ArbG Oldenburg, Urteil vom 06.12.2017 - 2 Ca 244/17
Fundstelle
openJur 2020, 9471
  • Rkr:

§ 10 Abs. 2 TV SR DTNP ist dahingehend auszulegen, dass im Falle der Angleichung der Jahresentgelte beider Arbeitnehmergruppen, eine Anwendung der Regelung unterbleibt, da es andernfalls zu einer nicht gerechtfertigten Benachteiligung der aus der Arbeitszeitverkürzung herausgenommenen Arbeitnehmer kommt.

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.490,68 € brutto nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.06.2017 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 913,35 € brutto nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.09.2017 zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, jeweils monatlich 10 Stunden und 52 Minuten vom Arbeitszeitkonto des Klägers gemäß § 10 Abs. 2 TV SR DTNP i.V.m. § 11 MTV DTAG heraus zu buchen und vom Arbeitszeitguthaben in Abzug zu bringen.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

5. Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 36 % und die Beklagte zu 64 % zu tragen.

6. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 20.524,65 € festgesetzt.

7. Die Berufung wird gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche, die aus einem monatlich vorgenommen Stundenabzug aus dem Arbeitszeitkonto des Klägers resultieren.

Der am 00.00.1965 geborene Kläger ist seit dem 01.09.1982 bei der Beklagten bzw. ihren Vorgängergesellschaften zuletzt als Teamleiter beschäftigt.

Auf das Arbeitsverhältnis finden der Tarifvertrag Beschäftigungsbündnis vom 24.03.2004 (im Folgenden: TV BB), der Manteltarifvertrag vom 01.03.2004 in der aktuellen Fassung (im Folgenden: MTV) sowie der Tarifvertrag über besondere Arbeitsbedingungen bei der D.T.N. GmbH vom 25.06.2007 (im Folgenden: TV SR DTNP) kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung.

Im Manteltarifvertrag findet sich unter § 31 folgende Regelung:

(1) „Die Ansprüche beider Seiten aus dem Arbeitsverhältnis müssen innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden. Bei regelmäßig wiederkehrenden Leistungen bedarf es keiner erneuten schriftlichen Geltendmachung, sofern der nicht oder unzutreffend erfüllte Anspruch auf demselben Fehler beruht. Nach Ablauf der vorstehenden Frist ist die Geltendmachung ausgeschlossen.

…       

(4) Werden die Ansprüche beider Seiten aus dem Arbeitsverhältnis trotz Geltendmachung durch Bestreiten in Schriftform nicht erfüllt oder nur teilweise erfüllt, ist innerhalb einer Frist von zwei Monaten Klage zu erheben. Wird keine Klage erhoben, verfallen die Ansprüche.“

Das Arbeitsverhältnis wurde zunächst mit der D.T. AG begründet und ging dann im Wege eines Betriebsüberganges anlässlich der Ausgründung der Servicegesellschaften im Jahr 2007 mit Wirkung zum 25.06.2007 auf die Beklagte unter ihrem damaligen Firmennamen „D.T. N. GmbH“ über. Der Betriebsübergang wurde von dem Tarifvertrag TV SR DTNP begleitet, der auf die, vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitsverhältnisse, anzuwenden ist.

Aufgrund einer erfolgreichen Bewerbung des Klägers auf eine bei der D.T. AG im Bereich der sogenannten Technikzentren ausgeschriebenen Teamleiterposition wechselte der Kläger anschließend wieder zurück zur D.T. AG und wurde dort als Teamleiter in einem Technikzentrum beschäftigt.

Der Vorstand der D.T. AG sowie die zuständige Gewerkschaft Verdi vereinbarten im Rahmen eines Beschäftigungsbündnisses Beschäftigungssicherungsmaßnahmen, die letztlich im TV BB ihren Niederschlag fanden. Eine der beschäftigungssichernden Regelungen des TV BB war die mit Wirkung ab dem 01.03.2004 mit Teilentgeltausgleich umgesetzte Verkürzung der regelmäßigen tarifvertraglichen Wochenarbeitszeit von ehemals 38 Stunden auf 34 Stunden. Seit dem 01.03.2004 galt bei der D.T. AG dementsprechend eine reguläre tarifliche Wochenarbeitszeit von 34 Stunden.

Nach Maßgabe der Ausnahmeregelung in § 4 TV BB sowie § 11 Abs. 2 MTV DTAG konnten jedoch einzelne Arbeitnehmer oder besondere Arbeitnehmergruppen von dieser Wochenarbeitszeitverkürzung ausgenommen werden. Als Kompensation für den diesen Beschäftigten zukommenden Vorteil einer höheren Vergütung wurde gemäß § 5 Abs. 8 des bei der DTAG geltenden Arbeitszeitkontotarifvertrages aus den Arbeitszeitkonten der von der Wochenarbeitszeitverkürzung ausgenommenen Arbeitnehmer zu Beginn eines jeden Kalendermonats 4 Stunden und 20 Minuten herausgebucht.

Von dieser Möglichkeit machte die D.T. in Bezug auf den Kläger Gebrauch, sodass der Kläger von der Wochenarbeitszeitverkürzung ausgenommen war und für ihn eine 38- Stundenwoche galt.

Mit Wirkung zum 01.12.2008 ging das Arbeitsverhältnis des Klägers anlässlich einer weiteren konzerninternen Umorganisation, welche die Überführung der Technikzentren der D.T. AG auf die Beklagte zum Gegenstand hatte, erneut im Wege eines weiteren Betriebs- übergangs auf die Beklagte über. Dieser Betriebsübergang wurde durch einen Überleittarifvertrag vom 15.11.2008 „Tarifeinigung zur Überführung der Technikzentren von der D.T. AG auf die D.T. N. GmbH“ (im Folgenden: Tarifeinigung) begleitet. Im Rahmen der Tarifeinigung wurde die tarifliche Wochenarbeitszeit für alle Arbeitnehmer auf 38 Stunden festgesetzt. Zugleich wurde das bisher nach den Tarifregelungen der DTAG gezahlte Entgelt der Arbeitnehmer unter Beibehaltung ihrer individuellen Eingruppierung nach § 12 TV SR DTNP in ein Jahreszielentgelt i.S.d. § 4 des Entgeltrahmentarifvertrages der Beklagten (im Folgenden: ERTV DT NP) umgerechnet. Das Jahreszielentgelt setzte sich aus der Jahressumme der bislang gezahlten Monatsentgelte, dem sogenannten Leistungs- bzw. ergebnisbezogenen Entgelt auf Jahresbasis sowie etwaigen Zulagen zusammen.

Da die von der Wochenarbeitszeitverkürzung ausgenommenen Arbeitnehmer somit ein höheres Jahreszielentgelt bezogen, vereinbarten die Tarifvertragsparteien unter Abschnitt 2 der Tarifeinigung die Überleitregelungen des TV SR DTNP aus dem Jahr 2007.

Die Umstellungsregelung zur Wochenarbeitszeit trifft § 10 des TV SR DTNP. Die Vorschrift hat folgenden Wortlaut:

„Bei Arbeitnehmern, deren Wochenarbeitszeit am 24.06.2007 gemäß § 11 Abs. 2 MTV DTAG 38 Stunden betrug, werden in der DTNP zu Beginn eines Kalendermonats obligatorisch 10 Stunden und 52 Minuten aus dem Arbeitszeitkonto herausgebucht. Stehen die technischen Voraussetzungen hierfür am 25.06.2007 noch nicht zur Verfügung, erfolgt, das Herausbuchen für die seit diesem Datum vollendeten Kalenderwochen rückwirkend.“

Mit Schreiben vom 15.12.2008 wies die Beklagte den Kläger auf die Möglichkeit hin, einen Antrag dahingehend zu stellen, künftig ausschließlich auf Basis einer Wochenarbeitszeit von 38 Stunden ohne zusätzliche Abbuchung vom Arbeitszeitkonto zu arbeiten. In diesem Fall wäre der Kläger so behandelt worden, als hätte für ihn vor dem Betriebsübergang eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 34 Stunden gegolten.

Der Kläger machte von dieser Antragsmöglichkeit keinen Gebrauch. In der Folgezeit buchte die Beklagte dann jeweils monatlich 10 Stunden und 52 Minuten aus dem Arbeitszeitkonto heraus und brachte diese Zeit vom Arbeitszeitguthaben in Abzug.

Das Jahreszielentgelt tariflicher Arbeitnehmer bestimmt sich bei der Beklagten nach § 4 des ERTV DTNP. Nach dieser Vorschrift existieren bei der Beklagten sogenannte Gehaltsbänder. Je Entgeltgruppe wird für das Jahreszielentgelt eine tarifliche Unter- und Obergrenze bei einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit gemäß § 11 Abs. 1 im MTV DTNP festgelegt, innerhalb derer sich das Jahreszielentgelt der Arbeitnehmer bewegt. Allgemeine tarifliche Entgelterhöhungen wirken sich unmittelbar auf den Wert der Bandunter- und Obergrenzen der Entgeltgruppen aus und erhöhen das individuelle Jahreszielentgelt eines Arbeitnehmers linear in voller prozentualer Höhe. Entsprechendes gilt für Höhergruppierungen. Dabei haben Arbeitnehmer, abhängig von dem Zeitraum ihrer Zuordnung zu jeweiligen Entgeltgruppe, Anspruch auf eine erhöhte tarifliche Absicherung im Gehaltsband. Ist die erhöhte tarifliche Absicherung in Höhe von 115 % des Bandwertes erreicht, erhöht sich das Jahreszielentgelt eines Arbeitnehmers innerhalb derselben Entgeltgruppe in der Regel lediglich noch infolge allgemeiner tariflicher Entgelterhöhung.

Aufgrund einer Neubewertung seiner Teamleiterfunktion wurde der Kläger mit Wirkung zum 01.02.2011 in Entgeltgruppe 9 des BRTV DTNP höhergruppiert. Mit Wirkung zum 01.01.2015 erhielt der Kläger schließlich in der Entgeltgruppe 9 die erhöhte tarifliche Absicherung § 4 Abs. 10 BRTV DTNP in Höhe von 115 % der Banduntergrenze. Sein Jahreszielentgelt wurde dementsprechend auf 64.754 € angehoben. Eine Gegenüberstellung der Entgeltentwicklungen führt zu dem Ergebnis, dass der Kläger auch bei Stellung eines entsprechenden Antrages auf Behandlung als Arbeitnehmer mit einer 34 Stundenwoche, das gleiche Vergütungsniveau zum 01.01.2015 erreicht hätte, mit der Konsequenz, dass sich die Vergütungshöhe ab diesem Zeitpunkt linear vollzogen hätte.

Mit Schreiben vom 10.02.2016 machte der Kläger gegenüber der Beklagten Ansprüche auf Zahlung und Unterlassung geltend. Mit E-Mail Schreiben vom 16.03.2016 wies die Beklagte die Ansprüche des Klägers zurück. Eine klageweise Geltendmachung der Ansprüche erfolgte im weiteren Verlauf nicht. Mit anwaltlichem Schreiben vom 01.08.2016 erfolgte eine weitere schriftliche Geltendmachung der Ansprüche mit Fristsetzung bis zum 15.08.2016. Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten wiesen die Ansprüche mit Schreiben vom 02.11.2016 zurück.

Mit seiner am 16.06.2017 bei Gericht eingegangenen Klage, verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter.

Der Kläger wendet sich gegen den monatlichen Abzug von 10 Stunden und 52 Minuten. Dieser Stundenabzug sei sachlich nicht mehr gerechtfertigt und führe zu einer Benachteiligung, gegenüber Mitarbeitern, die nicht aus der Wochenarbeitszeitverkürzung herausgenommen worden seien, da aufgrund der tariflichen Entgeltsystematik eine Angleichung der Vergütungshöhen zum 01.01.2015 erfolgt sei. Ab diesem Zeitpunkt komme es zu einer Ungleichbehandlung, weil er anders als die Mitarbeiter mit der Wochenarbeitszeitverkürzung, infolge des Stundenabzuges unbefristet gezwungen sei, über 40 Stunden wöchentlich für die gleiche Vergütung einer 38-Stundenwoche zu arbeiten, wodurch sich faktisch auch sein Stundenlohn verringere. Der Stundenabzug sei ursprünglich implementiert worden, um die nur unvollständige Entgeltkompensierung der Mitarbeiter mit ehemals wöchentlicher Stundenreduzierung auszugleichen und eine gerechte tarifliche Entgeltentwicklung zu herzustellen. Von den Tarifvertragsparteien sei aber übersehen worden, dass der Stundenabzug spätestens dann enden müsse, wenn durch die Anwendung der tariflichen Entgeltvorschriften eine Angleichung der Vergütung erfolgt sei. Eine solche Ungleichbehandlung widerspreche sowohl dem Sinn und Zweck der Vorschrift, Entgeltgerechtigkeit herzustellen, als auch dem Willen der Tarifvertragsparteien, deren Bestreben darauf gerichtet gewesen sei, im Rahmen der Umstrukturierungen Entgeltungerechtigkeiten zu vermeiden. Selbst bei gegenteiliger Auffassung schulde die Beklagte die geltend gemachten Zahlungen zumindest unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes. Die Beklagte habe im Hinblick auf die komplexen und nicht durchsichtigen Vorschriften ihre Hinweis- und Aufklärungspflicht verletzt. Sie habe verschleiert, dass sich der mit einem 38 Stundenbasis erfolgten Start in die Entgeltentwicklungen verbunden Vorteil im Laufe der Fortentwicklung des Arbeitsverhältnisses zu einem Nachteil entwickle. Insofern habe die Beklagte die Intransparenz des neu eingeführten Entgeltsystems zu ihrem Vorteil ausgenutzt. Schließlich könne sich die Beklagte auf nicht auf die tariflichen Ausschlussfristen berufen, da es sich um Ansprüche aus dem laufenden Arbeitszeitkonto handele und die entsprechende Regelung gegen § 3 S. 1 MiLoG verstoße.

Der Kläger beantragt,

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.167,81 € brutto nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.06.2017 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger 4.173,92 € brutto nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.06.2017 zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, monatlich 10 Arbeitsstunden und 52 Arbeitsminuten aus dem Arbeitszeitkonto gemäß § 10 Abs. 2 TV SR DTNP i.V.m. § 11 Abs.2 MTV DTAG heraus zu buchen und vom Arbeitszeitguthaben in Abzug zu bringen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger neue Abrechnungen seines Arbeitszeitkontos ab dem 01.01.2015 zu erteilen, die einen Abzug von 10 Stunden und 52 Minuten vom Arbeitszeitguthaben Monat für Monat gemäß § 10 Abs. 2 TV SR DTNP i.V.m. § 11 Abs. 2 MTV DTAG nicht vornehmen.

5. Es wird festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, jeweils monatlich 10 Stunden und 52 Minuten vom Arbeitszeitkonto des Klägers gemäß § 10 Abs. 2 TV SR DTNP i.V.m. § 11 MTV DTAG heraus zu buchen und vom Arbeitszeitguthaben in Abzug zu bringen.

6. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 913,35 € brutto nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.09.2017 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hält die Ansprüche des Klägers für unbegründet. Der Stundenabzug erfolge rechtmäßig auf Grundlage der tariflichen Vorschriften. Es werde lediglich die Regelung angewandt, für die sich der Kläger im Rahmen des eingeräumten Wahlrechts entschieden habe. Dabei habe dem Kläger aufgrund des unmissverständlichen Wortlauts bewusst sein müssen, dass der tariflich vorgesehene Stundenabzug weder zeitlich noch durch eine sonstige Bedingung begrenzt war und sich durch die neue tarifliche Entgeltsystematik eine allmähliche entgeltliche Annäherung bei Arbeitnehmergruppen vollzog. Eine ergänzende Vertragsauslegung komme infolge des eindeutigen Wortlautes nicht in Betracht. Weder sei eine planwidrige Regelungslücke zu ermitteln, noch könne die Lücke in der vom Kläger beabsichtigten Weise geschlossen werden, da unklar bleibe, welche Regelungen die Tarifvertragsparteien bei einem vollständigen Ausgleich zuvor bestehender Entgeltungleichheiten getroffen hätten. Die Regelung diene einer Absicherung der individuellen Entgeltentwicklung jedes einzelnen Arbeitnehmers im Gehaltsband und zwar unabhängig von der Ausgangsvergütung im Zeitpunkt des Betriebsübergangs. Eine auf Vollkompensation ausgelegte Ausgleichssystematik sei mit der Regelung hingegen nicht verbunden. Hiergegen spreche bereits der pauschale Charakter der Vorschrift und die hiermit einhergehende Schwierigkeit, dass der Zeitpunkt der Angleichung auf zahlreichen Parametern beruhe und daher nicht exakt zu ermitteln sei. Darüber hinaus könne der Kläger die Zahlungsansprüche auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes verlangen. Eine besondere Hinweis- bzw. Aufklärungspflicht habe vorliegend nicht bestanden. Weder seien für den Kläger nachteilige Umstände verschleiert worden noch außerhalb der Tarifregelung liegende Umstände vorenthalten worden. Vielmehr hätte sich der Kläger vor Ausübung seines Wahlrechts entsprechend informieren müssen, etwa durch Einholung entsprechender Beratung seitens der Gewerkschaft oder des Betriebsrates. Dies gelte umso mehr, als dass sich der Inhalt des als fehlend gerügten Hinweises aus einer kollektivrechtlichen Regelung ergebe. Schließlich seien die Ansprüche aufgrund der tariflichen Ausschlussfristen überwiegend verfallen.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze einschließlich der Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

I.

Die zulässige Klage ist nur zum Teil begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung für die abgezogenen Stunden in Höhe von insgesamt 2.404,03 € brutto sowie auf Feststellung, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, jeweils monatlich 10 Stunden und 52 Minuten aus dem Arbeitszeitkonto gestützt auf § 10 Abs. 2 TV SR DTNP heraus zu buchen und vom Arbeitszeitkonto in Abzug zu bringen. Im Übrigen unterlag die Klage der Abweisung.

1. Die Klage ist zunächst zulässig. Für den Antrag zu 5. ist das erforderliche Feststellungsinteresse gegeben. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Die Feststellungsklage kann sich auf einzelne Bedingungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken (sog. Elementenfeststellungsklage). Eine Feststellungsklage setzt nach § 256 Abs. 1 ZPO ein rechtliches Interesse des Klägers daran voraus, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Es ist nur dann gegeben, wenn durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag der Streit insgesamt beseitigt und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt wird. Es fehlt, wenn durch die Entscheidung kein Rechtsfrieden geschaffen werden kann. Die Rechtskraft der Entscheidung muss weitere gerichtliche Auseinandersetzungen über die zwischen den Parteien strittigen Fragen um denselben Fragenkomplex ausschließen (st. Rspr., vgl. z.B. BAG v. 30.11.2016 - 10 AZR 673/15 AP Nr. 34 zu § 106 GewO).

Die vorstehenden Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Parteien streiten über die Frage, ob die Beklagte berechtigt ist, nach § 10 Abs. 2 TV SR DNTP monatlich 10 Stunden und 52 Minuten aus dem Arbeitszeitkonto des Klägers herauszubuchen und vom Arbeitszeitguthaben in Abzug zu bringen. Eine Entscheidung über den zur Entscheidung gestellten Feststellungsantrag ist daher grundsätzlich geeignet, den Streit der Parteien abschließend auch für die Zukunft zu klären. Er führt unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit zu einer sinnvollen und sachgemäßen Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte, sodass der Grundsatz der Subsidiarität zur Leistungsklage durchbrochen wird.

2. Die Klage ist im tenorierten Umfang begründet.

a. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Vergütung in Höhe von 2.404,03 € brutto zu, da die Beklagte den Stundenabzug vom Arbeitszeitkonto zumindest ab Januar 2017 zu Unrecht vorgenommen hat. Die weitergehenden Zahlungsansprüche sind aufgrund der zur Anwendung kommenden Ausschlussfristen in § 31 MTV verfallen.

aa. Die Vorschrift in § 10 Abs. 2 TV SR DTNP findet zunächst kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.

bb. Die Tarifvertragsparteien haben in § 10 Abs. 2 TV SR DTNP keine zeitliche Befristung des monatlichen Stundenabzugs für Arbeitnehmer - wie den Kläger - vorgesehen, deren Arbeitszeit zum Zeitpunkt des Betriebsüberganges auf die Beklagte bereits 38 Wochenstunden betrug. Die Vorschrift ist jedoch im Wege der teleologischen Reduktion dahingehend auszulegen, dass im Falle der Angleichung der Jahreszielentgelte beider Arbeitnehmergruppen die Regelung in § 10 Abs. 2 TV SR DTNP nicht mehr zur Anwendung kommt, da es andernfalls zu einer nicht hinnehmbaren Benachteiligung, der aus der Arbeitszeitverkürzung herausgenommenen Mitarbeiter kommt. Mit der teleologischen Reduktion, die zu den von Verfassung wegen anerkannten Auslegungsgrundsätzen gehört, wird der ausgehend vom Gesetzeszweck zu weit gefasste Wortlaut auf den Anwendungsbereich reduziert, welcher der ratio legis entspricht (vgl. BAG v. 13. November 2014 - 6 AZR 868/13, AP Nr. 13 zu § 131 InsO; Larenz/Canaris Methodenlehre der Rechtswissenschaft 3. Aufl. S. 210 f.; Kramer Juristische Methodenlehre 4. Aufl. S. 224 f.).

Grundsätzlich folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Soweit der Tarifwortlaut nicht unmissverständlich ist, ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mitzuberücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (st. Rspr. vgl. etwa BAG v. 27.07.2017- 6 AZR 701/16, EzA-SD 2017, Nr. 22, 16).

(1) Ausgehend vom Wortlaut der Regelung ist die Beklagte berechtigt, jeweils monatlich 10 Stunden und 52 Minuten vom Arbeitszeitkonto des Klägers heraus zu buchen und vom Arbeitszeitkonto in Abzug zu bringen. Eine zeitliche Einschränkung des monatlichen Stundenabzuges ist nicht vorgesehen.

(2) Bereits der tarifliche Gesamtzusammenhang und die tarifliche Entstehungsgeschichte sprechen jedoch für eine einschränkende Auslegung der Tarifnorm in § 10 Abs. 2 TV SR DTNP. Die streitige tarifliche Regelung ist letztlich auf den Tarifvertrag Beschäftigungsbündnis (TVBB) zurückzuführen. Durch den Tarifvertrag Beschäftigungsbedürfnis ist zwischen den Tarifvertragsparteien eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit in der D.T. AG von 38 Stunden auf 34 Stunden mit Teilentgeltausgleich zur Sicherung von 10.000 Arbeitsplätzen vereinbart worden. Die Reduzierung der Wochenarbeitszeit diente somit allein der Beschäftigungssicherung. Ein Ausgleich der mit der wöchentlichen Arbeitszeitverkürzung einhergehenden Entgeltreduzierung erfolgte nur teilweise, um eine ausgewogene und tragfähige Lösung für die Personalkostenprobleme zu schaffen und Versetzungen zu einer Transfergesellschaft des Konzerns zu vermeiden.

Aus der Wochenarbeitszeitverkürzung des TVBB wurden bestimmte Arbeitnehmergruppen herausgenommen. Dies betraf nach § 4 Abs. 2 TVBB einerseits Mitarbeiter, die aus Altersgründen besonders schutzwürdig waren, aber auch Arbeitnehmer, deren Ausnahme wegen der Art der Tätigkeit und ihrer Aufgaben aus betrieblicher Sicht sinnvoll und von Bedeutung war. Hieraus lässt sich der Schluss ziehen, dass auch der Herausnahme bestimmter Arbeitnehmergruppen beschäftigungssichernde Aspekte zugrunde lagen und Fremdeinstellungen vermieden werden sollten.

Im Rahmen der Überführung der Technikzentren der D.T. AG auf die jetzige Beklagte folgte eine einheitliche Anhebung der wöchentlichen Arbeitszeit von 34 auf 38 Stunden für alle Arbeitnehmer. Hierbei wurde das Bezugsentgelt aber weiterhin auf Grundlage einer 34 Stundenwoche ermittelt und durch Sonderregelungen sukzessive angehoben. Die Tarifvertragsparteien nahmen damit für eine Übergangszeit in Kauf, dass die betroffenen Mitarbeiter keine Vergütung beanspruchen konnten, die einer 38-Stundenwoche wertmäßig entsprochen hätte. Um ein ausgewogenes Verhältnis von Leistung und Gegenleistung und damit Entgeltgerechtigkeit herzustellen, entschieden sich die Parteien bezüglich der Arbeitnehmer, die aus der Wochenarbeitszeitverkürzung herausgenommen waren, mit § 10 Abs. 2 TV SR DTNP für eine Sonderreglung. Bei diesen Mitarbeitern hatte ein monatlicher Abzug von 10 Stunden und 52 Minuten aus dem Arbeitszeitkonto zu erfolgen. Ziel war es, Verwerfungen in der Entgeltgerechtigkeit zu vermeiden. Die Vorschrift sollte also Ungleichheiten und sachlich gerechtfertigte Vorteile kompensieren, die mit der Erhöhung der Wochenarbeitszeit von 34 auf 38 Stunden verbunden waren. Der Regelungszweck des TVBB wirkt demnach in die tarifliche Gegenwart fort und beeinflusst maßgeblich die Auslegung der streitgegenständlichen Tarifnorm, da deren ratio legis aus der tariflichen Gesamthistorie herzuleiten ist.

Selbst wenn die Norm nach Auffassung der Beklagten daneben eine Absicherung der individuellen Entgeltentwicklung jedes einzelnen Arbeitnehmers im Gehaltsband, und zwar unabhängig von der Ausgangsvergütung des Arbeitnehmers im Zeitpunkt des Betriebsüberganges bezweckt, liegt der Regelung als Leitmotiv die Herstellung von Entgeltgerechtigkeit im Zuge der Anhebung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 38 Stunden zugrunde. Dies zeigt sich insbesondere an der teleologischen Verknüpfung zwischen dem in der streitigen Norm geregelten Stundenabzug, der von der Arbeitszeitverkürzung herausgenommenen Mitarbeiter, und dem Sicherungsinstrument des vorgesehenen Teilentgeltausgleichs für die hiervon betroffenen Mitarbeiter. Gerade weil die von der Arbeitszeitverkürzung betroffenen Mitarbeiter keine vollständige Kompensation ihres Arbeitsentgelts bei der Erhöhung der Wochenarbeitszeit erhielten, war es gerechtfertigt, den Mitarbeitern, die aus der Arbeitszeitverkürzung herausgenommen waren, eine höhere Arbeitszeit, als die tarifvertragliche Arbeitszeit von 38 Stunden zuzumuten. Beide Sicherungsmaßnahmen sind untrennbar miteinander verbunden und bedingen einander. Ohne die Anhebung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 38 Stunden und die hiermit nur schrittweise einhergehende Erhöhung des Entgelts für die von der Arbeitszeitverkürzung betroffenen Mitarbeiter, ergäbe die Regelung in § 10 Abs. 2 TV SR DTNP keinen Sinn.

(3) Sinn und Zweck des § 10 Abs. 2 TV SR DTNP ist die Herstellung eines ausgewogenen und gerechten Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung. Die Vorschrift stellt sicher, dass die erhöhte Vergütung der bereits zuvor auf Basis von 38 Stunden beschäftigten Arbeitnehmer mit einer erhöhten Arbeitszeit einhergeht. Im Zusammenspiel mit der wöchentlichen Erhöhung der Arbeitszeit von 34 auf 38 Stunden bei den Mitarbeitern mit Arbeitszeitverkürzung, kommt es sukzessive zu einer wertmäßigen Angleichung der unterschiedlichen tariflichen Entgeltentwicklungen.

Zu Recht weist der Kläger darauf hin, dass eine allein am Wortlaut haftende Auslegung von § 10 Abs. 2 TV SR DTNP dem Sinn und Zweck der tariflichen Regelung nicht in Einklang zu bringen ist. Die von Tarifvertragsparteien gewollte Entgeltgerechtigkeit wurde ins Gegenteil verkehrt werden, wenn eine Abbuchung auch dann noch erfolgen könnte, wenn es - wie hier - etwa infolge rein individualrechtlich wirkender Faktoren zu einer Angleichung der Jahreszielentgelte der Beschäftigungsgruppen kommt. In diesem Fall müsste der Kläger als betroffener Arbeitnehmer auch zukünftig über 40 Stunden in der Woche für das Jahreszielentgelt arbeiten, das ein vergleichbarer Arbeitnehmer mit 38 Stunden in der Woche erzielen würde. Eine zeitliche Begrenzung wäre nicht vorgesehen, so dass der Abzug bei unverändertem Fortbestand des Tarifwerks grundsätzlich bis zum Renteneintritt erfolgen könnte. Dies würde für den Kläger bedeuten, dass er im ungünstigsten Fall ca. 15 bis 16 weitere Jahre für die gleiche Vergütung schlicht länger als 40 Stunden wöchentlich arbeiten müsste, als Mitarbeiter, deren Arbeitszeit im Zuge des Betriebsüberganges erst auf 38 Stunden angehoben wurde.

Vor diesem Hintergrund erscheint der monatliche Stundenabzug nur solange gerechtfertigt, wie die Jahreszielentgelte der jeweiligen Arbeitnehmergruppen nicht angeglichen sind. Andernfalls würde durch die Regelung im Falle der Vergütungsangleichung ein Zustand der Ungleichbehandlung zeitlich unbegrenzt perpetuiert.

Dieser Auslegung steht auch nicht das seitens der Beklagten angeführte „Wahlrecht“ aus der Protokollnotiz zu § 10 Abs. 2 TV SR DTNP entgegen. Die Protokollnotiz sieht vor, dass auf Antrag eines Arbeitnehmers geprüft werden kann, ob unter Berücksichtigung der betrieblichen Belange der Arbeitnehmer so behandelt werden kann, als ob für ihn im Monat der Erfassung von § 1 eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 34 Stunden gegolten hätte. Ein einschränkungsloses Wahlrecht wird dem Arbeitnehmer hierdurch nicht eingeräumt, da die Bewilligung letztlich unter der Bedingung der Zustimmung der Beklagten steht. Zum anderen lässt die Protokollnotiz nicht den Schluss darauf zu, dass die Tarifvertragsparten bei der Entgeltsystematik von Beginn an einen einschränkungslosen und unbegrenzten Stundenabzug hätten etablieren wollen. Vielmehr sollte den Arbeitnehmern die grundsätzliche Möglichkeit eröffnet werden, zunächst für sich zu entscheiden, ob sie Einschnitte bei der Vergütung oder eine längere wöchentliche Arbeitszeit hinnehmen wollten.

Der mit einem Start in die Entgeltentwicklung verbundene Vorteil eines höheren Verdienstes der von der Wochenarbeitszeitverkürzung herausgenommen Arbeitnehmer, sollte langsam abgeschmolzen werden, nicht aber wieder ins Gegenteil verkehrt werden. Hierfür spricht nicht zuletzt, dass die Vorschrift letztlich darauf ausgelegt ist, dass eine sukzessive Entgeltangleichung allein infolge tariflicher Entgelterhöhungen erfolgt, ohne dass individualrechtlich zu berücksichtigende Umstände hinzutreten und die Vergütungshöhe beeinflussen. Die Entgeltannäherung sollte nach dem Willen der Tarifvertragsparteien sukzessive und damit über einen langen Zeitraum erfolgen. Bei einer rein am Wortlaut haftenden Auslegung würden sich diese, grundsätzlich zum Vorteil des Arbeitnehmers auswirkenden, individuellen Umstände, bei einer vergleichenden Betrachtungsweise nachteilig auf dessen Entgeltentwicklung auswirken. Der Zeitpunkt der Angleichung der Entgeltentwicklungen würde vorverlagert, mit der Konsequenz, dass der betroffenen Arbeitnehmer ggf. über einen erheblichen Zeitraum monatlich Arbeitsstunden ohne Entgeltausgleich erbringen müsste, wodurch sein Stundenlohn faktisch hinter dem Stundenlohn der zu vergleichenden Beschäftigtengruppe zurückbliebe.

Es kann aber nicht unterstellt werden, dass die Tarifvertragsparteien eine derart unbillige Entgeltsystematik vereinbart hätten. Grundsätzlich sind tarifliche Regelungen stets vom Bestreben der Tarifvertragsparteien gekennzeichnet, Ungerechtigkeiten zu vermeiden und Entgeltgerechtigkeit herbeizuführen.

Der Einwand der Beklagten, die Regelung ziele in erste Linie auf einen Ausgleich von Ungleichheiten bei der Arbeitszeit der beiden Arbeitnehmergruppen aus, steht dem hier gefundenen Auslegungsergebnis nicht entgegen. Denn die Regelung wirkt sich auch bei einem derartigen Verständnis der Norm gleichermaßen unmittelbar auf die Vergütung der Beschäftigtengruppen aus. Es hätte der Vorschrift als „reine Arbeitszeitregelung“ nicht bedurft, da die von Arbeitszeitverkürzung herausgenommen Arbeitnehmer zum jour fix ohnehin bereits in einer 38-Stundenwoch tätig waren. Insofern zielt die Tarifnorm primär auf die Herstellung von Entgeltgerechtigkeit, die durch den vereinbarten Stundenabzug und die damit einhergehende Kompensation der Vergütungsnachteile auf Seiten der von der Arbeitszeitverkürzung betroffenen Mitarbeiter vollzogen werden soll.

Vor diesem Hintergrund ist eine einschränkende Auslegung der Norm angezeigt. Die Anwendung der Vorschrift ist dementsprechend auflösend bedingt bis zu dem Zeitpunkt, zu dem bei einer fiktiven Betrachtung ein dieser Regelung nicht unterfallender Arbeitnehmer aufgrund der tariflichen Entgeltsystematik das gleiche Jahreszielentgelt erreicht und damit ein Vergütungsgleichstand eintritt.

Hierdurch wird dem Sinn und Zweck der Regelung ausreichend Rechnung getragen und eine dauerhafte Manifestation einer nicht gerechtfertigten, ungleichen Entgeltentwicklung entgegengewirkt.

cc. Die Ansprüche sind jedoch aufgrund der tariflichen Ausschlussfrist in § 31 MTV verfallen, soweit sie den Zeitraum bis Dezember 2016 betreffen.

(1) Die Ausschlussfristenregelung findet auf die streitgegenständlichen Ansprüche auf Zahlung der abgezogenen Stunden Anwendung.

Ein Anspruch ist regelmäßig erst dann im Sinne einer Ausschlussfrist fällig, wenn der Gläubiger ihn annähernd beziffern kann. Die Forderung muss in ihrem Bestand feststellbar sein und geltend gemacht werden können. Bei Führung eines Arbeitszeitkontos kann der Arbeitnehmer etwaige Ansprüche ggf. einer Mitteilung des Arbeitgebers über den Stand des Kontos entnehmen (vgl. zur Vergleichbarkeit mit einer Lohnabrechnung BAG v. 28.07.2010 - 5 AZR 521/09, AP Nr. 195 zu § 4 TVG Ausschlussfristen). Hängt das Bestehen von Ausgleichsansprüchen einer Vertragspartei allerdings nach der Ausgestaltung der Kontoführungsregelungen von dem Kontostand zu einem bestimmten Abrechnungszeitpunkt ab, so ist vorher nicht feststellbar, ob entsprechende Ansprüche bestehen. Der Sinn eines Arbeitszeitkontos besteht typischerweise gerade in der Flexibilisierung der Arbeitszeit, die es gestattet für einen bestimmten Zeitraum Plus- oder Minusstunden anzusammeln und erst zu einem bestimmten Stichtag oder bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Bilanz zu ziehen. Hiervon zu unterscheiden ist jedoch der Streit, ob bestimmte Zeiten - zB Mehrarbeit - zu Unrecht nicht in das Arbeitszeitkonto eingebucht wurden. Etwaige Ansprüche auf Gutschrift solcher Stunden bestehen unabhängig von dem Ausgleichszeitraum, denn sie wirken sich auf jedweden Saldo zum Abrechnungsstichtag aus (vgl. BAG v. 31.07.2014 - 6 AZR 759/12, EzA-SD 2014, Nr. 26, 11).

Gleichermaßen verhält es sich hier. Streitgegenstand ist kein zu einem bestimmten Zeitpunkt abzurechnender oder auszugleichender Saldo, sondern der monatlich gleichbleibende Abzug von 10 Stunden und 52 Minuten. Er wirkt sich bei der Saldierung in jedem Fall zu Lasten des Klägers aus. Der Abrechnungszeitraum nach § 6 Abs. 1 TV Azk hat daher keine Bedeutung für die Fälligkeit des Ausgleichsanspruchs. Die Kläger konnte die Wiedergutschrift der zu Beginn eines jeden Kalendermonats herausgebuchten Stunden sofort im ebenfalls monatlichen Turnus verlangen (§ 271 Abs. 1 BGB). Dies war ihm auch möglich, da er Kenntnis von den monatlich vorgenommenen Minusbuchungen hatte, die hinsichtlich Höhe und Zeitpunkt stets konstant erfolgten.

Die streitgegenständlichen Ansprüche sind daher nach § 31 Abs. 1 MTV für den Zeitraum bis einschließlich Dezember 2016 verfallen. Die gerichtliche Geltendmachung vom 16.06.2017 hat die sechsmonatige Ausschlussfrist nur für die Ansprüche ab Januar 2017 gewahrt. Entsprechend der Herausbuchung zu Beginn des Monats Dezembers 2016 wären die daraus folgenden Ansprüche bis Anfang Juni 2017 geltend zu machen gewesen. Folgerichtig sind auch die Ansprüche für die vorherigen Monate nicht rechtzeitig geltend gemacht worden.

(2) Die tarifliche Ausschlussklausel ist nicht gemäß § 3 Satz 1 MiLoG i.V.m. § 134 BGB insgesamt unwirksam, weil sie keine Ausnahme für den gesetzlichen Mindestlohn vorsieht.

Allerdings sind Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, nach der zitierten Bestimmung unwirksam. Dem Wortlaut nach beschränkt § 31 des MTVG die Geltendmachung des Mindestlohns. Die Bestimmung unterscheidet nicht zwischen Mindestlohn und sonstigen Ansprüchen.

Soweit die Klausel etwaige Ansprüche auf Mindestlohn erfasst, ist sie daher unwirksam. Diese Wirkung umfasst indes nicht die gesamte Klausel, sondern lediglich die Anwendung auf Mindestlohnansprüche. Das Ziel des Gesetzgebers war es u.a., die Arbeitnehmer vor unangemessen niedrigen Löhnen zu schützen. Ein Instrument der Durchsetzungsfähigkeit ist die Regelung des § 3 MiLoG, der den Anspruch auf Mindestlohn sichern und den Arbeitnehmer vor missbräuchlichen Konstruktionen bewahren soll (vgl. BT-Drucksache 18/1558). Dagegen war es nicht das Anliegen des Gesetzgebers, Ausschlussklauseln generell zu unterbinden. Dies ergibt sich aus der eindeutigen Formulierung des Gesetzes. Der Begriff „insoweit“ schränkt die Rechtsfolge ‒ die Unwirksamkeit einer entsprechenden, den Mindestlohn gefährdenden Regelung ‒ ein und begrenzt sie auf diesen Fall. Dies entspricht dem am Regelungszweck orientierten Übermaßverbot. Eine andere Auslegung wäre im Hinblick auf das rechtsstaatliche Prinzip der Gewaltenteilung bedenklich (vgl. zu einzelvertraglicher Ausschlussfrist LAG Nürnberg v. 09.05.2017 - 7 Sa 560/16, EzA-SD 2017, Nr. 21, 12).

Die Ausschlussfrist wirkt kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahmeklausel. Eine Inhaltskontrolle der tariflichen Ausschlussfrist findet nicht statt. Wird in Arbeitsverträgen insgesamt auf Tarifverträge Bezug genommen, hat eine Inhaltskontrolle der einzelnen tariflichen Regelungen nicht zu erfolgen, weil diese gemäß § 307 Abs. 3 S. 1 BGB nur bei einer Abweichung von Rechtsvorschriften stattfindet. Tarifverträge stehen gemäß § 310 Abs. 4 S. 3 BGB Rechtsvorschriften im Sinne von § 307 Abs. 3 BGB gleich (vgl. etwa BAG v. 18.09.2012 - 9 AZR 1/11, AP Nr. 96 zu § 7 BUrlG Abgeltung ).

Die zwischen den Parteien vereinbarte Vergütung liegt weit über dem Mindestlohn. Zwar handelt es sich bei der abgezogenen Arbeitszeit um vergütungspflichtige Stunden und damit um Arbeitsentgelt, das jedenfalls in Höhe des Mindestlohns geschuldet wird und deshalb auch nicht eingeschränkt werden kann. Die geltend gemachten Stunden können indes nicht isoliert von der im Übrigen gezahlten Vergütung betrachtet werden. Vielmehr ist insoweit § 2 Abs. 2 S. 1 MiLoG anzuwenden, d.h., soweit die verstetigt gezahlte Vergütung für die Zeiträume, in denen die nicht vergüteten Stunden geleistet worden sind, den Mindestlohnanspruch bereits erfüllt haben, besteht kein gesonderter Anspruch auf einen Mindestlohn. So liegt der Fall hier. Selbst bei Hinzuaddierung weiterer 10,52 Stunden monatlich, liegt der dem Kläger gezahlte Stundenlohn mit 26,64 € brutto noch weit über dem Mindestlohn.

(3) Eine Nichtigkeit der tariflichen Ausschlussfrist folgt auch nicht aus § 202 Abs. 1 BGB i.V.m. § 134 BGB.

Bei der tariflichen Ausschlussfrist in § 31 Abs. 1 MTV handelt es sich um eine „global“ gefasste Regelung, die nach dem Wortlaut sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erfasst und somit Schadensersatzansprüche gleich welcher Art nicht ausnimmt. Zwar werden somit regelmäßig auch Ansprüche wegen vorsätzlicher Pflichtverletzungen i.S.d. § 202 BGB erfasst, die Regelung ist aber im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur insoweit unwirksam, wie diese auch durch vorsätzliches Handeln der Beklagten selbst verursachte Ansprüche miteinbezieht (vgl. etwa BAG v. 26.09.2013 - 8 AZR 1013/12, AP Nr. 204 zu § 4 TVG Ausschlussfristen). Anhaltspunkte für ein vorsätzliches Handeln der Beklagten vermochte der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger jedoch nicht darzulegen. Stereotype Formulierungen wie „Verschleierung“, bleiben bezogen auf ein vorsätzliches Handeln ohne die notwendige Substanz.

dd. Der Höhe nach stehen dem Kläger daher für die Monate Januar bis Mai 2017 ein Anspruch in Höhe von 1.490,68 € brutto und für die Monate Juni bis August 2017 in Höhe von 913,35 € brutto zu.

b. Es braucht an dieser Stelle nicht entschieden zu werden, ob der Kläger seine Ansprüche auch unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung vertraglicher Nebenpflichten gemäß der §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB herleiten kann. Denn selbst wenn ein derartiger Anspruch zu Gunsten des Klägers unterstellt würde, wäre dieser der Höhe nach im gleichen Umfang aufgrund der tariflichen Ausschlussfristen verfallen.

c. Der Zinsanspruch des Klägers ergibt sich aus den §§ 288, 291 BGB.

d. Der Feststellungsantrag ist begründet, da die Vorschrift in § 10 Abs. 2 TV SR DTNP nach obigen Ausführungen derart auszulegen ist, dass sie im Falle einer Angleichung der beiden tariflichen Entgeltsysteme der Arbeitnehmergruppen nicht mehr zur Anwendung kommt. Der Kläger kann daher Feststellung von der Beklagten verlangen, dass diese nicht berechtigt ist, monatlich 10 Stunden und 52 Minuten aus seinem Arbeitszeitkonto heraus zu buchen und vom Arbeitszeitguthaben in Abzug zu bringen.

3. Demgegenüber unterliegt die Klage der Abweisung, soweit der Kläger Unterlassung und die Erteilung „neuer Abrechnungen“ seines Arbeitszeitkontos verlangt.

a. Das Anspruchsbegehren wurde nicht näher begründet, sodass nicht ersichtlich ist, woraus der Kläger einen Unterlassungsanspruch konkret herleitet. Auf § 1004 BGB analog kann sich der Kläger nicht berufen, weil vorliegend ausschließlich das Vermögen des Klägers betroffen ist und § 1004 BGB nur absolute Rechte schützt. Darüber hinaus lässt sich dem Vortrag des Klägers nicht entnehmen, inwieweit die Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruches vorliegend erfüllt sind.

b. Ein Anspruch auf Erteilung „neuer Abrechnungen“ des Arbeitszeitkontos ab dem 01.01.2015 ist ebenfalls nicht schlüssig dargelegt. Es ist bereits nicht erkennbar, was der Kläger im Einzelnen von der Beklagten verlangt und aufgrund welcher rechtlichen Grundlage. Im Rahmen eines Arbeitszeitkontos werden in der Regel keine „Abrechnungen“ erteilt, sondern Auszüge. Der Antrag muss aber derart bestimmt sein, dass der Arbeitgeber weiß, was er zu tun hat. Hieran fehlt es, da § 108 GewO jedenfalls keinen Anspruch auf korrigierte Abrechnungen zubilligt. Ungeachtet dessen wäre ein derartiger Anspruch jedenfalls bis Dezember 2016 aufgrund der tariflichen Ausschlussfristen verfallen.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG, 92 Abs. 1 ZPO. Danach wa-ren die Kosten entsprechend der Gewinn- und Verlustquoten verhältnismäßig aufzuteilen.

III.

Der Streitwert war gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen. Dabei wurde der Nennwert der Zahlungsanträge zugrunde gelegt. Für die Anträge zu Ziffer 2. und 5. wurde einheitlich der 36-fache Betrag der monatlich abgezogenen Stunden als Wert in Ansatz gebracht und der Antrag zu Ziffer 3. wurde mit jeweils 5 % der monatlichen Differenzforderung pro Abrechnung bewertet.

IV.

Die Berufung war gemäß § 64 Abs. 3 Ziffer 2. b) ArbGG gesondert zuzulassen.