Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 26.06.2018 - 10 ME 265/18
Fundstelle
openJur 2020, 10509
  • Rkr:

Gegenüber einer kommunalaufsichtlichen Beanstandung eines Beschlusses ist nur die Kommune selbst und nicht auch das Organ, das den beanstandeten Beschluss gefasst hat, antrags- und klagebefugt.

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - 1. Kammer - vom 15. Mai 2018 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstands für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen eine kommunalaufsichtliche Beanstandung seines Beschlusses zur Benennung eines Platzes.

Der Antragsteller, ein Stadtbezirksrat im Gemeindegebiet der Landeshauptstadt Hannover, beschloss am 10. Mai 2017 die Benennung eines Platzes im Stadtbezirk … als Halim-Dener-Platz. Obwohl der Verwaltungsausschuss und der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt dagegen Einspruch eingelegt hatten, bestätigte der Antragsteller die Platzbenennung am 7. Juni 2017. Der Oberbürgermeister berichtete daraufhin dem Antragsgegner und dieser beanstandete mit Erlass vom 2. Januar 2018 gegenüber der Landeshauptstadt den Beschluss des Antragstellers und ordnete die sofortige Vollziehung der Beanstandung an.

Gegen den Erlass des Antragsgegners hat der Antragsteller am 8. Februar 2018 Klage erhoben und die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage beantragt. Den zugleich vor dem Verwaltungsgericht Hannover gestellten Antrag, den Oberbürgermeister der Landeshauptstadt bzw. hilfsweise die Landeshauptstadt im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Klage gegen die Beanstandung zu erheben, hat das Verwaltungsgericht mangels Vorliegen eines Anordnungsanspruchs noch am gleichen Tage abgelehnt (1 B 1111/18). Den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 15. Mai 2018 als – mangels Antragsbefugnis – unzulässig abgelehnt (1 B 1117/18). Ein gerichtliches Vorgehen gegen eine kommunalaufsichtliche Beanstandung sei nur der Kommune als juristische Person möglich, nicht auch ihren Organen. Der insoweit zuständige Verwaltungsausschuss der Landeshauptstadt habe sich gegen eine Klageerhebung entschieden.

Gegen diesen Beschluss (1 B 1117/18) richtet sich die am 1. Juni 2018 erhobene Beschwerde. Der Antragsteller ist der Auffassung, dass er entsprechend seinem Recht zur Entscheidung über eine Benennung nach § 93 Abs. 1 Nr. 3 NKomVG im Beanstandungsfall auch die Befugnis haben müsse, sich gegen diese zu wehren. Anderenfalls liefe sein Recht aus § 93 NKomVG leer, was auch mit Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) nicht zu vereinbaren sei.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover vom 15. Mai 2018 hat keinen Erfolg.

Sie ist zulässig (§ 146 Abs. 1, Abs. 4 Satz 3 VwGO).

Zwar fehlt es vorliegend an einem gem. § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO grundsätzlich erforderlichen ausdrücklichen und bestimmten Antrag. Ein solcher ist jedoch ausnahmsweise entbehrlich, wenn das Rechtsschutzziel – wie hier – unzweifelhaft feststeht (Senatsbeschluss vom 18.04.2018 – 10 ME 73/18 –, juris Rn. 29 m.w.N.). Aus den Gründen der Beschwerdeschrift ergibt sich klar und eindeutig, dass der Antragsteller mit seiner Beschwerde weiterhin entsprechend der erstinstanzlichen Antragsschrift vom 8. Februar 2018, in der ein konkreter Antrag formuliert ist, die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Beanstandung begehrt.

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

Die vom Antragsteller binnen der Monatsfrist (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) dargelegten Gründe, auf deren Überprüfung sich die Entscheidung des Senats gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 17.05.2018 – 10 ME 198/18 –, juris Rn. 8 m.w.N.), lassen nicht erkennen, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht den Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Erlass des Antragsgegners vom 2. Januar 2018 abgelehnt hat. Vielmehr ist das Verwaltungsgericht zu Recht von der Unzulässigkeit des Antrags des Antragstellers ausgegangen. Der Antragsteller ist mangels der Möglichkeit einer Verletzung eigener Rechte durch den Erlass des Antragsgegners nicht antragsbefugt.

Bei einer kommunalaufsichtlichen Beanstandung gegenüber der Kommune ist nur diese selbst und nicht auch das Organ, das den beanstandeten Beschluss gefasst hat klagebefugt. Denn durch eine Aufsichtsmaßnahme werden nur Außenrechte der Kommune berührt und nicht auch etwaige innere Rechte des Organs.

1. Aufgrund des Einspruchs des Oberbürgermeisters (§ 88 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 NKomVG), mit dem er im Innenverhältnis der Kommune kundtut, den Beschluss des Antragstellers vorläufig nicht vollziehen zu wollen (vgl. Mielke in KVR Nds., Stand: September 2016, NKomVG § 88 Rn. 17), und der anschließenden Bestätigung des gerügten Beschlusses durch den Antragsteller (§ 88 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 1 NKomVG) hatte der Antragsgegner als Kommunalaufsichtsbehörde nach seiner Unterrichtung durch den Oberbürgermeister (§ 88 Abs. 1 Satz 4, Abs. 2 Satz 1 NKomVG) unverzüglich zu entscheiden, ob der Beschluss des Antragstellers zu beanstanden ist (§ 88 Abs. 1 Satz 6, Abs. 2 Satz 1 NKomVG). Nach § 173 Abs. 1 Satz 1 NKomVG besteht das Beanstandungsrecht der Kommunalaufsichtsbehörde zwar grundsätzlich nur gegenüber Beschlüssen und anderen Maßnahmen einer Kommune sowie Bürgerentscheide. Nach § 88 Abs. 1 Satz 1, Satz 6, Abs. 2 Satz 1 NKomVG kann sie aber darüber hinaus auch Beschlüsse der Vertretung, des Hauptausschusses, eines Stadtbezirksrats und eines Ortsrats beanstanden (vgl. auch Mielke in KVR Nds., NKomVG § 88 Rn. 34). Schreitet die Aufsichtsbehörde – wie vorliegend – ein, geschieht das im Wege des kommunalaufsichtlichen Verfahrens (Thiele, Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz, 2. Auflage 2017, § 88 Rn. 9; a.A. Mielke in KVR Nds., NKomVG § 88 Rn. 35: unanfechtbarer streitentscheidender Verwaltungsakt). Insoweit kommt eine Verletzung des Selbstverwaltungsrechts der Kommune in Betracht (vgl. Ipsen in Ipsen, Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz, 2011, § 88 Rn. 11).

Die Beanstandung berührt lediglich das Verhältnis zwischen Kommune und Aufsichtsbehörde (Smollich in KVR Nds., NKomVG, § 173 Rn. 13). Die Kommunalaufsichtsbehörden schützen die Kommunen in ihren Rechten und sichern die Erfüllung der Pflichten der Kommunen, insbesondere stellen sie sicher, dass die Kommunen die geltenden Gesetze beachten (§ 170 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 NKomVG). Die Aufsicht des Staats ist Korrelat des Selbstverwaltungsrechts der Kommunen gem. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG (vgl. Smollich in KVR Nds., NKomVG, § 170 Rn. 2 m.w.N.). Dementsprechend ist auch die Kommune richtiger Adressat kommunalaufsichtlicher Maßnahmen und nicht das Organ, dessen Maßnahme das Einschreiten veranlasst hat (Smollich in KVR Nds., NKomVG, § 170 Rn. 17; Thiele, Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz, 2. Auflage 2017, § 170 Rn. 6 f., § 173 Rn. 1; Thüringer OVG, Beschluss vom 14.02.2014 – 3 EO 80/14 –, juris Rn. 18 f.; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 05.11.2003 – 2 M 500/03 –, juris Rn. 9; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 28.02.1984 – 2 OVG A 5/81 –, NdsRpfl. 1984, 148, 149; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 05.09.1980 – 15 A 686/78 –, juris Rn. 18). Denn nach außen hat sich die Kommune das Handeln ihrer Organe zurechnen zu lassen, auch wenn diesen die alleinige gemeindeinterne Entscheidungszuständigkeit zukommt (vgl. Niedersächsisches OVG, Urteil vom 28.02.1984 – 2 OVG A 5/81 –, NdsRpfl. 1984, 148, 149). Dementsprechend ist ein gerichtliches Vorgehen gegen aufsichtsrechtliche Beanstandungen den Gemeinden möglich (vgl. etwa Urteil des Senats vom 04.03.2014 – 10 LC 85/12 –, juris, und Senatsbeschluss vom 11.09.2013 – 10 ME 87/12 –, juris; Sächsisches OVG, Beschluss vom 09.03.2007 – 4 BS 216/06 –, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 19.10.2000 – A 2 S 298/99 –, juris; Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15.02.2000 – 15 A 552/97 –, juris), nicht hingegen dem tätig gewordenen Organ (Smollich in KVR Nds., NKomVG, § 170 Rn. 19, 21; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 28.02.1984 – 2 OVG A 5/81 –, NdsRPfl. 1984, 148, 151; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 05.09.1980 – 15 A 686/78 –, juris Rn. 4). Nur diese wird durch das Selbstverwaltungsrecht berechtigt, nicht auch ihre Organe (vgl. Thüringer OVG, Beschluss vom 14.02.2014 – 3 EO 80/14 –, juris Rn. 19 m.w.N.; vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 05.09.1980 – 15 A 686/78 –, juris Rn. 4). Daher kann auch nur die Kommune durch die kommunalaufsichtliche Maßnahme in ihrem Selbstverwaltungsrecht verletzt werden.

2. Eine Antragsbefugnis des Antragstellers folgt auch nicht aus der Möglichkeit der Verletzung von ihm als Organ der Landeshauptstadt zustehenden Rechten. Stadtbezirke sind nicht rechtlich verselbständigt, ihre Stadtbezirksräte sind lediglich Organe der Kommune (vgl. Koch in Ipsen, Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz, 2011, § 90 Rn. 3; Smollich in KVR Nds., NKomVG § 90 Rn. 15; Urteil des Senats vom 16.08.2001 – 10 KN 1036/01 –, juris Rn. 42 (zu Ortsräten)). Die Beschlüsse des Stadtbezirksrats werden dementsprechend von dem Hauptverwaltungsbeamten vorbereitet und ausgeführt (§ 85 Abs. 1 Satz 3 NKomVG).Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 NKomVG vertritt der Stadtbezirksrat die Interessen des Stadtteils und fördert dessen positive Entwicklung innerhalb der Gemeinde. Soweit der Rat nach § 58 Abs. 1 und 2 NKomVG nicht ausschließlich zuständig ist und soweit es sich nicht um Aufgaben handelt, die nach § 85 Abs. 1 Nrn. 3 bis 6 der Hauptverwaltungsbeamtin oder dem Hauptverwaltungsbeamten obliegen, entscheidet der Stadtbezirksrat unter Beachtung der Belange der gesamten Gemeinde unter anderem auch über die Benennung und Umbenennung von Straßen, Wegen und Plätzen, die ausschließlich in dem Stadtbezirk gelegen sind (§ 93 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 NKomVG). Durch diese mit dem Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetz eingeführten erweiterten (vgl. § 55c Abs. 1 Niedersächsische Gemeindeordnung a.F.) Entscheidungszuständigkeit, sollte die Attraktivität ehrenamtlicher Mitwirkung im Stadtbezirksrat gesteigert werden (vgl. LT-Drs. 16/2510 S. 118).

§ 93 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 NKomVG räumt dem Antragsteller insoweit eine organschaftliche Befugnis ein, als er innerhalb der Kommune für die Entscheidung über die Benennung von Plätzen in seinem Stadtbezirk zuständig ist und insoweit das Recht der Kommune ausüben darf. Diese Entscheidungszuständigkeit kann der Antragsteller zwar im Rahmen eines sogenannten Kommunalverfassungsstreits gegebenenfalls als wehrfähige Innenrechtsposition geltend machen (vgl. dazu etwa BVerwG, Urteil vom 02.12.2015 – 10 C 18.14 –, juris Rn. 19 m.w.N.; Urteil des Senats vom 16. August 2001 – 10 KN 1036/01 –, juris Rn. 42 (zu Ortsräten)), nicht jedoch in einem Außenrechtsstreit gegen eine staatliche Aufsichtsbehörde, der der Verteidigung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts dient (so auch Thüringer OVG, Beschluss vom 14.02.2014 – 3 EO 80/14 –, Rn. 21; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 05.11.2003 – 2 M 500/03 –, juris Rn. 13; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 05.09.1980 – 15 A 686/78 –, juris Rn. 9 ff.; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 28.02.1984 – 2 OVG A 5/81 –, NdsRPfl. 1984, 148, 149, 151; a.A. jeweils ohne Auseinandersetzung mit der Problematik des Außenrechtsstreits: Bayerischer VGH, Beschluss vom 20.10.2011 – 4 CS 11.1927 –, juris Rn. 5; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.03.2004 – 15 A 2360/02 –, juris Rn. 24). Zwar ist das Recht des Antragstellers zur Benennung eines Platzes durch die Aufsichtsmaßnahme insoweit berührt, als er die Umsetzung der von ihm beabsichtigten konkreten Benennung nicht auf den Weg bringen kann. Dies stellt jedoch lediglich einen Reflex der in das kommunale Selbstverwaltungsrecht eingreifenden Beanstandung dar, der sich notwendigerweise bereits daraus ergibt, dass die Kommune nur durch ihre Organe handeln kann (vgl. Thüringer OVG, Beschluss vom 14.02.2014 – 3 EO 80/14 –, Rn. 20; vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 05.09.1980 – 15 A 686/78 –, juris Rn. 9). Dies rechtfertigt keine Abweichung von dem Grundsatz (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 02.12.2015 – 10 C 18.14 –, juris Rn. 19), dass Organrechte grundsätzlich nur vor einer Verletzung durch andere Organe oder Organteile derselben juristischen Person des öffentlichen Rechts schützen (vgl. auch Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 23. Auflage 2017, § 42 Rn. 80, der für den Fall, dass es um den Fortbestand der Organrechte geht, eine Ausnahme von diesem Grundsatz annimmt).

Dadurch wird auch verhindert, dass es im Falle einer Beanstandung zu einem gerichtlichen Vorgehen verschiedener Organe der Kommune, möglicherweise noch mit unterschiedlichen Zielsetzungen kommt; vielmehr muss im Rahmen der kommunalverfassungsrechtlichen Organisation der Kommune eine einheitliche Entscheidung des zuständigen Organs herbeigeführt werden (vgl. VG Hannover, Urteil vom 17.03.2014 – 1 A 240/13 –, juris Rn. 35). Dies ist auch gerade Folge der Verteilung von Zuständigkeiten innerhalb einer Kommune.

Auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG kann sich der Antragsteller entgegen seiner Auffassung nicht berufen, weil diese Gewährleistung keine Rechte von Organen und Organteilen kommunaler Selbstverwaltungskörperschaften begründet (BVerfG, Kammerbeschluss vom 02.07.1993 – 2 BvR 1130/93 –, juris Rn. 7; vgl. auch Nichtannahmebeschluss vom 05.09.2011 – 2 BvR 2228/09 –, juris Rn. 13). Unabhängig davon hat die fehlende Antragsbefugnis des Antragstellers auch nicht etwa zur Folge, dass er als Organ der Kommune rechtlos gestellt würde. Er kann, wie er es auch getan hat (vgl. VG Hannover, Beschluss vom 08.02.2018 – 1 B 1111/18 –), zur Durchsetzung seiner Entscheidungszuständigkeit von der dazu befugten Kommune bzw. ihrem zuständigen Organ ein gerichtliches Vorgehen gegen die Beanstandung seines Beschlusses durch die Aufsichtsbehörde verlangen und bei einer Ablehnung, diese in einem gerichtlichen kommunalverfassungsrechtlichen Verfahren überprüfen lassen (vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 05.11.2003 – 2 M 500/03 –, juris Rn. 13). Soweit dennoch Rechtsschutzlücken bestehen (vgl. dazu Greim/Michl, Kommunalverfassungsrechtliche Drittanfechtung, NVwZ 2013, 775, 779), sind diese hinzunehmen.

3. Im Übrigen hätte der Antrag des Antragstellers auch in der Sache keinen Erfolg. Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 18.04.2018 – 10 ME 73/18 –, juris Rn. 44 m.w.N.) ist die Beanstandung des Beschlusses des Antragstellers durch den Antragsgegner wohl auch zu Recht erfolgt, weil der Beschluss gegen § 93 Abs. 1 Satz 2 NKomVG, wonach der Stadtbezirksrat bei seinen Entscheidungen die Belange der gesamten Gemeinde zu beachten hat, verstoßen und damit rechtswidrig sein dürfte. Denn die Benennung eines Platzes in Hannover nach einem dort durch einen Polizisten erschossenen kurdischstämmigen Unterstützer der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) beachtet nicht hinreichend die Belange der Landeshauptstadt.

Gem. § 88 Abs. 1 Satz 6 NKomVG i.V.m. §§ 170 Abs. 1, 173 Abs. 1 Satz 1 NKomVG kann die Kommunalaufsichtsbehörde den Beschluss eines Stadtbezirksrats beanstanden, wenn er das Gesetz verletzt. Verletzung eines Gesetzes ist begrifflich mit einem Rechtsverstoß gleichzusetzen, so dass eine Beanstandung nicht nur dann zulässig ist, wenn die beanstandete Maßnahme gegen gesetzliche Bestimmungen verstößt, sondern auch dann, wenn Beschlüsse der Kommune mit verfassungsrechtlichen Grundsätzen, wie etwa dem Verhältnismäßigkeitsprinzip, dem Gleichheitssatz oder dem Bestimmtheitsgrundsatz nicht vereinbar sind (Urteil des Senats vom 04.03.2014 – 10 LC 85/12 –, juris Rn. 34 (zu § 130 NGO)). Gesetz in diesem Sinne ist auch anderes Ortsrecht oder Innenrecht (vgl. Mielke in KVR Nds., NKomVG § 88 Rn. 12). Ob und inwieweit die Aufsichtsbehörde von der Möglichkeit einer Beanstandung Gebrauch macht, liegt in ihrem Ermessen (vgl. Senatsbeschluss vom 11.09.2013 – 10 ME 87/12 –, juris Rn. 42). Die Belange der gesamten Gemeinde i.S.d. § 93 Abs. 1 Satz 2 NKomVG umfassen auch, aber nicht nur die personellen und finanziellen Auswirkungen (vgl. Thiele, Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz, § 93 Rn. 18). Die Stadtbezirksräte haben ihre Aufgaben so wahrzunehmen, dass die einheitliche Verwaltung der Gemeinde in Bezug auf die Pflichten gegenüber allen Bürgern und Einwohnern und in Bezug auf überbezirkliche und gesamtstädtische Notwendigkeiten nicht beeinträchtigt oder gefährdet wird (Smollich in KVR Nds., NKomVG § 93 Rn. 3). Das Wohl aller Gemeindebürger ist im Auge zu behalten (Koch in Ipsen, Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz, § 93 Rn. 4). Entscheidungen anderer Gemeindeorgane sind dabei von den Stadtbezirksräten zu beachten (vgl. Koch in Ipsen, Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz, 2011, § 93 Rn. 5). Die Zuständigkeiten nach § 93 Abs. 1 Satz 2 NKomVG ermöglichen den Stadtbezirksräten nicht, ihre eigenen Interessen zulasten anderer Stadtbezirke oder der Gemeinde als solcher durchzusetzen (vgl. Koch in Ipsen, Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz, § 93 Rn. 4).

Bei der Prüfung, ob hier die Belange der gesamten Gemeinde hinreichend beachtet worden sind, ist zu berücksichtigen, dass der kurdische Halim Dener im Jahr 1994 in Hannover durch eine Kugel aus einer Polizeiwaffe tödlich verletzt wurde, nachdem er von Zivilbeamten beim Kleben von Plakaten der „Nationalen Befreiungsfront Kurdistans“, einer Untergruppe der PKK angetroffen worden war. Im Anschluss kam es zu bundesweiten Ausschreitungen und Demonstrationen. Kurdische Aktivisten versuchten, Halim Dener zum Märtyrer ihrer Sache zu stilisieren (Der Spiegel 28/1994, Ein rätselhafter Todesschuß auf einen jungen Kurden in Hannover bringt Polizisten in Erklärnot, vom 11.07.1994).

Aufgrund des dem Senat vorliegenden Sachverhalts würde die vom Antragsteller beabsichtigte Benennung eines Platzes derzeit zum einen die Gefahr von Konflikten unter den in der Landeshauptstadt lebenden türkischen Bevölkerungsgruppen zumindest erhöhen. Dies zeigt auch gerade die vom Antragsteller in seiner Stellungnahme gegenüber dem Antragsgegner vom 10. Juli 2017 beschriebene Ablehnung der beabsichtigten Benennung durch zahlreiche türkische Organisationen und Vereinigungen. Zum anderen könnte die Benennung auch den Anschein einer Parteinahme erwecken. Diese könnte sich auch bereits aus dem Inhalt der vom Antragsteller mitbeantragten Legendentafel ergeben, die lauten soll „Halim Dener (23.12.1977 – 01.07.1994) Kurdischer Aktivist und Geflüchteter, wurde am 30.06.1994 in Hannover von einem Polizeibeamten beim Plakatieren erschossen“.

Die Belange der Landeshauptstadt, insbesondere die Neutralität, die die Stadt sich selbst auferlegt hat, hinsichtlich der Entwicklungen in der Türkei und die Sicherstellung des friedlichen Zusammenlebens von türkischstämmigen Bevölkerungsgruppen in der Landeshauptstadt, würden daher mit der vom Antragsteller beabsichtigten Benennung eines Platzes nicht hinreichend gewahrt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung erging nach §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 63 Abs. 2 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und 22.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11).