VG Osnabrück, Urteil vom 05.09.2017 - 3 A 109/16
Fundstelle
openJur 2020, 10762
  • Rkr:

1. Das Herausschneiden des Gabelbeins mit anhaftender Muskulatur aus dem Geflügel und das anschließende Lösen des Gabelbeinfleisches vom Gabelbein mittels Baadermaschine stellt einen einheitlichen Produktionsvorgang dar und fällt unter die Tatbestandsvoraussetzung „Ablösung des an Geflügelschlachtkörpern haftenden Fleisches“ der Definition „Separatorenfleisch“ in Anhang I Nr. 1.14 der VO (EG) Nr. 853/2004.

2. Die Pflicht zur Beifügung der Informationen aus der VO (EU) Nr. 1169/2011 gilt auch für Lebensmittel, welche lediglich mittelbar zur Lieferung an den Endverbraucher bestimmt sind. Nur so kann sichergestellt werden, dass Lebensmittelunternehmer, welche Lebensmittel unmittelbar an den Endverbraucher liefern, ihrer Informationspflicht aus Art. 8 Abs. 1 VO (EU) Nr. 1169/2011 diesen gegenüber nachkommen können.

3. Der geforderte innere Zusammenhang zwischen den Stufen der Gewinnung (vgl. Nds. OVG - 13 LA 150/08 - sowie OVG NRW - 13 B 2254/06 - und - 13 A 2441/07 -) ist bei der Produktion von Furculafleisch darin zu sehen, dass nach dem ersten Produktionsschritt das ausgestanzte bzw. ausgeschnittene Gabelbein mit anhaftender Muskulatur, anders als abgetrennte Hühnerbrüste, nicht selbstständig vermarkungsfähig ist.

4. Erwägungsgrund 20 der VO (EG) Nr. 853/2004 spricht für eine möglichst weite Auslegung des Separatorenfleischbegriffs (vgl. BVerfG - 1 BvR 2109/09 -).

5. Die Qualität des Gabelbeinfleisches ändert nichts an der grundsätzlichen Einordnung als Separatorenfleisch, sondern hat lediglich Einfluss auf die Hygienebedingungen und Verwendungsmöglichkeiten (vgl. OVG NRW - 13 B 2254/06 -)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Klägerin zur Kennzeichnung von Gabelbeinfleisch (Furculafleisch) als Separatorenfleisch.

Die Klägerin betreibt einen Geflügelschlacht- und Zerlegebetrieb, im Rahmen dessen sie unter anderem seit mehreren Jahren auf maschinelle Weise Gabelbeinfleisch gewinnt und in den Verkehr bringt. Dabei handelt es sich um Fleisch, das dem Gabelbein von Hähnchen anhaftet; das Gabelbein seinerseits gehört – vergleichbar dem Schlüsselbein bei Säugetieren – zu den Knochen des Schultergürtels des Hähnchens und bildet einen in der Mitte zusammengewachsenen V-förmigen Knochen. Das Gabelbeinfleisch wird in der im Betrieb der Klägerin vorhandenen vollautomatischen Zerlegelinie in zwei Schritten gewonnen: Im ersten Schritt wird das Gabelbein mit anhaftender Muskulatur als Ganzes maschinell mit V-förmigen Messern aus dem Geflügelschlachtkörper bzw. der das Gabelbein umgebenden Brustmuskulatur herausgeschnitten bzw. ausgestanzt. Das auf diese Weise herausgetrennte Gabelbeinstück wird sodann in einem zweiten Schritt zu einer Passier- bzw. Entsehnungsmaschine (sog. Baader-Maschine) weiterbefördert und dort durch eine 3 mm-Lochtrommel gepresst, um es von Sehnen und Knochen- oder Knorpelteilen zu befreien. Das verbleibende, im Wesentlichen aus Fleisch und Fett bestehende und aufgrund der Pressung eine körnige Struktur aufweisende Gewebe wird als Gabelbeinfleisch bezeichnet und zur Weiterverarbeitung in Geflügelfleischerzeugnissen verwendet. Dieses Produkt wird nicht an Endverbraucher, sondern an Weiterverarbeiter zur Herstellung von erhitzten Fleischerzeugnissen (insbesondere Brühwürsten) abgegeben. Das Gabelbein als solches – einschließlich eventuell noch anhaftender Gewebereste – wird dagegen nicht weiter behandelt und entsorgt.

Das vorstehend beschriebene Herstellungsverfahren ist dem Beklagten nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten seit Jahren bekannt und von diesem in der Vergangenheit nicht beanstandet worden; insbesondere ist der Beklagte – ebenso wie das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz – bislang nicht davon ausgegangen, dass es sich bei dem von der Klägerin hergestellten Produkt um entsprechend zu kennzeichnendes Separatorenfleisch handelt. Demgegenüber hatte das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in einer Stellungnahme vom 18. Juni 2010 den Standpunkt vertreten, dass Gabelbeinfleisch als Separatorenfleisch einzustufen sei. Nachdem der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 16. Oktober 2014 (C-453/13) im Zusammenhang mit einem von einem britischen Unternehmen hergestellten, als „entsehntes Fleisch“ bezeichneten Produkt zu der Frage Stellung genommen hatte, wie der gemeinschaftsrechtliche Begriff „Separatorenfleisch“ konkret auszulegen ist, fasste die Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz – Arbeitsgruppe Fleisch- und Geflügelhygiene und fachspezifische Fragen von Lebensmitteln tierischer Herkunft - (AFFL) in ihrer Sitzung am 04. und 05. November 2014 unter Hinweis auf das vorgenannte Urteil mehrheitlich den Beschluss, dass Gabelbeinfleisch als Separatorenfleisch einzustufen und entsprechend zu kennzeichnen sei; diese Auffassung wurde seitens des Landes Niedersachsen nicht geteilt.

In der Veröffentlichung des Herrn Branscheid, des Herrn Judas, des Herrn Wagner und des Herrn Troeger vom Max-Rubner-Institut aus dem Jahr 2008 zum Thema „Furcula-Fleisch – Eigenschaften und Bewertung, Untersuchungen zur Charakterisierung von mechanisch entbeintem Hähnchenfleisch“ wird ausgeführt, dass das Gabelbeinfleisch im Vergleich zu Separatorenfleisch einen relativ geringen Kalzium- und Knochenpartikel-Gehalt aufweise. Auch Knorpelpartikel hätten sich nur ausnahmsweise gefunden. Das Gabelbeinfleisch habe in allen wesentlichen Kriterien die Eigenschaften von frischem Hackfleisch.

Im Gutachten des Herrn Prof. Dr. F. vom 08. April 2013 bezüglich der Feststellung, ob es sich bei dem Produkt Gabelbeinfleisch der Firma G. aus H. um Separatorenfleisch im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 handelt, heißt es, das nach dem Ausstanzen gewonnene Gabelbein weise einen mittleren Knochenanteil von 14,6 % auf. Im Gabelbeinfleisch seien keine Knorpel- und sehr wenige Knochenpartikel nachgewiesen worden. Diese Anteile seien bei zu Vergleichszwecken herangezogenem Separatorenfleisch hoch gewesen. In seinem weiteren Gutachten vom 05. Juni 2014 werden im Wesentlichen dieselben Ausführungen gemacht; in Abweichung zu seinem ersten Gutachten wurde ein mittlerer Knochenanteil von 16 % ermittelt.

Im Gutachten des Herrn Prof. Dr. I. von der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover vom 15. April 2014 heißt es, es sei bei den ausgestanzten Gabelbeinstücken ein Verhältnis von Muskulatur zu verbleibendem Knochen von ungefähr 15:1 ermittelt worden. Hier wird das dem Gabelbein anhaftende Fleisch mit durchschnittlich 10,19 Gramm ermittelt; der Gutachter geht davon aus, dass das Gabelbein mit dem ihm anhaftenden Fleisch auch separat vermarktbar sei.

Mit Bescheid vom 02. Februar 2015 gab der Beklagte der Klägerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung auf, das in ihrem Betrieb hergestellte Gabelbeinfleisch vor dem Inverkehrbringen als Separatorenfleisch zu kennzeichnen. Gleiches gelte für hergestellte Erzeugnisse, die Gabelbeinfleisch als Bestandteil enthielten; insoweit sei der jeweilige Anteil an Separatorenfleisch zu kennzeichnen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass es sich bei dem von der Klägerin produzierten Gabelbeinfleisch um Separatorenfleisch im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 mit spezifischen Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs (nachfolgend: VO (EG) 853/2004), nämlich um ein Erzeugnis handele, das durch Ablösen des an fleischtragenden Knochen nach dem Entbeinen bzw. an den Geflügelschlachtkörpern haftenden Fleisches auf maschinelle Weise so gewonnen werde, dass die Struktur der Muskelfasern sich auflöse oder verändert werde. Dass diese tatbestandlichen Voraussetzungen im Fall des von der Klägerin hergestellten Produkts erfüllt seien, ergebe sich aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 16. Oktober 2014 und dem daraufhin am 04./05. November 2014 gefassten Beschluss der AFFL. Demgemäß müsse das von der Klägerin hergestellte Gabelbeinfleisch nach den einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Kennzeichnungsvorschriften als Separatorenfleisch gekennzeichnet werden; die von der Klägerin bislang verwendete Bezeichnung „frisches Geflügelfleisch“ sei mithin irreführend.

Die Klägerin hat daraufhin am 05. Februar 2015 Klage erhoben und gleichzeitig die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes - 6 B 6/15 - beantragt. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit Beschluss vom 10. Juli 2015 abgelehnt. Auf die Beschwerde der Klägerin hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 27. Oktober 2015 - 13 ME 115/15 - die aufschiebende Wirkung der Klage wiederhergestellt.

Nach Abschluss des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens hat der Beklagte am 02. Februar 2016 seine Verfügung vom 02. Februar 2015 aufgehoben und die Hauptsache für erledigt erklärt.

Mit Schreiben vom 10. März 2016, beim Gericht am 14. März 2016 eingegangen, hat der Beklagte die Rücknahme der Aufhebung vom 02. Februar 2016 - mit Ausnahme der Aufhebung der Anordnung der sofortigen Vollziehung - erklärt. Begründet wurde diese Rücknahme der Aufhebung mit der weiterhin in Fachkreisen vertretenen Auffassung, dass es sich bei dem von der Klägerin produzierten Gabelbeinfleisch um Separatorenfleisch handele und die Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg nur eine vorläufige Einschätzung der Sach- und Rechtslage sei.

Die Klägerin macht geltend, dass es sich bei dem von ihr produzierten Gabelbeinfleisch nicht um Separatorenfleisch im Sinne der VO (EG) 853/2004 handele, sodass es nicht als solches gekennzeichnet werden müsse. Voraussetzung für die rechtliche Qualifizierung eines Erzeugnisses als Separatorenfleisch sei, dass dieses durch Ablösen des an fleischtragenden Knochen nach dem Entbeinen bzw. an den Geflügelschlachtkörpern haftenden Fleisches auf maschinelle Weise so gewonnen werde, dass die Struktur der Muskelfasern sich auflöse oder verändert werde. Diese drei Tatbestandsvoraussetzungen müssten, wie auch der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 16. Oktober 2014 bestätigt habe, während des gesamten Gewinnungsprozesses stets kumulativ vorliegen; dies sei bei dem von ihr praktizierten Herstellungsverfahren jedoch nicht der Fall. Soweit es den ersten Produktionsschritt betreffe, stelle das Ausschneiden bzw. Ausstanzen des Gabelbeinstücks keine relevante Auflösung oder Veränderung der Muskelfaserstruktur dar, so dass es insoweit jedenfalls an der dritten Tatbestandsvoraussetzung für die Einordnung als Separatorenfleisch fehle. Da das Gabelbeinstück durch ein V-förmiges Messer ausgeschnitten bzw. ausgestanzt werde, beschränke sich die Veränderung der Muskelfaserstruktur auf diese Schnitt- bzw. Stanzfläche. Beim zweiten Produktionsschritt, dem Ablösen des Gabelbeinfleischs vom Gabelbein, liege zwar ein maschinelles Ablösen mit einer Auflösung bzw. Veränderung der Muskelfaserstruktur vor. Insoweit sei jedoch die erste Tatbestandsvoraussetzung nicht erfüllt, weil es sich bei den ausgeschnittenen bzw. ausgestanzten Gabelbeinstücken, von denen anschließend das Gabelbeinfleisch abgelöst werde, weder um Geflügelschlachtkörper noch um fleischtragende Knochen nach dem Entbeinen im Sinne der Separatorenfleischdefinition handele. Unter einem Schlachtkörper sei das im Wesentlichen komplette Schlachttier nach der Entfernung von bestimmten hygienerechtlich vorgeschriebenen Abschnitten zu verstehen. Da die hier in Rede stehenden Gabelbeinstücke aber bereits zuvor aus der Geflügelkarkasse ausgeschnitten bzw. ausgestanzt würden, seien sie lediglich als Geflügelteilstücke anzusehen. Um fleischtragende Knochen nach dem Entbeinen handele es dabei ebenfalls nicht. Zwar sei das Gabelbein ein fleischtragender Knochen, jedoch kein Knochen „nach dem Entbeinen“. Denn zum Zeitpunkt des Ausschneidens bzw. Ausstanzens hafte, wie durch entsprechende gutachtliche Stellungnahmen von Prof. Dr. I. (Tierärztliche Hochschule Hannover) vom 15. April 2014, Prof. Dr. F. (Hochschule Ostwestfalen-Lippe) vom 08. April 2013 und des Max-Rubner-Instituts Kulmbach (Branscheid u.a., Fleischwirtschaft 11/2008, S. 106 ff.) bestätigt werde, das gesamte Gabelbeinfleisch noch am Gabelbein, so dass dieses noch nicht entbeint sei. Eine „Primär-Entbeinung“ sei jedoch Voraussetzung dafür, das anschließend maschinell abgelöste Restfleisch als Separatorenfleisch zu bezeichnen. Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs führe nur die maschinelle Gewinnung des noch am – zuvor weitgehend von Fleisch befreitem – Knochen anhaftenden Restfleisches (sog. „Knochenputz“) zu einer minderen Qualität des Produkts, die eine Kennzeichnung als Separatorenfleisch rechtfertige. Dieser Standpunkt werde auch von den von ihr benannten Sachverständigen und anderen Mitgliedsstaaten der EU, insbesondere etwa der Obersten Britischen Lebensmittelüberwachungsbehörde, geteilt.

Die Klägerin beantragt,

die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 02. Februar 2015, Az. J., zugestellt am 05. Februar 2015, aufzuheben,

hilfsweise,

festzustellen, dass die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 02. Februar 2015, Az. J., zugestellt am 05. Februar 2015, rechtswidrig gewesen ist.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er vertieft die Gründe des angefochtenen Bescheides und tritt insbesondere der Auffassung der Klägerin entgegen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen, die nach den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben für die Einstufung eines Produkts als Separatorenfleisch erfüllt sein müssten, während des gesamten Herstellungsprozesses stets kumulativ vorliegen müssten. Die Kennzeichnungspflicht treffe zudem die Klägerin - auch wenn sie nicht unmittelbar an den Endverbraucher liefere. Dies folge bereits aus Art. 8 Abs. 8 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 (nachfolgend: VO (EU) 1169/2011), wonach die Lebensmittelunternehmer, die anderen Lebensmittelunternehmern Lebensmittel liefern, die nicht für die Abgabe an Endverbraucher oder Anbieter von Gemeinschaftsverpflegung bestimmt sind, sicher stellen, dass diese anderen Lebensmittelunternehmer ausreichende Informationen erhalten, um ihre Verpflichtungen nach Absatz 2 (Gewährleistung des Vorhandenseins und der Richtigkeit der Informationen über das Lebensmittel gemäß dem anwendbaren Lebensmittelinformationsrecht und den Anforderungen der einschlägigen einzelstaatlichen Rechtsvorschriften durch den für die Information über das Lebensmittel verantwortlichen Lebensmittelunternehmer) erfüllen zu können.

Der Beklagte macht darüber hinaus geltend, die mit Schreiben vom 02. Februar 2016 erklärte Aufhebung der Verfügung sei in Unkenntnis des genauen Wortlauts des Aussetzungserlasses des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 16. Dezember 2015 erfolgt. Vor diesem Hintergrund habe er dann mit Schriftsatz vom 10. März 2016 die Rücknahme der Rücknahme erklärt. Aufgrund der Erlasslage sei der Separatorenfleisch-Erlass nur „bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren“ ausgesetzt.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Gründe

Die mit dem Hauptantrag verfolgte Anfechtungsklage ist unzulässig (A). Die hilfsweise erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage ist zulässig, jedoch unbegründet (B).

A. Der Klägerin fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für die mit dem Hauptantrag verfolgte Klage. Sie kann mithilfe dieser Klage nicht mehr die Aufhebung der Verfügung vom 02. Februar 2015 erreichen. Die Verfügung ist bereits von dem Beklagten mit Schreiben vom 02. Februar 2016 aufgehoben worden (I.) und diese Aufhebung ist mit Schreiben vom 10. März 2016 nicht wirksam zurückgenommen worden (II.).

I.

Gemäß § 42 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann durch Klage unter anderem die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) begehrt werden.

Die Anfechtungsklage bietet demnach Rechtsschutz gegen einen bestehenden belastenden Verwaltungsakt. In zeitlicher Hinsicht ist hierfür erforderlich, dass der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts über die Anfechtungsklage noch wirksam ist.

Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Gemäß § 1 Niedersächsisches Verwaltungsverfahrensgesetz (Nds. VwVfG) in Verbindung mit § 43 Abs. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.

Mit Schreiben vom 02. Februar 2016 hat der Beklagte seine Verfügung vom 02. Februar 2015 aufgehoben. Mit der Bekanntgabe dieser Aufhebungsentscheidung des Beklagten gegenüber der Klägerin ist die Wirksamkeit der Verfügung vom 02. Februar 2015 gemäß § 1 Nds. VwVfG in Verbindung mit § 43 Abs. 2 VwVfG entfallen. Die Klägerin ist nach dieser Aufhebung nicht mehr durch die Verfügung beschwert.

II.

Die Aufhebung der Verfügung konnte der Beklagte auch nicht wirksam mit Schreiben vom 10. März 2016 „zurücknehmen“. Mit dem Aufhebungsbescheid vom 10. März 2016 hat die Beklagte die ursprüngliche Regelung und damit die Wirksamkeit des Bescheides vom 2. Februar 2015 beseitigt (BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2007, – 3 C 11/06 –, BVerwGE 129, 66 - 76). Diese Folge tritt unabhängig von dem weiteren Schicksal des Änderungsbescheids ein (ebenda). Verliert ein Verwaltungsakt auf diese Art und Weise seine Wirksamkeit, so erledigt sich die gegen ihn gerichtete Klage (ebenda). Zieht ein Kläger hieraus nicht durch eine klarstellende Prozesserklärung die notwendigen Konsequenzen, so ist seine Klage mangels Rechtsschutzbedürfnis abzuweisen (ebenda). Unabhängig davon ist eine für eine solche „Rücknahme“ erforderliche Ermächtigungsgrundlage nicht ersichtlich.

Auf § 48 VwVfG oder § 49 VwVfG, jeweils in Verbindung mit § 1 Nds. VwVfG, kann der Beklagte seine „Rücknahme“ jedenfalls nicht stützen. Auch eine andere Ermächtigungsgrundlage kommt nicht in Betracht.

Zum einen ist nicht ersichtlich, ob es sich bei der Aufhebung der Verfügung vom 02. Februar 2016, welche als actus contrarius die Rechtsnatur der Verfügung als Verwaltungsakt teilt, um einen rechtswidrigen oder rechtmäßigen Verwaltungsakt handelt. Allein aus der Begründung des Beklagten, in Fachkreisen werde weiterhin teilweise die Auffassung vertreten, dass es sich bei dem von der Klägerin produzierten Gabelbeinfleisch um Separatorenfleisch handele und es sich bei der Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 27. Oktober 2015 zum Az. 13 ME 115/15 lediglich um eine vorläufige Einschätzung der Sach- und Rechtslage handele sowie dem Vortrag, die Aufhebung der Verfügung sei in Unkenntnis des genauen Wortlauts des Aussetzungserlasses des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 16. Dezember 2015 erfolgt, erhält die Kammer keine Anhaltspunkte für die Beurteilung der Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Aufhebung.

Auch das Vorliegen der weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen von § 48 VwVfG oder § 49 VwVfG, jeweils in Verbindung mit § 1 Nds. VwVfG, erscheint zweifelhaft.

Darüber hinaus handelt es sich sowohl bei der Rücknahme gemäß § 48 VwVfG als auch bei dem Widerruf gemäß § 49 VwVfG um Ermessensentscheidungen.

Gemäß § 114 Satz 1 VwGO prüft das Gericht auch, soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass der Beklagte dieses sowohl von § 48 VwVfG als auch von § 49 VwVfG eingeräumte Ermessen ausgeübt hat. Entsprechende Erwägungen finden sich nicht in dem Schreiben vom 10. März 2016. Für eine Ermessensreduktion auf Null bestehen im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte.

B. Die hilfsweise erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage ist zulässig, jedoch unbegründet.

I.

Die Fortsetzungsfeststellungsklage im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist zulässig. Nach dieser Norm spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn sich ein Verwaltungsakt nach seinem Erlass durch Zurücknahme oder anders erledigt hat und wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

Der angefochtene Bescheid vom 02. Februar 2015 legt der Klägerin auf, Gabelbeinfleisch vor dem Inverkehrbringen als Separatorenfleisch zu kennzeichnen sowie bei hergestellten Erzeugnissen, welche Gabelbeinfleisch als Bestandteil beinhalten, den vorhandenen Separatorenfleischanteil zu kennzeichnen.

Da diese Regelung von dem Beklagten aufgehoben wurde und diese Aufhebung nicht mit Schreiben vom 10. März 2016 zurückgenommen werden konnte, hat sich die Regelung durch Aufhebung im Sinne des § 1 Nds. VwVfG in Verbindung mit § 43 Abs. 1 VwVfG erledigt.

Die Klägerin hat das von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO vorausgesetzte Fortsetzungsfeststellungsinteresse.

Im Hinblick auf die von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Fallgruppen kann ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr oder zur Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses in Betracht kommen; schließlich ist das Fortsetzungsfeststellungsinteresse auch zur Rehabilitierung oder im Hinblick auf eine schwere Grundrechtsverletzung zu prüfen, soweit die Umstände der angefochtenen Maßnahme oder ihre Durchführung hierfür Anlass geben.

Von dem gegebenen rechtlichen Rahmen ausgehend gilt zum Fortsetzungsfeststellungsinteresse daher folgendes:

Ein Feststellungsinteresse wegen Wiederholungsgefahr ist dann gegeben, wenn die hinreichend bestimmte Gefahr besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten Umständen ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird. Ist dagegen ungewiss, ob in Zukunft noch einmal die gleichen tatsächlichen Verhältnisse eintreten wie im Zeitpunkt des Erlasses des erledigten Verwaltungsakts, kann das Fortsetzungsfeststellungsinteresse grundsätzlich nicht aus einer Wiederholungsgefahr hergeleitet werden (BVerwG Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 23).

Vorliegend vertritt der Beklagte im gerichtlichen Verfahren weiterhin die Auffassung, Gabelbeinfleisch stelle Separatorenfleisch dar. Die Tatsache, dass der Beklagte den Bescheid vom 02. Februar 2015 am 02. Februar 2016 zunächst aufgehoben hat und sodann in Verkennung der Rechtslage diese Aufhebung am 10. März 2016 rückgängig machen wollte, um eine Entscheidung in der Sache zu erhalten, sowie die ausdrückliche Mitteilung im Schriftsatz vom 28. August 2017, dass bei dem Unterbleiben einer Entscheidung in der Hauptsache von Seiten des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz beabsichtigt sei, die Aussetzung des Ursprungserlasses aufzuheben, was zur Folge hätte, dass er der Klägerin erneut mittels Verwaltungsaktes die Pflicht zur Kennzeichnung von Gabelbeinfleisch als Separatorenfleisch aufzuerlegen habe, macht deutlich, dass der Beklagte in Zukunft erneut einen Verwaltungsakt erlassen wird, mit welchem er der Klägerin die Pflicht zur Kennzeichnung von Gabelbeinfleisch als Separatorenfleisch auferlegen wird, wenn nicht die Frage der Rechtmäßigkeit der Kennzeichnungspflicht von Gabelbeinfleisch als Separatorenfleisch im vorliegenden Verfahren entschieden wird. Aus diesem Grund ist eine Wiederholungsgefahr anzunehmen.

II.

Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist jedoch unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 02. Februar 2015 ist rechtmäßig gewesen und hat die Klägerin nicht in ihren subjektiv öffentlichen Rechten im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1, § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO verletzt.

Nach Art. 54 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 trifft die zuständige Behörde, wenn sie einen Verstoß feststellt, die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass der Unternehmer Abhilfe schafft. Nach § 39 Abs. 2 Satz 1 Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) treffen die zuständigen Behörden die notwendigen Anordnungen und Maßnahmen, die zur Feststellung oder zur Ausräumung eines hinreichenden Verdachts eines Verstoßes oder zur Beseitigung festgestellter Verstöße oder zur Verhütung künftiger Verstöße sowie zum Schutz vor Gefahren für die Gesundheit oder vor Täuschung erforderlich sind. Es ist nach § 11 Abs. 2 Nr. 2 b LFGB verboten, Lebensmittel, die hinsichtlich ihrer Beschaffenheit von der Verkehrsauffassung abweichen und dadurch in ihrem Wert, insbesondere in ihrem Nähr- oder Genusswert oder in ihrer Brauchbarkeit nicht unerheblich gemindert sind, ohne ausreichende Kenntlichmachung in den Verkehr zu bringen. Die VO (EU) 1169/2011, welche allgemeine Geltung hat, in allen ihren Teilen verbindlich ist und unmittelbar in jedem Mitgliedstaat gilt, stellt insbesondere Anforderungen an die Kennzeichnung von Lebensmitteln auf. Nach Art. 7 Abs. 1 lit. a der VO (EU) 1169/2011 dürfen Informationen über Lebensmittel nicht irreführend sein, insbesondere in Bezug auf die Eigenschaften des Lebensmittels, insbesondere in Bezug auf Art, Identität, Eigenschaften, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprungsland oder Herkunftsort und Methode der Herstellung oder Erzeugung. Gemäß Art. 9 Abs. 1 lit a und b der VO (EU) 1169/2011 sind dabei nach Maßgabe der nachfolgenden Art. 10 bis 35 der VO (EU) 1169/2011 unter anderem die Angaben über die Bezeichnung des Lebensmittels und das Verzeichnis der Zutaten verpflichtend; das Zutatenverzeichnis seinerseits muss nach Art. 18 Abs. 1 Satz 2 der VO (EU) 1169/2011 eine Aufzählung sämtlicher Zutaten des Lebensmittels in absteigender Reihenfolge ihres Gewichtsanteils enthalten. Technische Vorschriften unter anderem für die Anwendung des Art. 18 Abs. 1 der VO (EU) 1169/2011 enthält gemäß Art. 18 Abs. 4 der VO (EU) 1169/2011 der Anhang VII der Verordnung; dieser sieht in Teil B Nr. 18 vor, dass alle Arten von Erzeugnissen, die unter die Definition von „Separatorenfleisch“ fallen, als „Separatorenfleisch“, dem der Name der Tierart, von dem es stammt, vorangestellt ist, zu bezeichnen sind. „Separatorenfleisch“ ist in Anhang I Nr. 1.14 der VO (EG) 853/2004 definiert als ein Erzeugnis, das durch Ablösung des an fleischtragenden Knochen nach dem Entbeinen bzw. an den Geflügelschlachtkörpern haftenden Fleisches auf maschinelle Weise so gewonnen wird, dass die Struktur der Muskelfasern sich auflöst oder verändert wird.

Ausgehend von diesen gesetzlichen Vorgaben handelt es sich bei dem von der Klägerin hergestellten Gabelbeinfleisch um Separatorenfleisch, welches entsprechend zu kennzeichnen ist.

1. Die Klägerin trifft eine Pflicht zur Kennzeichnung des von ihr hergestellten Gabelbeinfleisches.

a) Die VO (EU) 1169/2011 ist anwendbar.

Nach Art. 1 Abs. 3 der VO (EU) 1169/2011 gilt diese Verordnung für Lebensmittelunternehmer auf allen Stufen der Lebensmittelkette, sofern deren Tätigkeiten die Bereitstellung von Informationen über Lebensmittel an die Verbraucher betreffen. Sie gilt für alle Lebensmittel, die für den Endverbraucher bestimmt sind, einschließlich Lebensmittel, die von Anbietern von Gemeinschaftsverpflegung abgegeben werden, sowie für Lebensmittel, die für die Lieferung an Anbieter von Gemeinschaftsverpflegung bestimmt sind.

Auch wenn die Klägerin das von ihr hergestellte Gabelbeinfleisch nicht unmittelbar an den Endverbraucher, sondern ausschließlich an gewerbliche Verarbeitungsbetriebe abgibt, ist dennoch der Anwendungsbereich der VO (EU) 1169/2011 im vorliegenden Fall eröffnet. Nach Art. 1 Abs. 3 der VO (EU) 1169/2011 ist die Verordnung explizit auf alle Stufen der Lebensmittelkette anwendbar. Die Klägerin ist mit dem von ihr hergestellten Gabelbeinfleisch Teil dieser Lebensmittelkette. Nach der Gewinnung des Gabelbeinfleisches durch die Klägerin wird dies an Verarbeitungsbetriebe abgegeben, wo es zu erhitzten Fleischerzeugnissen weiterverarbeitet wird. Diese hergestellten Fleischerzeugnisse werden dann an den Endverbraucher weitergegeben. Anders als im dargestellten Sinne kann auch der Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 27. Oktober 2015 - 13 ME 115/15 -, nach welchem die Klägerin nach Art. 1 Abs. 3 VO (EU) 1169/2011 nicht zum Adressatenkreis dieser Verordnung gehöre, nicht verstanden werden. Nur im Falle der Eröffnung des Anwendungsbereichs der VO (EU) 1169/2011 stellt sich überhaupt die vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht aufgeworfene Frage, ob die Klägerin die Verantwortlichkeit nach Art. 8 Abs. 2 der VO (EU) 1169/2011 oder nach Art. 8 Abs. 8 der VO (EU) 1169/2011 trifft.

2. Die Klägerin ist verantwortlich für die Informationen nach VO (EU) 1169/2011.

Art. 8 Abs. 1 der VO (EU) 1169/2011 statuiert, dass der Lebensmittelunternehmer für die Information über ein Lebensmittel verantwortlich ist, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel vermarktet wird, oder, wenn dieser Unternehmer nicht in der Union niedergelassen ist, der Importeur, der das Lebensmittel in die Union einführt. Nach Art. 8 Abs. 2 der VO (EU) 1169/2011 gewährleistet der für die Information über das Lebensmittel verantwortliche Lebensmittelunternehmer gemäß dem anwendbaren Lebensmittelinformationsrecht und den Anforderungen der einschlägigen einzelstaatlichen Rechtsvorschriften das Vorhandensein und die Richtigkeit der Informationen über das Lebensmittel. Lebensmittelunternehmer, die anderen Lebensmittelunternehmern Lebensmittel liefern, die nicht für die Abgabe an Endverbraucher oder Anbieter von Gemeinschaftsverpflegung bestimmt sind, stellen nach Art. 8 Abs. 8 der VO (EU) 1169/2011 sicher, dass diese anderen Lebensmittelunternehmer ausreichende Informationen erhalten, um ihre Verpflichtungen nach Absatz 2 erfüllen zu können.

Die VO (EU) 1169/2011 enthält die Verpflichtung zur Informationsbeifügung sowohl gegenüber dem Endverbraucher als auch gegenüber dem weiterverarbeitenden Lebensmittelunternehmer. Das wird aus Art. 6 VO (EU) 1169/2011 deutlich, welcher als grundlegende Anforderung festlegt, dass jedem Lebensmittel, das für die Lieferung an Endverbraucher oder Anbieter von Gemeinschaftsverpflegung bestimmt ist, Informationen nach Maßgabe dieser Verordnung beizufügen sind. Da das Gabelbeinfleisch, wenn auch lediglich mittelbar, für die Lieferung an Endverbraucher bestimmt ist, sind diesem Informationen nach Maßgabe der Verordnung beizufügen. Dass sich Art. 6 der VO (EU) 1169/2011, wie Art. 8 Abs. 1 der VO (EU) 1169/2011, lediglich auf die letzte Stufe der Lebensmittelkette bezieht, kann aus systematischen Gesichtspunkten nicht angenommen werden. Art. 6 der VO (EU) 1169/2011 steht ebenso wie Art. 8, dessen Absätze alle Stufen der Lebensmittelkette umfassen, im Kapitel III der VO (EU) 1169/2011 „Allgemeine Anforderungen an die Information über Lebensmittel und Pflichten der Lebensmittelunternehmer“ und ist überschrieben mit „Grundlegende Anforderung“. Auch ist es mit dem Sinn und Zweck der Verordnung nicht in Einklang zu bringen, wenn sich die Verpflichtung aus Art. 6 VO (EU) 1169/2011 nur auf die Lebensmittstufe unmittelbar vor Abgabe an den Endverbraucher bezieht. Nach Art. 3 Abs. 1 der VO (EU) 1169/2011 dient die Bereitstellung von Informationen über Lebensmittel einem umfassenden Schutz der Gesundheit und Interessen der Verbraucher, indem Endverbrauchern eine Grundlage für eine fundierte Wahl und die sichere Verwendung von Lebensmitteln unter besonderer Berücksichtigung von gesundheitlichen, wirtschaftlichen, umweltbezogenen, sozialen und ethischen Gesichtspunkten geboten wird. Eine solche Grundlage kann jedoch nur durch eine lückenlose Informationskette von Beginn an geschaffen werden. Eine Verpflichtung nach Art. 6 der VO (EU) 1169/2011 lediglich auf der letzten Stufe der Lebensmittelkette anzunehmen, widerspräche diesem Ziel.

Die Klägerin stellt mit dem Gabelbeinfleisch kein Lebensmittel her, welches für die Abgabe an Endverbraucher oder Anbieter von Gemeinschaftsverpflegung bestimmt ist, sodass die Klägerin nicht die Verantwortlichkeit nach Art. 8 Abs. 1 VO (EU) 1169/2011 trifft. Sie gibt das Gabelbeinfleisch vielmehr an gewerbliche Weiterverarbeitungsbetriebe ab, welche dann ihrerseits nach Art. 8 Abs. 1 und Abs. 2 VO (EU) 1169/2011 verantwortlich sind. Aus diesem Grund kommt als Verbotsvorschrift auch nicht § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB in Betracht. Danach ist es verboten, als nach Art. 8 Abs. 1 der VO (EU) 1169/2011 verantwortlicher Lebensmittelunternehmer oder Importeur Lebensmittel mit Informationen über Lebensmittel, die den Anforderungen des Art. 7 Abs. 1, auch in Verbindung mit Abs. 4, der VO (EU) 1169/2011, nicht entsprechen, in den Verkehr zu bringen oder allgemein oder im Einzelfall dafür zu werben. Dieser stellt explizit auf die Verantwortlichkeit nach Art. 8 Abs. 1 VO (EU) 1169/2011 ab, welche die Klägerin nicht trifft.

Als Teil der Lebensmittelkette trifft die Klägerin jedoch die Verantwortlichkeit aus Art. 8 Abs. 8 der VO (EU) 1169/2011. Sie muss sicherstellen, dass die anderen Lebensmittelunternehmer, welche das Lebensmittel vermarkten, ausreichende Informationen erhalten, um ihre Verpflichtung nach Absatz 2 gegenüber dem Endverbraucher erfüllen zu können. Auf welche Art und Weise der Erhalt ausreichender Informationen im Sinne von Art. 8 Abs. 8 VO (EU) 1169/2011 sicherzustellen ist, ist gesetzlich zwar nicht vorgeschrieben. Jedoch kann die sich aus Art. 8 Abs. 8 VO (EU) 1169/2011 ergebene Verpflichtung nur erfüllt werden, wenn die Klägerin den vermarktenden Lebensmittelunternehmern mitteilt, ob es sich bei dem gelieferten Fleisch um Separatorenfleisch im Sinne der Definition in Anhang I Nr. 1.14 der Verordnung (EG) 853/2004 handelt. Solches müssten die vermarktenden Lebensmittelunternehmer nach Art. 8 Abs. 1, Abs. 2, 9 Abs. 1 lit. a und b, 18 Abs. 1, Abs. 4 in Verbindung mit Anhang VII Teil B Nr. 18 VO (EG) 853/2004 entsprechend kennzeichnen. Mit der Verpflichtung zu einer entsprechenden Mitteilung gegenüber dem Weiterverarbeitungsbetrieb geht die Verpflichtung zur Kennzeichnung des Fleisches als Separatorenfleisch einher. Nur durch eine lückenlose Übermittlungskette der erforderlichen Informationen kann der Zweck der Kennzeichnungspflicht, der Schutz des Verbrauchers auf der letzten Stufe der Lebensmittelkette, erreicht werden.

Anderes wurde auch nicht in der Ordnungsverfügung vom 02. Februar 2015 angeordnet. Danach ist das Gabelbeinfleisch unverzüglich, vor dem Inverkehrbringen, als Separatorenfleisch zu kennzeichnen. Inverkehrbringen ist in Art. 3 Nr. 8 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 definiert als das Bereithalten von Lebensmitteln oder Futtermitteln für Verkaufszwecke einschließlich des Anbietens zum Verkauf oder jeder anderen Form der Weitergabe, gleichgültig, ob unentgeltlich oder nicht, sowie den Verkauf, den Vertrieb oder andere Formen der Weitergabe selbst. Das Inverkehrbringen beschränkt sich nach der Definition also nicht auf die Abgabe an den Endverbraucher, sondern umfasst jede Abgabe, auch, wie von der Klägerin vorgenommen, an gewerbliche Weiterverarbeitungsbetriebe.

Mit diesen Ausführungen vertieft die Kammer die vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in seinen Beschlüssen vom 23. Juli 2009 - 13 LA 150/08 - und 10. August 2006 - 11 ME 74/05 - sowie die vom Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in seinem Beschluss vom 02. Juni 2010 - 13 A 2441/07 - getroffene Aussage, dass die Kennzeichnungspflicht auch im Verkehr zwischen den Erzeugern und den weiterverarbeitenden Unternehmen gelte.

II. Das von der Klägerin hergestellte Gabelbeinfleisch stellt Separatorenfleisch im Sinne der Definition der VO (EG) 853/2004 dar.

Separatorenfleisch ist in Anhang I Nr. 1.14 der VO (EG) 853/2004 definiert als „ein Erzeugnis, das durch Ablösung des an fleischtragenden Knochen nach dem Entbeinen bzw. an den Geflügelschlachtkörpern haftenden Fleisches auf maschinelle Weise so gewonnen wird, dass die Struktur der Muskelfasern sich auflöst oder verändert wird.“

Der Europäische Gerichtshof hat hierzu in seinem Urteil vom 16. Oktober 2014 (C-453/13, juris, Rn. 41 ff.), auf welches sich die Beteiligten beziehen, ausgeführt:

„ Zunächst ist festzustellen, dass die Definition des Begriffs „Separatorenfleisch“ in Anhang I Nr. 1.14 der Verordnung Nr. 853/2004 auf folgenden drei kumulativen Kriterien fußt, die miteinander zu sehen sind: erstens, Verwendung von Knochen - nach Abtrennung der ganzen Muskeln - bzw. Geflügelschlachtkörpern, an denen jeweils noch Fleisch haftet, zweitens, Einsatz maschineller Verfahren zur Gewinnung dieses Fleisches, und drittens, Auflösung oder Veränderung der Muskelfaserstruktur des so gewonnenen Fleisches aufgrund des Einsatzes der genannten Verfahren. Insbesondere wird in dieser Definition nicht nach dem Grad der Auflösung oder Veränderung der Muskelfaserstruktur unterschieden, so dass sie jede Auflösung oder Veränderung dieser Struktur abdeckt.

Somit ist jedes Fleischerzeugnis, das diese drei Kriterien erfüllt, unabhängig vom Grad der Auflösung oder der Veränderung der Muskelfaserstruktur als „Separatorenfleisch“ einzustufen, sofern diese Auflösung oder Veränderung aufgrund des eingesetzten Verfahrens größer ist als die rein auf die Schnittfläche begrenzte.

Dieses dritte Kriterium ermöglicht es nämlich im Fall des Einsatzes von maschinellen Verfahren, das „Separatorenfleisch“ im Sinne des Anhangs I Nr. 1.14 der Verordnung Nr. 853/2004 von dem durch Abschneiden ganzer Muskeln gewonnenen Erzeugnis zu unterscheiden, das keine allgemeinere Auflösung oder Veränderung der Muskelfaserstruktur aufweist, sondern bei dem eine Auflösung oder Veränderung der Muskelfaserstruktur rein auf die Schnittflächen begrenzt ist. Daher ist es zutreffend, dass vom Tierkörper maschinell abgetrennte Hühnerbrüste kein Separatorenfleisch darstellen.

Für Erzeugnisse, die die genannten Kriterien erfüllen und damit der Definition von „Separatorenfleisch“ entsprechen, trifft die Verordnung Nr. 853/2004 keine weitere Unterscheidung als die sich aus ihrem Anhang III Abschnitt V Kapitel III Nr. 3 und 4 ergebende.“

Zwei der drei vom Europäischen Gerichtshof genannten Tatbestandvoraussetzungen für die Einordnung als Separatorenfleisch liegen nach übereinstimmendem Vortrag der Beteiligten bei dem Gabelbeinfleisch der Klägerin vor. Die Klägerin gewinnt Gabelbeinfleisch, indem das aus dem Geflügel herausgestanzte Gabelbein mit anhaftenden Muskeln durch die Baadermaschine gepresst wird. Diese maschinelle Verfahrensweise löst die Muskelfaserstruktur des gewonnenen Fleisches auf bzw. verändert diese weitgehend. Die Kammer teilt diese Bewertung der Beteiligten.

Lediglich über das Vorliegen der ersten Tatbestandsvoraussetzung, Verwendung von Knochen - nach Abtrennung der ganzen Muskeln - bzw. Geflügelschlachtkörpern, an denen jeweils noch Fleisch haftet, streiten die Beteiligten.

Dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 16. Oktober 2014 kann im Hinblick auf diese Tatbestandsvoraussetzung keine Antwort entnommen werden (vgl. Theis/Comans, Grad der Muskelfaserveränderung für Einordnung als Separatorenfleisch irrelevant, StoffR 2015, 38 (40)). Dies bezieht sich auf die Vorlagefragen, welche ausschließlich auf die dritte Tatbestandsvoraussetzung „Auflösung oder Veränderung der Muskelfaserstruktur des so gewonnenen Fleisches aufgrund des Einsatzes der genannten Verfahren“ abstellen. Diese ist jedoch im vorliegenden Verfahren unstreitig gegeben.

Für die hier streitige Frage kann dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs lediglich entnommen werden, dass die Definition des Begriffs „Separatorenfleisch“ in Anhang I Nr. 1.14 der VO (EG) 853/2004 drei kumulative Kriterien beinhaltet, welche miteinander zu sehen sind.

Die von der Klägerin praktizierte Verfahrensweise, zunächst das Gabelbein mit der anhaftenden Muskulatur aus dem Geflügel herauszuschneiden und dann das Gabelbeinfleisch mittels Baadermaschine vom Gabelbein zu lösen, ist entgegen der Auffassung der Klägerin als einheitlicher Produktionsvorgang zu werten und unter das Tatbestandsmerkmal „Ablösung des an Geflügelschlachtkörpern haftenden Fleisches“ zu fassen.

Der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 23.07.2009 - 13 LA 150/08 - folgend, nach welcher es für die Einordnung als Separatorenfleisch unerheblich ist, ob dieses ein- oder zweistufig gewonnen wird, wenn und soweit die einzelnen Stufen in einem inneren Zusammenhang stehen (vgl. auch Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. März 2007 - 13 B 2254/06 -, juris Rn. 16, 23; Beschluss vom 02. Juni 2010 - 13 A 2441/07 -, juris Rn. 14, 18) und ebenso unerheblich ist, ob das „Baadern“ zeitlich oder räumlich von der ersten Phase der Restfleischgewinnung abgetrennt werden kann, sieht die Kammer das von der Klägerin hergestellte Gabelbeinfleisch als Separatorenfleisch im Sinne der Definition in Anhang I Nr. 1.14 der VO (EG) 853/2004 an.

Zwischen den von der Klägerin durchgeführten Produktionsschritten zur Gewinnung von Gabelbeinfleisch besteht ein solcher vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht geforderter innerer Zusammenhang. Nach dem ersten Produktionsschritt, Ausstanzen bzw. Ausschneiden des Gabelbeins mit anhaftender Muskulatur aus dem Geflügel, ist das gewonnene „Produkt“ für die Klägerin noch nicht verwertbar. Erst nach dem Lösen des Fleisches vom Gabelbein mittels Baader-Maschine kann das Gabelbeinfleisch von der Klägerin an weiterverarbeitende Betriebe abgegeben werden. Der zweite Produktionsschritt ist demnach essentiell für die Klägerin, um das Gabelbeinfleisch zu erhalten. Die Tatsache, dass der zweite Produktionsschritt zwingend erforderlich ist, um das Gabelbeinfleisch weiter zu vermarkten, zeigt den inneren Zusammenhang zwischen dem ersten und dem zweiten Produktionsschritt auf. Anders stellt sich die Situation etwa bei der Abtrennung von Hühnerbrüsten dar. Dort stellt die Abtrennung eben dieser eine Zäsur zur möglichen Weiterverarbeitung dar. Nach der Abtrennung vom übrigen Geflügelkörper sind Hühnerbrüste, anders als das Gabelbein mit anhaftender Muskulatur, selbstständig gegenüber dem Verbraucher vermarktungsfähig, sodass dort ein zweiter Produktionsschritt nicht zwingend erforderlich ist (vgl. zur Frage der selbstständigen Vermarktungsfähigkeit Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. März 2007 - 13 B 2254/06 -, juris Rn. 15). Die Annahme in dem von der Klägerin eingereichten Gutachten der Tierärztlichen Hochschule Hannover, die eigenständige Vermarktbarkeit bei dem Gabelbein mit anhaftender Muskulatur sei vergleichbar zu Chicken Wings gegeben, vermag die Kammer angesichts des Gewichts der anhaftenden Muskulatur von im Schnitt lediglich etwa 11 Gramm nicht nachvollziehen. Tatsächlich werden sie ja auch nicht vermarktet.

Gegen die Annahme einer Zäsur zwischen dem ersten und dem zweiten Produktionsschritt der Klägerin und der damit verbundenen Verneinung der Separatorenfleischeigenschaft spricht darüber hinaus, dass das von der Klägerin praktizierte Verfahren, zunächst einen Knochen großzügig mit anhaftender Muskulatur aus dem geschlachteten Tier und dann durch „Baadern“ oder vergleichbare Verfahren das Fleisch komplett vom Knochen zu lösen, auch bei anderen Tieren oder Knochen vom Geflügel angewandt werden könnte, sodass es fast nie zu Separatorenfleisch im Sinne der Definition kommen würde. So würde es dem Unternehmer, welcher Separatorenfleisch herstellt, dieses jedoch nicht als solches kennzeichnen möchte, ermöglicht werden, den Produktionsablauf so aufzuspalten bzw. zu modifizieren, dass das hergestellte „Fleisch“ nicht mehr der Definition des Anhangs I Nr. 1.14 der VO (EG) 853/2004 unterfällt, obwohl es ohne Veränderung des Produktionsablaufs entsprechend zu kennzeichnen wäre.

Für die Einordnung des von der Klägerin produzierten Gabelbeinfleisches als Separatorenfleisch spricht auch Erwägungsgrund 20 der VO (EG) 853/2004. Als eine maßgebliche Grundlage für die Auslegung der in der Verordnung enthaltenen Vorschriften sind die vorangestellten Erwägungsgründe heranzuziehen (vgl. Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht - Beschluss vom 23. Juli 2009 - 13 LA 150/08 -, juris Rn. 10; Schroeder, Anm. zu BVerfG - „Separatorenfleisch“, ZLR 2011, 615 (619)). Der 20. Erwägungsgrund spricht für eine möglichst weite Auslegung des Separatorenfleischbegriffs (vgl. Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 07. Juni 2011 - 1 BvR 2109/09 -, juris Rn. 26). Dem 20. Erwägungsgrund ist zu entnehmen, dass die Definition von Separatorenfleisch so allgemein gefasst sein sollte, dass sie alle Verfahren des maschinellen Ablösens abdeckt. Die rasche technologische Entwicklung in diesem Bereich lasse eine flexible Definition angebracht erscheinen. Der Wille des Verordnungsgebers für eine möglichst weite Auslegung des Separatorenfleischbegriffs ergibt sich aus dem Umstand, dass der Verordnungsgeber auch künftige technologische Entwicklungen der Definition unterfallen lassen wollte. Es zeigt, dass sich der Verordnungsgeber der oben dargestellten Gefahr der Umgehung der Definitionsvoraussetzungen von Separatorenfleisch durch neue Verfahren zum maschinellen Ablösen bewusst war und diese Umgehung durch eine flexible, auch neue Verfahren umfassende Definition verhindern wollte (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02. Juni 2010 - 13 A 2441/07 -, juris Rn. 18, 20).

Für eine möglichst weite Auslegung der Definition spricht darüber hinaus, dass in der VO (EG) 853/2004 in Anhang III Abschnitt V Kapitel III Nr. 3 und 4 zwischen zwei Qualitätskategorien von Separatorenfleisch unterschieden wird (vgl. auch insoweit Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 07. Juni 2011, a.a.O.). Die Unterscheidung folgt nach der Herstellungsweise des Separatorenfleisches. Es gibt nach der Verordnung zum einen Separatorenfleisch, welches in einem Verfahren hergestellt wird, das die Knochenstruktur nicht verändert und bei dem ein Kalziumgehalt im Fleisch vorhanden ist, der dem von Hackfleisch ähnelt und zum anderen gibt es Separatorenfleisch, bei welchem die genannten Voraussetzungen nicht vorliegen. Die unterschiedlichen Qualitäten ändern daher nichts an der grundsätzlichen Einordnung des hergestellten Fleisches als Separatorenfleisch (vgl. Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 10. August 2006 - 11 ME 74/05 -, juris Rn. 15 f.; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02. Juni 2010 - 13 A 2441/07 -, juris Rn. 28; Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Notwendigkeit und die Verwendung von Separatorenfleisch in der Europäischen Union, einschließlich der Informationspolitik für die Verbraucher, KOM (2010) 704 endgültig, S.11 ff.; Hildebrandt/Köpernik, Anmerkungen zum Separatorenfleisch, ZLR 2007, 520 (525)). Vor diesem Hintergrund vermögen auch die von der Klägerin eingereichten Gutachten, welche stets den geringen Anteil von Knochen- und Knorpelpartikeln zum vorhandenen Gabelbeinfleisch und damit den Unterschied zu dem zu Vergleichszwecken herangezogenen Separatorenfleisch herausstellen, keine andere rechtliche Bewertung rechtfertigen. Diese können allenfalls Beleg dafür sein, dass es sich bei dem von der Klägerin hergestellten Gabelbeinfleisch möglicherweise um Separatorenfleisch von höherer Qualität handelt, was hier jedoch keiner Entscheidung bedarf. Die Qualität des von der Klägerin hergestellten Gabelbeinfleisches ändert angesichts des unter die Definition des Anhangs I Nr. 1.14 der VO (EG) 853/2004 fallenden Herstellungsverfahrens nichts an der grundsätzlichen Einordnung des Gabelbeinfleisches als Separatorenfleisch. Folge der Differenzierung zwischen zwei Qualitäten des Separatorenfleisches sind lediglich veränderte Hygienebedingungen und Verwendungsmöglichkeiten nach der Verordnung (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. März 2007 - 13 B 2254/06 -, juris Rn. 18). Ein Entfallen der Kennzeichnungspflicht ist damit gerade nicht verbunden (vgl. Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht - Beschluss vom 10. August 2006 - 11 ME 74/05 -, juris Rn. 15). Eine möglichst schonende Herstellungsweise, wie die von der Klägerin praktizierte, führt auch nicht zu einer teleologischen Reduktion des Begriffs Separatorenfleisch mit der Folge, dass nach diesen Verfahren gewonnenes Fleisch nicht als Separatorenfleisch anzusehen ist (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. März 2007 - 13 B 2254/06 -, juris Rn. 18).

Nach alledem ist das von der Klägerin produzierte Gabelbeinfleisch als Separatorenfleisch im Sinne der Definition in Anhang I Nr. 1.14 der VO (EG) 853/2004 anzusehen.

Es bedurfte im vorliegenden Verfahren keiner Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Eine Verpflichtung zur Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens trifft nach dem Wortlaut des Art. 267 Abs. 3 AEUV grundsätzlich nur einzelstaatliche Gerichte, deren Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können. Durch die Möglichkeit der Anfechtung des Urteils mit der Berufungszulassung besteht keine Vorlagepflicht gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV. Im Übrigen ist es nach Art. 267 Abs. 2 AEUV in das Ermessen des Gerichts gestellt, ob es ein Vorabentscheidungsverfahren einleitet oder nicht. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs existiert auch dann keine Vorlagepflicht, wenn die Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel an der Entscheidung der Frage bleibt. Dafür ist Voraussetzung, dass das innerstaatliche Gericht davon überzeugt ist, dass auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedsstaaten und den Gerichtshof die gleiche Gewissheit bestünde. In diesen Fällen existiert keine Vorlagepflicht, da eine Vorlage schlichtweg als „sinnlos“ erscheinen würde („acte claire“). Bei der Beurteilung dieses Maßstabes sind die Eigenheiten des Gemeinschaftsrechts und die besonderen Schwierigkeiten seiner Auslegung zu berücksichtigen (vgl. Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 06.10.1982 - C-283/81 -, juris Rn. 16 ff.). Die richtige Anwendung des Unionsrechts ist angesichts der oben dargestellten Erwägungen derart offenkundig im Sinne der acte-claire-Doktrin, dass für einen vernünftigen Zweifel an der Beantwortung der gestellten Frage keinerlei Raum verbleibt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i.V.m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO noch beruht das Urteil auf einer Abweichung von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts.

Eine Rechtssache hat dann grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, wenn für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine Rechts- oder Tatsachenfrage relevant war, welche von grundsätzlicher Bedeutung und bisher in der Rechtsprechung noch nicht geklärt ist. Darüber hinaus müsste diese Frage auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein und die Klärung müsste im Interesse der einheitlichen Rechtsanwendung oder der Fortbildung des Rechts geboten erscheinen (vgl. Sodan/Ziekow/Seibert, Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Aufl. 2006, § 124 Rn. 126 m.w.N.). Es ist nicht ersichtlich, dass die im vorliegenden Verfahren relevanten Rechtsfragen über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung haben und ein allgemeines Interesse an ihrer Klärung besteht.

Eine Divergenz im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO liegt dann vor, wenn ein die Entscheidung des Verwaltungsgerichts tragender (abstrakten) Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift von einem solchen Rechtssatz, welcher in der Rechtsprechung der in Nr. 4 genannten Gerichte aufgestellt wurde, abweicht. Das entscheidende Gericht weicht in der vorliegenden Entscheidung zwar vom Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 27. Oktober 2015 - 13 ME 115/15 - ab. Jedoch ist eine Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren wie die in dem oben genannten Verfahren des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts, in welchem lediglich summarisch über die Rechtslage befunden wurde, nicht divergenzgeeignet (vgl. Sodan/Ziekow/Seibert, Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Aufl. 2006, § 124 Rn. 168). Der Berufungszulassungsgrund der Divergenz ist demnach nicht gegeben.

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