OLG Nürnberg, Beschluss vom 20.12.2016 - 2 Ws 651/16
Fundstelle
openJur 2020, 63674
  • Rkr:
Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss des Landgerichts Regensburg – auswärtige große Strafvollstreckungskammer bei dem Amtsgericht Straubing – vom 08.09.2016 in Ziffer 3 abgeändert und festgestellt, dass die Überschreitung der Prüfungsfrist rechtswidrig war.

II. Die Staatskasse hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Verurteilten zu tragen.

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landgerichts Schweinfurt vom 08.04.2003 wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in acht Fällen, in drei Fällen hiervon jeweils rechtlich zusammentreffend mit sexuellem Missbrauch von Kindern und in einem Fall wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern, rechtlich zusammentreffend mit zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen des sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tatmehrheit mit zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen des sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Jahren verurteilt. Außerdem wurde seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet.

Die Maßregel der Sicherungsverwahrung wird seit 02.10.2009 vollzogen.

Mit Beschluss vom 14.11.2013 hat die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg mit dem Sitz in Straubing angeordnet, dass die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung weiter zu vollziehen ist. Gleichzeitig wurde der Verurteilte in den Vollzug der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus überwiesen.

Am 16.01.2014 wurde der Verurteilte im BKH M... zum Vollzug der Maßregel aufgenommen. Von dort erfolgte am 11.03.2014 eine Verlegung in das BKH L... a... M....

Mit Beschluss vom 07.07.2014 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Würzburg den Verurteilten in die Maßregel der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zurück überwiesen. Die Maßregel wird seit 12.08.2014 in der Einrichtung für Sicherungsverwahrung der Justizvollzugsanstalt S... vollstreckt.

Die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg mit dem Sitz in Straubing hat zuletzt mit Beschluss vom 12.03.2015 die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nicht für erledigt erklärt und nicht zur Bewährung ausgesetzt.

Am 08.09.2016 fand bei der Strafvollstreckungskammer die mündliche Anhörung statt. Dort rügte der Verteidiger des Verurteilten u.a. die Überschreitung der Prüfungsfrist. In der Zeit der Überschreitung der Prüfungsfrist sei die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung rechtswidrig gewesen. Dies solle festgestellt werden. In der Sache selbst stellte er keinen Antrag.

Am 08.09.2016 erließ das Landgericht Regensburg – auswärtige große Strafvollstreckungskammer bei dem Amtsgericht Straubing – folgenden Beschluss:

Die mit Urteil des Landgerichts Schweinfurt vom 08.04.2003 (1 KLs 10 Js 3442/01 jug) angeordnete Unterbringung in der Sicherungsverwahrung ist weiter zu vollziehen.

Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung wird nicht für erledigt erklärt und nicht zur Bewährung ausgesetzt.

Der Antrag des Verurteilten, festzustellen, dass die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung in der Zeit der Überschreitung der Prüfungsfrist rechtswidrig war, wird zurückgewiesen.

Wegen des Verfahrensgangs bis zum Erlass des Beschlusses vom 08.09.2016 wird auf die ausführliche Darstellung in den Gründen dieses Beschlusses (Seite 3–5) Bezug genommen.

Der Verurteilte hat gegen den am 15.09.2016 zugestellten Beschluss mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 21.09.2016, bei Gericht eingegangen am gleichen Tage, sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung wird ausgeführt, die sechsmonatige Überschreitung der Prüfungsfrist des § 67 e Abs. 2 StGB sei nicht sachlich gerechtfertigt gewesen. Es sei auch festzustellen gewesen, dass die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung in der Zeit der Überschreitung der Frist rechtswidrig war. Dies würde eine finanzielle Entschädigung des Beschwerdeführers nach Art. 5 Abs. 5 EMRK vereinfachen.

Die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg hat mit Schreiben vom 28.09.2016 beantragt, die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 08.09.2016 kostenfällig als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die vom Beschwerdeführer mit der sechsmonatigen Überschreitung der Überprüfungsfrist des § 67 e Abs. 2 BGB begründete sofortige Beschwerde ist zulässig und führt zu der in Ziffer I des Tenors getroffenen Feststellung, dass die Überschreitung der Prüfungsfrist rechtswidrig war. Hierzu ist im Einzelnen folgendes auszuführen:

1. Die Strafvollstreckungskammer ging zu Recht von der Zulässigkeit des Feststellungsantrages des Verurteilten aus. Zwar ist die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer erledigten Maßnahme (hier: Überprüfungsverfahren nach § 67 e StGB) grundsätzlich unzulässig; Ausnahmen gelten jedoch bei Wiederholungsgefahr oder wenn ein tiefgreifender, tatsächlich jedoch nicht mehr fortwirkender Grundrechtseingriff vorliegt und sich die Belastung durch die Maßnahme nach dem typischen Verfahrensverlauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung im Beschwerdeverfahren kaum erlangen kann (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., vor § 296 Rdn. 18 und 18 a m.w.N.).

Beide Voraussetzungen lagen nach dem Sachvortrag des Verurteilten vor. Zum einen drohen bei einer rechtswidrigen Überschreitung der Prüfungsfrist erneut Fristüberschreitungen in zukünftigen Überprüfungsverfahren; zum anderen stellt eine rechtswidrige Überschreitung der Prüfungsfrist einen tiefgreifenden Eingriff in das Freiheitsgrundrecht des Untergebrachten dar (vgl. a), der bis zu der ihn erledigenden Fortdauerentscheidung andauert, so dass der Untergebrachte regelmäßig vor Erledigung des Grundrechtseingriffes einen gesonderten Rechtsschutz kaum erlangen kann (vgl. b).

a) Die Freiheit einer Person darf nur aus besonders gewichtigen Gründen und unter strengen formellen Gewährleistungen eingeschränkt werden. Zugleich haben die gesetzlichen Eingriffstatbestände auch eine freiheitsgewährleistende Funktion, da sie die Grenzen zulässiger Einschränkung bestimmen. Das gilt auch für die Unterbringung eines Straftäters in der Sicherungsverwahrung nach Maßgabe des § 66 StGB. Der Gesetzgeber hat im Hinblick auf das Gewicht des Freiheitsanspruchs des Untergebrachten für die Vollstreckung dieser Maßregel besondere Regelungen getroffen. Hierzu gehört die Vorschrift des § 67 e Abs. 2 StGB, wonach das Gericht vor Ablauf bestimmter Fristen prüfen muss, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist. Diese Frist beträgt bei einer Unterbringung in der Sicherungsverwahrung ein Jahr, nach dem Vollzug von zehn Jahren der Unterbringung neun Monate. Die Vorschriften über die regelmäßige Überprüfung der weiteren Vollstreckung der Unterbringung dienen der Wahrung des Übermaßverbots bei der Beschränkung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Ihre Missachtung kann dieses Grundrecht verletzen, wenn es sich um eine nicht mehr vertretbare Fehlhaltung gegenüber dem das Grundrecht sichernden Verfahrensrecht handelt, die auf eine grundsätzlich unrichtige Anschauung von der Bedeutung des Grundrechts schließen lässt (vgl. BVerfG vom 10.10.2016, 2 BvR 1103/16, NStZ-RR 2016, 389, juris Rdn. 13–15). Demgemäß müssen die Strafvollstreckungskammer und gegebenenfalls das Beschwerdegericht im Falle einer Fristüberschreitung zur verfahrensrechtlichen Absicherung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG die Gründe hierfür in der Fortdauerentscheidung darlegen. Hierfür reicht es nicht aus, den Verfahrensablauf darzustellen; vielmehr müssen die Gründe für die Fristüberschreitung in einer Weise dargestellt werden, die eine sorgfältige Führung des Verfahrens mit dem Ziel rechtzeitiger Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung erkennen lassen (vgl. BVerfG NStZ-RR 2016, 389, juris Rdn. 19). Hat das erkennende Gericht eine entsprechende Verpflichtung, muss dem Untergebrachten auch das Recht zugestanden werden, feststellen zu lassen, ob die Überschreitung der Prüfungsfrist im Verantwortungsbereich der Justizbehörden liegt und damit rechtswidrig war. Der Untergebrachte ist dann nämlich nicht nur durch die Fortdauerentscheidung beschwert, sondern auch durch die nicht gerechtfertigte Überschreitung der Prüfungsfristen.

b) Da ein durch die Überschreitung der Prüfungsfrist verursachter tiefgreifender Grundrechtseingriff allenfalls bis zu der ihn erledigenden Fortdauerentscheidung andauert, hat der Untergebrachte regelmäßig vor Erledigung des Grundrechtseingriffes kaum eine Möglichkeit, diesbezüglich gesonderten Rechtsschutz zu erlangen.

2. Die sofortige Beschwerde ist auch begründet.

a) Vorliegend wurde die am 12.03.2016 endende Prüfungsfrist des § 67 e Abs. 2 StGB von einem Jahr bis zum Ergehen der Fortdauerentscheidung am 08.09.2016 um insgesamt rund sechs Monate überschritten. Die Überschreitung der Prüfungsfrist ist rechtswidrig, da sie – jedenfalls überwiegend – auf einer im Bereich der Justizbehörden liegenden, nicht mehr vertretbaren Fehlhaltung gegenüber dem das Grundrecht sichernden Verfahrensrecht im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beruht, die auf eine grundsätzlich unrichtige Anschauung von der Bedeutung des Grundrechts schließen lässt. Der sachliche Inhalt der von der Strafvollstreckungskammer getroffenen Fortdauerentscheidung wird durch eine etwaige Grundrechtsverletzung durch verzögerte Sachbehandlung aber nicht berührt, so dass die Maßnahme nicht schon aus diesem Grund für erledigt zu erklären ist (vgl. BVerfG vom 29.11.2011, 2 BvR 1665/10 Juris).

b) Nicht jede Verzögerung des Geschäftsablaufs in Unterbringungssachen, die eine Überschreitung der einschlägigen Fristvorgaben zur Folge hat, führt automatisch auch zu einer Grundrechtsverletzung, weil es zu solchen Verzögerungen auch bei sorgfältiger Führung des Verfahrens kommen kann (BVerfGK 4, 176, 181). Allerdings kann die Gestaltung des Überprüfungsverfahrens auf einer unrichtigen Anschauung der grundrechtssichernden Bedeutung des § 67 e Abs. 2 StGB beruhen (vgl. BVerfG NStZ-RR 1016, 389, juris Rdn. 20). Um dies zu vermeiden, muss sichergestellt sein, dass der Geschäftsgang der Kammer in der Verantwortung des Vorsitzenden oder des Berichterstatters eine Fristenkontrolle vorsieht, die die Vorbereitung einer rechtzeitigen Entscheidung vor Ablauf der Prüfungsfrist sicherstellt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Betroffene in aller Regel persönlich anzuhören ist und dass auch für eine sachverständige Begutachtung ausreichend Zeit verbleibt, soweit die Kammer eine solche für erforderlich halten sollte. Eine gesetzliche Entscheidungsfrist von einem Jahr (das Gleiche gilt für die hier noch nicht einschlägige Frist von neun Monaten) seit der letzten Überprüfungsentscheidung lässt dafür ausreichend Raum (BVerfG NStZ-RR 1016, 389, juris Rdn. 16).

In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu achten, dass Verzögerungen, die nicht im Bereich der Justizbehörden liegen, vermieden werden. So wird etwa hinsichtlich der Einholung von Prognosegutachten schon bei der Auswahl des Sachverständigen zu klären sein, ob die in Betracht kommende Person zur fristgerechten Gutachtenserstattung überhaupt in der Lage ist. Sodann ist dem ausgewählten Sachverständigen bereits mit der Beauftragung unter Hinweis auf die Dringlichkeit der Gutachtenserstattung eine Frist zur Erstellung des Gutachtens zu setzen und – gegebenenfalls – durch regelmäßige Anfragen der Stand der Begutachtung zu kontrollieren (vgl. hierzu auch BVerfG NStZ-RR 1016, 389, juris Rdn. 20).

c) Im vorliegenden Verfahren war für die Überschreitung der Prüfungsfrist im Wesentlichen ursächlich, dass die Staatsanwaltschaft erst am 05.10.2015, also rund fünf Monate vor Ende der Prüfungsfrist, eine Stellungnahme der Einrichtung für Sicherungsverwahrung unter Fristsetzung bis 09.11.2015 anforderte, und nach deren Eingang am 29.10.2015 die Akten am 12.11.2015 an die Strafvollstreckungskammer mit dem Antrag übersandte, die Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anzuordnen.

Damit verblieb der Strafvollstreckungskammer nur noch ein Zeitraum von rund vier Monaten bis zum Ablauf der Prüfungsfrist, innerhalb dessen nach Anhörung des Untergebrachten ein Sachverständiger ausgewählt, das Gutachten erstellt, an die Beteiligten übersandt, der Untergebrachte zum Gutachten angehört und die Entscheidung über die Frage der Fortdauer der Unterbringung fertiggestellt sein musste. Wie der tatsächliche Verfahrensablauf zeigt und auch erfahrungsgemäß nicht anders zu erwarten war, reichte dieser Zeitraum nicht im Entferntesten aus, das Verfahren erstinstanzlich abzuschließen, sondern wurde um rund sechs Monate überschritten.

aa) Nachdem das Verfahren zur Auswahl des Sachverständigen durchlaufen war, hat die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 15.12.2015 dem Sachverständigen Dr. N... den Gutachtensauftrag erteilt und mit Verfügung vom selben Tag um Vorlage des Gutachtens bis spätestens 15.03.2016 bzw. gegebenenfalls um kurze Mitteilung gebeten, wenn die Erstellung des Gutachtens innerhalb der Frist voraussichtlich nicht möglich sein sollte. Abgesehen davon, dass die gesetzte Frist bereits das Ende des Prüfungszeitraums überschritt, enthalten der Beschluss oder die Verfügung keinen Hinweis auf die Dringlichkeit der Gutachtenserstattung. Eine vorherige Anfrage an den Sachverständigen, ob dieser in der Lage sei, das Gutachten so rechtzeitig zu erstellen, dass die Prüfungsfrist eingehalten werden könnte, ist den Akten nicht zu entnehmen, insbesondere nicht im Zusammenhang mit dem am 24.11.2015 dem Untergebrachten unterbreiteten Vorschlag zur Auswahl des Sachverständigen.

Eine Sachstandsanfrage an den Sachverständigen erfolgte am 19.04.2016. Daraufhin stellte dieser die Fertigstellung des Gutachtens bis Ende Mai 2016 in Aussicht. Auf eine am 17.05.2016 an den Sachverständigen weitergeleitete Sachstandsanfrage des Verteidigers vom 13.05.2016 erfolgte zunächst keine Antwort. Erst auf Anfrage des Vorsitzenden vom 31.05.2016 teilte der Sachverständige am 01.06.2016 mit, dass das Gutachten bis Mitte Juni erstatte werde. Auf nochmalige, ebenfalls durch den Verteidiger mit Schreiben vom 22.06.2016 veranlasste Sachstandsanfrage des Vorsitzenden vom 24.06.2016 ließ der Sachverständige am 27.06.2016 mitteilen, dass das Gutachten bereits seit geraumer Zeit fertig gestellt sei, aber aufgrund einer Erkrankung des Sachverständigen nicht versendet werden konnte. Dieses ging dann am 30.06.2016 bei der Strafvollstreckungskammer ein.

Der Vorsitzende verfügte dessen Herausgabe ... am 19.07.2016 mit einer Stellungnahmefrist zum 01.08.2016. Bei der am 20.07.2016 erfolgten Absprache eines Anhörungstermins mit dem Verteidiger und dem Sachverständigen stellte sich heraus, dass letzterer sich vom 01.08.2016 bis 29.08.2016 im Urlaub befinde, so dass der 08.09.2016 als nächster gemeinsamer Termin festgesetzt wurde, an dem dann sowohl die Anhörung erfolgte als auch die Fortdauerentscheidung erlassen wurde.

bb) Die auslösende und entscheidende Ursache der Überschreitung der Prüfungsfrist lag also bereits in der zu späten Anforderung einer Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt durch die Staatsanwaltschaft und – als Konsequenz dieser Verspätung – in der zu späten Vorlage der Akten an die Strafvollstreckungskammer. Ob diese in den verbleibenden vier Monaten noch für eine Entscheidungsreife zum 12.03.2016 hätte sorgen können ist fraglich, kann aber angesichts der bereits den Prüfungszeitraum überschreitenden gesetzten ersten Frist an den Sachverständigen offen bleiben. In der Folgezeit kam es dann – wie aufgezeigt – zu weiteren Verzögerungen, wobei angesichts des bereits überschrittenen Prüfungszeitraums die erst am 19.04.2016 erfolgte erste Sachstandsanfrage zu spät erfolgte.

Die tatsächliche Dauer der Gutachtenserstattung stellt somit – abgesehen von zwei Wochen Zeitverzögerung durch die Erkrankung des Sachverständigen – die Rechtswidrigkeit der Überschreitung des Prüfungszeitraums nicht in Frage. Die voraussichtliche Dauer der Gutachtenserstattung kann, abgesehen von Fällen, in denen es zu unvorhergesehenen Verzögerungen kommt, abgeschätzt werden. Insoweit verfügen die zuständigen Strafvollstreckungskammern über gewisse Erfahrungswerte. Nehmen die Gutachten regelmäßig mehrere Monate in Anspruch, muss dies bereits bei der Vorlage der Akten durch die Staatsanwaltschaft oder bei der Wiedervorlagefrist der Strafvollstreckungskammer berücksichtigt werden. Dass die für die Gutachtenserstattung veranschlagte Zeit nicht überschritten wird, kann durch eine Rücksprache bei dem Sachverständigen vor Erteilung des Gutachtensauftrags und gegebenenfalls zusätzlich durch eine Fristsetzung sichergestellt werden. Hält der Sachverständige trotz Zusicherung die Frist nicht ein, kann durch weitere Fristsetzung und Nachfragen bei dem Sachverständigen auf die Dringlichkeit der Gutachtenserstattung hingewiesen werden. Wird trotz all dieser Vorsichtsmaßnahmen das Gutachten verspätet erstattet, liegt diese Verzögerung regelmäßig nicht im Verantwortungsbereich der Justizbehörden.

cc) Im Rahmen der Fristüberschreitung fallen jedoch folgende Verfahrensverzögerungen nicht in den Verantwortungsbereich der Justiz und bleiben außer Betracht:

(1) Der Vorschlag der Strafvollstreckungskammer für die Auswahl eines Sachverständigen vom 12.11.2015 wurde vom Verteidiger des Verurteilten erst am 14.12.2015 beantwortet. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Schreiben der Strafvollstreckungskammer vom 12.11.2015 erst am 24.11.2015 bei dem Verteidiger einging und dieser noch Rücksprache mit seinem Mandanten nehmen musste (Bl. 936 d.A.). Gleichwohl ist die Antwort vom 14.12.2015 verspätet und eine Verfahrensverzögerung von zwei Wochen nicht dem Verantwortungsbereich der Justizbehörden zuzurechnen.

(2) Mit Schreiben vom 19.02.2016 teilte der Beschwerdeführer mit, dass er den mit Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 15.12.2015 beauftragten Sachverständigen Dr. N... ablehne. Dieses Ablehnungsgesuch wurde mit Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 01.03.2016 als unzulässig verworfen. Bis zu dieser Entscheidung war es unklar, ob der Sachverständige Dr. N... weiter als Gutachter tätig sein kann. Die Verzögerung von zwei Wochen, die durch ein unzulässiges Ablehnungsgesuch des Verurteilten eingetreten war, fällt ebenfalls nicht in den Verantwortungsbereich der Justizbehörden.

(3) Die Fertigstellung und Versendung des Gutachtens verzögerte sich durch eine Erkrankung des Sachverständigen um zwei Wochen (vgl. Bl. 690 d.A.). Diese Verzögerung liegt nicht im Verantwortungsbereich der Justizbehörden.

(4) Die Anhörung vom 08.09.2016 fand erst mehr als zwei Monate nach Eingang des schriftlichen Gutachtens statt. Dabei ist einerseits zu berücksichtigen, dass eine frühere Terminierung am Urlaub des Sachverständigen (vom 1.–26.08.2016) scheiterte; andererseits wurde jedoch das Gutachten, das am 30.06.2016 bei Gericht einging, erst am 19.07.2016 versandt. Am gleichen Tag wurde angefragt und um Mitteilung bis 01.08.2016 gebeten, ob auf eine Anhörung des Sachverständigen verzichtet wird. Nicht in den Verantwortungsbereich der Justizbehörden fällt daher die durch den Urlaub des Sachverständigen eingetretene Verfahrensverzögerung von fast 4 Wochen.

dd) Im Ergebnis sind daher rund 10 Wochen der Fristüberschreitung nicht dem Verantwortungsbereich der Justizbehörden zuzuordnen.

Am 09.03.2016 verweigerte der Beschwerdeführer eine Exploration durch den Sachverständigen Dr. N.... Dieser wurde daraufhin am 15.03.2016 gebeten, das Gutachten nach Aktenlage zu erstellen. Eine Verzögerung des Überprüfungsverfahrens ist dadurch jedoch nicht eingetreten. Aufgrund des Ablehnungsgesuchs des Verurteilten vom 19.02.2016 war damit zu rechnen, dass dieser eine Exploration verweigert. Durch die Erstattung des Gutachtens nach Aktenlage ist eine Verzögerung nicht eingetreten. Die in dem Gutachten aufgeführten Unterlagen (15 Bände Gefangenen-Personalakten und 5 Bände Gerichtsakten) hätte der Sachverständige auch bei einer Exploration des Verurteilten durcharbeiten müssen.

III.

Im Ergebnis war daher der sofortigen Beschwerde mit der Kostenfolge des § 467 StPO stattzugeben.