht entsprechen.

4.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Dabei war die Berufungsrücknahme der Klägerin zu berücksichtigen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe, die Revision zuzulassen, sieht der Senat nicht.