Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 12.12.2019 - 9 LA 452/19
Fundstelle
openJur 2020, 11236
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 3 A 134/17

Die im Zulassungsverfahren aufgeworfenen Fragen zur Gefährung von Rückkehrern in Afghanistan (u. a. wegen Verwestlichung) rechtfertigen keine Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG.

Aus den vom Kläger benannten aktuellen Quellen, die im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats vom 29. Januar 2019 (- 9 LB 93/18 -) noch nicht vorlagen, ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die bisherigen Annahmen des Senats überholt wären und nunmehr jedem afghanischen Rückkehrer unabhängig von seinen individuellen Umständen eine rechtlich relevante Verfolgung bzw. ein ernsthafter Schaden drohen würde oder ihm Abschiebungsschutz zu gewähren wäre (insbesondere zu den Studien von Frau Stahlmann im Asylmagazin 8-9/2019 sowie der AHRDO aus November 2019).

Tenor

Die Anträge des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das auf die mündliche Verhandlung vom 21. Oktober 2019 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg – Einzelrichter der 3. Kammer – und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe werden abgelehnt.

Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten des gerichtskostenfreien Prozesskostenhilfeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg zuzulassen, mit dem dieses seine auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise auf die Gewährung subsidiären Schutzes und weiter hilfsweise auf die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote gerichtete Klage abgewiesen hat, bleibt ohne Erfolg.

Die Berufung ist weder wegen der von dem Kläger geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG (hierzu unter 1.) noch wegen eines Gehörsverstoßes gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO (hierzu unter 2.) zuzulassen.

1. Der Kläger, ein nach eigenen Angaben afghanischer Tadschike aus der Provinz Kunduz, hat mit seinem Zulassungsvorbringen keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt.

Eine Rechtssache ist i. S. d. § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG grundsätzlich bedeutsam, wenn sie eine höchstrichterlich noch nicht geklärte Rechtsfrage oder eine obergerichtlich bislang noch nicht beantwortete Tatsachenfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die im Rechtsmittelverfahren entscheidungserheblich ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf.

Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG verlangt dementsprechend, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage bezeichnet und erläutert wird, weshalb sie im angestrebten Berufungsverfahren entscheidungserheblich und klärungsbedürftig wäre und aus welchen Gründen ihre Beantwortung über den konkreten Einzelfall hinaus dazu beitrüge, die Rechtsfortbildung zu fördern oder die Rechtseinheit zu wahren. Des Weiteren muss substantiiert dargetan werden, warum die aufgeworfene Frage im Berufungsverfahren anders als im angefochtenen Urteil zu entscheiden sein könnte und – im Fall einer Tatsachenfrage – welche (neueren) Erkenntnismittel eine anderslautende Entscheidung nahelegen (Senatsbeschlüsse vom 4.3.2019 – 9 LA 189/19 –; vom 31.1.2019 – 9 LA 126/19 –; vom 15.1.2019 – 9 LA 107/19 –; vom 8.1.2019 – 9 LA 97/19 – m. w. N.). Die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit einer Tatsachenfrage setzt eine intensive, fallbezogene Auseinandersetzung mit den von dem Verwaltungsgericht herangezogenen und bewerteten Erkenntnismitteln voraus. Es reicht nicht, wenn der Zulassungsantragsteller sich lediglich gegen die Würdigung seines Vorbringens durch das Verwaltungsgericht wendet und eine bloße Neubewertung der vom Verwaltungsgericht berücksichtigten Erkenntnismittel verlangt (vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 12.6.2019 – 9 LA 304/19 – und vom 3.1.2018 – 9 LA 163/17 –).

Der Kläger wirft die Fragen auf,

„Droht einer männlichen Person, die im Ausland durch langjährigen Aufenthalt westliche Kultur und Ideologien übernommen hat, bei Rückkehr nach Afghanistan eine Verfolgung im Sinne des § 3 AsylG und/oder eine existenzbedrohende Gefährdung?“

„Bietet der afghanische Staat aus Europa nach Afghanistan zurückkehrenden Personen ausreichenden Schutz vor Übergriffen und Diskriminierungen, wenn eine erkennbare oder von Teilen der afghanischen Gesellschaft unterstellte „Verwestlichung“ des Rückkehrers stattgefunden hat?“

„Ist es für einen in sein Heimatland zurückkehrenden Betroffenen zumutbar, sich vollständig in die vorherrschende Kultur wieder einzugliedern, obwohl durch den Aufenthalt in Europa eine Übernahme westlicher Grundsätze und Grundfreiheiten stattgefunden hat, von denen bei Eingliederung wieder Abstand genommen werden müsste?“

„Stellen männliche afghanische Asylsuchende, die mehrere Jahre in Europa gelebt haben und westliche Kultur und Ideologie übernommen haben, eine soziale Gruppe gem. § 3b AsylG dar, die bei Rückkehr nach Afghanistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung unterliegt?“

Der Kläger hat jedoch bereits nicht dargetan, dass sich diese Fragen hier stellen würden, insbesondere, dass er durch langjährigen Aufenthalt im Ausland „die westliche Kultur und Ideologien“ und „Grundsätze und Grundfreiheiten“ übernommen hätte (siehe Fragen 1, 3 und 4) bzw. dass bei ihm eine „Verwestlichung“ erkennbar wäre oder unterstellt würde (Frage 2). Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil keine entsprechenden Feststellungen getroffen. Soweit der Kläger in seiner Zulassungsbegründung ausführt, er lebe die europäische Kultur, habe sich als integriert beschrieben und könne sich nur in die afghanische Gesellschaft eingliedern, wenn Sicherheit bestehen würde, lassen sich daraus schon keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine „Verwestlichung“ des Klägers entnehmen.

Die aufgeworfenen Fragen sind außerdem nur im Hinblick auf die Städte Herat und Mazar-e Sharif entscheidungserheblich, denn das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass für den Kläger in diesen Großstädten eine zumutbare interne Schutzmöglichkeit i. S. v. § 3e (i. V. m. § 4 Abs. 3 Satz 1) AsylG bestehe.

Überdies kann die Frage, ob in Herat oder Mazar-e Sharif aufgrund einer „Verwestlichung" die Voraussetzungen des §§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 3 AsylG bzw. § 60 Abs. 5 AufenthG vorliegen, nicht allgemeingültig beantwortet werden, sondern erfordert eine Prüfung anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls (hierzu bereits der Senatsbeschluss vom 13.9.2019 – 9 LA 309/19 – n. v.; ebenso: BayVGH, Beschluss vom 23.10.2019 – 13a ZB 19.32670 – juris Rn. 6 ff.). So hat der erkennende Senat auch in dem von dem Kläger zitierten Urteil vom 21. September 2015 (– 9 LB 20/14 – juris Rn. 39), in dem er festgestellt hat, dass in ihrer Identität westlich geprägte afghanische Frauen eine bestimmte soziale Gruppe i. S. d. § 3b Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 1 AsylG bilden, eine umfassende Gesamtwürdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls vorgenommen, was der Kläger auch selbst einräumt.

Ebenso hängt es von den Einzelumständen ab, ob ein Rückkehrer Übergriffen und Diskriminierungen ausgesetzt und deshalb auf den Schutz des afghanischen Staates angewiesen sein wird. Der Kläger verweist zwar auf Einzelfälle von Stigmatisierungen, von denen die Gutachterin Frau Stahlmann gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg berichtet hat (vgl. VGH BW, Beweisbeschluss vom 12.9.2018 – A 11 S 316/17 –). Diese Einzelfälle lassen aber schon angesichts ihrer geringen Zahl nicht den Schluss zu, dass derart schwerwiegende Folgen jeden Rückkehrer oder auch nur eine weit überwiegende Zahl an Rückkehrern treffen werden (vgl. Senatsurteil vom 29.1.2019 – 9 LB 93/18 – juris Rn. 123; so auch HessVGH, Urteile vom 27.9.2019 – 7 A 1637/14.A – juris Rn. 126 ff. und – 7 A 1923/14.A – juris Rn. 130 ff.). Soweit der Kläger meint, von Bedeutung sei auch das Vorstellungsbild der afghanischen Bevölkerung bzw. der Taliban, lässt sich den von Frau Stahlmann wiedergegebenen Schilderungen nicht entnehmen, dass Rückkehrer generell in Herat oder Mazar-e Sharif Übergriffe und Diskriminierungen der Gesellschaft oder der Taliban befürchten müssten. Vielmehr hängt es auch nach der vom Kläger zitierten Darstellung von Frau Stahlmann maßgeblich von dem Auftreten des Rückkehrers ab, ob er als verwestlicht wahrgenommen wird. Soweit der Kläger auf Berichte des Radio Free Europe/Radio Liberty vom 28. Mai 2019 und 17. Juli 2019 verweist, betreffen diese Berichte schon nach seinem eigenen Vortrag Angriffe gegen Schulen und Gesundheitszentren in Afghanistan, nicht gegen Rückkehrer. In der Anfragebeantwortung von ACCORD vom 19. April 2019 geht es um eine Konversion vom Sunniten- zum Schiitentum und nicht um eine „Verwestlichung“ (vgl. Senatsbeschluss vom 13.9.2019 – 9 LA 309/19 – n. v.). Der Kläger ist auch nicht konvertiert, sondern hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, er sei und bleibe Muslim. Demnach ist insoweit auch der Jahresbericht zur Religionsfreiheit des USDOS für das Jahr 2019 nicht von Belang.

Soweit der Kläger außerdem auf einen aktuellen Beitrag von Frau Stahlmann betreffend die Schwierigkeiten von Rückkehrern bei der Wiedereingliederung verweist (Beitrag aus dem Asylmagazin 8-9/2019, S. 276 ff. „Studie zum Verbleib und zu den Erfahrungen abgeschobener Afghanen“), ist das Verwaltungsgericht in seinem Urteil auf diesen Bericht eingegangen und hat hierzu ausgeführt, dass die dortigen Angaben keinen Aufschluss über die Lebensbedingungen von EU-Rückkehrern in Mazar-e Sharif und Herat ergäben. Die Gewalt, über die 90 % der Rückkehrer berichteten, gehe (soweit dargestellt) im Wesentlichen von Taliban, teilweise auch von der eigenen Familie oder von verfeindeten Familien aus. Dies seien Faktoren, die in den vom Heimatort des Klägers weiter entfernten Städten Herat und Mazar-e Sharif nicht zum Tragen kämen. Weitere dargestellte Gewaltursachen seien der Kontakt mit westlichen Journalisten, „Verwestlichung“ oder das Wiederkennen in Fernsehberichten. Diese Ursachen ließen sich bei sorgsamer Vorbereitung umgehen, nicht zuletzt durch eine freiwillige Rückreise mit Vorbereitung auf die Rückkehr in die afghanische Kultur. Mit dieser Argumentation setzt sich der Kläger im Zulassungsverfahren nicht auseinander, insbesondere ist seinen Ausführungen nicht zu entnehmen, dass der genannte Beitrag von Frau Stahlmann neue Erkenntnisse zur Situation von Rückkehrern in Herat oder Mazar-e Sharif enthielte, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eine andere Bewertung nahelegen würden. Die Studie von Frau Stahlmann beruht nach ihren eigenen Angaben auf dokumentierten Informationen zu 55 Betroffenen von insgesamt 547 zwischen Dezember 2016 und April 2019 aus Deutschland abgeschobenen Männern (S. 277). Bei den weiteren Auswertungen u. a. zu Gewalterfahrungen wurden jedoch (nur) die Erfahrungen der 31 Männer berücksichtigt, die mindestens zwei Monate im Land waren; dabei lagen lediglich bezogen auf 17 Betroffene Berichte über Gewalterfahrungen vor, die durch den Aufenthalt in Europa oder den Status als Abgeschobene begründet worden seien (S. 278). Angesichts der geringen Anzahl dieser dokumentierten Berichte und möglichen Interessen, die zu unwahren Schilderungen über Gewalterfahrungen führen können, räumt Frau Stahlmann in ihren Ausführungen selbst Raum für eine kritische Diskussion der Repräsentativität ein (S. 280). Der Senat sieht auf dieser Grundlage keine Veranlassung zu einer Neubewertung der Situation für Rückkehrer, zumal die geschilderten Einzelschicksale ins Verhältnis zur Gesamtzahl der Rückkehrer aus Europa und der Türkei zu setzen wären, nicht lediglich ins Verhältnis zu den aus Deutschland abgeschobenen Afghanen (vgl. zu dieser Relation auch HessVGH, Urteile vom 27.9.2019 – 7 A 1637/14.A – juris Rn. 132 und – 7 A 1923/14.A – juris Rn. 136).

Ferner ist daran festzuhalten, dass sich die Frage, ob einem Rückkehrer im Ausnahmefall eine „Wiedereingliederung“ in die Kultur seines Heimatlandes nicht zumutbar ist, nicht fallübergreifend klären lässt (auch hierzu der Senatsbeschluss vom 13.9.2019 – 9 LA 309/19 – n. v.).

Schließlich hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 29. Januar 2019 ausgeführt, dass es dem Rückkehrer grundsätzlich zumutbar sein wird, zurückhaltend aufzutreten, um Stigmatisierungen zu vermeiden, zumal sich ein Rückkehrer auch im Westen auf eine für ihn fremde Gesellschaft einstellen musste und insoweit bereits Erfahrungen gesammelt hat (a. a. O., Rn. 121). Der Senat hat seiner Entscheidung die Erkenntnismittel, auf die der Kläger unter Bezugnahme auf die Anfragebeantwortung von ACCORD vom 12. Februar 2019 verweist, zugrunde gelegt (auch hierzu der Senatsbeschluss vom 13.9.2019 – 9 LA 309/19 – n. v.).

Soweit sich der Kläger inhaltlich gegen die Rechtsprechung des Senats wendet, weil es nicht vornehmlich darauf ankomme, ob die „Verwestlichung identitätsprägend und bewusst erfolge, da ausweislich der aufgelisteten Feststellungen auch die (subjektive) Vorstellung der afghanischen Bevölkerung und insbesondere der Taliban über Lebenswandel zur Erhöhung der Gefahr ausreiche“, stellt er lediglich seine eigene Auffassung derjenigen des Senats und des Verwaltungsgerichts gegenüber.

Soweit sich der Kläger pauschal auf eine sich verschlechternde Sicherheitslage im Land, Ankündigungen der Taliban zu den bevorstehenden Wahlen und die steigende Anzahl von Abschiebungen hinweist, lässt dies noch keinen Rückschluss auf die Beantwortung der aufgeworfenen Fragen zur Gefährdung von Rückkehren wegen tatsächlicher oder unterstellter Verwestlichung erkennen.

Auch aus den weiteren im Zulassungsverfahren benannten Quellen, die im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats vom 29. Januar 2019 noch nicht vorlagen, ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die bisherigen Annahmen des Senats überholt wären und nunmehr jedem afghanischen Rückkehrer unabhängig von seinen individuellen Umständen eine rechtlich relevante Verfolgung bzw. ein ernsthafter Schaden drohen würde oder ihm Abschiebungsschutz zu gewähren wäre (so im Ergebnis auch BayVGH, Beschluss vom 23.10.2019, a. a. O., Rn. 7). Die von dem Kläger ergänzend eingeführte Studie der Afghanistan Human Rights and Democracy Organisation (AHRDO) aus November 2019 („Deportation to Afghanistan: a challenge to State Legitimacy and Stability?“), auf die medico international in einer Veröffentlichung vom 25.11.2019 verweist („Keine Hoffnung auf ein Leben in Sicherheit“), basiert auf Interviews mit 50 Betroffenen in den vier Provinzen Balkh, Kabul, Herat und Nangahar. Sie erfasst daher ähnlich wie der aktuelle Beitrag von Frau Stahlmann nur eine begrenzte Zahl von Einzelschicksalen im Verhältnis zur Gesamtzahl der Rückkehrer aus Europa und lässt darüber hinaus keine Rückschlüsse auf die im Falle des Klägers relevante Situation in Mazar-e Sharif zu.

2. Der Vortrag des Klägers, das Verwaltungsgericht habe nicht offengelegt, welche Erkenntnismittel es heranziehen werde, denn eine Einführung der Erkenntnismittel sei nicht erfolgt, ist auch nicht geeignet, einen (nicht ausdrücklich so bezeichneten) Gehörsverstoß gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO zu begründen.

Zunächst trifft es bereits nicht zu, dass das Verwaltungsgericht die der Entscheidung zugrunde gelegten Erkenntnismittel nicht offengelegt habe. Vielmehr hat es dem Prozessbevollmächtigten des Klägers ausweislich dessen Empfangsbekenntnisses vom 11. Oktober 2019 die Erkenntnismittelliste Afghanistan (Stand: 16.9.2019) übermittelt, in deren Einleitung darauf hingewiesen wird, dass die in dieser Liste genannten Erkenntnismittel zum Gegenstand des Verfahrens gemacht werden.

Soweit der Kläger sinngemäß einwendet, dass die in dieser übersandten Liste aufgeführten Erkenntnismittel ausweislich der Sitzungsniederschrift nicht zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden seien, führt dies ebenfalls nicht zu einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (vgl. entsprechend Senatsbeschluss vom 30.10.2019 – 9 LA 277/19 – n. v.). Art. 103 Abs. 1 GG gebietet, dass ein Urteil nur auf solche Tatsachen und Beweismittel gestützt werden darf, zu denen sich die Beteiligten äußern können (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 18.5.1985 – 2 BvR 414/84BVerfGE 70, 180 = NVwZ 1989, 198 = juris Rn. 27; BVerwG, Urteil vom 1.10.1985 – 9 C 20.85 – InfAuslR 196, 56 = juris Rn. 8). Hieraus folgt im gerichtlichen Asylverfahren grundsätzlich die Pflicht des Gerichts, die Erkenntnismittel, auf die es seine Entscheidung zu stützen beabsichtigt, in einer Weise zu bezeichnen und in das Verfahren einzuführen, dass für einen Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit besteht, diese zur Kenntnis zu nehmen und sich zu äußern (BVerfG, Beschluss vom 16.5.2007 – 2 BvR 1782/04 – juris Rn. 12ff.; BVerwG, Urteil vom 1.10.1985 – 9 C 20.85DVBl 1986, 102 = juris Rn. 8). Um die hinreichende Gewährung rechtlichen Gehörs sicherzustellen und dies auch nachzuweisen, reicht es in der Regel aus, dass das Gericht den Beteiligten eine Liste der von Amts wegen einzuführenden Erkenntnismittel übersendet und diese zur Einsicht auf der Geschäftsstelle oder der Gerichtsbibliothek vorhält (NdsOVG, Beschluss vom 30.5.1996 – 12 L 2401/96 – NVwZ 1996 Beilage, 67 = juris Rn. 6; OVG NRW, Beschluss vom 2.1.1997 – 13 A 5120/96.A – AuAS 1997, 143 f.). Dies gilt insbesondere dann, wenn – wie hier – mit der im Vorfeld erfolgten Übersendung der Erkenntnismittelliste der ausdrückliche Hinweis verbunden war, die in der Anlage zur Ladung bezeichneten Erkenntnismittel würden Grundlage der Entscheidungsfindung werden (Funke-Kaiser in GK-AsylG, Stand: März 2019, § 78 Rn. 349). Die Beteiligten erhalten durch einen solchen Hinweis Kenntnis, auf welche Erkenntnisse das Gericht seine Entscheidung zu stützen beabsichtigt, und werden so in die Lage versetzt, sich in der mündlichen Verhandlung zu den vom Gericht angeführten Erkenntnismitteln zu äußern und rechtliches Gehör zu finden.

Dass der Einzelrichter in der mündlichen Verhandlung weder die Verwaltungsvorgänge der Beklagten noch die vorab übermittelte Erkenntnismittelliste zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht hat, lässt zwar die gebotene Transparenz vermissen und entspricht nicht der verwaltungsgerichtlichen Praxis in Asylangelegenheiten (auch hierzu der Senatsbeschluss vom 30.10.2019 – 9 LA 277/19 – n. v.). Einem Gehörsverstoß steht jedoch entgegen, dass der anwaltlich vertretene Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht nicht gerügt hat, dass die ausdrücklich angekündigte Einführung der Erkenntnismittel unterblieben ist, obwohl ihm dies ohne Weiteres möglich gewesen wäre (vgl. Funke-Kaiser in GK-AsylG, Stand: März 2019, § 78 Rn. 349.1). Der jeweilige Beteiligte muss nach Lage der Dinge alle zumutbaren und tauglichen prozessualen Möglichkeiten ausschöpfen, um noch in derselben Instanz sein Anliegen zu Gehör zu bringen (BVerfG, Beschluss vom 10.2.1987 – 2 BvR 314/86BVerfGE 74, 220 (225) = juris Rn. 14; Beschluss vom 2.5.1995 – 2 BvR 611/95DVBl 1995, 847 = juris Rn. 25; Funke-Kaiser in GK-AsylG, Stand: März 2019, § 78 Rn. 276). Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat ausweislich der Niederschrift eine solche Rüge in der mündlichen Verhandlung nicht erhoben, sondern hat sich lediglich auf ein weiteres, in der Erkenntnismittelliste nicht aufgeführtes Erkenntnismittel (die Ausführungen von Frau Stahlmann im Asylmagazin August 2019) bezogen. Damit ist er der Obliegenheit, auf die angekündigte Einführung der Erkenntnismittel in die mündliche Verhandlung hinzuweisen, nicht nachgekommen.

Ein Gehörsverstoß folgt im Übrigen auch nicht daraus, dass der Kläger sich im Zulassungsverfahren auf eine Zusammenstellung von Erkenntnismitteln beruft, die ACCORD mit Datum vom 12. Februar 2019 aufgelistet habe, die vom Verwaltungsgericht jedoch nicht zur Kenntnis genommen berücksichtigt worden sei, weil sie in der gerichtlich übersandten Liste nicht enthalten seien. Soweit die dort aufgelisteten Erkenntnismittel nicht in der Erkenntnismittelliste des Gerichts enthalten sind, hätte es dem Kläger oblegen, sie in der mündlichen Verhandlung in das Verfahren einzuführen. Dies ist offensichtlich nicht geschehen.

Die Bewilligung der von dem Kläger beantragten Prozesskostenhilfe für das Zulassungsverfahren kommt nicht in Betracht, weil die Rechtsverfolgung nicht die nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht bietet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und § 83b AsylG sowie auf § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).