Niedersächsisches FG, Urteil vom 14.04.2020 - 9 K 21/19
Fundstelle
openJur 2020, 11825
  • Rkr:

Zahlungen eines Landkreises an eine Sozialpädagogin für eine sozialpädagogische nachmittägliche Betreuung sind nicht gemäß § 3 Nr. 11 des Einkommensteuergesetzes steuerfrei, weil solche Geldleistungen nicht als uneigennützig gewährte Unterstützungsleistungen anzusehen sind. Solche Leistungen sollen vielmehr den sachlichen und zeitlichen Aufwand der Betreuungsperson vollständig durch Stundensätze - der Höhe nach abhängig von der Zahl der zu betreuenden Kinder - und einer mionatlichen Sachkostenpauschale in einem angemessenen Umfang vergüten.Daher sind die Zahlungen das Entgelt für die vertraglich vereinbarte bestimmte Förderleistung der Betreuerin.

Tatbestand

Streitig ist, ob die Einnahmen aus einer sozialpädagogischen nachmittäglichen Betreuung nach § 3 Nr. 11 des Einkommensteuergesetzes (EStG) von der Einkommensteuer befreit sind.

Die Klägerin ist ledig und wird einzeln zur Einkommensteuer veranlagt.

Als Sozialpädagogin erzielt sie aus ihrer Haupttätigkeit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Im Nebenberuf ist die Klägerin als Honorarkraft für den Landkreis … (LK) tätig und erzielt hieraus Einkünfte aus selbständiger Arbeit.

Mit der Steuererklärung des Streitjahres 2016 legte die Klägerin diesbezüglich eine Bescheinigung des LK vom 8. März 2017 vor. Hieraus ging hervor, dass sie eine Entschädigung in Höhe von insgesamt 4.892,00 € erhalten hatte. Grundlage dieser Nebentätigkeit waren im Streitjahr mehrere Honorarverträge gleichen Inhalts. Danach übernahm die Klägerin für den Auftraggeber (LK) als Honorarkraft Aufgaben im Rahmen der sozialpädagogischen nachmittäglichen Betreuung in einer bestimmten Familie und hier für ein bestimmtes Kind. Zum Aufgabenbereich gehörten etwa

- Beratung und Unterstützung der Eltern in Erziehungsfragen,- unterstützende Begleitung bei Kontakten zu Behörden, Schulen, etc.,- Heranführen an Möglichkeiten aktiver Freizeitgestaltung,- Ausschauhalten nach sozialen Kontakten,- Unterstützung von Kindern und Jugendlichen bei der Erledigung von Hausaufgaben.

Die monatliche Honorartätigkeit umfasste 35 Zeitstunden. Das Honorar betrug bei Einzelbetreuung 16,00 € pro Stunde. Ferner gewährte der LK eine Sachkostenpauschale i. H. v. 10,00 € monatlich. Die inhaltsgleichen Honorarverträge hatten jeweils eine Dauer von 6 Monaten und wurden im Streitjahr jeweils zu gleichen Konditionen verlängert.

Das beklagte Finanzamt berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid vom 20. März 2018 Einkünfte aus selbständiger Arbeit i. H. v. 2.492,00 €. Von den Einnahmen brachte der Beklagte eine Pauschale von 2.400,00 € gemäß § 3 Nr. 26 EStG in Abzug.

Hiergegen wendete sich die Klägerin mit einem Einspruch, der jedoch keinen Erfolg hatte. Zur Begründung führte der Beklagte an, dass eine Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 11 EStG ausscheide, weil der LK die Zahlungen an die Klägerin nicht ausschließlich zu dem Zweck geleistet habe, die Erziehung unmittelbar zu fördern. Er erstatte nicht nur die im Zusammenhang mit der Tätigkeit entstehenden Kosten, sondern gewähre Tätigkeitsvergütungen, die den Aufwand an Zeit und die Arbeitsleistung abgelten sollten. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 12. Dezember 2008 Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage, mit der die Klägerin ihr Begehren aus dem Einspruchsverfahren weiterverfolgt. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen Folgendes vor: Die Einnahmen der Klägerin aus der Nebentätigkeit seien steuerfrei nach § 3 Nr. 11 EStG. Die Voraussetzungen für diese Steuerbefreiung lägen vor, denn die Klägerin sei im Rahmen der sozialpädagogischen nachmittäglichen Betreuung direkt auf den Gebieten mehrerer klassischer Erziehungsaufgaben bei dem Kind maßgeblich steuernd tätig gewesen. Die Tätigkeiten der Klägerin seien als öffentlich-rechtliche Beihilfe zu qualifizieren, da i. S. d. § 3 Nr. 11 EStG uneigennützig gewährte Unterstützungsleistungen vorlägen. Aufgrund der Anzahl der betreuten Kinder sei die Tätigkeit auch nicht erwerbsmäßig gewesen. Wesentliche Erwerbsgrundlage der Klägerin sei im Streitjahr ihr Arbeitslohn gewesen. Die Einkünfte aus selbständiger Arbeit machten dagegen nur einen untergeordneten Anteil der Summe der Einkünfte aus.

Die Klägerin beantragt,

den Einkommensteuerbescheid 2016 vom 20. März 2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Dezember 2018 dergestalt zu ändern, dass die Einnahmen aus der sozialpädagogischen nachmittäglichen Betreuung steuerfrei behandelt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt der Beklagte im Wesentlichen Folgendes vor: Die Einkünfte aus sozialpädagogischer nachmittäglicher Betreuung sei nicht gemäß § 3 Nr. 11 EStG steuerfrei. Steuerfrei seien danach u. a. Bezüge aus öffentlichen Mitteln, die als Beihilfe zu dem Zweck bewilligt würden, die Erziehung unmittelbar zu fördern. Entscheidendes Merkmal der Beihilfe sei dabei die Unentgeltlichkeit und Einseitigkeit. Öffentlich-rechtliche Beihilfen seien nur uneigennützig gewährte Unterstützungsleistungen. Leistungen, die im Rahmen eines entgeltlichen Austauschgeschäftes erbracht würden, könnten danach nicht als Beihilfe qualifiziert werden. In diesem Zusammenhang beruft sich der Beklagte auf eine Stellungnahme des Deutschen Institutes für Jugendhilfe und Familienrecht e. V. vom 31. Mai 2016 zu der Frage der Einordnung der Tätigkeit aller für den Landkreis in dem Bereich der sozialpädagogischen nachmittäglichen Betreuung tätigen Personen. Nach Einschätzung des Instituts handele es sich bei der streitgegenständlichen Tätigkeit um eine flexible (bzw. unbenannte) Hilfe zur Erziehung nach § 27 Abs. 2 SGB VIII. Hinsichtlich der einkommensteuerlichen Einordnung ergäben sich danach aus dieser Zuordnung - im Vergleich zu sonst beruflich tätigen Fachkräften in der Kinder- und Jugendhilfe - keine Besonderheiten. Die Privilegierung einer Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 11 EStG greife allenfalls in Bezug auf Pflegeleistungen nach § 39 SGB VIII, sofern diese für eine nicht erwerbsmäßig ausgeübte Betreuungstätigkeit gezahlt würden. Vorliegend würden jedoch aufgrund des ambulanten Betreuungssettings weder Pflegeleistungen nach § 39 SGB VIII gezahlt (sondern Leistungsentgelte) noch übten die Fachkräfte ihre Tätigkeit nicht erwerbsmäßig aus. Diese Ausführungen mache sich der Beklagte zu eigen. Darüber hinaus weist der Beklagte darauf hin, dass die Vergütung der Klägerin nach einem Stundensatz bemessen werde, der den Aufwand an Zeit und Arbeitsleistung vergüten solle. Die Klägerin beziehe nicht etwa ein pauschales monatliches Gehalt. Allein aus dem Umstand, dass die Einkünfte aus selbständiger Arbeit nur einen untergeordneten Teil der Summe der Einkünfte ausmachten, könne nicht auf eine fehlende Erwerbsmäßigkeit geschlossen werden. Eine für die Steuerbefreiung vorausgesetzte unmittelbare Förderung der Erziehung sei nur bei Zahlungen zu bejahen, mit denen die Zahlungsempfänger der Notwendigkeit des Entgelterwerbs zum Lebensunterhalt in Proben und dadurch zeitgleich in die Lage versetzt würden, sich der Erziehung bzw. Ausbildung zu widmen. Der Landkreis leiste die Zahlungen an die Klägerin nicht ausschließlich zu dem Zweck, die Erziehung unmittelbar zu fördern. Er vergüte vielmehr die Arbeitsleistung der Klägerin.

Gründe

1. Die Klage ist unbegründet.

Der Einkommensteuerbescheid vom 20. März 2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Dezember 2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Zu Recht ist der Beklagte davon ausgegangen, dass die Einnahmen aus der sozialpädagogischen nachmittäglichen Betreuung nicht gemäß § 3 Nr. 11 EStG steuerfrei sind.

Nach § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG sind u. a. Bezüge aus öffentlichen Mitteln steuerfrei, die als Beihilfe zu dem Zweck bewilligt werden, die Erziehung unmittelbar zu fördern.

a. Öffentliche Mittel sind nach der Rechtsprechung des BFH solche, die aus einem öffentlichen Haushalt stammen, d. h. haushaltsmäßig als Ausgaben festgelegt und verausgabt werden (vgl. etwa zuletzt BFH, Beschluss vom 10. Dezember 2019 VIII S 12/19 (AdV), DStZ 2020, 180 betreffend Zahlungen aus öffentlichen Mitteln gemäß § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG bei Auszahlung von Geldern an Pflegepersonen durch freie Träger der Jugendhilfe). Diese Voraussetzung ist auch gewahrt, wenn die derart in einem Haushaltsplan ausgewiesenen Mittel nicht unmittelbar aus einer öffentlichen Kasse, sondern mittelbar über Dritte gezahlt werden, sofern über die Mittel nur nach Maßgabe der haushaltsrechtlichen Vorschriften verfügt werden kann und ihre Verwendung im Einzelnen gesetzlich geregelter Kontrolle unterliegt (vgl. BFH, Urteil vom 5. November 2014 VIII R 29/11, BFHE 249, 1, BStBl II 2017, 432). Die Pflege- und Erziehungsgelder werden im Rahmen der öffentlichen Jugendhilfe von den Jugendämtern gezahlt. Der Annahme, dass die Pflege- und Erziehungsgelder „aus öffentlichen Mitteln“ gezahlt werden, steht nach der Rechtsprechung nicht entgegen, dass zur Begründung von Pflegeverhältnissen u. a. der Abschluss zivilrechtlicher Pflegeverträge – z. B. zwischen Jugendamt und Pflegeeltern - für erforderlich gehalten wird (BFH in BFHE 249, 1, BStBl II 2017, 432 m. w. N.).

So liegt es auch im Streitfall. Die streitrelevanten Geldleistungen hat die Klägerin unmittelbar vom LK als Übernehmer des zuvor zuständigen städtischen Jugendamtes erhalten. Die Beträge wurden auf dem Konto der Klägerin gutgeschrieben. Die Mittel stammen aus dem öffentlichen Haushalt der o. g. kommunalen Gebietskörperschaften und sind somit öffentliche Mittel i. S. d. § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG.

b. Es ist jedoch bereits zweifelhaft, ob die an die Klägerin gezahlten Gelder ausschließlich und unmittelbar dazu bestimmt sind, die Erziehung zu fördern.

Die Erziehung im Sinne der Vorschrift als „planmäßige Tätigkeit zur körperlichen, geistigen und sittlichen Formung junger Menschen“ umfasst alle Bestrebungen, Vorgänge und Tätigkeiten, die den Entwicklungsvorgang beeinflussen (z. B. BFH, Urteil vom 5. November 2014 VIII R 29/11, BFHE 249, 1, BStBl II 2017, 432). Eine unmittelbare Förderung der Erziehung i. S. d. § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG liegt nach der Rechtsprechung des BFH vor, wenn die Zuwendungen öffentlicher Mittel die Erziehung ohne ein Dazwischentreten weiterer Ereignisse beeinflussen. Dies ist insbesondere für Zahlungen zu bejahen, mit denen die Zahlungsempfänger der Notwendigkeit des Gelderwerbs zum Lebensunterhalt enthoben und dadurch zeitlich in die Lage versetzt werden, sich der Erziehung zu widmen (BFH, Urteil vom 5. November 2014 VIII R 29/11, BFHE 249, 1, BStBl II 2017, 432).

Die Tätigkeit der Klägerin im Rahmen der sozialpädagogischen nachmittäglichen Betreuung hat ausweislich der vorliegenden Verträge einen Umfang von 35 Zeitstunden im Monat.

Fraglich ist, ob die von der Klägerin nach dem Honorarvertrag gegenüber den Eltern und dem Kind zu erbringenden Hilfe- und Unterstützungsleistungen auch ausschließlich der Erziehung des Kindes dienen. Diese Einschränkung ist notwendig, weil nahezu jede länger andauernde Beschäftigung mit Kindern zugleich deren Erziehung zum Gegenstand hat (vgl. BFH-Urteil vom 17. Mai 1990 IV R 14/87, BFHE 161, 361, BStBl II 1990, 1018).

aa. Speziell für Pflegepersonen hat der BFH klargestellt, dass es für die Frage, ob die an die Pflegepersonen gezahlten Gelder „ausschließlich die Erziehung fördern“ oder ob sie noch anderen Zwecken dienen, entscheidend auf Inhalt und Durchführung des Pflegeverhältnisses ankommt (vgl. Urteile vom 5. November 2014 VIII R 29/11, BFHE 249, 1, BStBl II 2017, 432; vom 28. Juni 1984 IV R 49/83, BFHE 141, 154, BStBl II 1984, 571). Nach dieser Rechtsprechung kann regelmäßig kein Zweifel daran bestehen, dass an Pflegeeltern geleistete Erziehungsgelder dazu bestimmt sind, zugunsten der in den Haushalt der Pflegeeltern dauerhaft aufgenommenen und wie leibliche Kinder betreuten Kinder und Jugendlichen „die Erziehung zu fördern“ (BFH, Urteile vom 28. Juni 1984 IV R 49/83, BFHE 141, 154, BStBl II 1984, 571; vom 5. November 2014 VIII R 9/12, BFH/NV 2015, 967). Denn in einem solchen Fall werden Zuschüsse gezahlt, um die Aufnahme von Kindern im Haushalt der Pflegepersonen zu erleichtern (vgl. BFH, Urteil vom 28. Juni 1984 IV R 49/83, BFHE 141, 154, BStBl II 1984, 571).

bb. Das FG Münster hat dagegen in Abgrenzung dazu entschieden, dass die von Jugendämtern geleisteten Zahlungen aus öffentlichen Mitteln an eine Tagespflegeperson für die Betreuung von bis zu 5 Kindern gleichzeitig im Haushalt der Tagespflegeperson nach § 22 Abs. 1 Satz 2, § 23 SGB VIII keine Beihilfen zur unmittelbaren Förderung der Erziehung i. S. d. § 3 Nr. 11 EStG sind. Zweck der Kindertagespflege nach §§ 22, 23 SGB VIII sei nicht nur die Erziehung des Kindes, sondern auch die Unterstützung von Eltern, Beruf und Familie besser miteinander vereinbaren zu können (Urteil vom 10. Oktober 2019 VI K 3334/17 E, EFG 2020, 248).

cc. Unter diesem Aspekt sind auch im Streitfall Zweifel geboten, denn zu den Aufgaben der Klägerin gehörte nach den Honorarverträgen neben der Unterstützung des Kindes bei der Erledigung der Hausaufgaben, bei der aktiven Freizeitgestaltung und beim Knüpfen von Sozialkontakten (erfüllt alles möglicherweise den Erziehungsbegriff) insbesondere auch die sozialpädagogische Beratung der Eltern in den Erziehungsfragen sowie die unterstützende Begleitung bei Behörden- und Schulbesuchen. Bei letztgenannten Leistungen handelt es sich nach Überzeugung des Gerichtes eher um schlichte sonstige Hilfeleistungen zur Alltagsbewältigung, die allenfalls eine mittelbare Auswirkung auf die Kindeserziehung haben.

Im Mittelpunkt der von der Klägerin zu erbringenden Leistungen steht bei einer sozialpädagogischen nachmittäglichen Betreuung nach Auffassung des Gerichts nicht unbedingt die Erziehung des Kindes, sondern vielmehr die Familie als Ganzes. Die Klägerin hat die Familie in verschiedenen Lebensbereichen (Erziehungsfragen, Kontakt zu Ämtern/Institutionen, Freizeitgestaltung, Hausaufgaben) zu unterstützen. Diese Hilfekonzeption deutet darauf hin, dass die sozialpädagogische nachmittägliche Betreuung - und hier teilt der Senat die Einschätzung des Deutschen Institutes für Jugendhilfe und Familienrecht e. V. vom 31. Mai 2016 - unter keine der in §§ 28 ff. SGB VIII ausdrücklich benannten Hilfen zur Erziehung gefasst werden kann, sondern in ihr als Mischform vielmehr einzelne Elemente aus unterschiedlichen Hilfetypen kombiniert werden, so z. B.

- die „Begleitung der schulischen Förderung“ und „Unterstützung durch Elternarbeit“ aus §§ 32 Satz 1 SGB VIII, allerdings weder als Gruppenangebot noch in teilstationärer Form,

- die „Bewältigung von Alltagsproblemen“, die Unterstützung „im Kontakt mit Ämtern und Institutionen“ und „Hilfe zur Selbsthilfe“ sowie das ambulante Hilfesetting sprechen dagegen für eine Hilfe nach § 31 SGB VIII.

Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Konzeption wohl eher um eine niedrigschwellige Hilfe handelt in Fällen, in denen die Familien offenbar weder den für eine sozialpädagogische Familienhilfe nach § 31 SGB VIII klassischerweise vorliegenden Hilfebedarf ausweisen noch die sozialpädagogische nachmittägliche Betreuung, die mit der sozialpädagogischen Familienhilfe regelmäßig verbundene Intensität und Verbindlichkeit an Betreuung und Begleitung beinhaltet.

Daher liegt eher eine Einordnung als flexible Hilfe zur Erziehung nach § 27 Abs. 2 SGB VIII als Basisnorm nahe (zur systematischen Stellung siehe Nellissen in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 2. Auflage, § 27 SGB VIII, Stand: 2. März 2020, § 27 SGB VIII, Rdz. 71 ff.).

c. Der Senat kann jedoch dahinstehen lassen, ob alle von der Klägerin zu erbringenden Leistungen ausschließlich und unmittelbar der Erziehung dienen.

Die begehrte Steuerfreiheit kann im Streitfall jedenfalls deshalb nicht gewährt werden, weil öffentlich-rechtliche Beihilfen i.S.d. § 3 Nr. 11 EStG nur uneigennützig gewährte Unterstützungsleistungen sind (vgl. BFH in BFHE 249, 1, BStBl II 2017, 432 m. w. N.; BFH-Urteil vom 23. September 1998 IX R 11/98, BFHE 187, 29, BStBl II 1999, 133), und diese Voraussetzung vorliegend nicht erfüllt ist.

aa. Öffentlich-rechtliche Beihilfen i. S. d. § 3 Nr. 11 EStG sind nur uneigennützig gewährte Unterstützungsleistungen. Leistungen, die im Rahmen eines entgeltlichen Austauschgeschäfts erbracht werden, sind danach nicht steuerfrei (BFH, Beschluss vom 10. Dezember 2019 VIII S 12/19 (ADV), DStZ 2020, 180, betreffend Zahlungen aus öffentlichen Mitteln gemäß § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG bei Auszahlung von Geldern an Pflegepersonen durch freie Träger der Jugendhilfe).

Auf dieser Grundlage hat der BFH Pflegesatzzahlungen, die für die Unterbringung von Kindern in Einrichtungen i. S. d. § 34 SGB VIII gezahlt werden, nicht als steuerfreie Beihilfen i. S. d. § 3 Nr. 11 EStG beurteilt (BFH, Urteil vom 23. September 1998, IX R 9/98, BFH/NV 1999, 600).

Die von den Jugendämtern an Pflegeltern geleisteten Erziehungsgelder hat der BFH jedoch grundsätzlich als nach § 3 Nr. 11 EStG steuerfrei beurteilt (BFH-Urteil vom 23. Juni 1984 IV R 49/83, BFHE 141, 154, BStBl II 1984, 571), da mit der Zahlung der Pflegegelder keine vollständige Ersetzung des sachlichen und zeitlichen Aufwands der Pflegeeltern beabsichtigt sei (BFH-Urteil vom 17. Mai 1990 IV R 14/87, BFHE 161, 361, BStBl II 1990, 1018). Zuwendungen an Pflegeeltern ähnelten in vielerlei Hinsicht Zahlungen, die die leiblichen Eltern für die Erziehung ihrer Kinder ebenfalls steuerfrei erhielten (BFH in BFHE 161, 361, BStBl II 1990, 1018).

Diesen steuerfreien Leistungen hat der BFH auch im Bereich des Bezugs von Pflegegeldern als steuerpflichtige Einnahmen aber Zahlungen an Personen gegenübergestellt, die Kinder des Erwerbs wegen in ihrem Haushalt aufgenommen haben (BFH-Urteil in BFHE 161, 361, BStBl II 1990, 1018; BFH in BFHE 249, 1, BStBl II 2017, 432, Rdz. 36 ff.). Der BFH (in BFHE 249, 1, BStBl II 2017, 432, Rdz. 39, 40) nimmt die Voraussetzungen eines erwerbsmäßigen Bezugs von Pflegegeld wie die Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 22. Oktober 2018 IV C 3 - S 2342/07, BStBl I 2018, 1109 unter A) erst an, wenn von der Pflegeperson mehr als 6 Kinder gleichzeitig im Haushalt aufgenommen werden (vgl. auch FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27. Februar 2019, 2 K 8/19, EFG 2019, 766, Revision zugelassen, betreffend Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 11 EStG in Grenzfällen zwischen Vollzeitpflege gemäß §§ 3 SGB VIII und Betreuung in einer anderen Einrichtung gemäß § 34 SGB VIII).

Auch die von den Jugendämtern an die Betreuer von sogenannten Tagesgroßpflegestellen gezahlten Erziehungsgelder hat der BFH nicht als nach § 3 Nr. 11 EStG steuerfrei angesehen, weil diese u. a. eine starke Ähnlichkeit zu steuerpflichtigen Einnahmen von „Tagesmüttern“ hätten, die eine Vergütung unmittelbar von den Eltern der betreuten Kinder erhalten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 161, 361, BStBl II 1990, 1018).

Im Zusammenhang mit der Beurteilung von Leistungen, die im Rahmen eines entgeltlichen Austauschgeschäfts erbracht werden, hat das FG Baden-Württemberg (Urteil vom 26. März 2019, 11 K 3207/17, EFG 2019, 1969, Revision eingelegt, Aktenzeichen des BFH: VIII R 13/19) entschieden, dass Zahlungen eines Jugendwerks an eine staatlich anerkannte Jugenderzieherin und Heimerzieherin keine steuerfreien Beihilfen i. S. d. § 3 Nr. 11 EStG bei gewerbsmäßiger, intensiv sozialpädagogischer Einzelbetreuung, Verpflegung und Unterbringung von Jugendlichen im eigenen Haushalt darstellen. Pauschal die tatsächlichen Kosten in angemessenem Umfang nach Maßgabe der zugrunde gelegten Pflegesätze hinsichtlich der Personalkosten und Sachkosten abdeckende Zahlungen des Jugendwerks seien als solche nicht nach § 3 Nr. 11 EStG steuerfrei. Würden durch die Vergütungen nicht nur die tatsächlichen Personalkosten und Sachkosten erstattet, sondern darüber hinaus besondere Erziehungsleistungen durch ein zusätzliches Honorar vergütet, könnte auch dann nicht von einer bloßen Beihilfe i. S. d. § 3 Nr. 11 EStG gesprochen werden, wenn die Betreuung und Erziehung nicht in einem Heim stattfinde.

In ähnlicher Weise hat auch das FG Münster (Urteil vom 10. Oktober 2019 6 K 3334/17 E EFG 2020, 248, Revision zugelassen) die Steuerpflicht von Geldleistungen zur Anerkennung der Förderungsleistung einer Tagespflegeperson beurteilt. Die Zahlung eines Jugendamtes an eine Tagespflegeperson auf Grundlage der §§ 22, 23 SGB VIII stelle Entgelt für die bestimmte Förderungsleistung dar und sei damit keine Beihilfe i. S. d. § 3 Nr. 11 EStG (so auch BMF-Schreiben vom 11. November 2016 IV C 6-S 2246/07/1002:005, BStBl I 2016, 1236).

bb. Übertragen auf den Streitfall bedeutet dies, dass die an die Klägerin gezahlten Geldleistungen des LK nicht als uneigennützig gewährte Unterstützungsleistungen anzusehen sind.

Denn diese Leistungen sollen - anders als Pflegegelder an Pflegeeltern - den sachlichen und zeitlichen Aufwand der Betreuungsperson vollständig durch Stundensätze - der Höhe nach abhängig von der Zahl der zu betreuenden Kinder - und einer monatlichen Sachkostenpauschale in einem angemessenen Umfang vergüten. Die Zahlung des LK ist das Entgelt für die vertraglich vereinbarte bestimmte Förderungsleistung der Klägerin als Betreuerin. Nach Überzeugung des Gerichts ist in diesem Zusammenhang die Anzahl der zu betreuenden Kinder (im Streitfall: ein Kind) ohne Bedeutung.

Das Gericht konnte im Ergebnis offenlassen, ob diese Einkünfte der Klägerin solche aus freiberuflicher Tätigkeit i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG oder gewerbliche Einkünfte i. S. d. § 15 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2 EStG sind (ebenso FG Münster, Urteil vom 10.10.2019 6 K 3334/17 E, EFG 2020, 248, Revision zugelassen).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

3. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und zur Fortbildung (§ 115 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 FGO) sowie im Hinblick auf das bereits anhängige Revisionsverfahren VIII R 13/19 zuzulassen.

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