Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 09.04.2018 - 13 OA 9/18
Fundstelle
openJur 2020, 10431
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 1 E 8372/17

Zu den Voraussetzungen der Erstattung der Kosten eines privaten Sachverständigen.

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 1. Kammer - vom 19. Dezember 2017 geändert. Der im Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 20. Oktober 2017 festgesetzte, von dem Beklagten und der Beigeladenen je zur Hälfte an den Kläger zu erstattende Kostenbetrag wird auf 5.958,75 € festgesetzt.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Ihre außergerichtlichen Kosten der Verfahren in beiden Rechtszügen tragen die Hauptbeteiligten und die Beigeladene selbst. Gerichtsgebühren werden im Beschwerdeverfahren nicht erhoben.

Gründe

Die nach § 146 Abs. 1 und Abs. 3 VwGO zulässige Beschwerde des Klägers ist nur teilweise begründet.

Zu den vom unterlegenen Teil des Rechtsstreits zu tragenden und im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 164 VwGO als erstattungsfähig festzusetzenden Kosten gehören nach § 162 Abs. 1 VwGO die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten. Aufwendungen müssen mithin einem Beteiligten im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Rechtsstreit entstanden sein und sich als notwendig darstellen. Anwaltskosten sind insoweit privilegiert, da ihre Erstattungsfähigkeit ohne Einzelfallprüfung nach § 162 Abs. 2 VwGO gesetzlich angeordnet ist. Alle anderen von einem Beteiligten im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Verwaltungsprozess getätigten Aufwendungen unterliegen hingegen der Notwendigkeitsprüfung. Diese Notwendigkeitsprüfung stellt das entscheidende Kriterium dafür dar, ob der kostenrechtliche Grundsatz der Kostentragungspflicht des Unterlegenen eingreift oder ob demgegenüber die von einem Beteiligten verursachten Aufwendungen auch im Obsiegensfalle letztlich bei diesem verbleiben (vgl. Senatsbeschl. v. 17.1.2012 - 13 OA 207/11 -, juris Rn. 5).

1. Danach sind die Kosten der Erstellung von Farbkopien zur Verteilung bei der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 9. November 2016 (43,56 €) keine zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen. Dem Vortrag des Klägers lässt sich nicht entnehmen, aus welchem Grunde das Vorzeigen der kopierten Originale in der mündlichen Verhandlung nicht ausreichend gewesen wäre. Gründe der Bequemlichkeit für die obsiegende Partei oder das Gericht reichen nicht aus, um die so entstandenen Kosten auf die Gegenseite überzuwälzen.

2. Auch die Faxkosten in Höhe von 10,00 € sind nicht erstattungsfähig. Diese beziehen sich ersichtlich auf den Schriftsatz vom 31. Juli 2013, mit dem der damals noch nicht anwaltlich vertretene Kläger seine Klage ergänzend begründet hat. Es ist nicht erkennbar, dass dieser Schriftsatz nicht auf kostensparende Weise durch einfachen Brief an das Verwaltungsgericht hätte übersandt werden können. Der Hinweis auf die am 1. August 2013 ablaufende Stellungnahmefrist reicht insoweit nicht aus. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger ursprünglich zur Abgabe einer Stellungnahme bis zum 14. Juli 2013 aufgefordert worden war (GA, Bl. 40 R) und hieran nach Fristablauf mit neuer Fristsetzung bis zum 1. August 2013 unter dem 22. Juli 2013 erinnert worden ist (GA, Bl. 41). Es lag mithin im Verantwortungsbereich des Klägers, dass er sich zu einer Übermittlung des Schriftsatzes durch ein kostenintensives Fremdfaxgerät veranlasst sah. Überdies hätte die Überschreitung der gesetzten richterlichen Frist nicht zu prozessualen Nachteilen, wie etwa einer Präklusion, geführt.

3. Die im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20. Oktober 2017 vorgenommene Kürzung der geforderten Erstattungsbeträge für die Fahrt der Kläger zum Verwaltungsgericht in Oldenburg bzw. zum Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg ist nicht zu beanstanden und vom Kläger in der Beschwerdebegründung auch nicht thematisiert worden. Dies gilt insbesondere für den Ansatz von 0,25 € je gefahrenem Kilometer nach § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO und § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG.

4. Die zweimalige Fahrt zweier Vertreter des Klägers mit einem PKW von A-Stadt zum Prozessbevollmächtigten des Klägers in B-Stadt ist grundsätzlich erstattungsfähig. Soweit ein Schriftwechsel nicht ausreichend erscheint, ist für jede Tatsacheninstanz grundsätzlich eine Informationsreise zum Prozessbevollmächtigten im Grundsatz erstattungsfähig (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 162, Rn. 12 m. w. N.). Das zugrunde liegende wasserrechtliche Verfahren wies eine Komplexität auf, die einen Besprechungstermin vor jeder der beiden Tatsacheninstanzen rechtfertigte. Auf der Basis eines Erstattungsbetrages von 0,25 € je gefahrenem Kilometer ergibt sich somit ein erstattungsfähiger Betrag von 63,60 € (2 x 127,2 km x 0,25 €/km).

5. Die Kosten für die Beauftragung der E. GmbH sind nur zu einem kleinen Teil erstattungsfähig. Aufwendungen für private, also nicht vom Gericht bestellte Sachverständige sind nur in Ausnahmefällen notwendig, nämlich dann, wenn die Partei mangels genügender eigener Sachkunde ihr Begehren nur mit sachverständiger Hilfe darlegen oder unter Beweis stellen kann. Das ergibt sich aus dem den Verwaltungsprozess beherrschenden Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO), nach dem die Sachverhaltsaufklärung durch Einholung von Sachverständigengutachten im Grundsatz durch das Gericht selbst und nicht durch die Beteiligten erfolgt. Außerdem ist der jeweilige Verfahrensstand zu berücksichtigen: Die Prozesssituation muss die Beauftragung eines Sachverständigen herausfordern, und dessen Stellungnahme muss auf die Verfahrensförderung zugeschnitten sein. Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 162 Abs. 1 VwGO bestimmt sich dabei nicht nach der subjektiven Auffassung der Beteiligten, sondern danach, wie ein verständiger Beteiligter, der bemüht ist, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten, in gleicher Weise seine Interessen wahrgenommen hätte. Abzustellen ist insoweit auf den Zeitpunkt der die Aufwendungen verursachenden Handlung; ohne Belang ist, ob sich die Handlung im Prozessverlauf nachträglich als unnötig herausstellt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 8.10.2008 - 4 KSt 2000/08 u.a. -, juris Rn. 4; Beschl. v. 24.7.2008 - 4 KSt 1008/07 -, juris Rn. 8; Beschl. v. 11.4.2001 - 9 KSt 2/01 -, juris Rn. 3; Senatsbeschl. v. 17.1.2012, a. a. O., Rn. 5; Senatsbeschl. v. 26.10.2009 - 13 OA 137/09 -, juris Rn. 3).

Im vorliegenden Fall ergibt sich trotz der durchaus schwierigen hydrogeologischen Problematik nicht von vornherein die Notwendigkeit einer sachverständigen Unterstützung des Klägers. Denn dieser ist als anerkannter Naturschutzverband durchaus sachkundig und prozesserfahren. Dies zeigt auch die ergänzende Klagebegründung vom 31. Juli 2013, die der Kläger noch ohne sachverständige und auch anwaltliche Hilfe gefertigt hat. Aus Gründen der „Waffengleichheit“ war die Beauftragung eines Sachverständigen mithin nicht zwingend geboten. Allerdings hat der Beklagte in seinem Schriftsatz vom 13. März 2014 darauf hingewiesen, „dass ein Herr Dr. med. F. (Urologe) Werte ermittelt haben soll, die hier als Berechnungsgrundlage gedient haben sollen. Dem Wissen des Beklagten zufolge, ist Herr Dr. F. aber nicht im Bereich Hydrogeologie Fachgutachter“. Dadurch wurde erkennbar, dass der Beklagte die Fachkompetenz des für den Sachvortrag des Klägers in geohydrologischer Sicht in entscheidender Weise verantwortlichen Dr. F. ernsthaft in Zweifel zog. Das ist im Hinblick auf den durch Fachgutachten geprägten Prozessstoff und das Gewicht behördlicher Stellungnahmen im Wasserrecht (vgl. Bay. VGH, Beschl. v. 13.11.2008 - 22 M 08.2699 -, juris Rn. 12) von erheblicher Bedeutung. Der Kläger durfte sich mithin ab diesem Zeitpunkt herausgefordert fühlen, bei künftigem Sachvortrag - insbesondere im Rahmen der anstehenden mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht - sachverständige Hilfe in Anspruch zu nehmen, um seinen Argumenten den erforderlichen fachwissenschaftlichen Nachdruck zu verleihen. Dem Einwand des Verwaltungsgerichts, eine umfassende Verfahrensförderung durch den Sachverständigen sei nicht zu erwarten gewesen, vermag der Senat nicht zu folgen. Insbesondere kommt es in diesem Zusammenhang nicht auf den Ablauf der nach § 87b VwGO gesetzten Frist an, da es bei der hier erfolgten Beauftragung eines Sachverständigen nicht allein um die Anführung neuer Erklärungen und Beweismittel ging, die ohnehin nur unter den Voraussetzungen des § 87b Abs. 3 VwGO zurückgewiesen werden können, sondern in erster Linie um die Erläuterung und Ergänzung des bisherigen Sachvortrags, der vom Beklagten in Zweifel gezogen worden war.

Für die Erstattungsfähigkeit der Kosten der Beauftragung eines Sachverständigen ist allerdings weiterhin zu fordern, dass die Stellungnahme in den Prozess eingeführt wird, was in der Regel durch Vorlage im gerichtlichen Verfahren zu erfolgen hat. Soweit von einem Fachbeistand nur gegenüber einem Prozessbeteiligten oder dessen Bevollmächtigten schriftlich oder mündlich Stellungnahmen abgegeben wurden, stellen diese als bloße Vorbereitungshandlungen keine im Sinne des Gesetzes notwendigen Auslagen dar. Deshalb genügt es auch nicht, wenn der Inhalt einer solchen internen Stellungnahme in den Beteiligtenvortrag eingearbeitet wurde; dies gilt jedenfalls dann, wenn für das Gericht und die übrigen Prozessbeteiligten nicht hinreichend deutlich erkennbar ist, dass bestimmte Ausführungen in den (anwaltlichen) Schriftsätzen eine vom fachlichen Beistand verantwortete Stellungnahme darstellen (vgl. Senatsbeschl. v. 17.1.2012, a. a. O., Rn. 5; Nds. OVG, Beschl. v. 2.12.2009 - 12 OA 129/08 -, juris Rn. 10 m. w. N.; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 8.5.2001 - 5 S 3245/98 -, juris Rn. 4; Bay. VGH, Beschl. v. 13.11.2008, a. a. O., Rn. 13).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind nur diejenigen Gutachterkosten erstattungsfähig, die das Auftreten des Gutachters Dr. G. der E. GmbH in der mündlichen Verhandlung vom 26. März 2014 betreffen. Nur in diesem Zusammenhang trat er für die Beteiligten und das Gericht erkennbar nach außen hervor. Ausweislich der Rechnung vom 27. März 2014 (GA, Bl. 637 f.) gehören zu diesen Kosten 390,00 € für den Zeitaufwand der An-/Abfahrt zum Gerichtstermin (6 h x 65,00 €/h) sowie 161,50 € Wegstreckenentschädigung für die An- und Abfahrt (646 km x 0,25 €/km). Trotz fehlender Bindung an die Regelung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG setzt der Senat die dortige Wegstreckenentschädigung an, da nicht erkennbar ist, aus welchen Gründen der Gutachter einen höheren Aufwand hatte. Hinzuzurechnen ist der Zeitaufwand für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung in Höhe von 162,50 € (2,5 h x 65,00 €/h) und die Übernachtungskosten (einschl. Frühstück und Parkplatzgebühr) von insgesamt 103,00 €. Damit ergibt sich ein Gesamtbetrag der erstattungsfähigen Sachverständigenkosten von 817,00 €. Unter Hinzurechnung von 19% Mehrwertsteuer ergibt dies einen Betrag von 972,23 €.

Insgesamt sind die im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20. Oktober 2017 festgesetzten Kosten von 4.922,92 € mithin um einen Betrag von 1.035,83 € auf 5.958,75 € zu erhöhen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. VwGO. Hinsichtlich der Gerichtsgebühren macht der Senat von seinem in Nr. 5502 KV GKG eingeräumten Ermessen Gebrauch und bestimmt, dass eine Gebühr nicht erhoben wird.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 VwGO).