LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 07.12.2017 - 5 Sa 35/17
Fundstelle
openJur 2020, 11938
  • Rkr:

1. Wird nicht der gesamte Betrieb, sondern nur ein Betriebsteil übernommen, muss der Arbeitnehmer dem übertragenen Betriebsteil oder Bereich angehören, damit sein Arbeitsverhältnis gemäß § 613a BGB auf den Erwerber übergeht. Es ist stets erforderlich, dass der Arbeitnehmer in den übertragenen Betriebsteil tatsächlich eingegliedert war, sodass es insbesondere nicht ausreicht, dass er Tätigkeiten für den übertragenen Teil verrichtet hat, ohne in dessen Struktur eingebunden gewesen zu sein.

2. Die Arbeitsverhältnisse von Mitarbeitern einer Zentralverwaltung für mehrere Produktionsstätten und weitere Gesellschaften des Unternehmensverbandes sind nicht notwendig von einem Betriebsteilübergang der Produktionsstätten erfasst.

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 02.02.2017 - 5 Ca 825/16 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung, insbesondere darüber, ob das Arbeitsverhältnis der Klägerin von einem Betriebsteilübergang erfasst wird.

Die 1976 geborene Klägerin schloss am 22.05.2012 mit der einen Arbeitsvertrag zum 01.06.2012 über eine Vollzeitbeschäftigung als Personalreferentin mit einem Monatsgehalt von zunächst € 4.000,- brutto. Zum 10.02.2014 übertrug die Arbeitgeberin ihr die Aufgaben der Personalleiterin und zahlte ihr zuletzt eine Vergütung von € 6.200,- brutto monatlich. Die Klägerin ist ledig und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet.

Die in W. ansässige betrieb drei Werke, in denen sie Holzpellets und Holzhackschnitzel für Heizungsanlagen produzierte. In W., zugleich Stammsitz des Unternehmens, waren rund 50 Arbeitnehmer in der Produktion beschäftigt. Eine weitere Betriebsstätte befand sich in E. in der Nähe von F. i.B., in der ebenfalls rund 50 Arbeitnehmer tätig waren. Das dritte Werk in H. nahe U. beschäftigte rund 40 Arbeitnehmer. Die zentrale Verwaltung dieser Produktionsstätten sowie weiterer, dem Unternehmensverbund angehöriger Gesellschaften befand sich in W.. In dem Bürogebäude in W. waren zwischen 100 und 130 Mitarbeiter untergebracht, denen insbesondere die Aufgabenbereiche Buchhaltung, Vertrieb, Einkauf, Projektentwicklung, Disposition, Energiemanagement, IT, Versicherung und Reporting oblagen. Hinzu kam die Personalabteilung, die neben der Klägerin aus zwei weiteren Arbeitnehmern bestand. Die Personalabteilung betreute nicht nur die Arbeitnehmer der drei oben genannten Werke, sondern auch die Beschäftigten weiterer verbundener Gesellschaften, nämlich der G. P. S. GmbH in T. mit etwa 30 Arbeitnehmern, der G. P. B. GmbH und der G. H. P. GmbH. In der zentralen Verwaltung waren u. a. in der Buchhaltung rund 10 Arbeitnehmer beschäftigt, im Bereich Vertrieb rund 30 Arbeitnehmer, im Bereich Einkauf (Rohstoff- und technischer Einkauf) 9 Arbeitnehmer, im Bereich Logistik/Logistik International 11 Arbeitnehmer.

Mit Beschluss vom 10.02.2016 bestellte das Amtsgericht Schwerin (Aktenzeichen 580 IN 64/16) die Beklagte zur vorläufigen und mit Beschluss vom 22.02.2016 zur vorläufigen G. P. S. GmbH (Aktenzeichen 580 IN 99/16).

Zum 01.05.2016 eröffnete das Amtsgericht Schwerin das Insolvenzverfahren über das Vermögen der G. P. GmbH, nachdem es bereits zum 01.04.2016 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der G. P. S. GmbH eröffnet hatte. Die zur Insolvenzverwalterin bestellte Beklagte veräußerte mit Kaufvertrag vom 01.05.2016 die Produktionsanlagen und -mittel in W. an die neu gegründete W. P. GmbH. Die Käuferin übernahm zudem das Verwaltungsgebäude einschließlich der Ausstattung (Möbel, Hard- und Software, Telefonanlage). Die Werke in E. und H. verkaufte die Insolvenzverwalterin an die JRS R. & Söhne GmbH & Co. KG.

Die Beklagte stellte mit Schreiben vom 01.05.2016 die Klägerin unwiderruflich von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung frei und kündigte mit Schreiben vom 12.05.2016, der Klägerin zugegangen am 13.05.2016, das Arbeitsverhältnis aus dringenden betrieblichen Erfordernissen ordentlich zum 31.08.2016. Hiergegen hat sich die Klägerin mit ihrer am 02.06.2016 beim Arbeitsgericht eingegangenen Kündigungsschutzklage gewandt. Im Verlauf des Verfahrens hat sie der W. P. GmbH den Streit verkündet.

Die veräußerten Werke gingen zum 01.07.2016 auf die neuen Inhaber über. Die W. P. GmbH stellte nach und nach die folgenden Mitarbeiter aus der früheren Zentralverwaltung neu ein:

FrühererVerwaltungs-bereichAn-zahlName   Neuer AufgabenbereichBuchhaltung2       Frau S.Herrn J.Buchhaltung, Accounting, VerkaufTeamleiter Buchhaltung, Accounting, PersonalVertrieb2       Herrn H. Frau M.Leiter Verkauf, Sales ManagerMitarbeiterin VerkaufEinkauf3       Frau L.Herrn S.Herrn K.Einkauf, Purchasing, BuchhaltungEinkauf, PurchasingWerksleiterLogistik/Logistik International2       Herrn P.Herrn S.LogistikleiterMitarbeiter LogistikEnergiemanagement1       Herrn S.Projektkoordination, Arbeitssicherheit, EnergiemanagementSekretariat1       Herrn H.Sales MitarbeiterRezeption1       Frau S.Rezeption

Nicht übernommen hat sie von den früheren leitenden Mitarbeitern: den Kaufmännischen Leiter, den Werksleiter, den Leiter Rechnungswesen, die Leiterin Disposition, den Leiter Rohstoffeinkauf, den Fuhrparkleiter, die Leiterin Öffentlichkeitsarbeit, den Leiter Internationaler Handel, den Leiter Marketing/Kommunikation, den Leiter Energiemanagement, den Leitenden Projektmanager, den Leiter IT, die Leiterin Personal und den Teamleiter Treasury.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt, da es keine betriebsbedingten Gründe gebe. Der Betriebsteil W. sei im Wege des Betriebsübergangs auf die W. P. GmbH übergegangen. Diese Gesellschaft habe nicht nur die Produktionsanlagen übernommen, sondern auch das Verwaltungsgebäude mit Einrichtung, den gesamten Kundenstamm und über die oben aufgeführten Mitarbeiter hinaus noch einen weiteren Beschäftigten, nämlich den ehemaligen Assistenten der Geschäftsführung. Die W. P. GmbH habe die Betriebstätigkeit ohne Unterbrechung fortgeführt. Der Betrieb in W. könne nicht in einen Produktions- und einen Verwaltungsteil aufgespalten werden. Die Kündigung sei wegen eines Betriebsübergangs ausgesprochen worden und verstoße deshalb gegen § 613a Abs. 4 BGB.

Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 12.05.2016 mit Ablauf des 31.08.2016 sein Ende gefunden hat.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Kündigung sei wirksam, da eine Weiterbeschäftigung aus betrieblichen Gründen nicht möglich sei. Im unmittelbaren Anschluss an die Veräußerung der Produktionsstätten habe sich die Beklagte entschieden, den Betriebsteil Overhead/Administration stillzulegen und die Arbeitsverhältnisse mit allen Arbeitnehmern zu beenden, soweit diese nicht für die Abwicklung des Insolvenzverfahrens notwendig seien oder ein besonderer Kündigungsschutz bestehe. Nach dem Übergang der Werke sei kein zu verwaltender Betrieb mehr vorhanden gewesen. Zwar habe es mehrere Betriebsteilübergänge gegeben. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin sei jedoch nicht einem der übergegangenen Betriebsteile zuzuordnen, sondern dem stillgelegten Betriebsteil Overhead/Administration. Das Personalwesen habe die W. P. GmbH nicht übernommen. Die W. P. GmbH habe zwar einzelne Mitarbeiter aus dem früheren Verwaltungsbereich neu eingestellt, jedoch nicht den nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Verwaltungspersonals weiterbeschäftigt. Zudem habe die W. P. GmbH das bisherige Geschäftsmodell grundlegend geändert, indem sie anstelle des vormaligen Verkaufs an Privat- und Endkunden (Business-to-Consumer) nunmehr über Händler vertreibe (Business-to-Business). Der gesamte Kundenstamm sei deshalb gerade nicht übernommen worden.

Das Arbeitsgericht Schwerin hat die Klage mit Urteil vom 02.02.2017 abgewiesen und zur Begründung angeführt, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt sei. Nachdem das Arbeitsverhältnis der Klägerin nicht im Wege eines Betriebsteilübergangs auf einen anderen Inhaber übergegangen sei, gebe es bei der Insolvenzverwalterin keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit mehr. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin sei nicht dem Betriebsteil zuzuordnen, der auf die W. P. GmbH übergegangen sei, sondern der Zentralverwaltung. Die Zentralverwaltung habe aber kein anderer Inhaber übernommen. Die W. P. GmbH beschäftigte nicht den nach Anzahl oder Sachkunde wesentlichen Teil des Personals der bisherigen Zentralverwaltung weiter, sondern nur wenige einzelne Mitarbeiter.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer fristgerecht eingelegten Berufung. Das angefochtene Urteil überzeuge nicht. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin sei auf die W. P. GmbH übergegangen. Die Produktion und die Verwaltung am Standort W. seien stets eine Einheit gewesen. An dieser Organisationsstruktur habe der spätere Zuwachs durch weitere Standorte in Süddeutschland nichts Wesentliches geändert. Der Schwerpunkt habe weiterhin in W. gelegen. Die W. P. GmbH habe nicht nur die Produktionsanlagen, sondern auch die Liegenschaft der Verwaltung nebst Inventar und Kundendaten übernommen. Das genüge für einen Betriebsübergang, da es sich um die wesentlichen sächlichen und immateriellen Betriebsmittel handele und im Übrigen weiterhin ein Bedarf an Verwaltungstätigkeiten bestehe. Sofern der neue Inhaber für seine Verwaltung nicht mehr alle Arbeitnehmer benötige, könne er ggf. betriebsbedingt kündigen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 02.02.2017 - 5 Ca 825/16 - abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 12.05.2016 mit Ablauf des 31.08.2016 sein Ende gefunden hat.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie hält die Berufung bereits für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet. Das Arbeitsgericht habe den Rechtsstreit zutreffend entschieden. Die Kündigung sei aus betriebsbedingten Gründen gerechtfertigt. Die Insolvenzverwalterin benötige für die Abwicklung des Unternehmens keine Personalleiterin mehr. Sie habe im Anschluss an die Veräußerung der drei Werke die Zentralverwaltung stillgelegt. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin sei nicht von den Betriebsteilübergängen erfasst worden, da es nicht der Produktion in W. zuzuordnen sei. Anders als es die Klägerin darstelle, habe der Betriebsteil Overhead/Administration nicht hauptsächlich die Aufgabe gehabt, die am gleichen Standort ansässige Produktionsstätte zu verwalten. Das könne schon angesichts eines zahlenmäßigen Verhältnisses von 2:1 von Verwaltungs- zu Produktionsmitarbeitern am Standort W. nicht stimmen. Die W. P. GmbH nutze die Räumlichkeiten der früheren Zentralverwaltung nur zu einem Viertel und habe die anderen Räume samt Inventar weitervermietet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Sitzungsprotokolle sowie das angegriffene arbeitsgerichtliche Urteil verwiesen.

Gründe

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Das Berufungsgericht nimmt Bezug auf die Ausführung der Vorinstanz.

Die ordentliche Kündigung vom 12.05.2016 zum 31.08.2016 ist wirksam. Sie verstößt weder gegen § 1 KSchG noch gegen § 613a Abs. 4 BGB.

Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeits-verhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 1 KSchG). Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG).

Dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG, die eine Kündigung bedingen, liegen vor, wenn die Umsetzung einer unternehmerischen (Organisations-)Entscheidung spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist zu einem voraussichtlich dauerhaften Wegfall des Bedarfs an einer Beschäftigung des betroffenen Arbeitnehmers führt. Diese Prognose muss schon im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung objektiv berechtigt sein (BAG, Urteil vom 22. Oktober 2015 - 2 AZR 650/14 - Rn. 32, juris = NZA 2016, 630; BAG, Urteil vom 20. November 2014 - 2 AZR 512/13 - Rn. 14, juris = NZA 2015, 679). Die Stilllegung eines Betriebs oder Betriebsteils ist eine Unternehmerentscheidung, die zum Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten führen kann.

Um eine Betriebsstilllegung handelt es sich aber nicht, wenn ein Betrieb oder Betriebsteil an einen anderen Inhaber veräußert wird. Betriebsstilllegung und Betriebsveräußerung schließen sich systematisch aus. Dabei kommt es auf das tatsächliche Vorliegen des Kündigungsgrundes und nicht auf die vom Arbeitgeber gegebene Begründung an. Eine vom Arbeitgeber mit einer Stilllegungsabsicht begründete Kündigung ist nur dann sozial gerechtfertigt, wenn sich die geplante Maßnahme objektiv als Betriebsstilllegung und nicht als Betriebsveräußerung darstellt, weil etwa die für die Fortführung des Betriebs wesentlichen Gegenstände einem Dritten überlassen werden sollen, der Veräußerer diesen Vorgang aber rechtlich unzutreffend als Betriebsstilllegung wertet. An einer Stilllegung des Betriebs fehlt es nicht nur dann, wenn der gesamte Betrieb veräußert wird, sondern auch, wenn organisatorisch abtrennbare Teile des Betriebs im Wege eines Betriebsteilübergangs (§ 613a Abs. 1 Satz 1 BGB) veräußert werden. Dann liegt keine Betriebsstilllegung, sondern allenfalls eine Betriebsteilstilllegung vor. Wird ein Betriebsteil veräußert und der verbleibende Restbetrieb stillgelegt, kommt es darauf an, ob der gekündigte Arbeitnehmer dem auf einen Erwerber übergehenden Betriebsteil zugeordnet war. Ist dies nicht der Fall, so kann die Stilllegung des Restbetriebs einen betriebsbedingten Kündigungsgrund darstellen, wenn die Arbeitnehmer diesem Betriebsteil zugeordnet waren (BAG, Urteil vom 21. Mai 2015 - 8 AZR 409/13 - Rn. 33, juris = EzA § 613a BGB 2002 Nr. 165).

Ein Betriebsübergang oder Betriebsteilübergang im Sinne von § 613a Abs. 1 BGB in Verbindung mit der Richtlinie 2001/23/EG vom 12.03.2001 (ABl. EG L 82 vom 22.03.2001 S. 16) liegt vor, wenn ein neuer Rechtsträger eine bestehende wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortführt (EuGH, Urteil vom 06. März 2014 - C-458/12 - [Amatori ua.] Rn. 30, juris = NZA 2014, 423; BAG, Urteil vom 21. Mai 2015 - 8 AZR 409/13 - Rn. 33, juris = EzA § 613a BGB 2002 Nr. 165; BAG, Urteil vom 19. März 2015 - 8 AZR 150/14 - Rn. 16, juris = AP Nr. 461 zu § 613a BGB; BAG, Urteil vom 22. Januar 2015 - 8 AZR 139/14 - Rn. 13, juris = EzA § 613a BGB 2002 Nr. 160).

Dabei muss es um eine auf Dauer angelegte Einheit gehen, deren Tätigkeit nicht auf die Ausführung eines bestimmten Vorhabens beschränkt ist. Um eine solche Einheit handelt es sich bei jeder hinreichend strukturierten und selbstständigen Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigenem Zweck (EuGH, Urteil vom 06. März 2014 - C-458/12 - [Amatori ua.] Rn. 31, juris = NZA 2014, 423; BAG, Urteil vom 21. Mai 2015 - 8 AZR 409/13 - Rn. 36, juris = EzA § 613a BGB 2002 Nr. 165; BAG, Urteil vom 19. März 2015 - 8 AZR 150/14 - Rn. 17, juris = AP Nr. 461 zu § 613a BGB; BAG, Urteil vom 22. Januar 2015 - 8 AZR 139/14 - Rn. 14, juris = EzA § 613a BGB 2002 Nr. 160).

Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgebenden Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- oder Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu. Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit ihre Identität bewahrt, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören namentlich die

• Art des Unternehmens oder Betriebs,

• der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter,

• der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs,

• die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber,

• der etwaige Übergang der Kundschaft sowie

• der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeiten.

Diese Umstände sind jedoch nur Teilaspekte der vorzunehmenden Gesamtbewertung und dürfen deshalb nicht isoliert betrachtet werden (BAG, Urteil vom 21. Mai 2015 - 8 AZR 409/13 - Rn. 37, juris = EzA § 613a BGB 2002 Nr. 165; BAG, Urteil vom 19. März 2015 - 8 AZR 150/14 - Rn. 18, juris = AP Nr. 461 zu § 613a BGB; BAG, Urteil vom 22. Januar 2015 - 8 AZR 139/14 - Rn. 15, juris = EzA § 613a BGB 2002 Nr. 160).

Kommt es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft an, kann eine strukturierte Gesamtheit von Arbeitnehmern trotz des Fehlens nennenswerter materieller oder immaterieller Vermögenswerte eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Wenn eine Einheit ohne nennenswerte Vermögenswerte funktioniert, kann die Wahrung ihrer Identität nach ihrer Übernahme nicht von der Übernahme derartiger Vermögenswerte abhängen. Die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit ist in diesem Fall anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt (EuGH, Urteil vom 06. September 2011 - C-108/10 - [Scattolon] Rn. 49 ff., juris = NZA 2011, 1077; BAG, Urteil vom 21. Mai 2015 - 8 AZR 409/13 - Rn. 38, juris = EzA § 613a BGB 2002 Nr. 165; BAG, Urteil vom 19. März 2015 - 8 AZR 150/14 - Rn. 19, juris = AP Nr. 461 zu § 613a BGB; BAG, Urteil vom 22. Januar 2015 - 8 AZR 139/14 - Rn. 16, juris = EzA § 613a BGB 2002 Nr. 160).

Dem Übergang eines gesamten Betriebs steht, soweit die Voraussetzungen des § 613a BGB erfüllt sind, der Übergang eines Betriebsteils gleich. Dies ist unabhängig davon, ob die übergegangene wirtschaftliche Einheit ihre Selbstständigkeit innerhalb der Struktur des Erwerbers bewahrt oder nicht; es genügt, wenn die funktionelle Verknüpfung zwischen den übertragenen Produktionsfaktoren beibehalten und es dem Erwerber derart ermöglicht wird, diese Faktoren zu nutzen, um derselben oder einer gleichartigen wirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen (EuGH, Urteil vom 12. Februar 2009 - C-466/07 - [Klarenberg] Rn. 53, juris = NJW 2009, 2029; BAG, Urteil vom 22. Januar 2015 - 8 AZR 139/14 - Rn. 20, juris = EzA § 613a BGB 2002 Nr. 160).

Wird nicht der gesamte Betrieb, sondern nur ein Betriebsteil übernommen, muss der Arbeitnehmer dem übertragenen Betriebsteil oder Bereich angehören, damit sein Arbeitsverhältnis gemäß § 613a BGB auf den Erwerber übergeht. Für die Frage, welchem Betrieb oder Betriebsteil ein Arbeitnehmer zugeordnet ist, kommt es zunächst auf den Willen der Arbeitsvertragsparteien an. Liegt ein solcher weder in ausdrücklicher noch in konkludenter Form vor, so erfolgt die Zuordnung grundsätzlich - ausdrücklich oder konkludent - durch den Arbeitgeber aufgrund seines Direktionsrechts (BAG, Urteil vom 17. Oktober 2013 - 8 AZR 763/12 - Rn. 24, juris = NZA-RR 2014, 175). Entscheidend ist zunächst, in welchem Betriebsteil der Arbeitnehmer vor der (Teil-)Betriebsveräußerung überwiegend tätig war. Es kommt auf den Schwerpunkt der Tätigkeit an (BAG, Urteil vom 17. Oktober 2013 - 8 AZR 763/12 - Rn. 28, juris = NZA-RR 2014, 175; BAG, Urteil vom 24. Januar 2013 - 8 AZR 706/11 - Rn. 68, juris = DB 2013, 1556).

Auszugehen ist von einer strukturellen Betrachtungsweise: Es ist stets erforderlich, dass der Arbeitnehmer in den übertragenen Betriebsteil tatsächlich eingegliedert war, sodass es insbesondere nicht ausreicht, dass er Tätigkeiten für den übertragenen Teil verrichtet hat, ohne in dessen Struktur eingebunden gewesen zu sein. Dies gilt selbst dann, wenn die Tätigkeiten des Arbeitnehmers (nahezu) ausschließlich oder überwiegend dem übergehenden Betriebsteil zu Gute gekommen sind (BAG, Urteil vom 17. Oktober 2013 - 8 AZR 763/12 - Rn. 34 f., juris = NZA-RR 2014, 175; BAG, Urteil vom 24. Januar 2013 - 8 AZR 706/11 - Rn. 62, juris = DB 2013, 1556).

Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist nicht im Wege eines Betriebsübergangs bzw. Betriebsteilübergangs auf einen anderen Inhaber übergegangen. Es sind zwar Betriebsteile der Insolvenzschuldnerin auf die W. P. GmbH und die JRS R. & Söhne GmbH & Co. KG übergegangen; das Arbeitsverhältnis der Klägerin war davon jedoch nicht erfasst. Die Beklagte hat den verbliebenen Teil des Betriebs im Rahmen ihrer unternehmerischen Entscheidungsfreiheit stillgelegt, womit der Beschäftigungsbedarf für die Klägerin als Personalleiterin entfiel.

Der Betrieb der Insolvenzschuldnerin bestand aus drei verschiedenen, räumlich getrennten Produktionsstätten für Holzpellets und Holzhackschnitzel mit jeweils etwa 40 bis 50 Beschäftigten, die von einer zentralen Verwaltungseinheit mit mehr als 100 Beschäftigten, ansässig an einem der drei Standorte, geleitet wurden. Die zentrale Verwaltungseinheit hatte darüber hinaus die Aufgabe, weitere verbundene Unternehmen zu betreuen.

Die Beklagte hat diese bestehende wirtschaftliche Einheit nicht als Ganzes an einen neuen Rechtsträger veräußert, sondern nur Teile daraus, nämlich die drei Produktionsstätten einschließlich der Produktionsmittel. Die zentrale Verwaltungseinheit ist kein organisatorischer Bestandteil einer dieser drei, personell etwa gleich ausgestatteten Produktionsstätten. Die räumliche Nähe zum Werk in W. ändert nichts an der Organisation des Betriebsaufbaus. Die räumliche Nähe kann ggf. ein Anlass sein, bestimmte Einheiten eines Betriebs organisatorische zusammenzufassen. Zwingend ist das jedoch nicht. Die Insolvenzschuldnerin hat keine Verwaltungs- und Leitungseinheiten gebildet, die den Produktionsstätten direkt zugeordnet und in deren Struktur eingebunden waren. Stattdessen hat sie eine übergeordnete Verwaltungseinheit geschaffen, deren Zuständigkeit sogar noch über die drei Werke hinausging, da diese zugleich andere Gesellschaften der Unternehmensgruppe zu betreuen hatte. Die zentrale Verwaltung war den Produktionsstätten übergeordnet, also gerade nicht strukturell in diese eingebunden. Die Mitarbeiter der zentralen Verwaltung waren nicht nur für das Werk in W. tätig. Innerhalb der Zentralverwaltung gab es keine organisatorischen Einheiten, die nur dem Werk in W. bzw. nur den anderen Werken in E. und H. oder nur anderen Unternehmen zugeordnet waren.

Die W. P. GmbH hat zwar neben der Produktionsstätte und den Produktionsmitteln zur Herstellung von Pellets und Holzhackschnitzeln auch das Gebäude der zentralen Verwaltung nebst Inventar übernommen. Der Übergang dieser materiellen Betriebsmittel genügt jedoch noch nicht, um einen Betriebsteilübergang anzunehmen. Die W. P. GmbH hat nicht eine bestehende wirtschaftliche Einheit, die Zentralverwaltung, unter Wahrung ihrer Identität fortgeführt. Das war ihr schon deshalb nicht möglich, weil zwei von drei Werken anderweitig veräußert waren und die Betreuung weiterer Unternehmen nicht anstand. Zur Identität der bisherigen Zentralverwaltung gehörte die dort konzentrierte Dienstleistung für verschiedene Produktionsstätten und verschiedene Unternehmen. Dem entsprach eine personelle Ausstattung der Zentralverwaltung mit mehr als 100 Beschäftigten. Diese Einheit hat die W. P. GmbH nicht mehr oder weniger unverändert weitergeführt mit der Folge, dass alle dort tätigen Mitarbeiter auf sie übergingen.

Zwar hat sie einzelne Mitarbeiter aus der Zentralverwaltung neu eingestellt. Dabei handelt es sich aber nicht um den nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals. Die W. P. GmbH hat lediglich 12 von zuvor mehr als 100 Mitarbeitern weiterbeschäftigt. Das sind nur rund 10 % der Mitarbeiter der Zentralverwaltung, also zahlenmäßig kein wesentlicher Teil des Personals. Die W. P. GmbH nutzt dementsprechend nur einen geringen Teil der Sachkunde, die vormals in der Zentralverwaltung gebündelt war.

Die Klägerin war nicht dem Betriebsteil Produktion in W. zugeordnet. Als Personalleiterin war sie betriebsteilübergreifend für alle Standorte und für weitere verbundene Unternehmen tätig. Sie hat zwar auch für die Produktion in W. gearbeitet, war aber nicht in diese organisatorische Einheit eingebunden, sondern war ihr übergeordnet. Ihr Aufgabengebiet erstreckte sich weit über den Produktionsbetrieb in W. hinaus. Die Klägerin war nicht in dem übergegangenen Betriebsteil eingegliedert. Sie hat ihre Arbeitsleistung nicht in dieser organisatorischen Einheit, sondern nur für diese Einheit erbracht.

Da das Arbeitsverhältnis der Klägerin nicht von den Betriebsteilübergängen erfasst wird, kommt ein Verstoß gegen § 613a Abs. 4 BGB nicht in Betracht. Die Kündigung beruht nicht auf den Übergängen der Produktionsanlagen und -mittel auf andere Inhaber, sondern auf der Stilllegung des restlichen Betriebsteils, dem die Klägerin angehört hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Der Rechtsstreit wirft keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.

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