LAG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 17.01.2017 - 5 TaBV 8/16
Fundstelle
openJur 2020, 11867
  • Rkr:

1. Ein zu Lasten des Arbeitgebers begangener versuchter Prozessbetrug kann ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung sein. Ein Arbeitnehmer verletzt vertragliche Nebenpflichten, wenn er im Rechtsstreit um eine Kündigung bewusst wahrheitswidrig vorträgt, weil er befürchtet, mit wahrheitsgemäßen Angaben den Prozess nicht gewinnen zu können. Parteien dürfen jedoch zur Verteidigung von Rechten in den Grenzen der Wahrheitspflicht alles vortragen, was als rechts-, einwendungs- oder einredebegründender Umstand prozesserheblich sein kann. Jede Äußerung in einem Prozess ist in ihrem Kontext zu sehen und darf nicht aus dem Zusammenhang gerissen werden.

2. Privattelefonate während der Arbeitszeit können eine außerordentliche Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen, wenn die Telefonate ein exzessives Ausmaß erreicht haben. Ein exzessives Ausmaß ist regelmäßig bei einem Zeitanteil von 15 - 20 % der Arbeitszeit anzunehmen. Liegt der Zeitanteil der Privattelefonate weit darunter (hier 2,6 %), ist die Pflichtverletzung grundsätzlich nicht so schwerwiegend, dass eine Abmahnung verzichtbar erscheint, sofern nicht der Arbeitnehmer seine Arbeitspflichten in sonstiger Weise erheblich vernachlässigt hat.

Tenor

1. Die Beschwerde der beteiligten Arbeitgeberin (Beteiligte zu 1) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stralsund vom 22.02.2016 - 1 BV 2/15 - wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die beteiligte Arbeitgeberin begehrt die Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zu-stimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3) wegen der Vorwürfe, im Kündigungsschutzprozess mit der Arbeitgeberin falsch vorgetragen und versucht zu haben, einen Zeugen zur Falschaussage zu bewegen, sowie während der Arbeitszeit privat telefoniert zu haben.

Die Arbeitgeberin betreibt bundesweit zahlreiche Kinos. Der Beteiligte zu 3) ist der Vorsitzende des im Kino C-Stadt gebildeten dreiköpfigen Betriebsrats, des Beteiligten zu 2).

Der 1961 geborene Beteiligte zu 3) ist seit dem 01.10.1997 bei der Arbeitgeberin bzw. der vorherigen Betriebsinhaberin als Leiter Haustechnik mit zusätzlichem Tätigkeitsschwerpunkt Filmvorführung beschäftigt. Seine regelmäßige Arbeitszeit betrug zuletzt 173 Stunden/Monat.

Am 16.09.2013 unterzeichneten der Theaterleiter des Kinos G., Herr R., und der damalige Vorsitzende des Betriebsrats, Herr K., die folgende

"Betriebsvereinbarung über einenInteressenausgleichüber die Einführung und den Betrieb der digitalen Projektionstechnik

...

Der Arbeitgeber beabsichtigt die vollständige Digitalisierung sämtlicher Kinosäle des Betriebes (Volldigitalisierung). ...

Die Volldigitalisierung stellt eine Betriebsänderung i.S.d. § 111 BetrVG dar. Der Betriebsrat wurde über dieses Vorhaben umfassend und vollständig unterrichtet und die Parteien haben über die daraus folgenden Maßnahmen im Einzelnen beraten.

Vor diesem Hintergrund vereinbaren die Parteien Folgendes:

...

§ 2Einführung digitaler Projektionstechnik / Schulung der Mitarbeiter

1. Der Arbeitgeber führt die digitale Projektionstechnik mit Zustimmung des Betriebsrats in allen Kinosälen an diesem Standort ein. Durch die Einführung der digitalen Projektionstechnik wird die bisher genutzte analoge Projektionstechnik zum Großteil aufgeben. Die vorhandenen analogen Projektoren werden durch digitale Systeme ersetzt, mit Ausnahme von zwei Kinosälen, die auch weiterhin bei Bedarf analog bespielt werden können.

2. Die Einführung der digitalen Projektionstechnik wird voraussichtlich bis zum 01.10.2013 beendet sein.

...

§ 4Folgen für die Mitarbeiter / Arbeitsrechtliche Maßnahmen

1. Durch den weitgehenden Wegfall der analogen Projektion und die Vernetzung der digitalen Projektoren einschließlich der Einführung der zentralen Steuerung in diesem Kinobetrieb wird es zu einer Verringerung des Arbeitskräftebedarfs in der Projektion kommen. ... Die zukünftigen Projektionstätigkeiten (Bedienung und Aktualisierung des TMS, Wartung etc.) umfassen einen Bedarf von etwa 85 Stunden pro Monat. Darin enthalten sind etwa 24 Stunden für Haustechnik. Nach Abschluss der Volldigitalisierung fallen damit die bisherigen Tätigkeiten aller Vollzeit- und Teilzeit-Arbeitsplätze im Bereich Projektion weg, mit Ausnahme eines Arbeitsplatzes im Umfang von 100 Stunden pro Monat (85 Stunden zzgl. Ausgleich für Urlaub, Krankheit).

2. Dem unter Berücksichtigung der üblichen Kriterien gemäß § 1 Abs. 3 KSchG sozial schutzwürdigsten Mitarbeiter im Bereich der Projektion, Herr C., wird eine Tätigkeit im Umfang von 100 Stunden monatlich zu im Übrigen unveränderten Bedingungen in den Bereichen Projektion und Haustechnik angeboten, ggf. im Wege der Änderungskündigung. Gegenüber den weiteren im Bereich Projektion tätigen Mitarbeiter, den Herren J. T., P. R. und S. R. werden betriebsbedingte Beendigungskündigungen ausgesprochen. ...

...

§ 5Sozialplan

Zum Ausgleich und zur Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Mitarbeitern aufgrund der in diesem Interessenausgleich niedergelegten Maßnahmen entstehen, vereinbaren die Parteien parallel zum Abschluss dieses Interessenausgleichs einen Sozialplan.

..."

Die Arbeitgeberin stattete am 06.12.2013 die Kinosäle mit digitaler Projektionstechnik aus. Die abzuspielenden Filme, Werbe- und Filmtrailer werden seitdem über das Theatermanagementsystem (TMS) in Playlists zusammengestellt, entkodiert, zentral eingespielt und automatisch gestartet. Neben der Filmvorführung bietet die Arbeitgeberin regelmäßig Liveübertragungen aus internationalen Opern- und Konzerthäusern an, die über Satellit eingespielt werden.

Mit Schreiben vom 13.12.2013, dem Beteiligten zu 3) am 18.12.2013 zugegangen, kündigte die Arbeitgeberin betriebsbedingt zum 30.06.2014 und bot zugleich an, das Arbeitsverhältnis als Filmvorführer/Haustechniker mit einer monatlichen Arbeitszeit von 100 Stunden zu im Übrigen unveränderten Bedingungen fortzusetzen. Der Beteiligte zu 3) nahm das Änderungsangebot mit Schreiben vom 20.12.2013 unter dem Vorbehalt an, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist. Mit Schriftsatz vom 23.12.2013 reichte er fristgerecht beim Arbeitsgericht Stralsund eine Kündigungsschutzklage ein, die er später um den Annahmeverzugslohn erweiterte (Aktenzeichen 2 Ca 604/13, nachfolgend LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 17.01.2017, Aktenzeichen 5 Sa 166/16). In dem Kündigungsschutzprozess stritten die Arbeitgeberin und der Beteiligte zu 3) insbesondere darüber, ob eine Weiterbeschäftigung noch in Vollzeit möglich ist, entweder mit den bisherigen Arbeitsaufgaben oder aber zumindest bei Übertragung anderer Aufgaben.

Im Einzelnen trug der Beteiligte zu 3) im Schriftsatz vom 23.05.2014 (Seite 2) wie folgt vor:

"...

Dem Kläger wurde von dem Theaterleiter, Herrn R. R., bescheinigt, dass bei der Beklagten weitere Einsatzmöglichkeiten vorhanden sind, die der Kläger ausfüllen könnte. Es handelt sich hierbei um weitere 72 Stunden, die das Arbeitsvolumen des Klägers noch weiter ausweiten könnten.

Es handelt sich um hierbei um Aufgaben von Montag - einschließlich Donnerstag in der Zeit von 20.00 bis 23.00 Uhr. Es handelt sich hier um den Schlussdienst (Kassenabrechnung, Auffüllen der Theken, usw.). Hierfür sind jeden Tag 3 Stunden möglich, sodass der Kläger je in der Woche weitere 12 Stunden und jeden Monat weitere 48 Stunden aufwenden kann.

Beweis: Zeugnis des Herrn R. R.

- zu laden über die Beklagte -

Der Kläger kann auch jeden Mittwoch in der Woche in der Zeit von 13.00 bis 14.00 Uhr Marketingaufgaben übernehmen. Hierfür würden je Woche eine Stunde an und schlussfolgernd jeden Monat mindestens 4 Stunden anfallen.

Beweis: wie zuvor

An jeden Mittwoch und jedem Donnerstag fällt in der Zeit von 12.00 bis 13.00 Uhr im Rahmen der Warenannahme ein Zeitaufwand von einer Stunde und somit je Woche 2 Stunden an. Hierbei sind also je Monat mindestens 8 Stunden zu berücksichtigen, die der Kläger auch ausführen könnte.

Beweis: wie zuvor

Der Kläger könnte auch jeden Freitag in der Zeit von 13.00 bis 16.00 Uhr die Innenleitung auf Tresor, Inventur, Kassenausgabe, usw. ausführen. Hierfür würden je Woche 3 Stunden und im Monat insgesamt 12 Stunden an Arbeitsaufgaben anfallen.

Beweis: wie zuvor

Dies hätte zur Folge, dass der Kläger im Monat mindestens noch 72 Stunden zusätzliche Arbeit hätte, die er verrichten könnte.

Beweis: wie zuvor

..."

und im Schriftsatz vom 28.08.2014 (Seite 15):

"...

Entgegen dem Vortrag der Beklagten, sind die in der Anlage K 13 aufgelisteten 20 Stunden Instandhaltungsarbeiten vom Kläger zu erfüllen. Dies ergibt sich unzweifelhaft aus der in der Anlage K 13 beigefügten Aufstellung. Unrichtig ist auch der Vortrag, dass diese Wartungsaufgaben, durch externe Reparaturfirmen belegt werden können. Diese Aufgaben sind in der "Arnold-Liste" als Aufgaben des Klägers gekennzeichnet und wurden ihm auch von der Geschäftsleitung übertragen. Nunmehrig entgegenstehender Vortrag ist unrichtig und somit zurück zu weisen. Bei großen Reparaturen werden auswärtige Unternehmen mit der Reparatur beauftragt. Bei kleineren Reparaturen bzw. Wartungs- oder Instandhaltungsarbeiten ist der Kläger mit ca. 20 Stunden im Monat zu beschäftigen.

..."

und im Schriftsatz vom 02.12.2014 (Seite 3 f.):

"...

Der einzige weitere Arbeitsvertrag der dem Kläger angeboten wurde, ist dass die Beklagte dem Prozessbevollmächtigten des Klägers anbot den Kläger für weitere 72 h mit einem Stundenlohn von 7,40 € zu beschäftigten. Dies wurde jedoch vom Kläger abgelehnt, da dies weit unter dem vereinbarten Tariflohn des Klägers liegt, dies unter der Lohnhöhe des Bundestarifvertrages liegt und in § 2 des Arbeitsvertrages der Parteien vom 29.09.1997 der Kläger sich verpflichtet hatte andere Tätigkeiten nur bei unveränderten Bezügen zu erbringen.

Unrichtig ist der Vortrag der Beklagten, dass alle anderen Filmvorführer der Beklagten in Mecklenburg-Vorpommern einen neuen Arbeitsvertrag erhalten haben. Richtig ist vielmehr, dass allein der Kläger einen Änderungsvertrag bekommen hat und kein anderer Filmvorführer der Beklagten in Mecklenburg-Vorpommern.

Wir fordern die Beklagte hiermit auf die Drohungen mit außerordentlichen, fristlosen Kündigungen zurück zu nehmen und zukünftig zu unterlassen, da die vorgebrachten Anschuldigungen gegenüber dem Kläger jeglicher Grundlage entbehren. Sollte eine Reaktion der Beklagten ausbleiben, werden wir uns gezwungen sehen die Klage entsprechend zu erweitern.

..."

und in der 2. Kammerverhandlung vor dem Arbeitsgericht Stralsund am 09.12.2014:

"...

Der Vertreter der Beklagten hält dem Kläger ein Zitat aus dem klägerischen Schriftsatz vom 23.05.2014 vor, in dem sinngemäß vorgetragen wurde, dass der Theaterleiter Herr R. dem Kläger ein Angebot bezüglich einer Beschäftigung im Umfang von 72 Stunden unterbreitet hat.

Der Kläger bestätigt:

'Das stimmt, Herr R. hat mir ein solches Angebot unterbreitet. Die Unterlagen sind dann an Herrn A. gegangen, der mir Bescheid sagen wollte. Dieser Herr A. wurde eingeladen nach C-Stadt und wir haben dieses Gespräch zu dritt geführt.'

Nach Einsichtnahme in seine Unterlagen erklärt der Kläger:

'Das Gespräch mit Herrn A. und Herrn R. fand am 13.05. statt. Das Gespräch mit Herrn R. fand in der Woche zuvor statt.'

- laut diktiert und genehmigt -

Der Vertreter der Beklagten hält dem Kläger weiterhin seinen Vortrag aus dem Schriftsatz vom 02.12.2014 vor, wonach es unrichtig sei, dass allen anderen Filmvorführern der Beklagten ein Änderungsvertrag gegeben wurde, lediglich der Kläger habe einen solchen erhalten.

- laut diktiert und genehmigt -

Der Kläger erklärt hierzu:

'Er hat ständig Kontakt zu seinen Kollegen, die ihm mitteilten, dass der Kollege in S. keinen neuen Vertrag bekommen hat, auch der in R. nicht. Der N. Kollege hat zwar einen neuen Vertrag bekommen, jedoch zu den gleichen Konditionen, lediglich die Tätigkeitsbeschreibung hat sich geändert.'

...

Der Klägervertreter sowie auch der Kläger erklären, dass der Interessenausgleich mit Namensliste nicht durch den Betriebsrat beschlossen wurde, sondern nur durch den ehemaligen Vorsitzenden Herrn K..

..."

Im Anschluss an die streitige Verhandlung vom 17.03.2015 beschloss das Arbeitsgericht Stralsund, über die Behauptung des Klägers (hier Beteiligter zu 3), die Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich mit Namensliste vom 16.09.2013 sei durch den damaligen Vorsitzenden des Betriebsrats, T. K., ohne Vorliegen eines Betriebsratsbeschlusses unterzeichnet worden, Beweis zu erheben und hierzu Herrn K. zu vernehmen.

Der Beteiligte zu 3) ist seit dem 04.06.2015 Mitglied des Betriebsrats, dessen Neuwahl seinerzeit erforderlich geworden war.

Im Schriftsatz vom 03.07.2015 (Seiten 4 f.) trug der Beteiligte zu 3) Folgendes vor:

"...

Unrichtig ist der Vortrag der Beklagten, wonach der Betriebsrat der Beklagten Kenntnis von der Betriebsvereinbarung hatte. Richtig ist lediglich, dass in der Betriebsratssitzung beschlossen wurde, der geplanten Änderungskündigung des Klägers zu widersprechen, ohne dass über die Betriebsvereinbarung oder über deren Inhalt gesprochen wurde.

Beweis:

1. Protokoll der Betriebsratssitzung vom 25.11.2013

- in Kopie beigefügt als Anlage K 56 -

2. Zeugnis des Herrn H. N., b. b.

..."

Am 05.07.2015 rief der Beteiligte zu 3) den Zeugen K. an, was dieser dem Theaterleiter R. am darauffolgenden Tag mitteilte. Der Inhalt des Telefonats ist zwischen den Beteiligten im Streit. Das Arbeitsgericht Stralsund vernahm in dem Kündigungsschutzprozess am 07.07.2015 den Zeugen K. gemäß Beweisbeschluss sowie nach Erweiterung des Beweisbeschlusses den präsenten Zeugen N., ebenfalls Mitglied des damaligen Betriebsrats, zum selben Beweisthema.

Am 13.07.2015 hörte die Arbeitgeberin den Beteiligten zu 3) im Beisein von zwei Betriebsratsmitgliedern zu dem Vorwurf an, Herrn K. in dem Telefonat am 05.07.2015 dahingehend beeinflusst zu haben,

"er solle vor Gericht sagen, es habe keinen BR-Beschluss gegeben".

Der Beteiligte zu 3) entgegnete darauf, Herrn K. nur gefragt zu haben, ob er den Termin wahrnehme und wie er dort hinkomme. Der Beteiligte zu 3) stritt ab, Herrn K. zu einer Falschaussage bewegt haben zu wollen und überhaupt über den Betriebsratsbeschluss gesprochen zu haben.

Des Weiteren hielt die Arbeitgeberin ihm eine Liste mit Telefonaten aus dem Projektionsraum vor und bat um Stellungnahme zu bestimmten, vermehrt angewählten Telefonnummern. Die Liste enthält 43 Gespräche im Zeitraum Januar bis Mai 2015 mit einer Dauer zwischen 9 und 43 Minuten, die sich auf insgesamt 12,78 Stunden aufsummieren. Der Beteiligte zu 3) gab an, mit Firmen wegen technischer Fragen telefoniert zu haben, nannte aber keine Namen zu den in der Liste aufgeführten Telefonnummern. Er bestritt, von diesem Telefon aus privat telefoniert zu haben, und berief sich darauf, private Gespräche nur von zu Hause aus oder mit dem Handy zu führen. Im Kino C-Stadt gibt es keine Anweisung, die Privatgespräche über die betriebliche Telefonanlage untersagt.

Mit Schreiben vom 16.07.2015, dem Betriebsrat am selben Tag zugegangen, beantragte die Arbeitgeberin die Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Tatkündigung, hilfsweise Verdachtskündigung des Beteiligten zu 3). Sie teilte dem Betriebsrat die ihr bekannten Sozialdaten des Beteiligten zu 3) mit und legte dar, welche einzelnen Behauptungen des Beteiligten zu 3) in dem Kündigungsschutzprozess aus ihrer Sicht falsch sind. Die jeweiligen Schriftsätze bzw. das Protokoll der Kammerverhandlung fügte sie in Auszügen bei. Unterzeichnet ist das siebzehnseitige Anschreiben von Herrn Ö. mit dem Zusatz "Ebenenleiter/Personalleiter". Es nimmt Bezug auf insgesamt 15 Anlagen.

Der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung unter dem 20.07.2015, weshalb die Arbeitgeberin mit Schriftsatz vom 21.07.2015, am selben Tag beim Arbeitsgericht Stralsund eingegangen, die Ersetzung der Zustimmung beantragt hat.

Die Arbeitgeberin beschäftigte den Beteiligten zu 3) während des Kündigungsschutzrechtsstreits sowie während des vorliegenden Verfahrens ununterbrochen weiter. Seit Juli 2014 ist er nur noch mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 100 Stunden im Monat eingesetzt.

Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, sie habe den Betriebsrat zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung ausreichend informiert. Herr Ö. sei als ständiger Vertreter des Theaterleiters berechtigt gewesen, den Antrag zu unterzeichnen. Herr Ö. habe die Arbeitgeberin auch in der Vergangenheit regelmäßig gegenüber dem Betriebsrat vertreten. Die Vorlage einer Vollmacht sei nicht erforderlich. Hinsichtlich des Umfangs der Begründung gelte der Grundsatz der subjektiven Determinierung.

Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung liege vor, weil der Beteiligte zu 3) durch mehrere falsche Behauptungen in dem Kündigungsschutzrechtsstreit einen versuchten Prozessbetrug begangen und trotz ausdrücklicher Warnung der Arbeitgeberin diesen Vortrag aufrecht erhalten habe.

Er habe fälschlicherweise behauptet, dass er die Aufgabe habe, Instandhaltungsarbeiten im Umfang von 20 Stunden auszuführen. Solche Instandhaltungsarbeiten habe der Beteiligte zu 3) nicht wahrgenommen, da diese jeweils extern beauftragt worden seien.

Er habe fälschlicherweise behauptet, dass der Theaterleiter ihm in einem Gespräch vor dem 23.05.2014 weitere Einsatzmöglichkeiten im Umfang von 72 Stunden/Monat angeboten habe. Tatsächlich habe der Beteiligte zu 3) dem Theaterleiter eine Liste übergeben mit der Bitte zu prüfen, ob er diese Aufgaben übernehmen könne. Der Theaterleiter habe die Liste an den Area-Manager weitergeleitet. Der Theaterleiter habe keine weiteren Stunden angeboten. Diese falsche Behauptung des Beteiligten zu 3) stehe in keinem Zusammenhang mit späteren Gesprächen zwischen den Prozessbevollmächtigten über eine vergleichsweise Beendigung des Kündigungsschutzverfahrens gegen eine Aufstockung der Arbeitszeit um 72 Stunden, bei denen es im Übrigen um andere Tätigkeiten gegangen sei.

Der Beteiligte zu 3) habe fälschlicherweise behauptet, er sei der einzige Filmvorführer in der Region, der einen neuen Arbeitsvertrag erhalten habe. Tatsächlich habe die Arbeitgeberin keinem Projektionisten in Mecklenburg-Vorpommern mehr als 100 Stunden/Monat im Bereich Haustechnik/Projektion übertragen. Sie habe bei allen die Projektionstätigkeit verringert und stattdessen Service-, Ebenenleiter- oder Theaterleiterassistententätigkeiten vereinbart. Mit allen Projektionisten habe die Arbeitgeberin Änderungsverträge geschlossen, nämlich mit Herrn M. (A-Stadt), Herrn K. (N.), Herrn L. (R.), Herrn R. (S.) und Herrn F. (R.).

Der Beteiligte zu 3) habe fälschlicherweise behauptet, Herr K. habe in seiner damaligen Funktion als Betriebsratsvorsitzender den Interessenausgleich vom 16.09.2013 unterzeichnet, ohne dass der Betriebsrat hierzu einen Beschluss gefasst habe. Erst recht falsch sei die Behauptung, das Gremium habe den Interessenausgleich nicht gekannt. Bei der Vernehmung der Zeugen im Kammertermin am 07.07.2015 habe sich das Gegenteil herausgestellt.

Noch dazu habe der Beteiligte zu 3) kurz vor diesem Kammertermin telefonisch versucht, den Zeugen K. zu einer Falschaussage zu bewegen. Der Zeuge solle aussagen, dass er damals allein gehandelt habe. Jedenfalls bestehe ein dringender Verdacht, der als solcher bereits eine außerordentliche Kündigung rechtfertige. Damit habe der Beteiligte zu 3) das Vertrauen der Arbeitgeberin irreparabel zerstört.

Schließlich habe der Beteiligte zu 3) zwischen Januar und Mai 2015 in exzessivem Ausmaß private Telefonate während der Arbeitszeit geführt. Eine vorherige Abmahnung sei nicht erforderlich, da er in erheblichem Umfang seine Arbeitszeit verletzt habe. Das sei schon deshalb verwunderlich, weil der Beteiligte zu 3) in dem Kündigungsschutzprozess stets behauptet habe, eine regelmäßige Arbeitszeit von 100 Stunden im Monat reiche für die übertragenen Aufgaben als Haustechniker und Filmvorführer keinesfalls aus. Der Beteiligte zu 3) zeige auch keine Reue, da er in der Anhörung wahrheitswidrig behauptet habe, ausschließlich dienstliche Telefonate geführt zu haben.

Die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB sei gewahrt. Die Frist beginne erst mit der Antragstellung im Prozess. Korrigiere die Partei ihren falschen Vortrag bis dahin, wiege die Pflichtverletzung weniger schwer. Gehe die Partei auch den letzten Schritt, indem sie die Anträge unter Bezugnahme auf den falschen Sachvortrag stelle, intensiviere das den Verhaltensvorwurf, da die Partei damit das Geschehen aus der Hand gebe.

Die Arbeitgeberin (Beteiligte zu 1) hat erstinstanzlich beantragt,

die Zustimmung des Betriebsrats (Beteiligter zu 2) zur außerordentlichen und fristlosen Kündigung des Beteiligten zu 3) nach § 103 Abs. 2 BetrVG zu ersetzen.

Die Beteiligten zu 2) und 3) haben beantragt, den Antrag als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen. Sie haben die Auffassung vertreten, der Antrag sei schon unzulässig, da es an einer ordnungsgemäßen Unterrichtung des Betriebsrats fehle. Herr Ö. sei weder ein gesetzlicher Vertreter der Arbeitgeberin noch habe er Personalbefugnisse. Die Arbeitgeberin habe ihre Unterrichtungspflicht gegenüber dem Betriebsrat nicht vollständig erfüllt, da das Anhörungsschreiben keine Angaben zur Einhaltung der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB enthalte. Sie habe nicht mitgeteilt, wann sie von den vermeintlichen Falschaussagen Kenntnis erlangt habe. Der Betriebsrat habe die Einhaltung dieser Frist nicht prüfen können. Des Weiteren habe sie den Beteiligten zu 3) in dem Antrag als "Filmvorführer" bezeichnet, während er tatsächlich als "Leiter Haustechnik mit zusätzlichem Tätigkeitsschwerpunkt der Filmvorführung" beschäftigt sei. Die Arbeitgeberin habe die in Bezug genommenen Schriftsätze aus dem Kündigungsschutzprozess nur in Auszügen beigefügt. Die Bezugnahme auf einzelne, aus dem Zusammenhang gerissene Zitate aus den Schriftsätzen genüge nicht, um sich ein Bild zur Sach- und Rechtslage zu machen. Insoweit hätte die Arbeitgeberin beispielsweise dem Betriebsrat mitteilen müssen, dass es im Verlauf des Prozesses durchaus ein Angebot von 72 zusätzlichen Stunden gegeben habe, allerdings zu einem Stundenlohn von € 7,40 brutto.

Eine außerordentliche Kündigung könne nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen, nachdem die Arbeitgeberin Kenntnis von den maßgeblichen Umständen erlangt habe. Soweit sich die Arbeitgeberin auf einen versuchten Prozessbetrug berufe, seien ihr alle Umstände schon weit vor der Antragstellung beim Betriebsrat bekannt gewesen. Die Arbeitgeberin beziehe sich auf Schriftsätze und ein Verhandlungsprotokoll aus dem Zeitraum Mai bis Dezember 2014. Es komme deshalb nicht mehr darauf an, ob die Behauptungen des Beteiligten zu 3) tatsächlich falsch seien.

Abgesehen davon habe der Beteiligte zu 3) aber auch keinen Prozessbetrug begangen. Keinesfalls habe er vorsätzlich gehandelt. In Anbetracht der ihm arbeitsvertraglich übertragenen Tätigkeit als Leiter Haustechnik habe er durchaus davon ausgehen dürfen, dass er Instandhaltungsarbeiten zu leisten habe. Der Prozessvortrag des Beteiligten zu 3), kein anderer mit ihm vergleichbarer Mitarbeiter habe einen Änderungsvertrag verhalten, sei vor dem Hintergrund der streitgegenständlichen Änderungskündigung zu bewerten. Der Vortrag habe sich erkennbar auf die Absenkung der Arbeitszeit bezogen. Genau das habe sich als richtig herausgestellt, da unstreitig bei keinem der genannten Mitarbeiter die Arbeitszeit gekürzt worden sei. Soweit der Beteiligte zu 3) von einer Unwirksamkeit des Interessenausgleichs mangels eines ordnungsgemäßen Betriebsratsbeschlusses ausgegangen sei, handele es sich nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern lediglich eine Rechtsansicht. Der Beteiligte zu 3) habe sich dabei auf die Aussage eines früheren Betriebsratsmitglieds gestützt, der später als Zeuge in dem Kündigungsschutzprozess vernommen worden sei. Dieser habe ihm mitgeteilt, dass es keinen Betriebsratsbeschluss gegeben habe. Das habe sich in der Beweisaufnahme bestätigt. Man habe sich zwar im Betriebsrat über den Interessenausgleich unterhalten. Der Interessenausgleich sei jedoch nicht zur Abstimmung gestellt worden.

Der Arbeitgeberin sei eine Weiterbeschäftigung des Beteiligten zu 3) gerade nicht unzumutbar, da er nicht freigestellt worden, sondern nach wie vor im Betrieb tätig sei. Die Arbeitgeberin habe ihn Ende August 2015 sogar gebeten, seinen bereits genehmigten Urlaub wegen der Erkrankung eines anderen Mitarbeiters zu verschieben. Dieser Bitte sei der Beteiligte zu 3) selbstverständlich nachgekommen. Des Weiteren habe der Theaterleiter ihn gebeten, an einem planmäßig arbeitsfreien Tag dennoch zu erscheinen, um einen größeren Maschinenausfall im Kino-saal 5 zu beheben. Auch das sei für den Beteiligten zu 3) selbstverständlich gewesen. Ende September 2015 habe er an zwei Tagen seinen Urlaub unterbrochen, um für 2 bzw. 1,25 Stunden Störungen an den Filmservern und an dem Theatermanagementsystem zu beheben. Von einem Vertrauensverlust könne nicht die Rede sein. Abmahnungen habe es in der Zwischenzeit ebenso wenig gegeben.

Der Beteiligte zu 3) hat den gemeinsamen Vortrag insofern ergänzt, als er bestritten hat, den Zeugen K. zu einer Falschaussage angestiftet zu haben. Er habe den Zeugen allein nach den tatsächlichen Umständen gefragt, ohne ihn zu irgendetwas zu drängen, geschweige denn dazu, etwas Wahrheitswidriges auszusagen. Selbst wenn die Behauptung der Arbeitgeberin zutreffe, so folge daraus noch kein strafrechtlicher Vorwurf.

Der Beteiligte zu 3) hat weiterhin bestritten, in exzessivem Ausmaß privat telefoniert zu haben. Der von der Arbeitgeberin behauptete Zeitumfang könne schon nicht als "exzessiv" bezeichnet werden. Der Vorwurf reiche für eine außerordentliche Kündigung nicht aus, schon gar nicht ohne Abmahnung. Abgesehen davon sei das Telefon im Vorführraum auch von anderen Mitarbeitern genutzt worden, weil nämlich Anfang 2015 andere Telefone im Kino zeitweise ausgefallen seien.

Das Arbeitsgericht hat nach Beiziehung des Kündigungsschutzverfahrens (ArbG Stralsund, Aktenzeichen 2 Ca 604/15) den Antrag der Arbeitgeberin mit Beschluss vom 22.02.2016 zurückgewiesen und zur Begründung angeführt, dass es an Pflichtverletzungen des Beteiligten zu 3), die eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen könnten, fehle. Soweit der Beteiligte zu 3) die Wirksamkeit des Interessenausgleichs bestritten habe, sei sein Prozessvortrag nicht falsch. In der Betriebsratssitzung sei zwar über das Thema Interessenausgleich gesprochen worden. Es habe aber weder einen Beschluss zur Ergänzung der Tagesordnung noch einen Beschluss über den Interessenausgleich gegeben. Der Anruf beim Zeugen K. sei deshalb nicht als Aufforderung zu Falschaussage zu verstehen, sondern als Bitte, sich nicht zu scheuen, wahrheitsgemäß auszusagen. Soweit die Arbeitgeberin dem Beteiligten zu 3) weitere Falschaussagen vorwerfe, habe er sich im Rahmen des prozessual Zulässigen gehalten. Jedenfalls habe der Beteiligte zu 3) nicht bewusst falsch vorgetragen, weil nicht erkennbar sei, aufgrund welcher Umstände er positive Kenntnis von einem anderen Geschehensablauf gehabt haben sollte. Aus evtl. Privattelefonaten lasse sich keine zur außerordentlichen Kündigung berechtigende Pflichtverletzung herleiten. Der Beteiligte zu 3) habe aufgrund dessen weder seine Arbeit vernachlässigt noch seien der Arbeitgeberin Kosten entstanden. Der Arbeitgeberin sei eine weitere Beschäftigung des Beteiligten zu 3) nicht unzumutbar. Das zeige die monatelange tatsächliche Weiterbeschäftigung. Die Arbeitgeberin habe nicht aus rechtlichen Erwägungen von einer Freistellung abgesehen, sondern aus finanziellen Gründen. Das ergebe sich aus der Äußerung des Theaterleiters in der Güteverhandlung "Wir müssen ihn sowieso bezahlen und ob er jetzt 80 oder 90 Stunden arbeitet, ist nicht von Bedeutung".

Hiergegen wendet sich die Arbeitgeberin mit ihrer fristgerecht eingelegten und begründeten Beschwerde. Sie ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht die Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung abgelehnt.

Im Hinblick auf den Vorwurf der Anstiftung zur Falschaussage habe das Arbeitsgericht eine Sachverhaltsvariante zugrunde gelegt, die von keinem Beteiligten vorgetragen worden sei. Das Arbeitsgericht habe die Indizien außer Acht gelassen und zu Unrecht davon abgesehen, über den Inhalt des Telefonats Beweis zu erheben und hierzu den Zeugen K zu vernehmen. Es habe die Widersprüche und Ungereimtheiten im Vortrag des Beteiligten zu 3) nicht berücksichtigt. Zur Verdachtskündigung habe das Arbeitsgericht - wie auch bei anderen Vorwürfen - überhaupt nicht Stellung genommen. Ebenso fehlerhaft habe das Arbeitsgericht angenommen, dass es keinen Betriebsratsbeschluss zu dem Interessenausgleich gegeben habe. Zudem habe sich der Vortrag des Beteiligten zu 3) nicht darauf beschränkt, den Betriebsratsbeschluss abzustreiten, sondern sei weit darüber hinausgegangen. So habe er behauptet, das Gremium habe keine Kenntnis vom Interessenausgleich gehabt. Dann wäre der Interessenausgleich tatsächlich unwirksam gewesen, weshalb sich die Arbeitgeberin im Kammertermin am 17.03.2015 zu einem Vergleichsangebot genötigt gefühlt habe. Selbst wenn kein Beschluss zustande gekommen sein sollte, so habe der Betriebsrat jedenfalls den Interessenausgleich nachträglich genehmigt, indem er mehrfach dessen Einhaltung verlangt habe. Die Arbeitgeberin habe auf eine entsprechende Beschlussfassung des Betriebsrats vertrauen dürfen. Es habe keine Anhaltspunkte gegeben, dass der Betriebsratsvorsitzende mit Unterzeichnung des Interessenausgleichs seine Kompetenzen überschritten habe.

Unzutreffend sei das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass der Beteiligte zu 3) in prozessual zulässiger Weise behauptet habe, kein anderer Filmvorführer habe einen Änderungsvertrag erhalten, weil er Genaueres nicht habe wissen können. Es sei unzulässig, etwas ins Blaue hinein zu behaupten. Das sei ein gravierender Verstoß gegen die Pflicht zu wahrheitsgemäßem Vortrag.

Auf den Vorwurf des falschen Prozessvortrags zu den Instandhaltungsarbeiten sei das Arbeitsgericht überhaupt nicht eingegangen.

Zwischenzeitlich gebe es ein weiteres deutliches Indiz, dass der Beteiligte zu 3) in erheblichem Umfang privat telefoniert habe. Nach seiner Anhörung im Juli 2015 seien die Telefonzeiten massiv zurückgegangen, nämlich von ca. 228 Minuten auf ca. 44 Minuten im Monat. Durch die Privattelefonate des Beteiligten zu 3) im Zeitraum Januar bis Mai 2015 seien Kosten in Höhe von € 21,03 entstanden. Zudem seien die während dieser Zeit entstandenen Lohnkosten zu berücksichtigen. Soweit der Beteiligte zu 3) subtil den Verdacht auf andere Mitarbeiter lenke, lasse dies auf ein offensichtlich fehlendes Unrechtsbewusstsein schließen. Zu den Zeiten, in denen die am häufigsten genutzte Telefonnummer angerufen worden sei, seien diese nämlich nicht durchgängig vor Ort gewesen, stets aber der Beteiligte zu 3).

Die Weiterbeschäftigung des Beteiligten zu 3) sei unzumutbar. Der Arbeitgeber müsse allerdings Betriebsratsmitglieder während des Zustimmungsersetzungsverfahrens weiterbeschäftigen, und zwar auch dann, wenn das im Sinne des § 626 BGB unzumutbar sei. Die vom Arbeitsgericht zitierte Äußerung des Theaterleiters in der Güteverhandlung habe sich allein auf die Privattelefonate während der Arbeitszeit bezogen. Entscheidend sei der Verlust des Vertrauens in den Beteiligten zu 3), dass dieser sich zukünftig rechts- und vertragsgemäß verhalten werde.

Die Arbeitgeberin beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Stralsund vom 22.02.2016 abzuändern und dem Antrag stattzugeben.

Die Beteiligten zu 2) und 3) beantragen,

die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückzuweisen.

Sie verteidigen die erstinstanzliche Entscheidung und verweisen auf ihre erstinstanzlich vorgebrachten Einwände gegen den Antrag der Arbeitgeberin. Der Arbeitgeberin sei es nach wie vor nicht gelungen, die objektiven und subjektiven Voraussetzungen eines Prozessbetrugs darzulegen. Der Beteiligte zu 3) habe in dem Kündigungsschutzprozess nichts Falsches behauptet. Ob es tatsächlich einen wirksamen Betriebsratsbeschluss zu dem Interessenausgleich gegeben habe, sei für das vorliegende Verfahren unerheblich. Das Arbeitsgericht habe jedenfalls angenommen, ein Beschluss sei nicht zustande gekommen. Der Beteiligte zu 3) sei seinerzeit noch nicht im Betriebsrat gewesen. Er habe seine Informationen von dem damaligen Betriebsratsmitglied und Zeugen, Herrn N., erhalten, der nicht von einer Beschlussfassung ausgegangen sei. Da es keinen Betriebsratsbeschluss gegeben habe, könne auch der Anruf des Beteiligten zu 3) bei Herrn K. und die von der Arbeitgeberin behauptete Äußerung keine Anstiftung zur Falschaussage darstellen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle und auf die erstinstanzliche Entscheidung Bezug genommen.

Im Kündigungsschutzprozess zwischen der Arbeitgeberin und dem Beteiligten zu 3) hat das Arbeitsgericht Stralsund (Aktenzeichen 2 Ca 604/13) mit Urteil vom 26.04.2016 festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 13.12.2013 sozial ungerechtfertigt ist. Des Weiteren hat es die Arbeitgeberin verurteilt, an den Beteiligten zu 3) € 18.686,79 brutto nebst Zinsen nachzuzahlen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Arbeitgeberin hat das Landesarbeitsgericht (Aktenzeichen 5 Sa 166/16) mit Urteil vom 17.01.2017 zurückgewiesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat den Antrag zu Recht zurückgewiesen.

Die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3) ist nicht zu ersetzen.

Nach § 103 Abs. 1 BetrVG bedarf die außerordentliche Kündigung von Mitgliedern des Betriebsrats der Zustimmung des Betriebsrats. Gemäß § 103 Abs. 2 Satz 1 BetrVG, § 15 Abs. 1 KSchG ist die verweigerte Zustimmung zu ersetzen, wenn die beabsichtigte außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls aus wichtigem Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt ist. Es müssen also Tatsachen vorliegen, auf Grund derer der Arbeitgeberin unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der fiktiven Kündigungsfrist nicht mehr zugemutet werden kann (BAG, Beschluss vom 13. Mai 2015 - 2 ABR 38/14 - Rn. 18, juris = NZA 2016, 116).

Die Prüfung, ob ein Lebenssachverhalt einen wichtigen Grund in diesem Sinne darstellt, vollzieht sich zweistufig: Dabei ist zunächst zu untersuchen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar war oder nicht (BAG, Urteil vom 20. Oktober 2016 - 6 AZR 471/15 - Rn. 14, juris = NZA 2016, 1527). Stützt der Arbeitgeber den wichtigen Grund bei einem Betriebsratsmitglied auf dessen Verhalten, muss dieses sich als Verletzung von Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis darstellen (BAG, Beschluss vom 13. Mai 2015 - 2 ABR 38/14 - Rn. 18, juris = NZA 2016, 116).

Ein wichtiger Grund kann sich sowohl aus der Verletzung einer vertraglichen Hauptpflicht als auch aus der schuldhaften Verletzung von Nebenpflichten, beispielsweise der Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des jeweils anderen Teils (§ 241 Abs. 2 BGB), ergeben (BAG, Urteil vom 20. Oktober 2016 - 6 AZR 471/15 - Rn. 18, juris = NZA 2016, 1527).

1. Sachvortrag des Beteiligten zu 3) im Kündigungsschutzprozess

Ein zu Lasten des Arbeitgebers begangener versuchter Prozessbetrug ist ein Vermögensdelikt und kann einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darstellen. Ein Arbeitnehmer verletzt vertragliche Nebenpflichten, wenn er im Rechtsstreit um eine Kündigung bewusst wahrheitswidrig vorträgt, weil er befürchtet, mit wahrheitsgemäßen Angaben den Prozess nicht gewinnen zu können. Die strafrechtliche Einordnung ist nicht entscheidend (BAG, Urteil vom 08. November 2007 - 2 AZR 528/06 - Rn. 17, juris = EzA § 626 BGB 2002 Nr. 19; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26. Januar 2015 - 2 Sa 367/14 - Rn. 41, juris = ArztR 2016, 234; LAG Hamm, Urteil vom 30. September 2011 - 10 Sa 472/11 - Rn. 145, juris). Entsprechendes gilt, wenn der Arbeitnehmer in einem Gerichtsverfahren mit dem Arbeitgeber leichtfertig Tatsachenbehauptungen aufstellt, deren Unhaltbarkeit auf der Hand liegt (BAG, Urteil vom 31. Juli 2014 - 2 AZR 434/13 - Rn. 20, juris = NZA 2015, 358).

Soweit in einem laufenden Gerichtsverfahren - etwa im Kündigungsschutzprozess - Erklärungen abgegeben werden, ist zu berücksichtigen, dass diese durch ein berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers gedeckt sein können. Parteien dürfen zur Verteidigung von Rechten schon im Hinblick auf den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) alles vortragen, was als rechts-, einwendungs- oder einredebegründender Umstand prozesserheblich sein kann. Ein Prozessbeteiligter darf auch starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte benutzen, um seine Rechtsposition zu unterstreichen, selbst wenn er seinen Standpunkt vorsichtiger hätte formulieren können. Dies gilt allerdings nur in den Grenzen der Wahrheitspflicht (BVerfG, Kammerbeschluss vom 11. April 1991 - 2 BvR 963/90 - Rn. 29, juris = NJW 1991, 2074; BAG, Urteil vom 29. August 2013 - 2 AZR 419/12 - Rn. 37, juris = NZA 2014, 660; BAG, Urteil vom 24. März 2011 - 2 AZR 674/09 - Rn. 22, juris = NZA-RR 2012, 243). Grundsätzlich darf eine Partei nicht gehindert werden, im Prozess diejenigen Behauptungen aufzustellen und Werturteile abzugeben, die sie zur Wahrnehmung ihrer prozessualen Stellung für zweckmäßig und notwendig hält. Insbesondere darf sich eine Partei nicht unter dem Druck etwaiger Konsequenzen für ihr Arbeitsverhältnis gezwungen fühlen, einen Vortrag zu unterlassen, den sie zur Wahrnehmung ihrer Rechte im Prozess von ihrem subjektiven Standpunkt aus für erheblich ansieht (LAG Hamm, Urteil vom 30. September 2011 - 10 Sa 472/11 - Rn. 146, juris).

Eine Tatsachenbehauptung zeichnet sich dadurch aus, dass die Erklärung einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist. Falsch ist eine Behauptung, wenn sie im Hinblick auf ihren Gegenstand der Wahrheit nicht entspricht, also die Wirklichkeit unzutreffend wiedergibt. Das ist der Fall, wenn der Inhalt der Aussage mit der objektiven Sachlage nicht übereinstimmt. Auch das Verschweigen von Tatsachen macht eine Behauptung falsch, wenn die spezifische Unvollständigkeit nicht offenbart, sondern die Aussage als vollständige ausgegeben wird und dadurch ihr Gegenstand in einem falschen Licht erscheint. Dabei ist freilich zu berücksichtigen, dass jede Äußerung in ihrem Kontext zu sehen ist und nicht aus dem Zusammenhang gerissen werden darf. Das gilt auch im Rahmen der Beurteilung, ob eine Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Werturteil anzusehen ist (BAG, Urteil vom 31. Juli 2014 - 2 AZR 434/13 - Rn. 22, juris = NZA 2015, 358; BAG, Urteil vom 29. August 2013 - 2 AZR 419/12 - Rn. 40, juris = NZA 2014, 660).

Um vorsätzlich falsche Angaben handelt es sich, wenn die Prozesspartei die Unrichtigkeit ihrer Behauptungen kennt und deren Unwahrheit in ihren Erklärungswillen aufnimmt. Sie muss die Unvollständigkeit und Unrichtigkeit zumindest für möglich halten und billigend in Kauf nehmen (BAG, Urteil vom 31. Juli 2014 - 2 AZR 434/13 - Rn. 32, juris = NZA 2015, 358).

Der Beteiligte zu 3) hat in dem Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht Stralsund (Aktenzeichen 2 Ca 604/13, nachfolgend LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 17.01.2017, Aktenzeichen 5 Sa 166/16) nicht bewusst wahrheitswidrig vorgetragen, weil er befürchtete, mit wahrheitsgemäßen Angaben den Prozess nicht gewinnen zu können. Er hat seine Wahrheitspflicht nicht verletzt.

Der Prozessvortrag des Beteiligten zu 3) im Schriftsatz vom 23.05.2014

"Dem Kläger wurde von dem Theaterleiter, Herrn R. R., bescheinigt, dass bei der Beklagten weitere Einsatzmöglichkeiten vorhanden sind, die der Kläger ausfüllen könnte. Es handelt sich hierbei um weitere 72 Stunden, die das Arbeitsvolumen des Klägers noch weiter ausweiten könnten."

und in der mündlichen Verhandlung am 09.12.2014

"Das stimmt, Herr R. hat mir ein solches Angebot unterbreitet. Die Unterlagen sind dann an Herrn A. gegangen, der mir Bescheid sagen wollte. Dieser Herr A. wurde eingeladen nach C-Stadt und wir haben dieses Gespräch zu dritt geführt."

enthält keine Tatsachenbehauptungen, die einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich sind. Der genaue Wortlaut des Gesprächs zwischen dem Beteiligten zu 3) und dem Theaterleiter ist nicht dargelegt. Es handelt sich um eine zusammenfassende Interpretation eines Gesprächs aus der Sicht des Beteiligten zu 3), ohne dass die konkreten Äußerungen des Theaterleiters wiedergegeben sind. Der Beteiligte zu 3) hat das Gespräch als Angebot zur Aufstockung der Arbeitszeit verstanden, das allerdings noch nicht verbindlich war, da die Entscheidung letztlich von Herrn A. zu treffen war. Ob der Beteiligte zu 3) den Theaterleiter richtig verstanden hat oder jedenfalls in dieser Weise verstehen durfte, lässt sich nicht feststellen, da dessen Erklärungen, möglicherweise auch in Form von Gestik oder Mimik, nicht näher dargelegt sind. Dem Beteiligten zu 3) ging es erkennbar nicht darum, die Kündigung anhand bestimmter Aussagen des Theaterleiters zu Fall zu bringen. Vielmehr kam es ihm darauf an, weitere Möglichkeiten der Beschäftigung aufzuzeigen. Das Prozessvorbringen steht im Zusammenhang mit den nachfolgend aufgezählten Tätigkeiten, die er seiner Ansicht nach über die angebotenen 100 Stunden im Monat hinaus wahrnehmen könnte. Das Gespräch mit dem Theaterleiter war hierfür lediglich der Ausgangspunkt.

Des Weiteren fehlt es am Vorsatz. Der Beteiligte zu 3) ist nicht von einer Unrichtigkeit des Sachvortrags ausgegangen. Er hat das Gespräch sinngemäß so dargestellt, wie er es verstanden hat. Falls er Äußerungen des Theaterleiters falsch interpretiert haben sollte, genügt dies noch nicht für den Vorwurf einer bewusst falschen Aussage.

Der Vortrag des Beteiligten zu 3) im Schriftsatz vom 28.08.2014

"Entgegen dem Vortrag der Beklagten, sind die in der Anlage K 13 aufgelisteten 20 Stunden Instandhaltungsarbeiten vom Kläger zu erfüllen."

ist nicht falsch. Aus dem Begriff "Instandhaltungsarbeiten" ergibt sich nicht, um welche konkreten Tätigkeiten im Kino es geht. Der Beteiligte zu 3) hat durchaus verschiedene technische Anlagen in Stand zu halten, z. B. Projektoren, Audio-Anlagen, Beleuchtung. Andererseits werden Instandhaltungsarbeiten aber auch von externen Fachfirmen wahrgenommen. Da der Beteiligte zu 3) nicht im Einzelnen vorgetragen hat, welche konkreten Instandhaltungsarbeiten er bislang verrichtet hat bzw. ihm von der Arbeitgeberin übertragen wurden, war das Vorbringen für die gerichtliche Beurteilung der Betriebsbedingtheit nicht von Bedeutung. In dieser Unschärfe ist der Vortrag des Beteiligten zu 3) einer Überprüfung auf seine Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises nicht zugänglich.

Das Vorbringen des Beteiligten zu 3) im Schriftsatz vom 02.12.2014

"Unrichtig ist der Vortrag der Beklagten, dass alle anderen Filmvorführer der Beklagten in Mecklenburg-Vorpommern einen neuen Arbeitsvertrag erhalten haben. Richtig ist vielmehr, dass allein der Kläger einen Änderungsvertrag bekommen hat und kein anderer Filmvorführer der Beklagten in Mecklenburg-Vorpommern."

und in der mündlichen Verhandlung am 09.12.2014

"Er hat ständig Kontakt zu seinen Kollegen, die ihm mitteilten, dass der Kollege in S. keinen neuen Vertrag bekommen hat, auch der in R. nicht. Der N. Kollege hat zwar einen neuen Vertrag bekommen, jedoch zu den gleichen Konditionen, lediglich die Tätigkeitsbeschreibung hat sich geändert."

ist - im Zusammenhang gesehen - ebenfalls nicht falsch. Im Kündigungsschutzprozess war streitig, ob der Beteiligte zu 3) nur noch mit 100 Stunden im Monat oder aber mit einer darüber hinausgehenden Arbeitszeit in seiner bisherigen oder einer anderweitigen Tätigkeit beschäftigt werden kann. Mit der Bezugnahme auf Kollegen anderer Kinos im näheren Umkreis wollte der Beteiligte zu 3) sein Vorbringen untermauern, er könne nach wie vor in Vollzeit beschäftigt werden, wie es die Arbeitgeberin auch in den anderen Häusern gehandhabt habe. Nur das war Gegenstand des Hinweises auf die anderen Kollegen und deren Weiterbeschäftigung in Vollzeit. Der Vortrag des Beteiligten zu 3) ist für sich genommen zwar nicht hinreichend genau und missverständlich. Allerdings ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang eindeutig, was der Beteiligte zu 3) ausdrücken wollte. Ob und ggf. wann andere Filmvorführer Änderungsverträge unterschrieben hatten, war erkennbar nicht von Bedeutung, sondern allein der Umstand, dass diese in Vollzeit weiterbeschäftigt werden. Das ist die eigentliche Aussage des Beteiligten zu 3), mit der er die vorgebrachten betriebsbedingten Gründe in Zweifel ziehen wollte. Die rechtliche Verwertbarkeit dieser Aussage war ohnehin gering, da die Verhältnisse in anderen Betrieben der Arbeitgeberin nicht ausschlaggebend sind.

Soweit der Beteiligte zu 3) im Kündigungsschutzprozess eingewandt hat, der Interessenausgleich vom 16.09.2013 sei mangels eines Betriebsratsbeschlusses nicht wirksam, handelt es sich nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern um eine Rechtsansicht, der die Vorinstanz jedenfalls gefolgt ist. Das Arbeitsgericht ist nach Beiziehung der Verfahrensakte aus dem Kündigungsschutzprozess ebenfalls davon ausgegangen, dass ein Beschluss des Betriebsrats zu dem Interessenausgleich nicht vorliegt. Ob diese rechtliche Bewertung zutrifft, bedarf hier keiner Entscheidung. Das Landesarbeitsgericht hat diese Rechtsfrage auch in dem Kündigungsschutzprozess ausdrücklich offen gelassen. Der Beteiligte zu 3) durfte diesen prozesserheblichen Einwand vorbringen, um seine Rechte im Kündigungsschutzprozess zu wahren. Dabei durfte er sich mangels eigener Erkenntnisse auf die Informationen des früheren Betriebsratsmitglieds N. stützen.

Der Beteiligte zu 3) hat in diesem Zusammenhang keine über den Einwand der Unwirksamkeit hinausgehenden falschen Tatsachenbehauptungen aufgestellt. Soweit er im Schriftsatz vom 03.07.2015 vorgetragen hat,

"Unrichtig ist der Vortrag der Beklagten, wonach der Betriebsrat der Beklagten Kenntnis von der Betriebsvereinbarung hatte."

bezieht sich dieser Satz nur auf die Betriebsratssitzung am 25.11.2013, in der über die Änderungskündigung des Beteiligten zu 3) beraten wurde. Wie sich aus dem Beweisangebot zu diesem Sachvortrag ergibt, geht es allein um die Beschlussfassung in der Betriebsratssitzung am 25.11.2013, während der Interessenausgleich bereits am 16.09.2013 unterzeichnet worden war. In dem Widerspruchsschreiben des Betriebsrats vom 28.11.2013 zur Änderungskündigung des Beteiligten zu 3), das auf die Betriebsratssitzung vom 25.11.2013 Bezug nimmt, hatte der Betriebsrat von der Arbeitgeberin gefordert, die Anhörung zu korrigieren und den Interessenausgleich und Sozialplan zu beachten. Die Arbeitgeberin sieht darin eine Genehmigung des Interessenausgleichs.

Unabhängig davon hat der Beteiligte zu 3) nicht bewusst etwas Falsches vorgetragen. Er berief sich auf das Zeugnis des damaligen Betriebsratsmitglieds N., von dem er seine Informationen bezog. Der Beteiligte zu 3) ist nicht davon ausgegangen, dass die Angaben von Herrn N. falsch sind. Er hatte keine gegenteiligen Erkenntnisse, nach denen er es hätte besser wissen müssen als der Zeuge.

Der Beteiligte zu 3) hat den Zeugen K. nicht beeinflusst, etwas Falsches beim Arbeitsgericht auszusagen. Selbst wenn der Beteiligte zu 3) sich in dem Telefonat dahingehend geäußert haben sollte, Herr K. "solle vor Gericht sagen, es habe keinen BR-Beschluss gegeben", fehlt es am Vorsatz. Der Beteiligte zu 3) ist aufgrund der Informationen von Herrn N. fest davon ausgegangen, dass kein Betriebsratsbeschluss zum Interessenausgleich vorliegt. Der Beteiligte zu 3) hatte keinen Anlass, an dem Wahrheitsgehalt dieser Informationen zu zweifeln. Er hat nicht im Wissen, dass es sich tatsächlich anders zugetragen hat, auf den Zeugen eingewirkt, weil nur so eine für ihn günstigere Prozesssituation zu erreichen war. Aus Sicht des Beteiligten zu 3) konnte es Bedenken geben, ob sich der Zeuge trauen würde, ein evtl. fehlerhaftes Handeln beim Abschluss des Interessenausgleichs zuzugeben. In diesem Sinne ist das Arbeitsgericht in dem erstinstanzlichen Beschluss zu Recht davon ausgegangen, dass die Äußerung des Beteiligten zu 3), der von dem Fehlen des Betriebsratsbeschlusses überzeugt war, als Bitte zu einer wahrheitsgemäßen Aussage verstanden werden kann. Im Übrigen hat der Beteiligte zu 3) auf den Zeugen K. keinerlei Druck ausgeübt. Er hat den Zeugen weder bedroht noch irgendwelche Begünstigungen in Aussicht gestellt. Um einen Zeugen zu einer strafbedrohten Falschaussage vor einem Gericht zu bewegen, ist es regelmäßig nötig, entsprechende Mittel einzusetzen. Ansonsten gibt es für einen Zeugen keinen Grund, das Risiko einer Strafbarkeit auf sich zu nehmen. Die dem Beteiligen zu 3) vorgeworfene Äußerung in dem Telefonat war nicht geeignet, den Zeugen zu einer wahrheitswidrigen Aussage zu bewegen.

Für die von der Arbeitgeberin hilfsweise herangezogene Verdachtskündigung bleibt kein Raum, da die Vorwürfe schon nicht für eine Tatkündigung ausreichen. Das für eine Verdachtskündigung herangezogene vermeintliche Fehlverhalten reicht nicht weiter als die erhobenen Tatvorwürfe. Ergibt sich aus einem bestimmten nachgewiesenen Verhalten keine Pflichtverletzung, gilt dies erst recht, wenn hinsichtlich desselben Verhaltens nur ein Verdacht besteht.

2. Privattelefonate

Die von dem Beteiligten zu 3) im Zeitraum Januar bis Mai 2015 während der Arbeitszeit geführten Telefonate, bei denen die Arbeitgeberin keinen dienstlichen Anlass erkennen konnte, stellen keine solche Pflichtverletzung dar, die typischerweise als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung ohne eine vorherige einschlägige Abmahnung geeignet ist. Das gilt selbst dann, wenn es sich ausschließlich um Privattelefonate handeln sollte.

Der Arbeitnehmer verletzt eine Hauptpflicht aus dem Arbeitsverhältnis, wenn er während der Arbeitszeit privaten Angelegenheiten nachgeht. Die Pflichtverletzung wiegt dabei umso schwerer, je mehr der Arbeitnehmer seine Arbeitspflicht in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht vernachlässigt (BAG, Urteil vom 07. Juli 2005 - 2 AZR 581/04 - Rn. 27, juris = NZA 2006, 98; BAG, Urteil vom 27. April 2006 - 2 AZR 386/05 - Rn. 25, juris = NZA 2006, 977).

Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Sie scheidet aus, wenn es ein „schonenderes“ Gestaltungsmittel - etwa Abmahnung, Versetzung, ordentliche Kündigung - gibt, das ebenfalls geeignet ist, den mit einer außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - nicht die Sanktion des pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses - zu erreichen (BAG, Urteil vom 20. Oktober 2016 - 6 AZR 471/15 - Rn. 30, juris = NZA 2016, 1527). Eine Abmahnung ist entbehrlich, wenn die Pflichtverletzung so schwerwiegend ist, dass selbst deren erstmalige Hinnahme durch den Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und offensichtlich ausgeschlossen war (BAG, Urteil vom 20. Oktober 2016 - 6 AZR 471/15 - Rn. 41, juris = NZA 2016, 1527). Die exzessive Nutzung des Internets während der Arbeitszeit zu privaten Zwecken kann je nach den Umständen des Einzelfalles eine so schwere Pflichtverletzung des Arbeitsvertrages sein, die den Arbeitgeber auch ohne vorangegangene Abmahnung zu einer Kündigung berechtigt (BAG, Urteil vom 31. Mai 2007 - 2 AZR 200/06 - Rn. 28, juris = NZA 2007, 922; BAG, Urteil vom 07. Juli 2005 - 2 AZR 581/04 - Rn. 36 = NZA 2006, 98; LAG Hamm, Urteil vom 30. September 2011 - 10 Sa 471/11 - Rn. 98, juris). Eine Pflichtverletzung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Arbeitgeber zuvor keine Beschränkungen angeordnet hat (LAG Hamm, Urteil vom 11. Juni 2012 - 17 Sa 71/12 - Rn. 83, juris).

Eine private Nutzung des dienstlichen Internetanschlusses im Umfang von knapp 40 Stunden über einen Zeitraum von 30 Arbeitstagen kann den Arbeitgeber wegen der darin liegenden Verletzung der Arbeitspflicht zur außerordentlichen Kündigung berechtigen, und zwar auch dann, wenn dem Arbeitnehmer die Privatnutzung arbeitsvertraglich in Ausnahmefällen innerhalb der Arbeitspausen erlaubt ist (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. Januar 2016 - 5 Sa 657/15 - Rn. 76 ff., juris = BB 2016, 891; Revision eingelegt). Eine exzessive Privatnutzung des Internets liegt vor, wenn sie etwa einen Arbeitstag innerhalb einer Arbeitswoche in Anspruch nimmt (LAG Hessen, Urteil vom 30. März 2015 - 17 Sa 1094/13 - Rn. 34, juris = ZD 2016, 389). In jedem Fall exzessiv ist ein privater E-Mail-Verkehr des Arbeitnehmers, der ihm phasenweise keinen Raum mehr für die Erledigung seiner Dienstaufgaben gelassen hat (LAG Niedersachsen, Urteil vom 31. Mai 2010 - 12 Sa 875/09 - Rn. 43, juris = NZA-RR 2010, 406).

Der Beteiligte zu 3) hat nicht in einem exzessiven Umfang privat telefoniert. Die Pflichtverletzung ist, falls alle aufgelisteten Telefonate tatsächlich einen privaten Anlass hatten oder zumindest ein entsprechender Verdacht besteht, nicht so schwerwiegend, als dass nicht eine Abmahnung das Risiko künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses hätte vermeiden können. Die Telefonate haben nicht einen zeitlichen Umfang angenommen, der von der Arbeitgeberin keinesfalls mehr hinnehmbar ist. Die Arbeitgeberin hat eine Gesamtdauer der Telefonate von 12,78 Stunden in 5 Monaten ermittelt. Bei der in diesem Zeitraum praktizierten regelmäßigen Arbeitszeit von 100 Stunden im Monat, also insgesamt 500 Arbeitsstunden in 5 Monaten, hatten die Privattelefonate einen Anteil von 2,6 % an der Arbeitszeit. Dieser Umfang liegt deutlich unterhalb des Ausmaßes, das als exzessiv zu bezeichnen ist, nämlich etwa 15 - 20 % der Arbeitszeit. Seine Arbeitsaufgaben hat der Beteiligte zu 3) wegen der Privattelefonate nicht vernachlässigt. Soweit die - hier unterstellten - Privattelefonate im Widerspruch zu dem Einwand des Beteiligten zu 3) in dem Kündigungsschutzprozess stehen, die Aufgaben als Haustechniker und Filmvorführer in 100 Stunden je Monat nicht bewältigen zu können, ist das in dem vorliegenden Beschlussverfahren nicht ausschlaggebend. Auch in dem Kündigungsschutzverfahren kam es hierauf letztlich nicht darauf an.

III.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor. Das Verfahren wirft keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.