SG Oldenburg, Urteil vom 05.04.2018 - S 63 KR 163/16
Fundstelle
openJur 2020, 9116
  • Rkr:

Ist das Übergangsgeld nach § 48 SGB IX berechnet worden, ist bei der Bestimmung der beitragspflichtigen Einnahmen nach § 235 Abs. 1 Satz 1 SGB V die Berechnungsgrundlage, nach der sich das Übergangsgeld berechnet, zugrunde zu legen.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Höhe des für den Zeitraum vom 20. April 2015 bis 31. Juli 2015 gewährten Krankengeldes.

Der Kläger nahm im März 2015 an einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben der Deutschen Rentenversicherung Bund (im Folgenden: Rehabilitationsmaßnahme) teil und war bei der Beklagten nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) versichert.

Der Bewilligungsbescheid vom 11. Dezember 2014 wurde mit weiterem Bescheid vom 15. April 2015 aufgrund eingetretener Arbeitsunfähigkeit des Klägers ab dem 09. März 2015 vorzeitig widerrufen. Die Rehabilitationsmaßnahme wurde zum 19. April 2015 beendet.

Für den Zeitraum der Teilnahme an der Rehabilitationsmaßnahme gewährte die Deutsche Rentenversicherung Bund dem Kläger mit Bescheid vom 17. März 2015 Übergangsgeld in Höhe von kalendertäglich 50,94 Euro. Die Berechnung erfolgte nach § 48 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) in der bis zum 31. Dezember 2017 gültigen Fassung (a.F.), weil der sich aus der Vergleichsberechnung nach den §§ 46, 47 SGB IX a.F. ergebende Betrag lediglich 50,71 Euro betrug.

Dabei legte sie der Berechnung ein monatliches tarifliches Arbeitsentgelt von brutto 3.241,13 Euro zugrunde. Vervielfältig mit 12 Monaten und erhöht um zusätzliche Entgeltanteile/Einmalzahlungen von jährlich 2.592,90 Euro ergab sich ein jährliches Arbeitsentgelt von 41.486,46 Euro. Der 65%-ige auf 360 Tage aufgeteilte Betrag von 74,91 Euro stellte die Berechnungsgrundlage dar. Das Übergangsgeld betrug 68 Prozent der Berechnungsgrundlage (74,91 Euro x 68% = 50,94 Euro).

Die Beklagte zahlte dem Kläger für den Zeitraum vom 20. April 2015 bis 31. Juli 2015 Krankengeld, welches sie mit Bescheid vom 07. Juli 2015 auf brutto 41,95 Euro bzw. netto 37,54 Euro bezifferte. Sie ging hierbei von einer Bemessungsgrundlage von 74,91 Euro aus. Das Regelentgelt für die Berechnung von Krankengeld betrage 80 v.H. der Berechnungsgrundlage (59,93 Euro). Die Höhe des Krankengeldes betrage 70 v.H. dieses Regelentgelts (41,95 Euro brutto).

Mit Schreiben vom 30. Juli 2015 erhob der Kläger gegen den Bescheid vom 07. Juli 2015 Widerspruch. Die Beklagte beziehe sich bei der Berechnung des Krankengeldes auf die Bemessungsgrundlage aus dem Übergangsgeldbescheid. Richtig sei, dass der kalendertägliche Betrag maßgeblich sei, der zuletzt vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit für die Beitragsbemessung aus Arbeitseinkommen maßgeblich gewesen sei. Dieser solle für die Berechnung herangezogen werden, nicht hingegen der kalendertägliche Betrag, der zuletzt vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit für die Beitragsbemessung hinsichtlich des Übergangsgeldes maßgebend gewesen sei.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 03. Mai 2016 als unbegründet zurück. Nach § 47 Abs. 1 S. 1 SGB V betrage das Krankengeld 70 Prozent des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgeltes und Arbeitseinkommens, soweit es der Beitragsberechnung unterliege (Regelentgelt). Für Versicherte, die nicht Arbeitnehmer seien, gelte gemäß § 47 Abs. 4 Satz 2 SGB V als Regelentgelt der kalendertägliche Betrag, der zuletzt vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit für die Beitragsbemessung maßgebend gewesen sei (Urteil vom 5. Mai 2009, Az. B 1 KR 16/08 R). Aufgrund der Teilnahme an der Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben gehöre der Kläger zum Kreis der Versicherten, die im Sinne von § 47 Abs. 4 Satz 2 SGB V nicht Arbeitnehmer seien. Beitragsbemessungsgrundlage seien 80 Prozent der Berechnungsgrundlage, die der Rehabilitationsträger für das unmittelbar vor Krankengeldbeginn gezahlte Übergangsgeld zugrunde gelegt habe, § 235 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Der sich daraus ergebende kalendertägliche Betrag sei das maßgebende Regelentgelt für die Krankengeldberechnung. Die Berechnungsgrundlage für das Übergangsgeld habe 74,91 Euro betragen. Das sich hieraus ergebende kalendertägliche maßgebende Regelentgelt betrage 59,93 Euro (80 % von 74,91 Euro). Das Krankengeld betrage 70 Prozent des Regelentgeltes und somit 41,95 Euro kalendertäglich.

Mit seiner unter dem 19. Mai 2016 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren auf Zahlung eines höheren Krankengeldes weiter. Die von der Beklagten angenommene kalendertägliche Bemessungsgrundlage in Höhe von 74,91 Euro sei jedoch bereits der von der Deutschen Rentenversicherung Bund auf 65 Prozent gekürzte Betrag und könne somit nicht als Bemessungsgrundlage für das kalendertägliche Krankengeld herangezogen werden. Anderenfalls müsse er, der Kläger, eine doppelte Kürzung in Kauf nehmen. Dies könne dem Gesetz nicht entnommen werden. Das für die Berechnung des Übergangsgeldes zu Grunde gelegte jährliche Arbeitsentgelt von 41.486,46 Euro ergebe ein monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von 3.457,17 Euro, geteilt durch 30 Tage ergebe dies ein kalendertägliche Entgelt von 115,24 Euro. Da für versicherungspflichtige Teilnehmer an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben das Regelentgelt, das der Berechnung des Übergangsgeldes zu Grunde liege, auf 80 Prozent zu kürzen sei, ergebe dies somit ein kalendertägliches Regelentgelt in Höhe von 92,19 Euro. Der Berechnung sei daher eine kalendertägliche Bemessungsgrundlage von 115,24 Euro zugrunde zu legen. Hieraus resultiere ein kalendertägliches Krankengeld in Höhe von brutto 64,53 Euro bzw. netto 57,76 Euro. Aus einer Bescheinigung über die Zeiten des Bezuges von Übergangsgeld der Deutschen Rentenversicherung Bund ergebe sich ein beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 4.333,00 Euro. Teile man diesen Betrag durch 47 Tage (Anmerkung: Dauer der Teilnahme an der Rehabilitationsmaßnahme), so komme man ebenfalls auf einen kalendertäglichen Betrag in Höhe von 92,19 Euro.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für den Zeitraum vom 20. April 2015 bis 31. Juli 2015 ein Bruttokrankengeld in Höhe von kalendertäglich 64,53 € abzüglich bereits geleisteter 41,95 € Brutto zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 03. Mai 2015.

Wegen des übrigen Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen ergänzend auf die Prozessakte des Klageverfahrens und die Verwaltungsakte Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Gründe

Die Klage ist als Anfechtungs- und Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 und Abs. 4 SGG zulässig aber nicht begründet.

Dem Kläger steht über das bereits gewährte Krankengeld hinaus kein höherer Anspruch auf Krankengeld gegenüber der Beklagten zu.

Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Krankengeld liegen bei dem Kläger dem Grunde nach vor und sind zwischen den Beteiligten auch nicht streitig. Das Gericht konnte sich daher auf die Überprüfung des Anspruches der Höhe nach beschränken.

Gem. § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB V beträgt das Krankengeld 70 vom Hundert des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens, soweit es der Beitragsberechnung unterliegt (Regelentgelt). Für Versicherte, die nicht Arbeitnehmer sind, gilt als Regelentgelt der kalendertägliche Betrag, der zuletzt vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit für die Beitragsbemessung aus Arbeitseinkommen maßgebend war, § 47 Abs. 4 Satz 2 SGB V.

Nach § 235 Abs. 1 Satz 1 SBG V gilt für die nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 versicherungspflichtigen Teilnehmer an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben als beitragspflichtige Einnahmen 80 vom Hundert des Regelentgelts, das der Berechnung des Übergangsgeldes zugrunde liegt.

Zunächst ist demnach das Regelentgelt, das der Berechnung des Übergangsgeldes zugrunde gelegen hat, zu ermitteln. Welcher Betrag hierbei konkret heranzuziehen ist, ist zwischen den Parteien streitig.

Das im hiesigen Verfahren zugrunde zu legende Regelentgelt, das der Berechnung des Übergangsgeldes zugrunde gelegen hat, beträgt 74,91 Euro. Die Bezeichnung als Berechnungsgrundlage im Bescheid vom 17. März 2015 schadet hierbei nicht.

In seiner Entscheidung vom 05. Mai 2009, B 1 KR 16/08 R, hatte sich das Bundessozialgericht ebenfalls mit der hier streitigen Frage zu beschäftigen. Der dortige Kläger hatte ebenfalls Übergangsgeld bezogen, das nach Maßgabe des § 48 SGB IX berechnet worden war. Die dort beklagte Krankenkasse hatte das Krankengeld – wie die hiesige Beklagte – ausgehend von dieser Berechnungsgrundlage des Übergangsgeldes berechnet und nicht auf das Regelentgelt im eigentlichen Wortsinn abgestellt.

In seiner Entscheidung hat das Bundessozialgericht diese Berechnungsweise nicht beanstandet. Anders als das Sozialgericht Berlin in seinem Urteil vom 15. September 2017, S 51 KR 997/14, annimmt, geht die hiesige Kammer nicht davon aus, dass das Bundessozialgericht die vorliegende Streitfrage übersehen hat. Vielmehr folgt bereits aus dem Tatbestand des Urteils, dass das Bundessozialgericht der Auffassung ist, dass die Begriffe der Berechnungsgrundlage des Übergangsgeldes und des Regelentgelts synonym zu verwenden sind (a.A. SG Berlin, a.a.O., Rn. 49), wenn es dort ausführt:

"Ausgehend von der Berechnungsgrundlage für das Übg von 64,85 Euro knüpfte sie an einen Anteil von 80 vH dieses Regelentgelts an, das als beitragspflichtige Einnahme für versicherungspflichtige Teilnehmer an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gilt, und berechnete hiervon 70 vH, gestützt auf § 47 Abs 4 Satz 2 und Abs 1 Satz 1 SGB V (Bescheid vom 16.9.2004)."

Dass sich das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung auch mit der eigentlichen Berechnung auseinandergesetzt hat, folgt auch aus den Entscheidungsgründen des Urteils. Dort heißt es in Rn. 16, dass „die Beklagte danach zutreffend 80 vH des Regelentgeltes, das der Berechnung des Übg zugrunde lag, gemäß § 235 Abs. 1 Satz 1 SGB V als maßgeblich angesehen hat.“. Dabei entspricht die Berechnungsgrundlage dem Regelentgelt, das der Berechnung des Übergangsgeldes zugrunde lag.

Dieser Auffassung schließt sich die erkennende Kammer nach eigener Prüfung vollumfänglich an. Die Berechnung der Beklagten ist damit nicht zu beanstanden.

Die Berechnungsgrundlage, die der Ermittlung des Übergangsgeldes zugrunde liegt wird nach §§ 46 f. SGB IX a.F. ermittelt. Gemäß § 46 Abs. 1 S. 1 SGB IX werden der Berechnung des Übergangsgeldes 80 vom Hundert des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens, soweit es der Beitragsberechnung unterliegt (Regelentgelt) zugrunde gelegt, höchstens jedoch das in entsprechender Anwendung des § 47 berechnete Nettoarbeitsentgelt. Die Berechnung des Regelentgelts erfolgt nach § 47 SGB IX a.F.

Während Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben wird die Berechnungsgrundlage für das Übergangsgeld aus 65 vom Hundert des auf ein Jahr bezogenen tariflichen oder, wenn es an einer tariflichen Regelung fehlt, des ortsüblichen Arbeitsentgelts ermittelt, dass für den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort der Leistungsempfänger gilt, wenn die Berechnung nach den §§ 46 und 47 zu einem geringeren Betrag führt, § 48 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX a.F.

Bereits aus den Überschriften der heranzuziehenden Paragraphen folgert die Kammer, dass die Begriffe Regelentgelt und Bemessungsgrundlage gleichzusetzen sind. § 47 SGB IX a.F. ist überschrieben mit „Berechnung des Regelentgelts“ während § 48 die „Berechnungsgrundlage in Sonderfällen“ regelt. Hieraus wird deutlich, dass es sich bei der Berechnung nach § 47 SGB IX a.F. um den Regelfall handelt, von dem nur ausnahmsweise –nämlich unter der Voraussetzung der Erbringung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben- abgewichen werden soll. Es ist jedoch nicht erkennbar, dass hierdurch von der grundlegenden Berechnung abgewichen werden sollte. Statt 80 Prozent des regelmäßig erzielten Arbeitsentgeltes und Arbeitseinkommens werden 65 Prozent eines fiktiven (tariflichen oder ortsüblichen) Arbeitsentgeltes der Berechnung des Übergangsgeldes zugrunde gelegt.

Nur auf diese Weise findet der in § 235 Abs. 1 Satz 1 SGB V vorhandene Relativsatz („Regelentgelt, das der Berechnung des Übergangsgeldes zugrunde liegt“) auch bei einer Berechnung des Übergangsgeldes nach § 48 SGB IX a.F. einen Anknüpfungspunkt.

Für diese Auffassung spricht auch, dass bei der Anpassung der Entgeltersatzleistungen gem. § 50 Abs. 1 SGB IX a.F. lediglich auf den Begriff der Berechnungsgrundlage zurückgegriffen wird.

Darüber hinaus spiegelt sich auch nur so die relative Beitrags- und Leistungsäquivalenz wider, da sie die gegenüber dem Arbeitsentgelt reduzierten Einnahmen des Klägers vor der Erkrankung berücksichtigt (vgl. Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17. Juli 2008 – L 5 KR 23/08-, Rn. 12).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und berücksichtigt das vollständige Unterliegen des Klägers.

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