OLG Celle, Beschluss vom 14.02.2019 - 3 Ws 10/19 (StrVollz)
Fundstelle
openJur 2020, 9703
  • Rkr:

1. Für die Entscheidung, ob die gesetzlich vorgeschriebene Aushändigung des Vollzugsplans an den Gefangenen verspätet war, kommt es nicht auf den Zeitraum seit der Vollzugsplankonferenz, sondern auf den seit der Fertigstellung des Vollzugsplans mit Unterzeichnung durch den letzten Entscheidungsträger an.

2. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob die Fortschreibung des Vollzugsplans unter Einhaltung der hierfür bestimmten Frist erfolgt ist und ob diese Frist angemessen war.

Tenor

1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

2. Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer 5 des Landgerichts Hannover vom 7. Dezember 2018 wird als unbegründet verworfen.

3. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

4. Der Streitwert wird auf bis zu 500,- € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller verbüßt eine Freiheitsstrafe. Mit Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 12. Oktober 2018 beantragte er, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm „unverzüglich den Vollzugsplan über die Vollzugsplankonferenz vom 27. August 2018 auszuhändigen“, sowie festzustellen, dass „die Nichtaushändigung des Vollzugsplans für einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen nach der Vollzugsplankonferenz“ rechtswidrig ist. Mit Schreiben seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 5. Dezember 2018 erklärte der Antragsteller den Verpflichtungsantrag für erledigt, nachdem ihm unter dem 24. Oktober 2018 der vom 27. September 2018 datierende Vollzugsplan ausgehändigt worden war. Er änderte seinen Antrag in einen Fortsetzungsfeststellungsantrag dahin, „dass die Aushändigung des Vollzugsplans unter dem 24. Oktober 2018 rechtswidrig erfolgt ist, da eine deutlich verspätete Aushändigung vorlag“.

Mit Beschluss vom 7. Dezember 2018 hat das Landgericht den Antrag als unbegründet zurückgewiesen. Das Gesetz gebe keine zeitliche Vorgabe, innerhalb welcher Frist die Aushändigung des Vollzugsplans an den Gefangenen zu erfolgen habe. Zwar sei mit Blick auf Sinn und Zweck eine zeitnahe Aushändigung geboten. Ein Zeitablauf von acht Wochen sei unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalls noch rechtmäßig. Die Komplexität der Entscheidung sei wegen langjähriger Unterbringung des Antragstellers in unterschiedlichen Anstalten besonders hoch gewesen. Es habe zudem ein erst eine Woche vor der Vollzugsplankonferenz vorliegendes psychiatrisches Gutachten eingearbeitet werden müssen. Im Rahmen der schriftlichen Ausarbeitung sei eine dezidierte Befassung mit allen Gesichtspunkten notwendig gewesen. Der Zeitraum von einem Monat bis zur Erstellung des Vollzugsplans am 27. September 2018 sei daher nicht zu beanstanden. Problematisch erscheine zwar der interne weitere Ablauf bis zur Unterzeichnung des Vollzugsplans durch die zuständige Abteilungsleiterin am 15. Oktober 2018 und den Anstaltsleiter am 23. Oktober 2018, die sich aufgrund von Urlaubszeiten verzögert habe. Der Zeitablauf bis zur Aushändigung am 24. Oktober 2018 sei aber gerade noch hinnehmbar.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsteller mit seiner Rechtsbeschwerde. Er rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts und verweist insbesondere darauf, dass das Landgericht Hildesheim mit Beschluss vom 26. März 2015 – 23 StVK 1137/14 – bereits einen Zeitraum von nahezu sechs Wochen zwischen Vollzugsplankonferenz und Aushändigung des Vollzugsplans an den Gefangenen als zu lang angesehen hat. Zudem beantragt er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung einer Rechtsanwältin.

II.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Rechtsbeschwerde abzulehnen (§ 120 Abs. 2 StVollzG i.V.m. § 114 ZPO).

III.

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil es geboten ist, die Nachprüfung der Entscheidung zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen (§ 116 Abs. 1 StVollzG). Der vorliegende Fall gibt Anlass, Leitsätze für die Auslegung von § 9 NJVollzG aufzustellen und der Gefahr einer Zersplitterung der Rechtsprechung der Strafvollstreckungskammern in diesem Bereich entgegenzuwirken.

2. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die angefochtene Entscheidung hält – im Ergebnis – rechtlicher Überprüfung stand. Der Zeitraum zwischen der Vollzugsplankonferenz und der Aushändigung der Vollzugsplanfortschreibung an den Antragsteller begründet im vorliegenden Fall nicht die Annahme einer rechtswidrigen Verzögerung.

a) Allerdings ist das Landgericht im Ausgangspunkt der rechtlich unzutreffenden Betrachtungsweise des Antragstellers gefolgt, der sowohl mit seinem ursprünglichen Antrag als auch mit dem im Zeitpunkt der Entscheidung nur noch anhängigen Fortsetzungsfeststellungsantrag eine Rechtsverletzung allein daraus hergeleitet hat, dass zwischen der Vollzugsplankonferenz und der Aushändigung der Vollzugsplanfortschreibung an ihn ein Zeitraum von mehr als sechs Wochen verstrichen sei. Dabei hat das Landgericht den Rechtsstreit anhand der Vorschrift des § 9 Abs. 5 Satz 2 NJVollzG entschieden und einen verstrichenen Zeitraum von acht Wochen festgestellt, diesen aber aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls als noch hinnehmbar angesehen.

Dem kann nicht gefolgt werden. Wenn es – wie hier – ausschließlich darum geht, ob die durch § 9 Abs. 5 Satz 2 NJVollzG zwingend vorgeschriebene Aushändigung einer – ansonsten nicht beanstandeten – Vollzugsplanfortschreibung an den Gefangenen verspätet war, kann es nur auf den Zeitraum ankommen, der seit der Fortschreibung des Vollzugsplans verstrichen ist. Unmaßgeblich ist in diesem Zusammenhang hingegen, wann die Vollzugsplankonferenz stattgefunden hat. Soweit das Landgericht und der Antragsteller davon ausgehen, dass die Entscheidung über die Fortschreibung bereits in der Vollzugsplankonferenz getroffen werde und lediglich noch zu Papier gebracht werden müsse, steht dem § 9 Abs. 4 NJVollzG entgegen. Danach werden „zur Vorbereitung der Aufstellung oder Fortschreibung des Vollzugsplans“ Konferenzen durchgeführt. Ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien soll der Wortlaut des Abs. 4 klarstellen, „dass die Konferenz nicht abschließend über die Aufstellung und Fortschreibung des Vollzugsplans entscheidet, sondern die Entscheidung der Vollzugsbehörde nur vorbereitet“ (vgl. LT-Drucks. 15/4325 S. 5). Der Vollzugsplan selbst ist dementsprechend erst mit der Unterschrift des letzten Entscheidungsträgers, im vorliegenden Fall des Anstaltsleiters am 23. Oktober 2018, fortgeschrieben worden. Bis zu diesem Zeitpunkt handelte es sich bei der Ausarbeitung nur um einen internen, der Möglichkeit von Änderungen unterliegenden Entwurf, auf dessen Aushändigung der Antragsteller keinen Anspruch hatte.

Dass die Aushändigung der Vollzugsplanfortschreibung einen Tag nach ihrer Fertigstellung nicht verspätet war, liegt auf der Hand.

b) Davon unabhängig zu beurteilen ist die – im vorliegenden Verfahren allerdings nicht vom Streitgegenstand umfasste – Frage, ob die Fortschreibung des Vollzugsplans selbst fristgerecht erfolgt ist.

aa) Nach § 9 Abs. 3 Satz 1 NJVollzG ist die Vollzugsbehörde zur Fortschreibung des Vollzugsplans verpflichtet. Das Gesetz nennt aber keine Frist, innerhalb der die Fortschreibung zu erfolgen hat. Einem entsprechenden Vorschlag im Gesetzgebungsverfahren ist der Gesetzgeber nicht gefolgt mit der Begründung, „der Verzicht auf die Aufnahme einer Frist biete den Vorteil, dem einzelnen Gefangenen besser gerecht werden zu können“ (LT-Drucks. aaO). Allerdings schreibt § 9 Abs. 3 Satz 2 NJVollzG vor, dass für die Fortschreibung im Vollzugsplan angemessene Fristen vorzusehen sind. Das Fehlen der Fristbestimmung im Vollzugsplan stellt einen erheblichen Mangel dar (vgl. OLG Karlsruhe StV 2004, 555). Mit Blick auf die elementare Bedeutung des Vollzugsplans und seiner kontinuierlichen Fortschreibung für das Erreichen des Vollzugsziels (vgl. BVerfGK 1, 3; 9, 231) hat der Gefangene auch einen Anspruch auf fristgerechte Fortschreibung des Vollzugsplans (vgl. KG ZfStrVo 1987, 245; Arloth/Krä StVollzG 4. Aufl. § 7 Rn. 9). Im Rahmen der Prüfung, ob dieser Anspruch verletzt worden ist, gilt der verfassungsrechtlich verbürgte Grundsatz, dass der Staat sich auf verzögernde Umstände, die in seinem eigenen Verantwortungsbereich liegen, nicht zulasten des Rechtsschutzsuchenden mit rechtfertigender Wirkung berufen kann (vgl. BVerfG NStZ-RR 2013, 389). Ungeachtet dessen besteht auch hinsichtlich der Fristbestimmung nach § 9 Abs. 3 Satz 2 NJVollzG wie bei anderen Vollzugsmaßnahmen unter den gesetzlichen Voraussetzungen die Möglichkeit des Widerrufs oder der Rücknahme nach § 100 NJVollzG.

bb) Allerdings betrifft die Frage, ob die Fortschreibung des Vollzugsplans unter Einhaltung der hierfür bestimmten Frist erfolgt ist, die Rechtmäßigkeit des Aufstellungsverfahrens, welche regelmäßig nur dann einer gerichtlichen Überprüfung unterliegt, wenn der Vollzugsplan selbst angegriffen wird (vgl. OLG Celle StraFo 2010, 260; Arloth/Krä aaO § 109 Rn. 13; Laubenthal in: Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, StVollzG 6. Aufl., § 109 Rn. 12). Das ist hier nicht geschehen. Der – von Verfahrensbeginn an anwaltlich vertretene – Antragsteller hat weder eine Aufhebung des Vollzugsplans insgesamt – sei es wegen Verletzung der Vorschriften über das Aufstellungsverfahren, sei es wegen Verletzung des Gestaltungsermessens – beantragt noch einzelne Regelungen des Vollzugsplans angegriffen.

Anders läge es, wenn der Gefangene erkennbar kein Interesse an einer Aufhebung der Fortschreibung des Vollzugsplans hätte, weil etwa mit dieser erstmals vom Antragsteller angestrebte Behandlungsmaßnahmen bewilligt oder sonstige begünstigende Regelungen getroffen worden sind. In einer derartigen Konstellation könnte ein isolierter Antrag auf Feststellung, dass eine rechtswidrige Verzögerung der Fortschreibung vorliegt, statthaft sein, wenn der Gefangene geltend macht, gerade hierdurch in seinen Rechten verletzt zu sein (§ 109 Abs. 2 StVollzG). Eine derartige Zielsetzung des Rechtsschutzbegehrens ist im vorliegenden Fall jedoch auch bei der gebotenen sachgerechten Auslegung (vgl. BVerfGE 122, 190, 198) nicht erkennbar. Weder der Teilerledigungserklärung mit Änderung des Verpflichtungsantrags in einen Fortsetzungsfeststellungsantrag noch dem sonstigen Vorbringen des Antragstellers ist eine Auseinandersetzung mit Regelungen in der Vollzugsplanfortschreibung zu entnehmen. Dementsprechend hatte das Landgericht auch keinen Anlass, Feststellungen dazu zu treffen, welche Frist für die Fortschreibung bestimmt war und ob mit der Fortschreibung sachliche Änderungen gegenüber der vorherigen Vollzugsplanung eingetreten sind.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 4 StVollzG i.V.m. § 473 Abs. 1 StPO.

Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 1 Nr. 8, 52, 60 65 GKG.