OLG Celle, Beschluss vom 08.03.2019 - 3 Ws 26/19 (MVollz)
Fundstelle
openJur 2020, 9704
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 53 StVK 76/18
    nachgehend BVerfG

1. Der Sonderopfercharakter der Maßregel nach § 63 StGB schließt nicht aus, die untergebrachte Person gemäß § 14 Nds. MVollzG an den Kosten für Ausführungen, die ausschließlich der Wahrnehmung ihrer persönlichen Angelegenheiten dienen, zu beteiligen.

2. Ersatzfähig ist, was die Vollzugsbehörde nach sorgfältiger Prüfung der ihr bekannten Umstände vernünftigerweise aufzuwenden hat. Bei Fahrten mit einem Kraftfahrzeug der Vollzugsbehörde ist ein Ansatz von 0,30 Euro je gefahrenen Kilometer nicht zu beanstanden.

Tenor

1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird abgelehnt.

2. Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der 53. kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Göttingen vom 4. Januar 2019 wird, soweit Streitgegenstand der Bescheid des Antragsgegners vom 27. November 2018 ist, als unbegründet, im Übrigen als unzulässig verworfen.

4. Die Kosten der Rechtsbeschwerde hat der Antragsteller zu tragen.

5. Der Streitwert wird auf bis zu 500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller befindet sich im Vollzug einer Maßregel nach § 63 StGB. Die Parteien streiten über die Erhebung eines Kostenbeitrags für Ausführungen des Antragstellers zu Gerichtsverhandlungen durch die antragsgegnerische Vollzugsbehörde.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts ist der Antragsteller bedingt durch seine Wahnerkrankung an einer Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten beteiligt, wodurch es in unregelmäßigen Abständen zu Verhandlungsterminen kommt, an denen der Antragsteller teilnehmen möchte. So wurde der Antragsteller für den 9. Januar 2019 zu zwei Verhandlungsterminen vor dem Verwaltungsgericht Berlin geladen. Da dem Antragsteller bekannt war, dass die Vollzugsbehörde derartige Ausführungen nur gegen eine Kostenbeteiligung des Antragstellers bewilligt, wandte er sich mit Schreiben vom 14. Oktober 2018 an die Vollzugsbehörde, um die Höhe der Kostenbeteiligung abzustimmen. Die Vollzugsbehörde teilte ihm mit Schreiben vom 23. Oktober 2018 mit, dass eine Ausführung am 9. Januar 2019 nur in Betracht komme, wenn der Antragsteller eine Kostenbeteiligung in Höhe von insgesamt 318,00 Euro leiste. Diesen Betrag hatte die Vollzugsbehörde unter Zugrundelegung einer Fahrtstrecke von insgesamt 636 km und Fahrtkosten in Höhe von 0,50 Euro pro Kilometer unter Bezugnahme auf die Richtlinie des Niedersächsischen Finanzministeriums vom 11. Mai 2012 über Dienstkraftfahrzeuge in der Landesverwaltung errechnet. Nachdem der Antragsteller dieser Berechnung widersprochen hatte, wurde ihm am 27. November 2018 zur abschließenden Entscheidung über die strittige Frage durch die Vollzugsbehörde nochmals das Schreiben vom 30. Oktober 2018 ausgehändigt. Hierauf veranlasste der Antragsteller eine Überweisung an die Vollzugsbehörde in Höhe von 143,50 Euro, wobei er eine Fahrtstrecke von 620 km zu 0,25 Euro pro Kilometer ansetzte und bereits zuvor geleistete Zahlungen anrechnete.

2. Mit Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 27. November 2018 wandte sich der Antragsteller gegen die Höhe der für die Ausführung zum Verwaltungsgericht Berlin festgesetzten Fahrtkosten, soweit diese den Betrag von 155,00 Euro überstiegen, und beantragte, die Vollzugsbehörde zu verpflichten, den Antragsteller gegen Zahlung des geleisteten Betrages in Höhe von 143,50 Euro zum Verwaltungsgericht Berlin auszuführen.

Daneben richtete sich der Antrag auf gerichtliche Entscheidung auch gegen die Höhe der Fahrtkosten für eine vorangegangene Ausführung zum Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, die dem Antragsteller mit am 27. März 2018 ausgehändigtem Bescheid der Vollzugsbehörde in Rechnung gestellt worden waren.

Darüber hinaus stellte er den Antrag, „soweit das Landgericht einen Besuchsausgang im Verfahren 53 StVK 74/18 einräumt und es meiner Lebensgefährtin Frau P. möglich ist, die Fahrt zum Verwaltungsgericht Berlin in Begleitung von Frau P. zu ermöglichen“.

3. Mit Beschluss vom 4. Januar 2019 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Göttingen dem Antragsteller Prozesskostenhilfe für die erste Instanz bewilligt und den Bescheid des Antragsgegners vom 27. November 2018 aufgehoben, soweit der Betrag der Kostenbeteiligung 0,30 Euro für jeden zurückgelegten Kilometer übersteigt, und den Antragsgegner verpflichtet, den Antragsteller gegen Zahlung eines Betrages von 0,30 Euro für jeden zurückgelegten Kilometer zum Verwaltungsgericht Berlin auszuführen, wobei dem Antragsgegner nachgelassen bleibe, die Ausführung bis zur Zahlung eines Betrages von 190,80 Euro und unter Anrechnung bereits gezahlter 143,50 Euro zu verweigern. Im Übrigen hat das Landgericht den gegen den Bescheid vom 27. November 2018 gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, es fehle zwar an einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage für die Kostenerhebung. Der Antragsteller müsse aber aufgrund des in § 2 Abs. 2 Nds. MVollzG geregelten Angleichungsgrundsatzes die Kosten tragen, die ihm auch dann entstanden wären, wenn er eigenständig und in Freiheit den Weg zwischen dem Antragsgegner und dem Gericht zurückgelegt hätte. Für die Höhe der Kosten hat das Landgericht den Betrag angesetzt, den Strafgefangene in Niedersachsen für jeden zurückgelegten Kilometer zu tragen haben, wenn sie gemäß § 14 Abs. 3 NJVollzG Lockerungen zur Teilnahme an einer Gerichtsverhandlung erhalten und zum Transport ein Dienstfahrzeug genutzt wird.

Die weiteren Anträge hat das Landgericht wegen Versäumung der Antragsfrist (§ 112 Abs. 1 StVollzG) bzw. Koppelung an eine außerprozessuale Bedingung als unzulässig verworfen.

4. Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsteller mit seiner – mit einem Prozesskostenhilfegesuch verbundenen – Rechtsbeschwerde vom 9. Januar 2019. Er rügt die Verletzung sachlichen Rechts, insbesondere die Unanwendbarkeit der GefKostVO auf Maßregelpatienten, und verfolgt seine in erster Instanz gestellten Anträge, soweit diese vom Landgericht zurückgewiesen oder verworfen worden sind, weiter, wobei er nunmehr für die Hin- und Rückfahrt zum Verwaltungsgericht Berlin eine Fahrtstrecke von 636 km ansetzt. Daneben rügt er, dass sein Ablehnungsgesuch gegen den erkennenden Richter am Landgericht durch Beschluss vom 30. November 2018 unter Verletzung von § 27 Abs. 1 StPO zurückgewiesen worden sei.

II.

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe war mangels hinreichender Erfolgsaussicht abzulehnen (§§ 120 Abs. 2 StVollzG, 114 Abs. 1 ZPO.

III.

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Zulässig ist die Rechtsbeschwerde, soweit der Rechtsstreit den Bescheid des Antragsgegners vom 27. November 2018 über die Erhebung eines Kostenbeitrags für die Ausführung des Antragstellers zum Verwaltungsgericht Berlin zum Gegenstand hat, weil insoweit eine Überprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Fortbildung des Rechts geboten ist. Im Übrigen ist die Rechtsbeschwerde gemäß § 116 Abs. 1 StVollzG unzulässig, weil es nicht geboten ist, eine Überprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen.

2. Soweit die Rechtsbeschwerde zulässig ist, ist sie unbegründet.

a) Die Befangenheitsrüge (§§ 120 Abs. 1 StVollzG, 338 Nr. 3 StPO) ist nicht zulässig erhoben. Der Beschwerdeführer ist nach § 118 Abs. 2 Satz 2 StPO verpflichtet, die den Verfahrensmangel begründenden Tatsachen so genau anzugeben, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein aufgrund der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn das tatsächliche Vorbringen der Rechtsbeschwerde zutrifft. Dies gilt auch für Befangenheitsrügen, über deren Begründetheit nach Beschwerdegrundsätzen zu entscheiden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Februar 2012 – 5 StR 432/11, juris). Der Beschwerdeführer muss daher zumindest das Ablehnungsgesuch und den zurückweisenden Gerichtsbeschluss dem ganzen Inhalt nach mitteilen (vgl. BGH, Urteil vom 16. Januar 1979 – 1 StR 575/78, BGHSt 28, 262; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 61. Aufl. § 338 Rn. 37 mwN). Daran fehlt es hier. Soweit die Rechtsbeschwerdeschrift Ablehnungsgründe aufführt, ist nicht erkennbar, ob diese Gegenstand des in erster Instanz angebrachten Ablehnungsgesuchs waren. Die Bezugnahme auf Fundstellen in den Akten ersetzt den erforderlichen Sachvortrag nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 4. September 2014 – 1 StR 314/14, juris).

b) Die Sachrüge greift ebenfalls nicht durch. Der Bescheid des Antragsgegners vom 27.November 2018 ist in dem Umfang, in dem er nach der landgerichtlichen Entscheidung noch Bestand hat, rechtmäßig.

aa) Dabei bedarf es nicht des Rückgriffs auf den Angleichungsgrundsatz nach § 2 Abs. 2 Nds. MVollzG, um die Beteiligung des Antragstellers an den durch seine Ausführung zu der Gerichtsverhandlung verursachten Kosten dem Grunde nach zu rechtfertigen. Die Rechtsgrundlage findet sich vielmehr in § 14 Satz 1 Nds. MVollzG. Danach hat die untergebrachte Person die erforderlichen Aufwendungen zu ersetzen, wenn die Einrichtung in persönlichen Angelegenheiten der untergebrachten Person tätig wird und dies ihrem wirklichen, natürlichen oder mutmaßlichen Willen entspricht. Diese – im Gesetzentwurf noch in § 11 Abs. 4 Nds. MVollzG unter der Überschrift „Lockerung des Vollzuges und Urlaub“ enthaltene – Regelung erfasst nach der Begründung des Gesetzentwurfs auch „die Aufwendungen für Ausführungen zur Erledigung persönlicher Angelegenheiten“ (vgl. LT-Drucks. 9/2605 S. 39). Um solche handelt es sich im hier streitgegenständlichen Fall. Zwar ist nach § 14 Satz 2 Nds. MVollzG der Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen nicht geltend zu machen, wenn dies die Behandlung oder die Eingliederung behindern würde. Anhaltspunkte hierfür liegen allerdings nicht vor, zumal der Antragsteller nach den Feststellungen aufgrund seiner Wahnerkrankung an einer Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten beteiligt ist und es deshalb seine Behandlung eher fördert, ihm die damit einhergehenden finanziellen Belastungen vor Augen zu führen.

bb) Zur Bemessung der Aufwendungen enthält das Gesetz keine Vorgaben. Aus der an die Regelungen der §§ 670, 683 BGB angelehnten Formulierung lässt sich jedoch unschwer ableiten, dass hier wie dort solche Aufwendungen ersatzfähig sind, die der Beauftragte oder Geschäftsführer ohne Auftrag – hier der Antragsgegner – den Umständen nach für erforderlich halten darf, was er also nach sorgfältiger Prüfung der ihm bekannten Umstände vernünftigerweise aufzuwenden hat (vgl. BGH, Urteil vom 21. September 2012 – V ZR 230/11 –, Rn. 15, juris). Hierzu zählen auch Fahrtkosten (vgl. OLG München, Urteil vom 15. November 2017 – 20 U 5006/16 –, Rn. 58, juris). Der Höhe nach sind die vom Landgericht angesetzten Fahrtkosten mit 0,30 Euro je gefahrenen Kilometer nicht zu beanstanden. Die entsprechende Heranziehung der Kilometerpauschale nach § 7 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung über die Kostenbeteiligung der Gefangenen – GefKostVO – vom 13. August 2018 (Nds. GVBl. 2018, 169) liegt hier nahe und begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Wie ein Vergleich mit § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 JVEG zeigt, ist der Ansatz von 0,30 Euro für jeden gefahrenen Kilometer eine angemessene Pauschale zur Abgeltung der Anschaffungs-, Unterhaltungs- und Betriebskosten sowie zur Abgeltung der Abnutzung des Kraftfahrzeugs.

cc) Der Kostenbeteiligung steht hier auch nicht entgegen, dass dem Untergebrachten mit dem Maßregelvollzug ein Sonderopfer im Interesse der Allgemeinheit auferlegt wird (vgl. BVerfGE 130, 372, 400; für die Sicherungsverwahrung BVerfGE 128, 326, 374). Hieraus folgt zwar die Pflicht, den Maßregelvollzug in besonderer Weise freiheitsorientiert und therapiegerichtet anzulegen und bei seiner Ausgestaltung dafür Sorge zu tragen, dass über den unabdingbaren Entzug der äußeren Freiheit hinaus weitere Belastungen vermieden werden (BVerfG aaO). Dies hindert jedoch nur eine Beteiligung an Kosten, die der spezifischen Situation des Vollzugs der freiheitsentziehenden Maßregel geschuldet sind, die also ausschließlich aufgrund von Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit des Vollzuges anfallen (vgl. Senatsbeschluss vom 28. August 2017 – 3 Ws 369/17 [MVollz] – zu § 54 Nds. SVVollzG; ebenso OLG Hamm, Beschluss vom 18. Februar 2014 – III-1 Vollz (Ws) 26/14 –, juris, zu § 40 SVVollzG NW). Ein Ersatz von Aufwendungen für Leistungen, durch die der Untergebrachte einen geldwerten Vorteil erlangt und für deren Inanspruchnahme auch außerhalb des Vollzuges eine Gegenleistung – in der Regel die Zahlung eines Entgelts – zu erbringen wäre, ist damit aber nicht ausgeschlossen (vgl. Senat aaO; OLG Hamm aaO). Um solche handelt es sich hier.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 121 Abs. 4 StVollzG, 473 Abs. 1 StPO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 1 Abs. 1 Nr. 8, 60, 65 GKG.