LAG Niedersachsen, Urteil vom 28.01.2020 - 3 Sa 433/19
Fundstelle
openJur 2020, 11526
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 1 Ca 87/17

Zur Auslegung einer Nachwirkungsklausel in einer teilmitbestimmten Betriebsvereinbarung nach Kündigung der Betriebsvereinbarung mit dem Zweck, die Leistung vollständig einzustellen (Einzelfall)

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hildesheim vom 02.05.2019 (Az.: 1 Ca 87/17) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 225,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 01.03.2018 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Kiste C. (Packungsgröße 12 x 0,5 l PET-Flaschen) herauszugeben.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger aus einer gekündigten Betriebsvereinbarung Ansprüche zustehen.

Der am 00.00.1958 geborene Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01.05.1993 als vollbeschäftigter Verkaufsberater im Betrieb H,. tätig. Seit dem 01.04.2016 wird das Arbeitsverhältnis als Altersteilzeit-Arbeitsverhältnis fortgeführt. Bis zum 15.03.2019 erstreckte sich die Arbeitsphase. In dem Altersteilzeitvertrag vom 16.03.2016 heißt es unter § 3 Ziffer 3 Abs. 1:

Die Berechnung des Entgeltes im Zeitraum der Altersteilzeit erfolgt auf der Basis des Entgeltes der Vollzeitbeschäftigung in Höhe von derzeit monatlich brutto 4.412,00 € und beträgt für die von Herrn T. zu verrichtende Teilzeitarbeit monatlich brutto 2.206,00 € nach Maßgabe der gemäß § 2 dieses Vertrags reduzierten Arbeitszeit.

Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Altersteilzeitvertrages wird auf die Anlage zur Klagschrift (Bl. 7 ff. d.A.) verwiesen.

Unter dem 12.04.2011 vereinbarte die Beklagte mit dem im Betrieb H. bestehenden Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung „Zuwendungen aus besonderen Anlässen“. Für bestimmte Anlässe, wie beispielsweise Dienstjubiläum oder Geburtstag enthält diese Betriebsvereinbarung zusätzliche Leistungen. Diese Leistungen sind bei der Beklagten weder tariflich geregelt, noch unterfallen sie einer Gesamtbetriebsvereinbarung. Die Betriebsvereinbarung hat, soweit hier von Interesse, folgenden Inhalt:

II. Gegenstand und Voraussetzungen

- GeburtstagJede/r Beschäftigte erhält jährlich zu seinem Geburtstag eine Kiste eines C.-Produktes (Packungsgröße 12x0,5 l PET).Zum 50. und 60. Geburtstag erhält jede/r Beschäftigte jeweils 225,00 Euro brutto.…

IV. Schlussbestimmungen

- Die Vereinbarung tritt mit Wirkung zum 01.01.2011 in Kraft.

- Sie kann mit einer Frist von drei Monaten zum Ende eines Kalenderjahres, erstmals zum 31.12.2011, gekündigt werden.

- Bei ordentlicher Kündigung wirkt die BV bis zum Abschluss einer neuen Vereinbarung nach.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Betriebsvereinbarung wird auf die Anlage zur Klagschrift (Bl. 13 ff. d. A.) Bezug genommen. Die Auswahl des C.-Produktes anlässlich des Geburtstags entsprechend dieser Betriebsvereinbarung überließ die Beklagte der/dem jeweiligen Beschäftigten.

Mit Schreiben vom 26.09.2017 kündigte die Beklagte die streitgegenständliche Betriebsvereinbarung ordentlich und fristgemäß zum nächstmöglichen Zeitpunkt, nach ihrer Auffassung dem 31.12.2017. Für den genauen Inhalt des Kündigungsschreibens wird auf die Anlage zur Klagschrift (Bl. 16 d. A.) verwiesen.

Nachdem der Betriebsrat mit E-Mail vom 02.01.2018 bei der Beklagten angefragt hatte, wie im Jahr 2018 mit der Herausgabe der Getränkekisten anlässlich des Geburtstages und zu Weihnachten entsprechend der Betriebsvereinbarung verfahren werde, teilte die Beklagte dem Betriebsrat mit E-Mail vom 30.01.2018 mit, dass die Leistungen nach der streitgegenständlichen Betriebsvereinbarung vollständig eingestellt würden. Die Betriebsvereinbarung entfalte somit keine Nachwirkung mehr. Für die weiteren Einzelheiten der gewechselten E-Mails wird auf die Anlage BKl3 zum Schriftsatz des Klägers vom 07.08.2019 (Bl. 138 d. A.) Bezug genommen.

Nach erfolgloser Geltendmachung seiner Ansprüche anlässlich seines 60.Geburtstags gegenüber der Beklagten vom 21.03.2018, hat der Kläger am 19.04.2018 das erstinstanzliche Klageverfahren eingeleitet. Er hat die Auffassung vertreten, seine Ansprüche ergäben sich aus einer Nachwirkung der Betriebsvereinbarung.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 225,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins gemäß § 247 BGB seit dem 01.03.2018 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Kiste eines C. Produktes (Packungsgröße 12,05 L PET-Flaschen) herauszugeben.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen pauschalisierten Verzugsschaden gemäß § 288 Abs. 5 BGB in Höhe von 40,00 € netto zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, ein Anspruch des Klägers bestehe nicht, da die Betriebsvereinbarung wirksam zum 31.12.2017 gekündigt worden sei und keine Nachwirkung entfalte.

Das Arbeitsgericht Hildesheim hat mit Urteil vom 02.05.2019 die Klage abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, dass die Betriebsvereinbarung weder von Gesetzes wegen, noch aufgrund einer Vereinbarung nachwirke. Wegen der genauen Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils (dort Seite 3 ff.; Bl. 94 f d. A.) Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil, das dem Kläger am 08.05.2019 zugestellt worden ist, hat dieser am 31.05.2019 Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung bis zum 08.08.2019 an diesem Tag begründet.

Der Kläger ist weiterhin der Auffassung, die Auslegung der Betriebsvereinbarung ergebe, dass diese auch für den Fall nachwirke, dass die Arbeitgeberin die Zuwendungen vollständig und ersatzlos streichen wolle. Dies folge aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte. Für eine rein deklaratorische Regelung bestehe kein Grund. Anderenfalls hätte die Arbeitgeberin bei den Verhandlungen über die Betriebsvereinbarung hierüber informieren müssen. Der Kläger behauptet, der Betriebsrat am Standort H. habe die Betriebsvereinbarung in dieser Form aus der Region W. übernommen. Die Betriebspartner seien sich einig gewesen, dass, wenn in Zukunft eine Kündigung der Betriebsvereinbarung erfolgen sollte, in jedem Fall ein neues Belohnungssystem wie Boni oder in Form anderer Zuwendungen zur Motivation der Mitarbeiter abgeschlossen werden sollte.

Der Kläger hat die Berufung hinsichtlich seines Antrags zu 3) in der mündlichen Verhandlung vom 28.01.2020 zurückgenommen. Daraufhin hat das Gericht den Kläger des Rechtsmittels der Berufung bezogen auf den Antrag zu 3 für verlustig erklärt.

Der Kläger beantragt daher nur noch,

das Urteil des Arbeitsgerichts Hildesheim vom 11.04.2019, Az. 1 CA 87/18 abzuändern und

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 225,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 01.03.2018 zu zahlen und

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine Kiste C. (Packungsgröße 12 x 0,5 Liter PET-Flaschen) herauszugeben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertritt weiterhin die Auffassung, dass eine Nachwirkung der streitgegenständlichen Betriebsvereinbarung nicht in Betracht komme. Soweit der Arbeitgeber bei teilmitbestimmten Betriebsvereinbarungen die zusätzliche Leistung vollständig einstellen wolle, bedürfe es einer ausdrücklichen Regelung dahingehend, dass auch für diesen Fall eine Nachwirkung vereinbart werden solle. Die Regelung in IV Ziff. 3 der Betriebsvereinbarung verweise lediglich deklaratorisch auf die von Gesetzes wegen bestehende Nachwirkung bei einer mitbestimmungspflichtigen Änderung der Betriebsvereinbarung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist begründet.

A.

Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher insgesamt zulässig (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

B.

Die Berufung ist auch begründet.

I.

Die Klage ist zulässig. Dies gilt auch für den Klageantrag zu 2). Dabei handelt es sich um einen Herausgabeantrag auf Leistung einer bestimmten Menge vertretbarer Sachen, §§ 91 BGB, 894 ZPO. Der Antrag ist hinreichend bestimmt. Nachdem die Parteien unstreitig gestellt hatten, dass die Auswahl des C.-Produktes anlässlich des Geburtstages unter Geltung der streitgegenständlichen Betriebsvereinbarung dem Arbeitnehmer überlassen war, war die Konkretisierung des Antrags des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung am 28.01.2020 auch zulässig.

II.

Der Anspruch des Klägers auf Zahlung von 225,00 EUR brutto sowie auf Herausgabe einer Kiste C. in der Packungsgröße 12x0,5 l PET ergibt sich aus II. Unterpunkt „Geburtstag“ der Betriebsvereinbarung „Zuwendungen aus besonderen Anlässen“ vom 12.04.2011. Danach erhält jede/r Beschäftigte jährlich zu seinem Geburtstag eine Kiste eines C.-Produktes in der angegebenen Packungsgröße sowie anlässlich des 60. Geburtstages 225,00 EUR brutto. Diese Betriebsvereinbarung galt am 20.02.2018, dem 60. Geburtstag des Klägers, trotz der Kündigung der Arbeitgeberin fort.

1.

Die Nachwirkung ergibt sich nicht aus § 77 Abs. 6 BetrVG. Nach dieser Vorschrift gelten nach Ablauf einer Betriebsvereinbarung ihre Regelungen in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann, weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Dies betrifft die Angelegenheiten der zwingenden Mitbestimmung, zu denen auch das Mitbestimmungsrecht bei der betrieblichen Lohngestaltung (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG) gehört. Nach dieser Vorschrift hat der Betriebsrat in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere bei der Aufstellung und Änderung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung, mitzubestimmen.

a)

Betriebsvereinbarungen über finanzielle Leistungen des Arbeitgebers, die dieser ohne eine vertragliche oder sonstige rechtliche Verpflichtung erbringt, sind regelmäßig teilmitbestimmt. Während der Arbeitgeber den Dotierungsrahmen mitbestimmungsfrei vorgeben kann, bedarf er für die Ausgestaltung, also für den Verteilungs- und Leistungsplan, nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG der Zustimmung des Betriebsrats (vgl. BAG 05.10.2010 – 1 ABR 20/09 – Rn. 19).

Um eine solche teilmitbestimmte Betriebsvereinbarung handelt es sich bei der Betriebsvereinbarung vom 12.04.2011. Die Zuwendungen aus den in dieser Betriebsvereinbarung näher benannten besonderen Anlässen sind finanzielle Leistungen der Beklagten, die diese ohne eine rechtliche Verpflichtung erbringt. Weder im Tarifvertrag oder in einer Gesamtbetriebsvereinbarung finden sich dementsprechende Zuwendungen.

b)

Die Nachwirkung von teilmitbestimmten Betriebsvereinbarungen hängt im Falle ihrer Kündigung durch den Arbeitgeber davon ab, ob die finanziellen Leistungen ersatzlos beseitigt oder lediglich reduziert werden sollen. Will ein Arbeitgeber mit der Kündigung seine finanziellen Leistungen vollständig und ersatzlos einstellen, tritt keine Nachwirkung ein. Denn in einem solchen Fall verbleiben keine Mittel, bei deren Verteilung der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitzubestimmen hätte. Sinn der Nachwirkung nach § 77 Abs. 6 BetrVG ist – zumindest auch – die Wahrung betriebsverfassungsrechtlicher Mitbestimmungsrechte. Sind solche nicht betroffen, bedarf es der Nachwirkung nicht (BAG 05.10.2010 – 1 ABR 20/09 – Rn. 20).

Will der Arbeitgeber dagegen seine finanziellen Leistungen nicht völlig zum Erlöschen bringen, sondern mit der Kündigung einer Betriebsvereinbarung nur eine Verringerung des Volumens der insgesamt zur Verfügung gestellten Mittel und zugleich eine Veränderung des Verteilungsplans erreichen, wirkt die Betriebsvereinbarung dagegen nach. Denn in diesem Fall verbleibt ein Finanzvolumen, bei dessen Verteilung der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitzubestimmen hat (BAG a. a. O. Rn. 21).

c)

Da die Nachwirkung einer – wie vorliegend gegeben – teilmitbestimmten Betriebsvereinbarung ausschließlich von dem Willen des Arbeitgebers abhängt, die dort geregelte Leistung auch zukünftig zu erbringen, ist es aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit geboten, dass sich der Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat oder dem begünstigten Arbeitnehmer über seine Vorstellungen hinsichtlich der zusätzlichen Leistung festlegt. Der Arbeitgeber muss eindeutig erklären, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe nach dem Ablauf der Kündigungsfrist für den bisherigen Leistungszweck Mittel zur Verfügung stehen. Will der Arbeitgeber die Leistungen nicht gänzlich einstellen, sondern lediglich das Finanzvolumen unter Beibehaltung des bisherigen Verteilungsplans reduzieren, hat er dies gleichermaßen mitzuteilen. Diese Angaben können bereits mit der Kündigung der Betriebsvereinbarung verbunden werden. Es ist jedoch ausreichend, wenn die Mitteilung zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt. Bis zu deren Zugang wirkt der Inhalt einer teilmitbestimmten Betriebsvereinbarung allerdings weiter (BAG 05.10.2010 – 1 ABR 20/09 – Rn. 26).

Da die Beklagte dem Betriebsrat am 30.01.2018 in einer E-Mail mitteilte, dass die Leistung aus der streitgegenständlichen Betriebsvereinbarung vollständig eingestellt werde, gilt die Betriebsvereinbarung zumindest ab dem 31.01.2018 nicht mehr von Gesetzes wegen weiter.

2.

Die Betriebsvereinbarung wirkt jedoch kraft entsprechender Vereinbarung der Betriebsparteien nach.

a)

Sowohl bei freiwilligen, als auch bei teilmitbestimmten Betriebsvereinbarungen können die Betriebspartner eine Nachwirkung vereinbaren. Denn mit dem Bundesarbeitsgericht (Beschluss vom 28.04.1981 – 1 ABR 43/97 – Rn. 43 ff) ist davon auszugehen, dass die durch § 88 BetrVG gesetzlich vorgesehene Möglichkeit, freiwillige Betriebsvereinbarung abzuschließen, es als weniger einschneidende Maßnahme umfasst, eine Nachwirkung einer solchen freiwilligen Betriebsvereinbarung zu vereinbaren (vgl. auch BAG 23.10.2018 – 1 ABR 10/17 – Rn. 25).

b)

Durch Auslegung der streitgegenständlichen Betriebsvereinbarung ergibt sich vorliegend, dass die Betriebsparteien (auch) für den vorliegenden Fall der Kündigung der Betriebsvereinbarung zum ersatzlosen Entfall der Leistungen eine Nachwirkung vereinbarten.

Die Auslegung einer Betriebsvereinbarung richtet sich wegen ihrer normativen Wirkung (§ 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG) nach den Grundsätzen der Tarifvertrags- und Gesetzesauslegung. Ausgehend vom Wortlaut und dem durch ihn vermittelten Wortsinn kommt es auf den Gesamtzusammenhang, die Systematik sowie Sinn und Zweck der Regelung an. Der tatsächliche Regelungswille der Betriebsparteien ist nur zu berücksichtigen, soweit er in der Betriebsvereinbarung seinen Niederschlag gefunden hat (vgl. BAG 23.10.2018 – 1 ABR 10/17 – Rn. 26).

aa) Aus dem Wortlaut der Regelung in II zum Unterpunkt „Geburtstag“ der streitgegenständlichen Betriebsvereinbarung ergibt sich für die Kammer, dass für jeden Fall der ordentlichen Kündigung eine Nachwirkung geregelt wird. Denn die Bestimmung beinhaltet, dass die Betriebsvereinbarung bei ordentlicher Kündigung bis zum Abschluss einer neuen Vereinbarung nachwirkt. Der vorliegende Wortlaut ähnelt auch dem Wortlaut der freiwilligen Betriebsvereinbarung aus der Entscheidung des BAG vom 28.04.1998 (1 ABR 43/97), die unter den „Schlussbestimmungen“ nach einer Bestimmung zur Kündigung der Betriebsvereinbarung regelte, dass „diese Vereinbarung () Nachwirkung bis zum Abschluss einer neuen Betriebsvereinbarung (hat)“. Das BAG sah darin eindeutig eine Regelung dahingehend, dass nach der Kündigung der freiwilligen Betriebsvereinbarung nicht ohne weiteres wieder der gesetzliche Normalzustand eintreten, sondern vielmehr eine neue Einigung erforderlich werde (BAG 28.04.1998 - 1 ABR 43/97 - Rn. 13, 45).

Die vorliegende Betriebsvereinbarung ordnet auch positiv eine Nachwirkung an und bestimmt nicht lediglich, dass eine Nachwirkung „nicht ausgeschlossen“ werde, wie im Fall des BAG vom 23.10.2018 (1 ABR 10/17). Auch anders als im vom BAG am 21.08.2001 (3 ABR 44/00) entschiedenen Verfahren, in dem sich in der Betriebsvereinbarung keine Regelung zur Nachwirkung finden ließ, liegt hier eine ausdrückliche Regelung vor.

bb) Die Kammer folgt nicht dem Argument des LAG Hamm (12.02.2019 - 7 TaBV 35/18), dass durch die Formulierung „bis zum Abschluss einer neuen Vereinbarung“ eine Bedingung dahingehend geregelt wurde, dass die Nachwirkung der Betriebsvereinbarung nur für den Fall eintreten solle, dass überhaupt eine neue Vereinbarung abgeschlossen werden könne und deswegen der Wortlaut nicht eindeutig sei. Denn auch im Fall der Nachwirkung der von Gesetzes wegen mitbestimmungsfreien Entscheidung des Arbeitgebers, die Jubiläumszuwendungen vollständig einzustellen, kann zwischen den Betriebsparteien eine neue Regelung abgeschlossen werden. Dies ist gerade Inhalt einer vereinbarten Nachwirkung. Und sollten die Betriebsparteien nicht zu einer einvernehmlichen Lösung gelangen, kann von jedem Betriebspartner die Einigungsstelle angerufen werden, die sodann verbindlich entscheiden kann (vgl auch BAG 28.04.1998 - 1 ABR 43/97 - Rn. 46ff). Selbst wenn die Einigungsstelle dann eine neue Regelung dahingehend vornehmen sollte, dass die nachwirkende Regelung ersatzlos entfalle, stünde dies nicht im Widerspruch zur vorgenommenen Auslegung. Denn Sinn und Zweck der Nachwirkung ist es in diesem Fall, dass die Betriebsparteien in Verhandlungen treten und - im Falle der Nichteinigung - die Einigungsstelle die vorgetragenen Argumente zur Kenntnis nimmt und bewertet.

cc) Auch aus dem Gesamtzusammenhang und der Systematik ergibt sich nichts Abweichendes. Dies betrifft auch den Umstand, dass es sich vorliegend um eine teilmitbestimmte Betriebsvereinbarung handelt. Es ist zwar zutreffend, dass bei einer Kündigung durch den Arbeitgeber mit dem Zweck, die Verteilungsgrundsätze zu ändern oder den Dotierungsrahmen lediglich zu verringern, die Betriebsvereinbarung kraft Gesetzes nachwirkt und in diesem Fall die Regelung in IV Abs. 3 der Betriebsvereinbarung lediglich deklaratorische Wirkung hätte. Aus Sicht der Kammer ergibt sich hieraus jedoch kein Anhaltspunkt dafür, dass in der streitgegenständlichen Bestimmung lediglich die Nachwirkung für diesen Fall deklaratorisch aufgeführt wurde. Für den Fall, dass es sich bei der Regelung unter IV. Abs. 3 der Betriebsvereinbarung lediglich um einen deklaratorischen Verweis auf die gesetzliche Regelung bei teilmitbestimmten Betriebsvereinbarungen hätte handeln sollen, wäre es vielmehr erforderlich gewesen, diese Differenzierung ausdrücklich aufzunehmen. Denn vorliegend tritt die Nachwirkung nach dem Wortlaut bei jeder Art der ordentlichen Kündigung ein, also unabhängig von der Zweckbestimmung des Arbeitgebers. Für eine Einschränkung der Nachwirkung finden sich daher keine ausreichenden Anhaltspunkte.

dd) Welchen Regelungswillen die Betriebsparteien bei Abschluss der Betriebsvereinbarung hatten, ist unerheblich. Anhaltspunkte dafür, welchen möglicherweise von der hier vorgenommenen Auslegung abweichenden Willen die Betriebsparteien hatten, finden sich in der Betriebsvereinbarung nicht.

Da die vereinbarte Nachwirkung der streitgegenständlichen Betriebsvereinbarung mangels neuer Vereinbarung noch nicht geendet hat, bestehen Ansprüche des Klägers aus der Betriebsvereinbarung anlässlich seines 60. Geburtstages am 20.02.2018.

3.

Die Höhe ergibt sich ausdrücklich aus dem Wortlaut der Betriebsvereinbarung.

Durch den Umstand, dass der Kläger sich bei Fälligkeit der Leistungen in der Aktivphase seiner Altersteilzeit befand, ändert sich an der Höhe seines Anspruchs bzw. an dessen Fälligkeit nichts. Nach § 3 Ziff. 1 Abs. 1 des Altersteilzeitvertrages berechnet sich zwar die Höhe des Entgelts im Zeitraum der Altersteilzeit nach Maßgabe der reduzierten Arbeitszeit. Die Zuwendungen aus besonderen Anlässen nach der streitgegenständlichen Betriebsvereinbarung unterfallen jedoch nicht der Hälftelung der Vergütung und der anschließenden spiegelbildlichen Auszahlung in der Freistellungsphase. Nach der Betriebsvereinbarung sollen sie anlässlich des Geburtstags ausgezahlt werden. Diese Zweckbestimmung steht einer geteilten Auszahlung anlässlich des tatsächlichen Geburtstages und im Zeitpunkt des spiegelbildlichen Monats entgegen.

III.

Der Zinsanspruch für den Antrag zu 1) ergibt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzugs, §§ 286, 288 BGB.

VI.

Die Beklagte hat gemäß § 92 Abs. 2 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Der ursprüngliche Antrag zu 3) des Klägers hat nach § 92 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO nicht zu höheren Kosten geführt, denn die geltend gemachte Verzugspauschale nach § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB ist im Rahmen der Wertbemessung als Nebenforderung im Sinne von § 4 Abs. 1 2. Halbsatz ZPO nicht zu berücksichtigen (vgl. LAG Bremen 08.02.2018 – 3 Ta 49/17 – Rn. 52 m. w. N.).

Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG. Das LAG Hamm hat in seiner Entscheidung vom 12.02.2019 in dem Beschlussverfahren mit dem Aktenzeichen 7 TaBV 35/18 eine quasi identische Klausel über die Nachwirkung einer Betriebsvereinbarung über Zuwendungen aus besonderen Anlässen nach ordentlicher Kündigung mit dem Zweck, die Zuwendung ersatzlos zu streichen, bei einem Schwesterunternehmen der Beklagten anders ausgelegt.

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