Niedersächsisches FG, Urteil vom 12.11.2019 - 13 K 171/17
Fundstelle
openJur 2020, 11815
  • Rkr:
Verfahrensgang

Arbeitet ein Kind nach Abschluss einer Ausbildung zum Bankkaufmann vollzeitig in einer Bank als Bankkaufmann und absolviert es daneben eine Ausbildung zum "Bankfachwirt Bankcolleg" an einer Genossenschaftsakademie der Volks- und Raiffeisenbanken, handelt es sich regelmäßig nicht mehr um eine mehraktige erstmalige Berufsausbildung.

2. Rechtsgang

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die berufsbegleitende Teilnahme an einem Bankcolleg einer Genossenschaftsakademie der Volks- und Raiffeisenbanken mit dem Ziel der Erlangung eines Abschlusses zum „Bankfachwirt Bankcolleg“ Bestandteil der erstmaligen Berufsausbildung ist, wenn das Kind erst kurz zuvor eine Ausbildung zum Bankkaufmann abgeschlossen hat.

Der Kläger ist der Kindergeldberechtigte für das Kind A (geboren am xx. xx 1994). Er lebt zusammen mit seiner Ehefrau - der Mutter von A - und dem Kind in einem gemeinsamen Haushalt in W. Die Ehefrau hat sich damit einverstanden erklärt, dass der Kläger den Kindergeldanspruch geltend macht.

Seit dem 1. August 2014 absolvierte A eine Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Volksbank B. Im Januar 2017 bestand A die Prüfung zum Bankkaufmann. Der letzte Prüfungstag war der xx. Januar 2017.

A wurde von der Volksbank B als Arbeitnehmer übernommen. Beginn des Arbeitsverhältnisses war der xx. Januar 2017. Nach einem - zunächst bis zum 31. Dezember 2017 befristeten - Anstellungsvertrag vom xx. Juni 2016 / xx. Juni 2016 betrug die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 39 Stunden. Zum xx. Juli 2017 wurde der befristete Anstellungsvertrag durch einen unbefristeten Anstellungsvertrag vom xx. Juni 2017 ersetzt. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit betrug weiterhin 39 Stunden.

Mit Bescheid vom xx. Januar 2017 hob die beklagte Familienkasse die für den Zeitraum der Ausbildung zum Bankkaufmann bewilligte Kindergeldfestsetzung mit Wirkung ab dem Monat Februar 2017 auf. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass das Kind im Monat Januar 2017 seine Berufsausbildung beenden würde.

Am xx. April 2017 meldete sich A zum Bankcolleg für ein Bankfachwirt-Studium bei der Genossenschaftsakademie C an. Er erhielt bereits am xx. April 2017 eine Zusage. Die Einführungsveranstaltung fand am xx. Mai 2017 statt. Das erste Semester begann am xx. Juni 2017.

Die Teilnahme an dem viersemestrigen Bankfachwirt-Studium diente ausweislich einer vorgelegten Studienbescheinigung der Vorbereitung auf den beruflichen Fortbildungsabschluss zum „Bankfachwirt Bankcolleg“ oder optional zum „Bankfachwirt IHK“.

Für das Bankcolleg kann sich jeder Bankmitarbeiter anmelden, der eine Bankausbildung erfolgreich absolviert hat oder eine mindestens dreijährige Berufstätigkeit in der Bank ausgeübt hat.

Aus einer vorgelegten Übersicht ergibt sich zum Studienablauf folgendes:

1. Semester:

xx.06.2017 bis xx.10.2017

Semesterprüfungen: xx.10.2017 bis xx.10.2017

2. Semester:

xx.11.2017 bis xx.03.2018

Semesterprüfungen: xx.03.2018 bis xx.03.2018

3. Semester:

xx.04.2018 bis xx.08.2018

Semesterprüfungen: xx.08.2018 bis xx.08.2018

4. Semester:

xx.09.2018 bis xx.02.2019

Semesterprüfungen: xx.02.2019 bis xx.02.2019

Nach einer vorgelegten Informationsbroschüre über die „Personalentwicklung in Genossenschaftsbanken – Bankcolleg, berufsbegleitendes Bankfachwirt-Studium“ der Genossenschaftsakademie C wird das Bankcolleg idealerweise direkt nach der Bankausbildung begonnen. Es dient dazu, berufsbegleitend zu studieren und damit die fachliche Kompetenz auszubauen. Die Teilnehmer erhalten ein übergreifendes bankbetriebliches Basiswissen, welches Ihnen in allen Bereichen der Bank nützlich sein wird.

Die Präsenzveranstaltungen finden an den Samstagen in der Zeit von 8:30 Uhr bis 14:30 Uhr in B statt. An den Tagen dazwischen sollen die Teilnehmer neben ihrer Vollzeittätigkeit in der Bank den Stoff im Selbststudium vertiefen. Hierfür dient ein Bankfachwirt-Curriculum aus dem Studienwerk D-Verlag. Außerdem werden noch sog. Webinare veranstaltet. Am Ende eines jeden Semesters werden Prüfungen geschrieben.

Die erfolgreiche Abschlussprüfung zum „Bankfachwirt Bankcolleg“ berechtigt zur Anrechnung auf andere Personalentwicklungsmaßnahmen der Genossenschaftsbanken. Außerdem kann der Absolvent nach einer erfolgreichen Abschlussprüfung zum Bankfachwirt durch den Besuch von zwei weiteren Semestern der Titel „Bank Betriebswirt Bankcolleg“ erwerben.

Für diejenigen, die einen akademischen Abschluss mit breiter branchenunabhängiger Akzeptanz anstreben, kann anschließend bei der xxx Business School ein Abschluss zum Bachelor of Arts in Business Administration erworben werden. Dabei werden sämtliche Leistungen aus der Bankcolleg Bankfachwirt-Ausbildung in vollem Umfang auf das Bachelor-Studium angerechnet. Im Rahmen eines viermonatigen Brückenmoduls werden durch die xxx Business School die erforderlichen hochschulrechtlichen Voraussetzungen geschaffen. Der akademische Abschluss zum Bachelor of Arts in Business Administration wird dann innerhalb von zwei weiteren Semestern erworben.

Die Fächer und Studieninhalte des Bankcollegs gliedern sich wie folgt auf:

BankwirtschaftBankbetriebliche RahmenbedingungenJahresabschluss der KreditinstituteBankenaufsichtBankenmarketingBanksteuerungBankpolitikPräsenzstunden: 77Webinare: 2

BetriebswirtschaftAllgemeine Betriebswirtschaft: Grundlagen, Unternehmenspolitik, ControllingInvestition und FinanzierungenKosten- und LeistungsrechnungBilanzlehrePersonalmanagementPräsenzstunden: 84Webinare: 5

VolkswirtschaftVolkswirtschaftliche RahmendatenGüter-und KapitalmärkteGeld, Kredit, WährungWirtschaft- und SozialpolitikWirtschaftsbeziehungen und WettbewerbPräsenzstunden: 70Webinare: 2

Rechtsgrundlagen des BankgeschäftsBürgerliches Recht: Schuldrecht, Sachenrecht, Grundstücksrecht, Familienrecht,ErbrechtHandels- und GesellschaftsrechtKreditsicherungsrechtVerfahrens- und InsolvenzrechtArbeitsrechtPräsenzstunden: 70Webinare: 3

PrivatkundengeschäftKontoführungZahlungsverkehrRecht (WpHG)verzinsliche KapitalanlagenAktienInvestmentfondsDerivatePräsenzstunden: 42Webinare: 2

FirmenkundengeschäftFinanzierungsformenJahresabschlussanalyseBonitätsbeurteilungAuslandsgeschäftZahlungsverkehrExistenzgründungKrisenmanagementPräsenzstunden: 42Webinare: 2

Die Studieninhalte verteilen sich wie folgt auf die vier Semester:

1. Semester

Präsenzstunden

Webinare

Semesterprüfungen

Bankwirtschaft

35    

1       

1       

Betriebswirtschaft

21    

2       

1       

Volkswirtschaft

21    

1       

        

Rechtsgrundlagen Bankwirtschaft

28    

2       

1       

Summe 

105     

6       

4       

2. Semester

Präsenzstunden

Webinare

Semesterprüfungen

Bankwirtschaft

21    

1       

1       

Betriebswirtschaft

35    

2       

1       

Volkswirtschaft

28    

-       

1       

Rechtsgrundlagen Bankwirtschaft

21    

-       

1       

Summe 

105     

3       

4       

3. Semester

Präsenzstunden

Webinare

Semesterprüfungen

Bankwirtschaft

21    

-       

1       

Betriebswirtschaft

28    

1       

        

Volkswirtschaft

21    

1       

        

Rechtsgrundlagen Bankwirtschaft

21    

1       

1       

Summe 

91    

3       

4       

4. Semester

Präsenzstunden

Webinare

Semesterprüfungen

Privatkundengeschäft

42    

2       

1       

Firmenkundengeschäft

42    

2       

1       

Summe 

84    

4       

2       

Gesamt

385     

16    

14    

Die Lehrveranstaltungen kosten pro Semester xxx,00 € (insgesamt x.xxx,00 €). Das Studienwerk des D-Verlags kostet pro Semester xxx,00 € (insgesamt xxx,00 €).

Die Genossenschaftsakademie bescheinigte dem Sohn, dass er sich zum nächstmöglichen Zeitpunkt nach dem Abschluss seiner Ausbildung zum Bankkaufmann zu dem Bankcolleg für das Bankfachwirt-Studium angemeldet habe.

Die Genossenschaftsakademie bescheinigte dem Sohn außerdem, dass er an dem Studium und an allen bislang durchgeführten Semesterprüfungen teilgenommen habe (Datum der Bescheinigung: xx. Januar 2018).

Der Kläger beantragte am 18. Juli 2017 erneut Kindergeld für den Sohn A. Mit Bescheid vom xx. Juli 2017 lehnte die beklagte Familienkasse den Antrag auf Gewährung von Kindergeld ab dem Monat Februar 2017 ab. Zur Begründung führte die beklagte Familienkasse aus, dass das Kind A eine erste Berufsausbildung bereits abgeschlossen habe und sich aktuell in einer weiteren Berufsausbildung befinde. Da das Kind daneben einer Erwerbstätigkeit nachgehe, könne es gemäß § 32 Abs. 4 Sätze 2 und 3 EStG nicht mehr berücksichtigt werden. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 4. Februar 2016 (BStBl II 2016, 615) liege keine einheitliche Erstausbildung mehr vor, wenn die weiterführende Ausbildung eine Berufstätigkeit voraussetze oder das Kind vor Beginn der weiterführenden Ausbildung eine Berufstätigkeit aufnehme, die nicht nur der zeitlichen Überbrückung bis zum Beginn der nächsten Ausbildung diene.

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 26. Juli 2017 Einspruch ein. Zur Begründung führte der Kläger aus, dass es sich bei der jetzigen Ausbildung um ein Studium handle, welches zur ersten Berufsausbildung gehöre. Dementsprechend würden bereits einige Mitschüler das Kindergeld erhalten.

Mit Einspruchsentscheidung vom xx. August 2017 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Die beklagte Familienkasse führte aus, dass das Kind eine erstmalige Berufsausbildung zum Bankkaufmann abgeschlossen habe. Im Anschluss daran habe das Kind ab dem 18. Januar 2017 eine Vollzeiterwerbstätigkeit aufgenommen. Diese führe das Kind auch während des Studiums fort. Wegen der anspruchsschädlichen Erwerbstätigkeit entfalle der Kindergeldanspruch.

Mit am xx. August 2017 erhobener Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Der Kläger trägt vor, dass das Kind A seine Ausbildung zum Bankkaufmann am xx. Januar 2017 beendet habe. Der Anmeldeschluss für die Bewerbung zum Studiengang „Bankfachwirt“ sei der xx. April 2017 gewesen. A habe sich innerhalb der Anmeldefrist für den Studiengang beworben. Die Bestätigung der Annahme habe er am xx. April 2017 erhalten. Mit Beginn des Studiengangs am xx. Mai 2017 (Einführungsveranstaltung) und der ersten Vorlesung am xx. Juni 2017 habe das Kind in zeitlicher und sachlicher Hinsicht stringent sein ursprüngliches - seit Beginn der Ausbildung zum Bankkaufmann bereits bestehendes - Berufsziel „Bankfachwirt“ verfolgt.

Es sei von einer mehrgliedrigen Ausbildung auszugehen. Auf den Umfang der Erwerbstätigkeit des Kindes neben dem Studium komme es deshalb nicht mehr an. Ein zeitlicher und inhaltlicher enger Zusammenhang zwischen der Ausbildung zum Bankkaufmann und dem nachfolgenden Studiengang zum Bankfachwirt sei gegeben.

Mit Urteil vom 6. Februar 2018 gab das erkennende Gericht der Klage statt. Daraufhin legte die Beklagte die zugelassene Revision ein. Mit Gerichtsbescheid vom 21. März 2019 hob der BFH das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts auf und verwies die Sache zurück (III R 12/18).

Im 2. Rechtsgang geht der Kläger weiterhin davon aus, dass es sich bei der Ausbildung zum Bankkaufmann und der anschließenden Fortbildung zum „Bankfachwirt Bankcolleg“ um eine mehraktige Ausbildungsmaßnahme einer einheitlichen erstmaligen Berufsausbildung handele. Allein aus dem Ausbildungscharakter des Bankfachwirt-Studiums ergebe sich die von dem BFH geforderte Unterordnung der Arbeitstätigkeit unter die Ausbildungsmaßnahme. Außerdem seien die Anforderungen des BFH im Zusammenhang mit der vollschichtigen Tätigkeit unpräzise. Schließlich würden diese Anforderungen lediglich ein Abwägungskriterium von mehreren darstellen.

Eine Anspruchsberechtigung des Klägers ergebe sich zudem daraus, dass die Familienkasse in vergleichbaren Fällen Kindergeld gewährt habe. Deshalb sei der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Institut der Selbstbindung der Verwaltung verletzt. Die Behörde habe ihr Ermessen nicht gleichartig ausgeübt. Da in vergleichbaren Fällen Kindergeld gewährt worden sei, sei die Familienkasse an die dortige Ermessensentscheidung gebunden. Es bestehe eine Ermessensreduktion auf Null. Dieser Aspekt sei weder vom Niedersächsischen Finanzgericht noch vom BFH hinreichend berücksichtigt worden.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom xx. Juli 2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung der Beklagten vom xx. August 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für seinen am xx. xx 1994 geborenen Sohn A ab Februar 2017, hilfsweise ab Juni 2017 Kindergeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die beklagte Familienkasse ist der Auffassung, dass die weiterführende Ausbildung nur dann Teil der Erstausbildung sein könne, wenn das erklärte Ausbildungsziel mit dem ersten berufsqualifizierenden Abschluss noch nicht erreicht wurde und ein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen den Ausbildungsmaßnahmen bestehe. Es müsse aufgrund objektiver Beweisanzeichen erkennbar sein, dass das Kind nach Abschluss der ersten berufsqualifizierenden Maßnahme eine weiterführende Ausbildung als Teil der Erstausbildung anstrebe. Das sei im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

I. Der Klageantrag ist dahingehend auszulegen, dass sich die Klage auf den Streitzeitraum Februar 2017 bis August 2017 bezieht. Da eine gegen einen Kindergeldablehnungsbescheid gerichtete Klage unzulässig ist, soweit sie die Zeit nach dem Monat der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung betrifft (BFH-Urteil vom 22. Dezember 2011 III R 70/09, BFH/NV 2012, 1446; BFH-Urteil vom 24. Juli 2013 XI R 24/12, BFH/NV 2013, 1920; BFH-Urteil vom 25. September 2014 III R 56/13, BFH/NV 2015, 206; vgl. auch BFH-Urteil vom 4. August 2011 III R 71/10, BStBl II 2013, 380), entspricht es dem wohlverstandenen Interesse des Klägers, die offene Formulierung des Klageantrags dahingehend zu verstehen, dass nur die Kindergeldfestsetzung bis einschließlich des Monats der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung begehrt wird (Einspruchsentscheidung vom xx. August 2017). Dies wurde der Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 6. Februar 2018 erläutert. Sie hat keine Einwände erhoben.

II. Dem Kläger steht kein Kindergeld für die Monate Februar 2017 bis August 2017 für das Kind A zu.

1. Nach §§ 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) in Verbindung mit § 32 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG besteht ein Anspruch auf Kindergeld für ein Kind, das das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, wenn dieses für einen Beruf ausgebildet wird.

a) In den Fällen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG wird nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG in Verbindung mit § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ein Kind nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums nur berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der §§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind insoweit unschädlich (§ 32 Abs. 4 Satz 3 EStG).

b) Hinsichtlich der Auslegung der in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG verwendeten Tatbestandsmerkmale „erstmalige Berufsausbildung“ und „Erststudium“ hat der BFH entschieden, dass das „Erststudium“ nur einen Unterfall des Oberbegriffes „erstmalige Berufsausbildung“ darstellt (BFH-Urteil vom 3. Juli 2014 III R 52/13, BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 19 ff.) und der Erstausbildungsbegriff des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG enger auszulegen ist als das in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG verwendete Tatbestandsmerkmal "Kind, das ... für einen Beruf ausgebildet wird" (BFH-Urteil in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 22 ff.). Die den Erstausbildungsbegriff des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG begrenzenden Kriterien hat der BFH dabei vor allem in folgenden Punkten gesehen:

- Es muss sich um einen öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang handeln (BFH-Urteil in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 24);

- dieser muss auf einen Abschluss ausgerichtet sein, der in Form einer Prüfung erfolgt (BFH-Urteil in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 24) und

- durch die berufliche Ausbildungsmaßnahme muss das Kind die notwendigen fachlichen Fähigkeiten und Kenntnisse erwerben, die zur Aufnahme eines Berufs befähigen, wodurch insbesondere eine Abgrenzung gegenüber dem Besuch einer allgemein bildenden Schule erfolgen soll (BFH-Urteil in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 24).

c) Liegen mehrere Ausbildungsabschnitte vor, können diese eine einheitliche Erstausbildung darstellen, wenn sie zeitlich und inhaltlich so aufeinander abgestimmt sind, dass die Ausbildung nach Erreichen des ersten Abschlusses fortgesetzt werden soll und das vom Kind angestrebte Berufsziel erst über den weiterführenden Abschluss erreicht werden kann (BFH-Urteil in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 27). In einem solchen Fall muss aufgrund objektiver Beweisanzeichen erkennbar sein, dass das Kind die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche Ausbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss beendet hat (BFH-Urteil in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 30). Dabei ist darauf abzustellen, ob sich die einzelnen Ausbildungsabschnitte als integrative Teile einer einheitlichen Ausbildung darstellen. Insoweit kommt es vor allem darauf an, ob die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang (z.B. dieselbe Berufssparte, derselbe fachliche Bereich) zueinander stehen und in engem zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden (BFH-Urteil in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 30). An einer Ausbildungseinheit fehlt es dagegen, wenn die Aufnahme des zweiten Ausbildungsabschnitts eine berufspraktische Tätigkeit voraussetzt oder das Kind nach dem Ende des ersten Ausbildungsabschnitts eine Berufstätigkeit aufnimmt, die nicht nur der zeitlichen Überbrückung bis zum nächstmöglichen Beginn des weiteren Ausbildungsabschnitts dient (BFH-Urteil vom 4. Februar 2016 III R 14/15, BFHE 253, 145, BStBl II 2016, 615, Rz 15).

d) Diese Rechtsprechungsgrundsätze sind von dem BFH mit dem Urteil vom 21. März 2019 (III R 12/18) fortentwickelt und präzisiert worden, soweit sie Fälle betreffen, in denen die einheitliche Erstausbildung mit daneben ausgeübter Erwerbstätigkeit von einer berufsbegleitend durchgeführten Weiterbildung (Zweitausbildung) abzugrenzen ist.

aa) Danach kann es an einer einheitlichen Erstausbildung fehlen, wenn das Kind nach Erlangung des ersten Abschlusses in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang eine Berufstätigkeit aufnimmt und die daneben in einem weiteren Ausbildungsabschnitt durchgeführten Ausbildungsmaßnahmen gegenüber der Berufstätigkeit „in den Hintergrund treten“. Zwar hat der Gesetzgeber in der Begründung zu dem Entwurf des Steuervereinfachungsgesetzes 2011, mit dem die hier maßgebliche Fassung des § 32 Abs. 4 Sätze 2 und 3 EStG in das Gesetz aufgenommen wurde, ausgeführt, dass auch Ausbildungsgänge, die neben einer Vollzeiterwerbstätigkeit durchgeführt werden (z.B. Abendschulen, Fernstudium), grundsätzlich begünstigt werden sollen (BTDrucks 17/5125, S. 41). Dies soll nach der Gesetzesbegründung aber nur dann gelten, wenn eine vorhergehende Berufsausbildung noch nicht durchgeführt worden ist. Aus dem Sinn und Zweck des Gesetzes, welche sich aus der Begründung ergeben und auch in § 32 Abs. 4 Sätze 2 und 3 EStG ihren Niederschlag gefunden haben, wird erkennbar, dass der Gesetzgeber nur dann eine Erstausbildung annehmen wollte, wenn die weitere Ausbildung nach Abschluss einer vorhergehenden Berufsausbildung im Verhältnis zur Erwerbstätigkeit nicht zur „Nebensache“ wird (BFH-Urteil vom 21. März 2019 III R 12/18, BFH/NV 2019, 1082).

bb) Ob die nach Erlangung des Abschlusses aufgenommene Berufstätigkeit die „Hauptsache“ und die weiteren Ausbildungsmaßnahmen eine auf Weiterbildung und / oder Aufstieg in dem bereits aufgenommenen Berufsfeld gerichtete „Nebensache“ darstellen, ist anhand einer Gesamtwürdigung der Verhältnisse zu entscheiden, für die vor allem die nachfolgenden Kriterien von Bedeutung sind (BFH-Urteil vom 21. März 2019 III R 12/18, BFH/NV 2019, 1082):

aaa) Für die Aufnahme einer Berufstätigkeit als Hauptsache spricht, dass sich das Kind längerfristig an einen Arbeitgeber bindet, indem es etwa ein zeitlich unbefristetes oder auf jedenfalls mehr als 26 Wochen befristetes Beschäftigungsverhältnis mit einer regelmäßigen vollzeitigen oder nahezu vollzeitigen Wochenarbeitszeit eingeht. Ist das Beschäftigungsverhältnis dagegen bis zum Beginn des nächsten Ausbildungsabschnitts befristet oder überschreitet die regelmäßige Wochenarbeitszeit die 20-Stundengrenze allenfalls geringfügig, kann dies für eine im Vordergrund stehende Berufsausbildung sprechen, die noch Teil einer einheitlichen Erstausbildung ist. Für eine im Vordergrund stehende Berufsausbildung kommt es auch darauf an, in welchem zeitlichen Verhältnis die Arbeitstätigkeit und die Ausbildungsmaßnahmen zueinander stehen. Da die Summe aus Arbeits- und Ausbildungszeit nicht selten über 40 Wochenstunden liegen wird, kann allein eine regelmäßige Wochenarbeitszeit von über 20 Stunden noch nicht den Ausschlag geben. Führt das Kind etwa neben einer 22 Wochenstunden umfassenden Arbeitstätigkeit ein Vollzeitstudium an der Universität durch, kann auch weiter der Ausbildungscharakter im Vordergrund stehen (s. hierzu BFH-Urteil vom 3. September 2015 VI R 9/15, BFHE 251, 10, BStBl II 2016, 166).

bbb) Weiter ist von Bedeutung, ob das Kind mit der nach Erlangung des ersten Abschlusses aufgenommenen Berufstätigkeit bereits die durch den Abschluss erlangte Qualifikation nutzt, um eine durch diese eröffnete Berufstätigkeit auszuüben. Wird z.B. ein Geselle oder Kaufmann von seinem Ausbildungsbetrieb im erlernten Beruf übernommen oder nimmt ein Bachelor eine durch diesen Abschluss eröffnete Stelle an, kann dies ein Indiz dafür sein, dass die Berufstätigkeit in den Vordergrund getreten ist. Denn ein solcher Sachverhalt spricht dafür, dass die weiteren Ausbildungsmaßnahmen nur der beruflichen Weiterbildung oder Höherqualifizierung in einem bereits aufgenommenen und ausgeübten Beruf dienen. Nimmt das Kind dagegen eine Berufstätigkeit auf, die ihm auch ohne den erlangten Abschluss eröffnet wäre (z.B. Aushilfstätigkeit in der Gastronomie oder im Handel) oder handelt es sich bei der Erwerbstätigkeit typischerweise um keine dauerhafte Berufstätigkeit (z.B. bei einem Bachelor, der während des nachfolgenden Masterstudiums mit 19 Stunden als wissenschaftliche Hilfskraft tätig ist und daneben drei Nachhilfestunden pro Woche gibt), kann das für eine im Vordergrund stehende Berufsausbildung sprechen.

ccc) Darüber hinaus ist in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen, inwieweit die Arbeitstätigkeit im Hinblick auf den Zeitpunkt ihrer Durchführung den im nächsten Ausbildungsabschnitt durchgeführten Ausbildungsmaßnahmen untergeordnet ist und die Beschäftigung mithin nach ihrem äußeren Erscheinungsbild „neben der Ausbildung“ durchgeführt wird. Wird etwa eine Teilzeittätigkeit von regelmäßig 22 Wochenstunden so verteilt, dass sie sich dem jeweiligen Ausbildungsplan anpasst, ist das ein Indiz für eine im Vordergrund stehende Ausbildung. Gleiches gilt, wenn das Kind etwa während des Semesters maximal 20 Wochenstunden arbeitet, durch eine während der Semesterferien erhöhte Wochenstundenzahl aber auf eine durchschnittliche Arbeitszeit von mehr als 20 Wochenstunden kommt. Arbeitet das Kind dagegen annähernd vollzeitig und werden die Ausbildungsmaßnahmen nur am Abend und am Wochenende durchgeführt, deutet dies darauf hin, dass die weiteren Ausbildungsmaßnahmen nur „neben der Berufstätigkeit“ durchgeführt werden. Schließlich kann auch von Bedeutung sein, ob und inwieweit die Berufstätigkeit und die Ausbildungsmaßnahmen über den zeitlichen Aspekt hinaus auch inhaltlich aufeinander abgestimmt sind.

2. Unter Berücksichtigung der dargestellten - neuen - Rechtsprechungsgrundsätze ist im vorliegenden Fall keine einheitlichen Erstausbildung gegeben, weil A nach Erlangung des Abschlusses als Bankkaufmann eine diesbezügliche Berufstätigkeit aufgenommen hat und bei wertender Gesamtbetrachtung die daneben durchgeführte Weiterbildungsmaßnahme an der Genossenschaftsakademie der Volks- und Raiffeisenbanken gegenüber der Berufstätigkeit nicht als „im Vordergrund stehend“ zu qualifizieren ist.

a) A hat sich durch die Aufnahme einer Berufstätigkeit als Bankkaufmann längerfristig an den Arbeitgeber gebunden, weil er ein zunächst befristetes Beschäftigungsverhältnis eingegangen ist, dass bereits nach einigen Monaten ein zeitlich unbefristetes Beschäftigungsverhältnis mit einer vollzeitigen Wochenarbeitszeit von regelmäßig 39 Stunden umgewandelt worden ist. Von Bedeutung ist, dass die Befristung des ersten Anstellungsvertrags nicht auf den Beginn des nächsten Ausbildungsabschnitts abgestimmt war. Auch wurde die Wochenarbeitszeit nicht im Hinblick auf das Bankfachwirt-Studium reduziert. Dies spricht gegen eine im Vordergrund stehende Berufsausbildung, die noch ein Teil einer einheitlichen Erstausbildung ist.

b) Das zeitliche Verhältnis zwischen Arbeitstätigkeit und den Weiterbildungsmaßnahmen spricht ebenfalls gegen eine im Vordergrund stehende Berufsausbildung. Zwar wird die Summe aus Arbeits- und Ausbildungszeit nicht selten über 40 Wochenstunden liegen, so dass allein eine regelmäßige Wochenarbeitszeit von über 20 Stunden noch nicht den Ausschlag geben kann. Beträgt aber die regelmäßige Wochenarbeitszeit der Erwerbstätigkeit - wie hier – bereits 39 Stunden, müssten die in den Abendstunden und am Wochenende geleisteten Ausbildungszeiten ebenfalls 39 Stunden betragen, um ein zumindest ausgeglichenes Verhältnis zwischen Arbeitstätigkeit und Weiterbildungsmaßnahmen herzustellen. Ein solcher Arbeitsaufwand von zumindest 78 Stunden in der Woche ist - zumindest dauerhaft - kaum leistbar und von dem Kläger auch nicht behauptet worden. Deshalb spricht die zeitliche Struktur des gewählten dualen Systems aus Vollzeiterwerbstätigkeit und Weiterbildungszeiten in den Abendstunden und am Wochenende gegen eine im Vordergrund stehende Berufsausbildung.

c) Hinzu kommt, dass A im Rahmen der von ihm aufgenommenen Berufstätigkeit die durch den Abschluss als Bankkaufmann erlangte Qualifikation bereits ausnutzt. Nach der neuen Rechtsprechung des BFH stellt es ein Indiz für eine im Vordergrund stehende Berufstätigkeit dar, wenn ein Kaufmann von seinem Ausbildungsbetrieb im erlernten Beruf übernommen wird. Genau dies ist im vorliegenden Fall geschehen. Ein solcher Sachverhalt spricht dafür, dass die weiteren Bildungsmaßnahmen nur der beruflichen Weiterbildung oder Höherqualifizierung in einem bereits aufgenommenen und ausgeübten Beruf dienen.

d) Die Sachlage ist im vorliegenden Fall gänzlich anders, als in den Fällen, in denen das Kind neben der fortgeführten Ausbildung eine Berufstätigkeit aufnimmt, die nicht das Ergebnis und Ziel der erfolgreichen Absolvierung des ersten Ausbildungsabschnitts ist (z.B. eine Aushilfstätigkeit in der Gastronomie). Unschädlich wäre auch eine Erwerbstätigkeit, die typischerweise keine dauerhafte Beschäftigung darstellt (z.B. Tätigkeit als wissenschaftliche Hilfskraft). Eine solche - ihrem Charakter nach lediglich die Ausbildung unterstützende – Berufstätigkeit wurde von A aber nicht ausgeübt. Die Tätigkeit als Bankkaufmann ist nach ihrem Charakter eine langfristige, - auch ohne die aufgenommene Weiterbildung denkbare - Tätigkeit zum dauerhaften Broterwerb.

e) Die Arbeitstätigkeit von A war auch nicht im Hinblick auf den Zeitpunkt ihrer Durchführung gegenüber der Weiterbildung untergeordnet. Insoweit ist zu prüfen, ob die Beschäftigung nach ihrem äußeren Erscheinungsbild „neben der Ausbildung“ durchgeführt wird. Das ist nur dann gegeben, wenn die Arbeitstätigkeit zeitlich so verteilt wird, dass sie sich der jeweiligen Ausbildung anpasst, also beispielsweise die wöchentlichen Arbeitszeiten um die wöchentlichen Ausbildungszeiten „herumgelegt“ werden oder der Umfang der Beschäftigung daran ausgerichtet wird, dass das Kind während des Semesters vorrangig ausgebildet wird und in den Semesterferien mehr Zeit für eine daneben ausgeübte Beschäftigung hat. Im vorliegenden Fall waren die Verhältnisse genau andersherum: Die Vollzeiterwerbtätigkeit fand zu den herkömmlichen Büroarbeitszeiten statt, die Weiterbildungszeiten wurden um diese Arbeitszeiten „herumgelegt“, indem die Weiterbildung in den Abendstunden und am Wochenende stattfand. Deshalb hat der BFH in seinem Urteil vom 21. März 2019 ausgeführt, dass in den Fällen, in denen das Kind - wie hier - vollzeitig oder annähernd vollzeitig arbeitet und die Weiterbildungsmaßnahmen nur am Abend und am Wochenende durchgeführt werden, alles darauf hindeutet, dass die Weiterbildungsmaßnahmen nur „neben der Berufstätigkeit“ durchgeführt werden.

f) Gegen eine im Vordergrund stehende Ausbildung spricht auch, dass die Weiterbildungsmaßnahme auf die Berufstätigkeit ausgerichtet war. Sie diente primär der Erhöhung der Qualifikation der in Vollzeit erbrachten Tätigkeit für die Bank. Nach der vorgelegten Informationsbroschüre ist das Bankfachwirt-Studium ein Baustein der Personalentwicklung der Genossenschaftsbanken. Das vermittelte Wissen ist darauf zugeschnitten, dass es in den potentiellen Arbeitsbereichen der Bank nützlich ist. Dementsprechend wendet sich das Bankcolleg mit dem Weiterbildungsangebot ausschließlich an die Mitarbeiter der Genossenschaftsbanken. Der erfolgreiche Abschluss des Studiums wird auf diverse andere Personalentwicklungsmaßnahmen der Genossenschaftsbanken angerechnet. Das Bankfachwirt-Studium ist deshalb eine Weiterbildung in einem ausgeübten Beruf und nicht die erstmalige Berufsausbildung.

3. Da das Bankfachwirt-Studium eine berufsbegleitende Weiterbildung darstellt, ist eine mehraktige Erstausbildung zu verneinen. Die Erstausbildung ist mit der Beendigung der Ausbildung zum Bankkaufmann abgeschlossen. Deshalb müssen für eine Kindergeldberechtigung die Voraussetzungen in § 32 Abs. 4 Sätze 2 und 3 EStG erfüllt sein. Das ist nicht der Fall.

A wäre gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG kindergeldrechtlich nur zu berücksichtigen, wenn er während der Weiterbildung keiner Erwerbstätigkeit nachgehen würde. Das ist nicht gegeben, weil A eine Vollerwerbstätigkeit mit einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 39 Stunden ausübt. Auch die Ausnahmeregelung in § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG greift nicht ein, weil die dort genannten Voraussetzungen (Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger Arbeitszeit, Ausbildungsdienstverhältnis, geringfügiges Beschäftigungsverhältnis gemäß §§ 8, 8a SGB IV) ebenfalls nicht erfüllt sind.

4. Diese Würdigung ergreift nicht nur den Zeitraum nach dem Beginn des Bankfachwirt-Studiums ab Juni 2017, sondern auch die Monate Februar 2017 bis Mai 2017, in denen die Weiterbildungsmaßnahme noch nicht begonnen hatte. Der BFH hat in seinem Urteil vom 21. März 2019 ausdrücklich ausgeführt, dass keine Bedenken bestehen, dass die auf der Grundlage der neuen Rechtsprechungsgrundsätze vorgenommene Bewertung des Bankfachwirt-Studiums auch auf die vor dem Beginn des Studiums liegende Übergangszeit erstreckt wird. Es sind auch keine besonderen Umstände ersichtlich, die es rechtfertigen könnten, die Übergangszeit abweichend von dem Zeitraum des Bankfachwirt-Studiums zu behandeln.

5. Da die mehraktige Ausbildung bereits aufgrund einer wertenden Gesamtschau aller Umstände zu verneinen ist, kommt es nicht mehr darauf an, ob die Rechtsansicht der Familienkasse zutreffend ist, dass eine einheitlichen Erstausbildung auch dann abgelehnt werden kann, wenn die Absichtserklärung zur Fortführung der Erstausbildung nicht spätestens im Folgemonat nach Abschluss des vorangegangenen Ausbildungsabschnitts vorgelegt wird. Es wird nur der Vollständigkeit halber klargestellt, dass diese Auffassung sowohl nach Einschätzung des erkennenden Senats (vgl. Urteil vom 6. Februar 2018) als auch nach Auffassung des BFH nicht rechtmäßig ist.

6. Entgegen der Ansicht des Klägers im 2. Rechtsgang ergibt sich eine Anspruchsberechtigung auch nicht aus dem Umstand, dass die Familienkasse in vergleichbaren Fällen Kindergeld gewährt hat.

a) Schon die Ausgangsüberlegung des Klägers, dass die Familienkasse bei der Kindergeldgewährung ihr Ermessen nicht gleichartig ausgeübt habe, ist rechtsirrig. Die Kindergeldberechtigung stellt einen Rechtsanspruch des Betroffenen dar (vgl. § 62 Abs. 1 Satz 1 EStG: „…hat Anspruch auf Kindergeld…“). Der Familienkasse steht bei der Gewährung des Kindergeldes keinerlei Ermessen zu. Deshalb kann die Familienkasse durch den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Institut der Selbstbindung der Verwaltung auch nicht gebunden sein, ein - nicht vorhandenes - Ermessen immer gleichartig auszuüben. Daraus erklärt sich auch, dass weder das erkennende Gericht in seinem Urteil vom 6. Februar 2018 noch der BFH in seinem Gerichtsbescheid vom 21. März 2019 auf diesen Aspekt eingegangen sind.

b) Die Familienkasse und die Finanzgerichte sind an das Gesetz gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG). Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG überträgt die Letztentscheidungsbefugnis für die Auslegung und Anwendung normativer Regelungen den Gerichten. Dementsprechend entscheiden die Finanzgerichte letztverbindlich, wie die Regelungen für die Kindergeldberechtigung zu verstehen und anzuwenden sind. Hat die Familienkasse das Gesetz in vergleichbaren Fällen unzutreffend angewendet, besteht wegen des Vorrangs des Gesetzes kein Anspruch auf Fehlerwiederholung bei der Rechtsanwendung. Der Gleichheitssatz vermittelt keinen Anspruch auf Wiederholung einer rechtswidrigen Verwaltungspraxis (keine sog. „Gleichheit im Unrecht“; vgl. BFH-Beschluss vom 18. Juli 2002 V B 112/01, BFHE 199, 77, BStBl II 2003, 675; BFH-Beschluss vom 26. September 2007 V B 8/06, BFHE 219, 245, BStBl II 2008, 405; BFH-Beschluss vom 1. Juli 2010 V B 62/09, BFH/NV 2010, 2136; BFH-Urteil vom 24. Januar 2013 V R 34/11, BFHE 239, 552, 559, BStBl II 2013, 460; BFH-Urteil vom 18. April 2013 V R 48/11, BFHE 241, 270, BStBl II 2013; BFH-Urteil vom 17. Mai 2017 – V R 52/15, BFHE 258, 124, BStBl II 2018, 218; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts -BVerwG- vom 30. September 2009 - 6 A 1/08, BVerwGE 135, 77; Beschluss des Bundesverfassungsgerichts -BVerfG- vom 17. Januar 1979 - 1 BvL 25/77, BVerfGE 50, 142). Es ist deshalb unerheblich, ob die Familienkassen in vergleichbaren Fällen zu Unrecht Kindergeld gewährt haben.

7. Der Kläger kann auch nicht aus dem Umstand, dass die neuen Rechtsprechungsgrundsätze des BFH zur mehraktigen Ausbildung strenger sind, als die bisherige Rechtsprechung, einen Anspruch auf Kindergeld herleiten.

a) Eine verschärfende Neuinterpretation des Rechts verändert nicht die gesetzliche Regelung, sondern gibt nur die verbesserte Erkenntnis vom Verständnis der Norm wieder (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BStBl II 1984, 751). Der Grundsatz des Vertrauensschutzes steht einer derartigen Verschärfung nicht entgegen, solange sich das Vertrauen nicht durch eine bestandskräftige Kindergeldfestsetzung manifestiert hat. Deshalb schützt § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO (in Verbindung mit § 155 Abs. 5 AO in Verbindung mit § 31 Satz 3 EStG) nur davor, dass eine verschärfte Rechtsprechung des BFH im Rahmen einer Aufhebung oder Änderung einer bereits vorhandenen Kindergeldfestsetzung berücksichtigt wird.

b) Im vorliegenden Fall begehrt der Kläger die erstmalige Festsetzung des Kindergeldes. Deshalb können und müssen die neuen Rechtsprechungsgrundsätze des BFH auf den vorliegenden Fall angewendet werden. Wäre dies anders, wäre die Erstarrung der Rechtsordnung die Folge. Fortentwicklungen in der Rechtsprechung könnten nicht durchgesetzt werden, weil sich die Berechtigten immer auf die frühere abweichende Verwaltungspraxis berufen könnten. Hinzu kommt, dass im vorliegenden Fall auch nicht geklärt ist, ob die von dem BFH formulierten neuen Rechtsgrundsätze überhaupt eine Änderung der Rechtsprechung im Sinne von § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO sind, oder ob sie nur eine Fortentwicklung und Präzisierung – wie von dem BFH in seinem Urteil vom 21. März 2019 behauptet – darstellen. Diese Frage kann aber mangels Entscheidungsrelevanz offen bleiben.

III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.

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