VG Hannover, Beschluss vom 17.12.2019 - 4 B 2809/19
Fundstelle
openJur 2020, 11333
  • Rkr:

Zur Berechnung des Futtermittel- und Flächenbedarfs einer landwirtschaftlichen Tierhaltung i.S.v. § 201 BauGB.

Zur dauerhaften Verfügbarkeit angepachteter Flächen für die Tierfutterproduktion eines landwirtschaftlichen Betriebes

Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 10.05.2019 gegen die Änderungsgenehmigung der Antragsgegnerin vom 08.04.2019 in der Gestalt der Änderungsgenehmigung vom 27.11.2019 wird wiederhergestellt.

Die Antragsgegnerin und der Beigeladene zu 1.) tragen die Hälfte der Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen zu 2.), die diese selbst trägt.

Der Wert des Streitgegenstandes beträgt 10.000,- Euro.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen eine dem Beigeladenen1 erteilte Genehmigung zur Erweiterung einer Hähnchenmastanlage um zwei Ställe zu je 42.500 Tierplätzen auf insgesamt 164.000 Tierplätze sowie die Errichtung von weiteren Nebenanlagen.

Der Antragsteller ist ein in Niedersachsen ansässiger und vom Umweltbundesamt als Umweltvereinigung anerkannter eingetragener Verein. Zu dem satzungsmäßigen Aufgabenbereich gehören nach § 2 Nr. 1 unter anderem die Förderung des Naturschutzes, der Landschaftspflege, des Tierschutzes und das Eintreten für die Belange des Umweltschutzes einschließlich des Schutzes der menschlichen Gesundheit. Die Aufgabe wird unter anderem verwirklicht durch das Erhalten, Schaffen und Verbessern von Lebensgrundlagen für eine artenreiche Pflanzen- und Tierwelt in der freien Landschaft sowie das Eintreten für den Schutz der menschlichen Gesundheit vor Schäden durch Umweltbeeinträchtigungen.

Der Beigeladene betreibt eine sich seit Generationen im Familienbesitz befindliche Landwirtschaft im Außenbereich und ist staatlich geprüfter Landwirtschaftsleiter. Bisher umfasst sein Betrieb am streitgegenständlichen Standort 79.000 Hühnermastplätze und 1.850 Schweinemastplätze Die Hühner sind in zwei, ungefähr entlang einer Nord-Süd-Achse errichteten Ställen untergebracht.

Der Beigeladene betreibt weiterhin gemeinsam mit dem benachbarten Landwirt G. über die H. r} Biogas GmbH & Co. KG eine nach § 35 Abs.1 Nr. 6 BauGB genehmigte Biogasanlage. Nach den Angaben der Antragsgegnerin würden in der Biogasanlage Silomais, Gülle und Hähnchenmist als Substrat eingesetzt. 33% des Inputmaterials beständen aus Wirtschaftsdünger und stammten von den eigenen Betrieben der beiden Landwirte, sodass diese nur noch für 17% des weiteren Inputs aus ihren eigenen Agrarflächen beitragen müssten. Hierfür sei nach den Angaben der Antragsgegnerin eine Anbaufläche von 46 ha erforderlich. Nach den Angaben des Beigeladenen seien etwa 60 ha Anbaufläche notwendig. Die Landwirtschaftskammer gibt an, dass 34,5 ha Anbaufläche notwendig seien.

Im Umfeld des Hofes des Beigeladenen befinden sich in erster Linie Agrar- und Verkehrsflächen. Nimmt man das südliche Ende der beiden Bestandshühnerställe als Bezugspunkt, befindet sich der Ortsrand von I. etwa 500 Meter in südlicher Richtung und der Ortsrand von J. etwa 500 Meter in nördlicher Richtung entfernt. In J. liegt in etwa 600 Metern Entfernung zu den Ställen ein Alten- und Pflegeheim. In südöstlicher Richtung befindet sich 450 Meter entfernt eine Sportanlage mit einer Wohneinheit. In westlicher Richtung liegt in 750 Metern Entfernung ein Pferdehof, zu dem ein Wohnhaus mit einer Tierarztpraxis gehört. Weiterhin liegt in dieser Richtung 900 Meter von den Ställen entfernt eine zur Ortschaft K. gehörende Siedlung. In südwestlicher Richtung befindet sich in etwa 500 Metern Entfernung ein weiterer Pferdehof. Westlich und südlich von diesem liegen vereinzelte Wohnhäuser. In westsüdwestlicher Richtung liegt ein Schweinestall mit 290 Zuchtsauen.

100,23 ha Ackerland befinden sich im Eigentum des Beigeladenen. Nach seinen Angaben im Genehmigungsverfahren pachtet er weitere 220 ha landwirtschaftliche Fläche hinzu. Inzwischen gibt er an, rund 286,75 ha Land zu pachten.

Der Beigeladene beantragte am 20.06.2017 bei der Antragsgegnerin die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die

- Erweiterung seines Betriebes um 2 Hähnchenmastställe zu je 42.500 Plätzen mit Abluftreinigungsanlagen,

- Errichtung von Abluftreinigungsanlagen in den zwei bereits vorhandenen Hähnchenmastställen

- Errichtung von Reinigungswasserauffanggruben, einer Mistlagerhalle, vier Futtermittelsilos und eines Flüssiggastanks.

Zugleich gab der Beigeladene an, die Schweinehaltung aufzugeben und diese zum 01.07.2018 an den Landwirt G. verpachtet zu haben.

Bei den Abluftreinigungsanlagen handelt es sich um das Modell ASA1 des Herstellers Anisol GmbH, einen einstufigen Chemowäscher mit Tropfenabschneider. Nach dem DLG-Prüfbericht hat der Chemowäscher einen Mindestabscheidegrad für Ammoniak und Gesamtstaub von mindestens 70%. Die gemittelten Ergebnisse liegen bei 78,3% für Ammoniak und 80,9 für Gesamtstaub. Der Hersteller garantiert für Geruch und Feinstaub einen Abscheidegrad von 50%. Die DLG prüft derzeit eine Zertifizierung, nach Angaben des Beigeladenen steht diese vor dem unmittelbaren Abschluss. Aus dem letzten Prüfbericht der DLG (6942) geht nicht hervor, dass eine Abscheidung von Bioaerosolen untersucht worden ist.

Die beiden zusätzlichen Ställe sollen in gleicher Ausrichtung südlich von den beiden Bestandsställen errichtet werden. Die vier Abluftreinigungsanlagen werden zur gemeinsamen Mitte der Ställe ausgerichtet.

Zum Betriebsablauf gibt der Beigeladene an, dass die Hühner mit einem Gewicht von 45g eingestallt werden sollen. 25-29% der Tiere wird im Mittel innerhalb von 32-33 Tagen auf das Gewicht von 1.860-2.000g gemästet und ausgestallt. Die verbleibenden 71-75% der Tiere werden im Alter von 42 Tagen bei einem Mastendgewicht von etwa 2.800g ausgestallt. Zwischen den Durchgängen werden die Ställe etwa 7 Tage gereinigt. In der Regel werden bei einer Belegdauer von 42 Wochen damit 7,4 Mastdurchgänge pro Jahr erreicht.

Der Beigeladene legte nach Angaben der Antragsgegnerin die Nachweise über seine Eigentums- und Pachtflächen der Landwirtschaftskammer (LWK) Niedersachsen vor. Die Landwirtschaftskammer teilte der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 15.08.2017 mit, dass von einer Privilegierung des Vorhabens auszugehen sei. Der Beigeladene bewirtschafte hauptberuflich nachweislich rund 322 ha landwirtschaftliche Fläche. Betriebliche Schwerpunkte seien Marktfruchtbau sowie Geflügel- und Schweinemast. Es würden Getreide, Zuckerrüben und Mais angebaut. Bei Berücksichtigung der Anbauverhältnisse würden 300 ha für die hälftige Futtergrundlage der geplanten Tierhaltungsanlage ausreichen, sodass diese dem Betrieb zugeordnet werden könne. Mit diesen Flächen werde eine Futterleistung von 32.191.103 MJ ME (Megajoule metabolisierbare Energie) erreicht. Es seien durchschnittliche Erträge von 102.198 MJ ME je ha Körnermais und 95.795 MJ ME je ha Getreide bei einem Anbauverhältnis von 75:25 anzunehmen. Der Gesamtbedarf einer hälftigen Futtergrundlage für den künftigen Bestand von 164.000 Hühnermastplätzen betrage maximal 30.218.968 MJ ME und sei somit gedeckt. Die Antragsgegnerin legte diese Einschätzung ihrer Entscheidung zu Grunde.

Zum Immissionsschutz legte der Beigeladene ein von ihm eingeholtes Geruchs-, Ammoniak-, Staub- und Keimgutachten des Ingenieursbüros Prof. Dr. L. (von M.) vom 21.09.2017 vor, das zugleich Teil einer Umweltverträglichkeitsstudie vom gleichen Tage ist. Das Gutachten kommt zu der zusammenfassenden Beurteilung, dass keine relevanten Steigerungen der Immissionen durch das Vorhaben zu erwarten seien. Der Grenzwert von 15% für die maximale Wahrnehmungs-/Immissionshäufigkeit landwirtschaftlicher Gerüche werde an allen geprüften Immissionspunkten deutlich eingehalten. Auch der Grenzwert für reine Wohngebiete von 10% der Jahresstunden Wahrnehmungshäufigkeit werde an allen gewählten Immissionspunkten eingehalten. Es komme in der Umgebung zu keiner anlagenbezogenen Überschreitung der Ammoniakzusatzkonzentration in umliegenden Waldflächen. Die Irrelevanzwerte für anlagenbezogene Fein- und Schwebstaubkonzentrationen würden nur im unbewohnten unmittelbaren Umfeld überschritten. Durch die Aus- und Nachrüstung der Ställe mit Abluftreinigungsanlagen seien gesundheitliche Belastungen durch anlagenbezogene Bioaerosolimmissionen nicht zu besorgen. Für das Vorhaben legte die Antragsgegnerin dieses Gutachten zu Grunde.

Die Beigeladene zu 2.) erteilte ihr Einvernehmen am 23.11.2017.

Die Antragsgegnerin machte das Vorhaben als UVP-pflichtiges Vorhaben in ihrem Amtsblatt vom 11.01.2018 bekannt und teilte als Frist für die Geltendmachung von Einwendungen den 17.03.2018 mit. Der Antragsteller beteiligte sich mit Stellungnahme vom 15.03.2018 und trug mit Schreiben vom 28.03.2018 vor, dass die Privilegierung des Vorhabens nicht nachgewiesen sei und die Nichtauslegung prüfungsfähiger Unterlagen zu diesem Punkt ein Fehler in der Öffentlichkeitsbeteiligung darstelle. Insgesamt gingen 125 Einwendungen ein. Am 26.06.2018 erörterte die Antragsgegnerin die Einwendungen.

Am 14.12.2018 beantragte der Beigeladene bei der Antragsgegnerin, die sofortige Vollziehbarkeit der Genehmigung anzuordnen.

Mit Bescheid vom 08.04.2019 erteilte die Antragsgegnerin dem Beigeladenen die beantragte Änderungsgenehmigung und ordnete die sofortige Vollziehbarkeit an. Die Genehmigung enthält Nebenbestimmungen und Hinweise in großer Zahl, auf die, ebenso wie auf die Begründung des Bescheides, Bezug genommen wird. Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit begründete die Antragsgegnerin damit, dass diese gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. § 80a Abs. 1 Nr. 1 VwGO auf Antrag unter Abwägung der Interessen der Beteiligten angeordnet werden darf. Der Antragsteller habe sein Interesse am Sofortvollzug umfangreich begründet. Die Verschiebung der Inbetriebnahme hätte für ihn weitreichende wirtschaftliche Folgen. Kooperationsvereinbarungen mit Dritten führten zu weitreichenden finanziellen Belastungen, wenn die Dauer eines Hauptsacheverfahrens abgewartet werden müsste.

Die Antragsgegnerin legte vom 26.04.2019 bis zum 09.05.2019 die Genehmigung aus.

Der Antragsteller erhob am 10.05.2019 Widerspruch gegen die Entscheidung, über den bislang nicht entschieden ist. Er beantragte zudem am 07.06.2019 bei der Beklagten die Aussetzung der sofortigen Vollziehbarkeit.

Am 11.06.2019 suchte der Antragsteller um einstweiligen Rechtsschutz nach. Die Kammer hat am 27.11.2019 die mündliche Verhandlung in dieser Rechtssache durchgeführt. In diesem Rahmen hat die Antragsgegnerin eine neue Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit ausgesprochen und diese im Wesentlichen damit begründet, dass das Vollzugsinteresse des Beigeladenen das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiege. Der Beigeladene habe wirtschaftliche Dispositionen zur Realisierung der Betriebserweiterung vorgenommen, und die von dem Antragsteller geltend gemachten rechtlichen Einwände überzeugten nicht. Der Antragsteller machte diese Anordnung zum Gegenstand des Verfahrens.

Die Antragsgegnerin ergänzte weiterhin im Rahmen der mündlichen Verhandlung den Genehmigungsbescheid um die Nebenbestimmung, dass dem Beigeladenen aufgegeben wird, die vorwiegende Futtergrundlage in Form von Weizen und Mais auf seinen Flächen herzustellen.

Im Laufe des Rechtsstreites haben der Antragsteller und der Beigeladene fachgutachterliche Äußerungen und Ergänzungen zu den technischen, den Immissionsschutz betreffenden Fragestellungen vorgelegt und diese im Rahmen der mündlichen Verhandlung erläutern lassen.

Der Beigeladene hat Einsicht in einen seine Pachtverträge enthaltenden Ordner gewährt und eine tabellarische, anonymisierte Aufstellung der Pachtflächen (Anlage 5, Bl. 457 d. GA) vorgelegt. Aus dieser geht hervor, dass die Pachtverträge überwiegend eine Restlaufzeit bis zu den Jahren 2027 bis 2030 haben. Lediglich ein 2019 abgeschlossenes Pachtverhältnis endet im Jahr 2031. Die Gesamtlaufzeit der Pachtverträge beträgt bis zu 78 Jahren. Die kurzfristigsten erstrecken sich nur über 12 Jahre: Ein im Jahr 2015 abgeschlossener Vertrag („Herr v.D.“) über 21,95 ha läuft bis 2027, ein im Jahre 2017 („Herr M.“) geschlossener Vertrag über 44,65 ha endet 2029.

Weiterhin hat der Beigeladene eine auf den 11.11.2019 datierte „Berechnung der überwiegenden Futtergrundlage“ (Anlage 4) der LWK Niedersachsen vorgelegt. Der Berechnung liegt zu Grunde, dass die Bodenverhältnisse durchschnittliche Erträge i.H.v. 95.174 MJ ME für Getreide und 132.339 für Körnermais zuließen, somit bei einer Gewichtung von 25:75 eine Flächenleistung von 123.047,6 MJ ME zu erreichen sei. Eine überwiegende Futtergrundlage für das Vorhaben des Beigeladenen habe einen Bedarf von 29.131.284 MJ ME, was bei den oben genannten Erträgen eine Anbaufläche von 236,7 ha erforderlich machen würde. Die LWK Niedersachsen hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung eine Gegenüberstellung der ursprünglichen und der neuen Flächenberechnung sowie eine tabellarische Darstellung des metabolisierbaren Energiegehaltes für Mais und Weizen, die Statistiken für die Ernteerträge in diversen Landkreisen Niedersachsens und eine Zuordnung der Agrarflächen der Betriebe des Beigeladenen und des Landwirtes G. zu den jeweiligen Nutzungszwecken im Ist- und Sollzustand vorgelegt.

Der Antragsteller begründet seinen Antrag im Wesentlichen wie folgt:

Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit sei formell rechtswidrig, weil sie nur floskelhaft begründet worden sei. Die Antragsgegnerin stelle einseitig auf die finanziellen Dispositionen und die vom Beigeladenen eingegangenen vertraglichen Bindungen ab, womit es der Begünstigte alleine in der Hand hätte, die Voraussetzungen für die sofortige Vollziehbarkeit herbeizuführen.

Die Genehmigung sei formell rechtswidrig, weil eine ordnungsgemäße Öffentlichkeitsbeteiligung nicht stattgefunden habe. Die Antragsgegnerin habe der Öffentlichkeit keinerlei Informationen zur Prüfung des Privilegierungstatbestandes bereitgestellt, insbesondere die Pachtflächen nicht benannt und keine Nachweise ausgelegt, sodass eine effektive Kontrolle nicht möglich gewesen sei. Ein weiterer formeller Fehler liege weiterhin darin, dass die Antragsgegnerin eine inhaltliche Überprüfung des Tatbestandsmerkmals der Privilegierung überhaupt nicht vorgenommen und die Auskunft der LWK noch nicht einmal auf ihre Plausibilität geprüft habe.

Die Genehmigung sei materiell rechtswidrig. Die Voraussetzungen für die Annahme einer Privilegierung des Vorhabens lägen nicht vor. Die Pachtflächen könnten für die Privilegierung zu einem erheblichen Anteil nicht berücksichtigt werden, weil sie überwiegend eine Pachtdauer von weniger als 10 Jahren, also bis zum Jahr 2029, hätten und dem Beigeladenen damit nicht langfristig zur Verfügung stünden. Eine Reihe weiterer Pachtflächen habe zwar eine längere Pachtdauer, aber keine Pachttradition. Keiner der Pachtverträge habe eine Dauer von 15 Jahren, wie die obergerichtliche Rechtsprechung es verlange.

Weiterhin bestünden Zweifel, ob die behaupteten Flächen tatsächlich als Ackerland zur Verfügung stünden. Zumindest eine Fläche sei von der Stadt N. auf 6 ha als Bauland ausgewiesen worden. Sechs der vorgelegten Pachtverträge seien keinen Grundstücken zuzuordnen. Auf der vom Beigeladenen vorgelegten Karte seien 17 der Pachtflächen nicht zu finden. Andere Pachtverträge stimmten nicht mit den Angaben in der tabellarischen Aufstellung überein. In einigen Pachtverträgen fehle es an einer Angabe zum Nutzungszweck. Die Sichtkontrolle eines der Grundstücke habe ergeben, dass es sich nicht um Ackerland handele. Eine Reihe der berücksichtigten Flächen seien im FeldblockFinder der LWK Niedersachsen als Grünland zu identifizieren, welches nicht ohne weiteres umgebrochen werden dürfe. Zudem seien Flächen abzuziehen, die für den Betrieb der Biogasanlage notwendig seien, da eine Ackerfläche nicht zur Privilegierung von zwei unterschiedlichen und sich ausschließenden Nutzungen herangezogen werden könne.

Der Flächenbedarf sei nicht nachvollziehbar ermittelt worden. Der Energiegehalt von Körnermais sei überhöht angesetzt worden, der Wert von 16,02 MJ ME in der Trockenmasse sei nicht belegt. Der Energiegehalt in der Frischmasse und in der Trockenmasse werde in der neuen Berechnung gleich beziffert. Es sei für alle Ackerflächen der Durchschnittsertrag der Region A-Stadt zugrunde gelegt, obwohl acht der Pachtflächen im Landkreis O. lägen, wo der Durchschnittsertrag bei 64,7dt/ha und nicht bei 68,8dt/ha liege. Schließlich habe die Antragsgegnerin zwar den Wassergehalt im Mais abgezogen, aber den Spindelanteil von 16%-30% ignoriert. Dieser werde aber in der Regel zu Schweinefutter verarbeitet und eigne sich nur bedingt für Hühnerfütterung.

Schließlich könne auch ein Anbauverhältnis von Getreide und Mais von 25:75 nicht für die Berechnung herangezogen werden, da Mais lediglich zu einem geringeren Anteil in der Hühnerfuttermischung enthalten sei. Hinzu komme, dass die verwendete Futtermischung Soja als Eiweißlieferanten enthalte, welches der Beigeladene überhaupt nicht produziere.

Weiterhin verstoße das Vorhaben gegen das Immissionsschutzrecht. Eine hinreichende, den wissenschaftlichen Standards entsprechende Begutachtung der zu erwartenden Geruchsimmissionen liege weiterhin nicht vor. Das von dem Beigeladenen vorgelegte Gutachten leide an zahlreichen Mängeln, sodass es von der Antragsgegnerin nicht hätte zu Grunde gelegt werden dürfen. So seien etwa veraltete Emissionswerte für Hähnchen angesetzt, Winddaten eines anderen Standortes ohne qualifizierte Übertragbarkeitsprüfung übernommen, unzureichende Immissionspunkte ausgewählt, das begrenzte Volumen der Abluftreinigungsanlage nicht berücksichtigt und die Rauhigkeitslänge falsch berechnet worden. Zudem legten Anhaltspunkte in den LOG-Dateien nahe, dass das Berechnungsprogramm unsachgemäß angewendet worden sei, weil 10 statt 7 Leertage angesetzt und womöglich nur zwei von vier Ställen berücksichtigt worden seien. Der Biotopschutz sei nicht gewahrt worden, da sich nordöstlich der Bundesautobahn 7 zwei Bereiche befänden, die als Biotope anzusehen seien und auf ihre Stickstoffempfindlichkeit hätten untersucht werden müssen. Der Vorsorgegrundsatz sei verletzt, da die Genehmigung den zu erwartenden Bioaerosolimmissionen keine ausreichende Rechnung trage und trotz der fehlenden Zertifizierung davon ausgehe, dass die Abluftreinigungsanlage Bioaerosolemissionen zumindest in gleichem Maße abscheide wie Staubemissionen.

Ferner erfülle das Vorhaben nicht die Anforderungen des Brandschutzes und des Tierschutzes und habe auch nicht die für die Einleitung des Niederschlagswassers erforderliche wasserrechtliche Genehmigung.

Der Antragsteller beantragt,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 10.05.2019 gegen die Änderungsgenehmigung des Antragsgegners vom 08.04.2019 in der Gestalt der Änderungsgenehmigung vom 27.11.2019 wiederherzustellen.

Die Antragsgegnerin und der Beigeladene beantragen,

den Antrag abzulehnen.

Sie verteidigen den angegriffenen Bescheid.

Der Antrag sei bereits teilweise unzulässig, weil der Antragsgegner Belange des Tierschutzes, Brandschutzes und Bauplanungsrechtes geltend mache, die seinen satzungsmäßigen Aufgabenbereich nicht berührten.

Der Antrag sei überdies unbegründet. Ein formeller Fehler in der Öffentlichkeitsbeteiligung liege nicht vor. Die Genehmigungsbehörde sei lediglich verpflichtet, diejenigen Unterlagen auszulegen, die ihr auch tatsächlich vorliegen. Dies sei auch geschehen. Die Pachtverträge dagegen habe die Antragsgegnerin sich nicht vorlegen lassen, sodass sie sie auch nicht habe auslegen können. Eine solche Auslegung würde zudem auch Wirtschaftsgeheimnisse und die schutzwürdigen Belange Dritter, der Verpächter, berühren und gefährden. Der vermeintliche Verfahrensfehler habe sich auch offensichtlich nicht ausgewirkt. Weiterhin habe die Antragsgegnerin auch ihre Prüfungspflicht nicht verletzt, denn die Tatbestandsmerkmale der Privilegierung seien eingehend geprüft worden. Die Antragsgegnerin dürfe sich bei der Subsumtion fachlich zu bewertender Tatsachen auch auf die Einschätzung der LWK Niedersachsen als qualifizierte fachliche Stelle stützen. Es gebe auch keinen Anlass, die fachkundige und plausible Einschätzung der Landwirtschaftskammer in Zweifel zu ziehen und eine eigene Berechnung anzustellen.

Neben den Belangen des Tier- und Brandschutzes seien für den Antragsteller auch die Fragen des Bauplanungsrechtes, wie diejenige nach der Privilegierung des Vorhabens im Außenbereich, nicht rügefähig. Es fehle hier am Zusammenhang zum satzungsmäßigen Aufgabenbereich des Antragstellers.

Es stünden zudem ausreichend landwirtschaftliche Flächen, insbesondere Pachtflächen dauerhaft zur Verfügung. Die Pachtdauer sei unter diesem Gesichtspunkt nicht zu beanstanden, sondern marktüblich. Pachtverträge mit einer Dauer von über 12 Jahren würden in der Praxis nicht geschlossen. Außerdem sei es kein Problem, bei Bedarf weitere landwirtschaftliche Flächen hinzu zu pachten und die bestehenden Verträge zu verlängern.

Zudem komme es nicht alleine auf die Dauer der Pachtverträge an, sondern auf eine Würdigung der Gesamtumstände, im Rahmen derer die Restpachtdauer lediglich einer von mehreren Faktoren sei. Hier müssten gleichermaßen auch Pachttradition und die kontinuierliche Vergrößerung des Betriebes Berücksichtigung finden, da diese eine Dauerhaftigkeit des Vorhabens indizierten.

Die vorhandenen und zu berücksichtigenden Pachtflächen reichten auch gemeinsam mit den Eigentumsflächen für eine überwiegende Futtergrundlage aus. Aufgrund der in § 201 BauGB normierten abstrakten Betrachtungsweise komme es nicht darauf an, ob die landwirtschaftlichen Flächen tatsächlich für eine Biogasanlage genutzt werden müssten. Eine Doppelbelegung von landwirtschaftlichen Flächen, die für die Biogasanlage vorgesehen seien, sei auch nicht erforderlich. Der Beigeladene könne mit rund 386 ha landwirtschaftlicher Fläche sowohl die für die Futtergrundlage der Hühner erforderliche Anbaufläche von 300 ha, als auch ausreichend Fläche für die Biogasanlage vorweisen.

Schließlich sei auch die Immissionsprognose nicht zu beanstanden. Insbesondere sei zutreffend, dass die vorgesehene Abluftreinigungsanlage zu einer Verbesserung zahlreicher Emissionsparameter führe und bereits aus diesem Grund eine genauere Begutachtung der Bioaerosolbelastung und des Stickstoffeintrags in die möglichen Biotope entbehrlich sei.

Die Beigeladene zu 2. stellt keinen Antrag und äußert sich nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, des beigezogenen Verwaltungsvorganges sowie das Sitzungsprotokoll vom 27.11.2019 Bezug genommen.

II.

Der nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1, Alt. 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO statthafte Antrag hat Erfolg.

1.

Streitgegenständlich ist hierbei die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 08.04.2019 unter Berücksichtigung der Ergänzungen vom 27.11.2019. Die Antragsgegnerin hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung auf den Hinweis des Gerichtes hin die Anordnung der sofortigen Vollziehung mit Schrieben vom 27.11.2019 erneuert und den Bescheid um die Nebenbestimmung ergänzt, dass die von der LWK Niedersachsen der Flächenberechnung zugrunde gelegte Anbauquote von Getreide und Mais auch in dem errechneten Umfang tatsächlich umgesetzt werden muss. Der Antragsteller hat diese Ergänzungen zum Gegenstand des Verfahrens gemacht, was in entsprechender Anwendung von § 91 Abs. 1 und 2 VwGO der Zulässigkeit nicht entgegensteht.

Der gegen diesen Bescheid gerichtete Antrag ist auch im Übrigen zulässig.

Der Antragsteller ist insbesondere klage- und antragsbefugt. Dies ergibt sich abweichend von § 42 Abs. 2 VwGO aus § 2 Abs. 1 UmwRG. Hiernach kann eine nach § 3 UmwRG anerkannte Vereinigung, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG oder deren Unterlassen einlegen, wenn die Vereinigung nach Nr. 1 geltend macht, dass eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG oder deren Unterlassen Rechtsvorschriften, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können, widerspricht, die Vereinigung in ihrem satzungsmäßigen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes berührt und die Vereinigung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a) zur Beteiligung berechtigt war. Diese Voraussetzungen liegen vor.

Bei der Antragstellerin handelt es sich um einen vom Bundesumweltamt als Umweltschutzvereinigung anerkannten eingetragenen Verein.

Bei der angegriffenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung handelt es sich um eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG. Dies ist jedenfalls nach Nr. 2 der Fall, wenn eine Genehmigung für eine Anlage vorliegt, die in Spalte c) des Anhanges 1 der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen (4. BImSchV) mit dem Buchstaben G gekennzeichnet ist. Hier handelt es sich um eine Anlage zur Haltung von Mastgeflügel mit 40.000 oder mehr Mastgeflügelplätzen, sodass die in Spalte 3 mit G gekennzeichnete Ziffer 7.1.3.1. des Anhangs 1 4. BImSchV maßgeblich ist.

Der Antragsteller macht geltend, dass die Entscheidung gegen Rechtsvorschriften verstößt, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können, indem er unter anderem Verstöße gegen immissionsschutzrechtliche, naturschutzrechtliche und bauplanungsrechtliche Vorschriften rügt, insbesondere die Genehmigungsvoraussetzungen in § 5 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BImSchG, § 30 Abs. 2 BNatSchG und § 35 BauGB. Er beruft sich hiermit zutreffend darauf, in seinem satzungsmäßigen Aufgabenbereich der Förderung des Umweltschutzes berührt zu sein. Die Vorschriften des BImSchG und BNatSchG dienen dem Umweltschutz. Auch § 35 Abs. 3 Nr. 3 und 5 BauGB führen als Belange schädlichen Umwelteinwirkungen und Naturschutzes an, hinsichtlich derer der Antragsteller geltend machen kann, dass ein Verstoß den satzungsmäßigen Aufgabenbereich des Umwelt- und Naturschutzes berühre. Schließlich war der Antragsteller auch zur Beteiligung berechtigt, denn es handelt sich wie gezeigt um die Genehmigung einer Anlage, die in der 3. Spalte der 4. BImSchV mit G gekennzeichnet ist. Es war somit ein Genehmigungsverfahren nach § 10 BImSchG durchzuführen, dessen Abs. 3 eine Öffentlichkeitsbeteiligung vorsieht.

Entgegen der Auffassung des Beigeladenen ist der Antrag auch nicht teilweise unzulässig, weil der Antragsteller Aspekte des Tier- und Brandschutzes geltend macht und diese womöglich seinen satzungsmäßigen Aufgabenbereich nicht berühren. Die Vorschrift in § 2 Abs. 1 UmwRG setzt nicht voraus, dass die Zulässigkeit des Antrags für jeden gerügten Aspekt aufs Neue überprüft wird. Dies ergibt sich aus dem systematischen Verhältnis des § 2 Abs. 1 zu § 2 Abs. 4 UmwRG. Nach Abs. 4 sind Rechtsbehelfe nach Abs. 1 unter anderem begründet, wenn der Verstoß Belange berührt, die zu den Zielen gehören, die die Vereinigung nach ihrer Satzung fördert. Dieses Erfordernis ist zwar sprachlich abweichend von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG formuliert, unterscheidet sich inhaltlich aber hiervon nicht, denn es sind auch hier umweltbezogene Ziele gemeint (Landmann/Rohmer UmweltR/Fellenberg/Schiller, 90. EL Juni 2019, UmwRG § 2 Rn. 59). Wenn bei fehlendem Bezug zum satzungsmäßigen Zweck der Rechtsbehelf aber bereits (teilweise) unzulässig wäre, würde es an einem Anwendungsbereich für diesen Begründetheitsmaßstab fehlen. Für die Prüfung der Klage-/Antragsbefugnis reicht es deshalb bereits aus, wenn der Verband geltend macht, dass einer der geltend gemachten Verstöße ihn in seinem satzungsmäßigen Aufgabenbereich berührt. Ob dies am Ende für jeden der gerügten Fehler gilt, ist dagegen eine Frage der Begründetheit (offen gelassen bei VG Weimar, Beschluss vom 13.03.2017 – 7 E 155/17 We –, Rn. 81, 130, juris; a.A. wohl VG München, Beschluss vom 23.03.2018 – M 19 SN 17.4631 –, Rn. 52, juris).

2.

Der Antrag ist begründet.

In formeller Sicht ist die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit vom 27.11.2019 nicht zu beanstanden.

Nach § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich und auf den konkreten Fall abstellend, mithin nicht lediglich "formelhaft" zu begründen. Die Begründungspflicht soll der Behörde den Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen, mit besonderer Sorgfalt zu prüfen, ob tatsächlich ein überwiegendes Vollziehungsinteresse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert. Hier erfüllt die streitgegenständliche Anordnung das Begründungserfordernis in § 80 Abs. 3 VwGO, indem sie sich erkennbar mit den Besonderheiten des hiesigen Einzelfalles auseinandersetzt. Auf die Richtigkeit und Tragfähigkeit der Begründung im Detail kommt es hingegen für das formelle Erfordernis der schriftlichen Begründung nicht an (VGH Kassel, Beschluss vom 30.03.2017 – 8 B 906/17 –, Rn. 30, juris).

Ob die für die Anordnung heranzuziehende Rechtsgrundlage in § 80a Abs. 1 Nr. 1 VwGO voraussetzt, dass bei Fehlen eines öffentlichen Interesses der Rechtsbehelf eines Dritten eingelegt worden sein muss, um eine Abwägung überhaupt sinnvoll durchführen zu können, kann dahingestellt bleiben, da jedenfalls im Zeitpunkt der neuen Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit am 27.11.2019 der Widerspruch des Antragstellers bereits eingelegt war und die Antragsgegnerin diesen in der Interessenabwägung berücksichtigt hat.

Der Antrag hat jedoch in der Sache Erfolg.

Maßgebliches Kriterium innerhalb der im Rahmen des §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung sind regelmäßig die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache. Erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtswidrig und wird der Antragsteller hierdurch in seinen nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz rügefähigen Rechten verletzt, weshalb er im Hauptsacheverfahren voraussichtlich einen Aufhebungsanspruch erfolgreich wird durchsetzen können, überwiegt regelmäßig das Aussetzungsinteresse das Vollzugsinteresse. Stellt der Verwaltungsakt sich demgegenüber als offensichtlich rechtmäßig dar, weshalb der vom Antragsteller eingelegte Rechtsbehelf mit erheblicher Wahrscheinlichkeit in der Hauptsache erfolglos bleiben wird, überwiegt in der Regel das Vollzugsinteresse.

Die Errichtung und der Betrieb der dem Beigeladenen genehmigten Hühnerhaltungsanlage mit 164.000 Tierplätzen verstößt bei summarischer Prüfung gegen umweltbezogene materiell-rechtliche Genehmigungsvorschriften, sodass sich nach derzeitigem Sach- und Streitstand der von dem Antragsteller eingelegte Widerspruch voraussichtlich als begründet erweisen wird.

Das Interesse des Antragstellers, die Vollziehung der Genehmigung zu verhindern, folgt aus einem materiellen Verstoß gegen das Bauplanungsrecht, welcher aus der unzutreffenden Einordnung des Vorhabens als durch § 35 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 i.V.m. § 201 BauGB privilegiert folgt. Als dann nicht privilegiertem Vorhaben steht der Genehmigungsfähigkeit nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG die Beeinträchtigung öffentlicher Belange gemäß § 35 Abs. 2, 3 BauGB entgegen.

Der Antragsteller kann sich auf diese Rechtsverletzung berufen. Es handelt sich um einen Verstoß gegen Vorschriften, die gemäß § 2 Abs. 4 Nr. 1 UmwRG für die Entscheidung von Bedeutung sind. Sie berühren - entgegen der Auffassung des Beigeladenen - auch die Belange, die zu den Zielen gehören, die die Vereinigung nach ihrer Satzung fördert, nämlich die Förderung des Natur- und Umweltschutzes sowie der Landschaftspflege. Es handelt sich bei der Frage der Privilegierung eines Vorhabens als landwirtschaftlicher Betrieb in Abgrenzung zur gewerblichen Tierhaltung nicht nur um eine reine bauplanungsrechtliche Frage. Es kommt vielmehr darauf an, ob die öffentlichen Belange, die dem Vorhaben im Falle einer fehlenden Privilegierung entgegengehalten werden, umweltbezogen sind. Ist dies der Fall, kann die Vereinigung geltend machen, die Behörde habe mangels zutreffender Beurteilung der Privilegierung des Vorhabens zu Unrecht angenommen, eine Beeinträchtigung des Belanges sei für die Zulässigkeit des Vorhabens unschädlich. Dies gilt auch für Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege. Dieses Tatbestandsmerkmal verfolgt nämlich den Zweck, den Außenbereich zum Zwecke eines ressourcenschonenden Umgangs mit Grund und Boden und der erheblichen Bedeutung des Außenbereiches für den Umweltschutz vor baulicher Inanspruchnahme zu schützen. Gerade die Privilegierungstatbestände in § 35 Abs. 1 BauGB dienen daher dazu, bestimmte Vorhaben von diesem strengen, mit den dem Umweltschutz dienenden Tatbestandsvoraussetzungen von § 35 Abs. 3 BauGB dienenden Maßstab zu entbinden. Diese Regelungstechnik lässt nach Auffassung der Kammer einen ausreichend engen Zusammenhang zwischen der Prüfung des Privilegierungstatbestandes in § 35 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 BauGB und dem andernfalls einschlägigen, umweltschützenden Merkmal in § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB erkennen (so bereits VG Hannover, Beschluss vom 28.03.2019 – 4 B 5526/18 –, Rn. 70, juris; vgl. auch VG München, Beschluss vom 23.03.2018 – M 19 SN 17.4631 –, Rn. 51, juris).

Die Kammer lässt dahingestellt, ob die Antragsgegnerin das Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt hat. Der Antragsteller rügt insoweit, dass die Nachweise über die Pacht- und Eigentumsflächen des Vorhabenträgers nicht für die Öffentlichkeit ausgelegt worden seien. Soweit der Vorhabenträger sich für die Genehmigung auf eine Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 201 BauGB berufe und für sich in Anspruch nehme, das Futter überwiegend auf den zu seinem Betrieb gehörenden landwirtschaftlichen Flächen zu erzeugen, müsse die Tatsachengrundlage im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung offengelegt werden, um eine Überprüfbarkeit der Entscheidung zu gewährleisten. Tatsächlich erscheint das Vorgehen der Antragsgegnerin problematisch, da sie durch die vollständige Ausgliederung dieser Prüfung an die LWK Niedersachsen faktisch ein gesetzlich nicht vorgesehenes und dem Zwecke der Öffentlichkeitsbeteiligung zuwiderlaufendes Verfahren für die Überprüfung des Privilegierungstatbestandes gewählt habe. Die Frage kann aber offen bleiben, da der Antrag bereits aus anderen Gründen Erfolg hat.

Ebenfalls dahingestellt bleiben kann die sich zudem in diesem Kontext stellende Frage, ob bereits in der bemängelten Prüfungsdichte der Antragsgegnerin hinsichtlich des Merkmals der Privilegierung ein beachtlicher Fehler liegt. Die Antragstellerin rügt insoweit, dass die Stellungnahme der LWK Niedersachsen der Entscheidung unkritisch zu Grunde gelegt worden sei, ohne diese auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen und die Einschätzungsgrundlagen, insbesondere die behaupteten Pachtverträge und Ackerflächen zu sichten. Bei den Tatbestandsmerkmalen des § 35 Abs. 1 BauGB handelt es sich um gerichtlich voll überprüfbare Kriterien ohne Beurteilungsspielraum (BVerwG, Urteil vom 11.12.2008 – 7 C 6/08 –, Rn. 23, juris). Nur wenn die Antragsgegnerin das Merkmal gänzlich ungeprüft oder dahingestellt gelassen hätte, oder sich mit einer prognostischen Einschätzung begnügt hätte, könnte es sich hier um einen Verstoß gegen die Prüfungspflicht handeln. Ein reiner Ermittlungsausfall der Antragsgegnerin führt hingegen noch nicht zur Rechtswidrigkeit der Genehmigung, solange das in Rede stehende Tatbestandsmerkmal im Ergebnis zutreffend bejaht worden ist.

Dies ist indes bei der gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht der Fall. Die Kammer kann der Einschätzung der Antragsgegnerin und der LWK Niedersachsen, dass das streitgegenständliche Vorhaben dem landwirtschaftlichen Betrieb des Beigeladenen dient, nicht folgen.

Nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ist ein Vorhaben, das auf einem Grundstück im Außenbereich errichtet werden soll, nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen und die ausreichende Erschließung gesichert ist sowie das Vorhaben einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt. Der Beigeladene betreibt zweifellos bislang einen landwirtschaftlichen Betrieb i.S.v. § 35 Abs.1 Nr. 1 Alt. 1 BauGB. Die Nachhaltigkeit der Bewirtschaftung ist ebenso gegeben wie ein auf Dauer gedachtes und lebensfähiges Unternehmen, das gewissermaßen für Generationen bestehen wird (zu den Anforderungen im Allgemeinen BVerwG, Urteil vom 11.10.2012 – 4 C 9/11 – Rn. 7, juris; BayVGH, Urteil vom 20.03.2001 – 20 B 00.2501 –Rn. 17, 24, juris). Der Betrieb besteht seit mehreren Jahrzehnten und Generationen und soll auch künftig weitergeführt werden. An der Dauerhaftigkeit des Betriebes selbst besteht auch aufgrund der erheblichen Eigentumsflächen im Umfang von rund 100 ha kein Zweifel.

Es ist jedoch nicht davon auszugehen, dass das streitgegenständliche Vorhaben in dem genehmigten Umfang diesem landwirtschaftlichen Betrieb dient. Es erfüllt die hierzu notwendige Voraussetzung in § 201 BauGB nicht.

Gemäß § 201 BauGB ist Landwirtschaft im Sinne des Baugesetzbuchs u. a. eine Tierhaltung, soweit das Futter überwiegend auf den zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden, landwirtschaftlich genutzten Flächen erzeugt werden kann. Nur wenn dies der Fall ist, ist das streitgegenständliche Vorhaben Bestandteil eines landwirtschaftlichen Betriebs mit Tierhaltung. Andernfalls fehlt es am erforderlichen Bezug der Tierhaltungsanlage zur unmittelbaren Bodennutzung im Rahmen des landwirtschaftlichen Betriebs und kann das in Rede stehende Vorhaben der Intensivtierhaltung - als nichtlandwirtschaftliches – schon wegen seiner Größe auch nicht von einer etwaigen sonstigen Privilegierung des Betriebs im Übrigen „mitgezogen“ werden (vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 35, Rn. 27).

Für die von der Norm geforderte überwiegende Ernährung von 164.000 Hühnern pro Mastzyklus bei 7,4 jährlichen Mastdurchgängen bedarf es nach Auffassung der Kammer bei summarischer Prüfung und Berücksichtigung der örtlichen Anbauverhältnisse jedenfalls nicht weniger als 288,6 ha Anbaufläche, die dem Beigeladenen nicht in dem erforderlichen Umfang zur Verfügung stehen.

Die von der Antragsgegnerin und der LWK Niedersachsen vorgelegte Flächenbedarfsberechnung, die einen Bedarf von 236,7 ha ausweist, vermag die Kammer nicht zu überzeugen.

In der als Anlage 4 vorgelegten Bedarfsberechnung ist bereits der Bedarf der Tiere erkennbar unzutreffend berechnet. In der Tabelle sind 51.000 Stellplätze für Tiere, die nicht länger als 28 Tage in der Mast verbleiben, eingetragen, und 113.000 Stellplätze für Tiere, die länger als 39 Tage eingestallt sind. Hieraus wird bei einem im Programm hinterlegten Energiebedarf von 228 MJ ME und 413 MJ ME für die Vorgriffs- und Schwermaststellplätze ein hälftiger Gesamtbedarf von 29.131.284 MJ ME errechnet.

Diese Berechnung entspricht nicht dem von dem Beigeladenen dargestellten Betriebsablauf. Zunächst hat der Beigeladene einen Vorgriff von 25-29% der Tiere angegeben, wohingegen die LWK offenbar von etwa 31% ausgeht. Woher dieser Wert stammt, ist nicht ersichtlich. Um als vernünftig wirtschaftender Landwirt bei der Futtergrundlage auf sicherer Seite zu sein, erscheint es jedenfalls geboten, kalkulatorisch von einem Vorgriff von 41.000 Tieren pro Durchgang, d.h. 25%, auszugehen. Weiterhin werden diese Tiere nicht bis zum 28. Tag ausgestallt, sondern am 32. oder 33. Masttag, weshalb – unterstellt man die Richtigkeit der in der Tabelle hinterlegten Werte – 323 MJ ME Energiebedarf pro Stellplatz anzusetzen ist. Die Anzahl der Tiere, die in die Kategorie mit einem Energiebedarf von 413 MJ ME fällt, erhöht sich demgegenüber auf 123.000. Ob diese Werte in sich stimmig sind, sei an dieser Stelle dahingestellt. Zweifel könnten erhoben werden, weil nicht ohne weitere Informationen zu verstehen ist, wie ein am 32. Masttag 1.900g wiegendes Huhn mit weniger als 30% zusätzlicher metabolisierbarer Energie (413:7,4 MJ ME statt 323:7,4 MJ ME) sein Gewicht um 50% erhöhen kann, obwohl zugleich der eigene Energieerhaltungsbedarf des Tieres mit steigender Lebendmasse zunehmen dürfte. Der aus den dergestalt berichtigten Eingaben folgende Gesamtbedarf beträgt nach den Berechnungen der Kammer 32.021.000 MJ ME. Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die LWK Niedersachsen auch in einem vorherigen Verfahren den Bedarf noch erheblich höher, und zwar mit 390 MJ ME pro Stellplatz bei 7 Durchgängen beziffert hat (VG Hannover, Beschluss vom 28. März 2019 – 4 B 5526/18 –, Rn. 113, juris). Hieraus folgt ein Energiebedarf pro (Durchschnitts-)Tier von 55,77 MJ ME, der multipliziert mit 164.000 (Durchschnitts-)Tieren und 7,4 Durchgängen im hiesigen Fall einen hälftigen Energiebedarf i.H.v. 33.807.429 MJ ME bedeuten würde.

Um aus dem Energiebedarf auf die erforderliche Fläche zu schließen, ist es nötig, die Flächenleistung zumindest anhand von Durchschnittswerten näherungsweise zu bestimmen. Auch hier sind die Angaben der LWK Niedersachsen nicht plausibel. Die LWK gibt (zuletzt) an, dass beim Anbau von Weizen/Gerste ein Ertrag von 63 dt TM (Dezitonnen Trockenmasse) pro Jahr und Hektar zu erwarten sei mit einem Energieertrag von 95.174 MJ ME, und beim Anbau von Mais 83 dt TM pro Jahr und Hektar einen Ertrag von 132.339 MJ ME einbrächten. Bei einem Anbauverhältnis von 25:75 würde dies einen Ertrag von 123.047,75 MJ ME/ha bedeuten. Die Berechnung beruht darauf, dass die LWK davon ausgeht, dass der geerntete Körnermais in der Trockenmasse für Hühner eine Energiedichte von 16,02 MJ ME/kg hat.

Zweifel bestehen insoweit hinsichtlich der Angaben zum Maisertrag. Der Wert von 83 dt TM beruht soweit ersichtlich darauf, dass die LWK von dem Gewicht des Durchschnittsertrags von 98,8 dt/ha aus den Jahren 2011-2016 in der Region A-Stadt Wassergehalt und Ernteverluste subtrahiert hat, um die Trockenmasse zu ermitteln, für die der Energiegehalt von 16,02 MJ ME angesetzt werden kann. Aus der von der LWK vorgelegten Tabelle, die den Wert von 98,8 dt/ha enthält, wird jedoch ersichtlich, dass es sich hierbei um den Wert für „KMais/CCM“ handelt, die Spindel der Pflanze somit noch im „Corn-Cob-Mix“ enthalten ist. Nach den Angaben des Deutschen Maiskomitee e.V. (DMK; www.maiskomitee.de/Verwertung/Tierische_Veredlung/Beschreibung_der_Ernteprodukte, abgerufen am 17.12.2019) macht die Spindel am Corn-Cob-Mix mindestens 30% der Masse aus, nach Angaben der LWK Niedersachsen 16%-17% (https://www.lwk-niedersachsen.de/index.cfm/portal/1/nav/753/article/26477.html, abgerufen am 17.12.2019). Es handele sich bei CCM um typisches Schweinefutter. Dieses können zwar auch in der Hähnchenmast eingesetzt werden, erreiche dort aber in der Trockenmasse nur einen Wert von 13,1 – 14,8 MJ ME/kg gegenüber 15,6 MJ ME (nicht 16,02 wie die LWK angibt) bei Körnermais in der Trockenmasse (https://www.maiskomitee.de/Verwertung/Tierische_Veredlung/Geflügelfütterung, abgerufen am 17.12.2019).

Auch hier ist von einem vernünftig agierenden Landwirt zu verlangen, dass er sich mit seiner Kalkulation auf der sicheren Seite bewegt. Legt man daher den konservativen Energiegehaltswert von 13,1 MJ ME/kg TM an, liegt der Energieertrag von Mais pro Hektar bei 108.730 MJ ME und der Durchschnittsertrag pro Hektar bei 105.341 MJ ME. Bei einem Gesamtenergiebedarf von 32.021.000 MJ ME liegt der Flächenbedarf bei mindestens 304 ha. Zieht man die Masse und den Energiegehalt der Spindeln hingegen ganz ab - da diese wie gesagt in der Regel nicht an Hühner verfüttert werden – fällt der Flächenbedarf noch höher aus.

Die dem Beigeladenen dauerhaft zur Verfügung stehenden landwirtschaftlichen Flächen reichen nicht aus, um diesen Bedarf zu decken. Der Beigeladene ist nach seinen Angaben Eigentümer von 100,23 ha Ackerland. Hinzu kommen Pachtflächen in einem Umfang von rund 286,75 ha.

Für die Verfügbarkeitsprognose können nicht nur Eigentumsflächen, sondern grundsätzlich auch Pachtflächen berücksichtigt werden. Angesichts der grundsätzlichen Labilität schuldrechtlicher gegenüber dinglichen Rechtspositionen können Pachtflächen als nach § 201 BauGB „zum Betrieb gehörende“ Flächen allerdings nur Berücksichtigung finden, wenn und soweit sie prognostisch dem Betriebsinhaber mit ausreichend hoher Wahrscheinlichkeit für eine ausreichende Dauer zur Verfügung stehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.10.2012 – 4 C 9/11 –Rn. 10, juris; BayVGH, Urteil vom 14.07.2011 – 14 B 09.2291 – Rn. 37, juris). Nur dann lässt sich ein Eingriff in den zumeist naturhaft geprägten Außenbereich, der grundsätzlich von Bebauung freigehalten werden soll, rechtfertigen (BVerwG, Urteil vom 24.08.1979 – IV C 3/77 – Rn. 17, juris; BayVGH, Beschluss vom 04.01.2015 – 1 CS 04.1598 – juris Rn. 15, 22). Zur Ermittlung der dauerhaft zur Verfügung stehenden Pachtfläche ist eine einzelfallbezogene Prognose notwendig. Eine allgemein gültige Berechnungsformel existiert ebenso wenig wie eine pauschale Untergrenze (Mindestquote) für das Verhältnis von Eigentums- zu Pachtflächen (BayVGH, Beschluss vom 04.01.2015 – 1 CS 04.1598 – juris, Rn. 22). Die Rechtsprechung fällt bei der Beantwortung der Frage, welche Pachtflächen im jeweiligen Fall als dauerhaft verfügbar angesehen werden können, sehr heterogen aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.04.1983 – 4 C 62/78 – Rn. 19, juris; OVG Koblenz, Urteil vom 25.02.2015 – 8 A 10945/14 – Rn. 37, juris; BayVGH, Beschluss vom 01.06.2012 – 1 ZB 11.189 – Rn. 3, juris; Urteil vom 14.07.2011 – 14 B 09.2291 – juris Rn. 37; VG Hannover, Beschluss vom 28.03.2019 – 4 B 5526/18 –, Rn. 103ff, juris; VG München, Urteil vom 22.03.2019 – M 19 K 17.3738 –, Rn. 112ff, juris). Je höher der Pachtanteil ausfällt, desto strenger ist jedoch der Maßstab, der an die Dauerhaftigkeit der Verfügbarkeit angesetzt werden muss. Der Beigeladene hat einen Anteil von rund 74% Pachtland und liegt damit weit über dem niedersächsischen Durchschnitt von 52% (Niedersächsisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Die niedersächsische Landwirtschaft in Zahlen, 2017, S. 76).

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht legt in seiner jüngsten Entscheidung (Nds. OVG, Beschluss vom 16.12.2019 – 12 ME 87/19 – Rn. 119, juris) als Ausgangspunkt die voraussichtliche Nutzungsdauer der Anlagen von 30 Jahren zugrunde. Hierbei sei nicht gefordert, dass die Pachtverträge den gesamten in den Blick zu nehmenden Zeitraum abdecken (Nds. OVG, Urteil vom 30.08.1988 - 1 A 164/86 -, Rn. 31, juris: 18 Jahre bei 30 Jahre Nutzungsdauer der Anlage; BayVGH, Beschluss vom 06.08.2018 - 22 CS 18.1097 -, Rn. 46, juris: zweifelnd, ob Pachtverträge von 9 bis 10 Jahren ausreichen). Eine Laufzeit von nur noch 10 Jahren zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch erscheine jedoch zu kurz, um eine dauerhafte landwirtschaftliche Zugehörigkeit sicherzustellen. Es spreche vielmehr Einiges dafür, dass die Hälfte der voraussichtlichen Lebensdauer der zur Genehmigung gestellten Tierhaltungsanlage, also 15 Jahre, die maßgebliche Untergrenze der Restlaufzeit zum Zeitpunkt einer Widerspruchsentscheidung bilden müsste. Die Kammer folgt dieser Rechtsprechung und legt sie dieser Entscheidung zugrunde.

Geht man davon aus, dass die Antragsgegnerin im Jahr 2020 über den Widerspruch entscheidet, so verfügt der Beigeladene ausweislich der von ihm vorgelegten tabellarischen Aufstellung über Pachtflächen im Umfang von nur 64,41 ha mit einer Restvertragslaufzeit von über 10 Jahren. Nur ein einziger Vertrag hat eine Laufzeit bis 2031. Damit entspricht keiner der Pachtverträge der Vorgabe des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts, dass regelmäßig eine Restlaufzeit von 15 Jahren zu fordern ist.

Der Beigeladene wendet hiergegen zwar ein, dass sein landwirtschaftlicher Betrieb bereits seit mehreren Generationen von seiner Familie geführt worden und kontinuierlich vergrößert worden sei. Gerade in diese kontinuierliche Entwicklung lässt sich das streitgegenständliche Vorhaben jedoch nicht einordnen, da hier die Erweiterung der Hühnermast von 79.000 Mastplätzen auf 164.000 Mastplätze in Rede steht, mithin eine Erweiterung der jährlichen Tierproduktion von einer Anzahl von 584.600 auf 1.213.600 Tiere, die in der bisherigen Entwicklung des Betriebes ohne Vorbild ist. Eine so deutliche Vergrößerung des Betriebes lässt es besonders geboten erscheinen, die Absicherung der ausreichenden Futtergrundlage für die Zukunft aus betriebseigenen Flächen sorgfältig zu prüfen, und nicht vorwiegend auf die Historie des bislang deutlich kleineren Betriebes abzustellen.

Der weitere Hinweis des Beigeladenen, Verpächter gingen vielerorts nur noch kurzfristige Pachtverträge ein, führt ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis. Das Bundesverwaltungsgericht musste sich bereits 1994 (Beschluss vom 19.07.1994 - 4 B 140/94 -, Rn. 3 f., juris) mit dem schon seinerzeit geltend gemachten Strukturwandel in der Landwirtschaft befassen und hat diesen nicht zum Anlass genommen, die Anforderungen insgesamt zu senken (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 16.12.2019 – 12 ME 87/19 –, Rn. 122, juris). Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass es ihm nicht möglich sei, Pachtverträge mit längerer Laufzeit vorzulegen, trägt der Beigeladene nicht vor. Im Übrigen stellt die Antragsgegnerin in der Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit selbst darauf ab, dass eine Laufzeit von über 10 Jahren erforderlich sei, um von einer Langfristigkeit auszugehen; diese Laufzeit wird von allen Pachtverträgen außer einem teilweise erheblich unterschritten.

Doch auch wenn man im Rahmen der Gesamtbetrachtung hilfsweise davon ausgeht, dass eine bestehende Pachttradition ein Defizit in der Restlaufzeit eines Pachtvertrages auszugleichen vermag (so noch VG Hannover, Beschluss vom 28.03.2019 – 4 B 5526/18 –, Rn. 104, juris), weil eine solche Vertragshistorie auch künftige Vertragsverlängerungen indizieren kann, führt dies zu keiner anderen Beurteilung, denn eine Reihe der Pachtverhältnisse des Beigeladenen kann nicht auf eine solche Historie zurückblicken. Aus der Aufstellung des Beigeladenen ergibt sich, dass bereits zwei der drei größten Pachtflächen mit 21,95 und 44,65 ha, gepachtet von „Herr v.D.“ und „Herr M“, auch dieses Kriterium nicht erfüllen, weil sie einerseits lediglich eine Laufzeit bis zum Jahr 2027 (Herr v.D.) bzw. 2029 (Herr M) aufweisen, andererseits aber erstmals im Jahre 2015 bzw. 2017 abgeschlossen worden sind. Hier fehlt es gänzlich an Anhaltspunkten dafür, dass diese Pachtflächen dem Beigeladenen auch über die bisherige Vertragsdauer hinaus zur Verfügung stehen werden. Diese sind somit auch nach Maßgabe der von der Kammer im Beschluss vom 28.03.2019 aufgestellten Beurteilungskriterien nicht geeignet, entscheidend zu einer dauerhaften Futtergrundlage beizusteuern.

Dem Beigeladenen stünden schon bei Nichtberücksichtigung nur dieser beiden Verträge allenfalls 320,4 ha landwirtschaftliche Fläche zur Verfügung, ohne dass der Beigeladene die vollständige Eignung der Flächen für die Futterproduktion dargelegt hätte. Angesichts des Vorbringens des Antragstellers zur mangelnden Eignung eines Teils dieser Flächen wäre im Hauptsacheverfahren eine genaue Prüfung dieser Frage sowie der Frage nach der Lage der Flächen und ihrer räumlichen Zuordnung zu dem Betrieb des Beigeladenen angezeigt.

Auch diese – zugunsten des Beigeladenen - unterstellten 320,4 ha landwirtschaftliche Fläche reichen nach Auffassung der Kammer für eine hälftige Futtergrundlage jedoch nicht aus, denn von diesen 320,4 ha stehen 34,5 ha der Tierfutterproduktion nicht zur Verfügung, weil auf ihnen Inputmaterial für die Biogasanlage erzeugt werden muss.

Die von dem Beigeladenen und dem Landwirt G. gemeinsam betriebene und sich im Außenbereich befindende Biogasanlage ist nach Angaben der Antragsgegnerin nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB genehmigt. Auch diese Vorschrift setzt für die Annahme der Privilegierung voraus, dass die verwendete Biomasse überwiegend aus dem im räumlich-funktionalen Zusammenhang stehenden landwirtschaftlichen Betrieb oder aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben stammt. Die Beteiligten stimmen darin überein, dass nach Abzug eines Inputs von 33% in Form von Wirtschaftsdünger aus der Tierhaltung noch mindestens weitere 17% des Inputs durch auf den zu dem Betrieb gehörenden landwirtschaftlichen Flächen erzeugten Silomais bereitgestellt werden müssen. Die für die Produktion des Silomais für die Biogasanlage erforderlichen Flächen stehen für die Erzeugung der Futtergrundlage für die Hühnerhaltung tatsächlich nicht zur Verfügung und können im Rahmen von § 201 BauGB keine Berücksichtigung finden.

Dem Antragsgegner ist zwar zuzugeben, dass es nach der sog. abstrakten Betrachtungsweise genügt, dass die entsprechenden Futtermittel auf den genannten Flächen erzeugt werden können; auf den tatsächlichen Einsatz der Futterpflanzen als Futter im eigenen Betrieb kommt es dagegen nicht an. Die § 201 BauGB zugrunde liegende abstrakte Betrachtungsweise befreit jedoch nicht davon, die landwirtschaftlichen Flächen tatsächlich zur Erzeugung von für die konkrete Art der Tierhaltung geeignete Futterpflanzen anzubauen. Es ist vielmehr gerade erforderlich, dass zum landwirtschaftlichen Betrieb ausreichend landwirtschaftliche Flächen gehören, auf denen Tierfutter tatsächlich auch erzeugt werden kann (OVG Münster, Beschluss vom 27.02.2018 – 10 A 62/17 -, Rn. 5, juris). Demgegenüber kann das benötigte Tierfutter nicht i.S.v. § 201 BauGB auf Flächen erzeugt werden, wenn für den Anbau auf den betreffenden Flächen nach dem Betriebskonzept bereits eine anderweitige langfristige Zweckbestimmung vorliegt (BayVGH, Beschluss vom 06.08.2018 – 22 CS 18.1097 –, Rn. 41, juris).

Eine belastbare Angabe dazu, wieviel Anbaufläche für den Input in die Biogasanlage vorgehalten werden müssen, liegt der Kammer nicht vor. Die LWK hat in ihrer Aufstellung die Biogasanlage bei den Kapazitäten des Beigeladenen mit 34,5 ha berücksichtigt und diese Berechnung im Rahmen der mündlichen Verhandlung bekräftigt. Die Antragsgegnerin hat (nur) in diesem Punkt eine eigene Berechnung durchgeführt und kommt zu einer notwendigen Anbaufläche von 23 ha unter der Prämisse, dass der Landwirt G. weitere 23 ha Anbaufläche bereitstellt. Der Beigeladene selbst rechnet mit einem Flächenbedarf von 60 ha, der sich aber wohl auf die beiden Betreiber verteilen dürfte, ohne dass dem Gericht die Quote eröffnet worden ist. Insofern stellt sich die durch die LWK mitgeteilte Zahl für die Kammer als noch belastbarste Größe dar und wird für die Entscheidung im Eilverfahren zugrunde gelegt.

Sind von den berücksichtigungsfähigen 320,4 ha landwirtschaftliche Fläche 34,5 ha bereits durch Maissilage für die die Biogasanlage beansprucht, verblieben dem Beigeladenen noch 285,9 ha für die Hühnerfutterproduktion, die den o.g. Bedarf von mindestens 304 ha nicht decken und damit keine ausreichende Futtergrundlage für die Tierhaltungsanlage bieten.

Die Kammer lässt an dieser Stelle deshalb dahingestellt, ob darüber hinaus der Antragsteller auch mit dem Argument durchdringen kann, dass die Berechnung der Futtergrundlage auf Basis eines Anbauverhältnisses von 75% Mais und 25% Weizen/Gerste fehlerhaft ist, weil diese Anbauverhältnisse nicht der Zusammensetzung der in der Geflügelhaltung üblicherweise verwendeten Futtermischung entsprechen und damit die Beziehung zur Bodenertragsnutzung fehlt (dem folgend VG München, Urteil vom 22. 03.2019 – M 19 K 17.3738 –, juris; a.A. noch VG Hannover, Beschluss vom 28.03.2019 – 4 B 5526/18 –, Rn. 115, juris). Auch ob weitere Flächen unberücksichtigt bleiben müssen, weil es sich um Bauerwartungs- oder Grünland handelt, kann dahingestellt bleiben.

Eine Genehmigungsfähigkeit des streitgegenständlichen Hähnchenstalles nach § 35 Abs. 2 BauGB scheidet nach summarischer Prüfung ebenfalls aus. Dies gilt bereits deshalb, weil der Stall mit Blick auf die Bodenversiegelung öffentliche Belange im Sinne von § 35 Abs. 3 BauGB, nämlich etwa Belange des Naturschutzes i. S. d. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 04.09.2018 - 1 ME 65/18 -, Rn. 11, juris) beeinträchtigt. Jedenfalls aber liegt in seiner Errichtung eine Beeinträchtigung des öffentlichen Belangs des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 16.12.2019 – 12 ME 87/19 -, Rn. 124, juris).

Auf die darüber hinaus zwischen den Beteiligten umstrittenen rechtlichen und tatsächlichen Fragen kommt es für die Entscheidung im Eilverfahren nicht an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3 Hs. 1, § 159 VwGO, § 100 ZPO. Der Beigeladene und die Antragsgegnerin tragen danach für die Verfahrenskosten jeweils zur Hälfte. Die Beigeladene zu 2. ist an den Kosten nicht zu beteiligen, § 154 Abs. 3 VwGO.