LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 13.12.2017 - L 2 R 359/17
Fundstelle
openJur 2020, 9016
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. S 13 R 44/16

1. Ist die regelmäßig gewährte Vergütung zu erheblichen Teilen dazu bestimmt, vom Beauftragten persönlich zu erbringende Arbeitsleistungen zu honorieren, dann stellt dies auch dann ein für eine abhängige Beschäftigung sprechendes Indiz dar, wenn ein weiterer Teil der Vergütung zur Abgeltung des Einsatzes von Hilfskräften bestimmt ist.

2. Die Einrichtung eines Einstandsgeldes durch den Dienstleistenden bei Aufnahme seiner Tätigkeit kann nicht als eine für eine selbständige Tätigkeit sprechende unternehmerische Investition gewertet werden, wenn mit dieser Zahlung keine werthaltigen Vermögensgegenstände oder Rechte erworben werden.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 30. Mai 2017 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Anschlussberufungen des Klägers und der Beigeladenen werden zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen die Aufhebung ihres Bescheides vom 10. Februar 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2011, mit dem sie im Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV die Feststellung getroffen hat, dass der Kläger seine Tätigkeit als Bezirksleiter für die beigeladene K. im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses nachgeht, aufgrund dessen eine Versicherungspflicht in der (ursprünglich: Pflege- und in der) Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht.

Der Kläger ist seit 2001 als Bezirksleiter für die Beigeladene tätig. Nach mehrfachem Wechsel des zuständigen Bezirks betreut er seit 2008 einen in Ostniedersachsen gelegenen Bezirk, in dem sich derzeit 147 Annahmestellen befinden.

Die Kunden der beigeladenen K. erwerben - sofern diese nicht von neueren Möglichkeiten einer Online-Buchung Gebrauch machen - die Spielscheine in den Annahmestellen. Mit diesen hat die Beigeladene jeweils Handelsvertreterverträge abgeschlossen, aufgrund derer den Annahmestellen ein Anteil am Spieleinsatz als Provisionserlös verbleibt.

Für die Auswahl, Betreuung, Beratung und Unterstützung der Annahmestellen in den jeweiligen Bezirken ist jeweils ein Bezirksleiter bzw. eine Bezirksleiterin zuständig. Diese/r erhält (soweit er nach dem Verständnis der Beigeladenen als selbständiger Handelsvertreter tätig ist) für seine/ihre Tätigkeit ebenfalls einen Anteil an den Spielerlösen in allen zu seinem Bezirk gehörenden Annahmestellen.

Beispielsweise erzielten die Annahmestellen im Bezirk des Klägers in der 36. Kalenderwoche im Jahr 2014 einen Gesamtspielumsatz von 1.027.985,50 € zuzüglich 44.671,80 € Bearbeitungsgebühren, von diesen Beträgen zahlte die Beigeladene einen Anteil in Höhe von 0,38 % zuzüglich Umsatzsteuer (d.h. insgesamt rund 4.850 €) an den Kläger als die ihm zustehende Provision. Kleinere Beträge wurden in dieser Kalenderwoche auch für einen sog. ODS-Spieleinsatz und als (Teil-)Erstattung von Kurierkosten an die Beigeladene ausgezahlt. Der Grundstruktur nach entsprechend ist auch in allen anderen Kalenderwochen seit 2001 verfahren worden. Allerdings wurden in den ersten Jahren neben umsatzabhängigen Provisionszahlungen zum Ausgleich eines „für Handelsvertreter nichttypischen Verwaltungsaufwandes bei der Ver- und Entsorgung der Verkaufsstellen“ pauschale Kostenerstattungsleistungen in Höhe von jährlich anfangs 64.747,98 DM (einschließlich Umsatzsteuer) erbracht (vgl. § 8 des Vertrages vom 27. August 2001, Bl. 70 VV). Diese jährlichen Erstattungsleistungen wurden bis etwa 2003 gezahlt. In der Folgezeit wurden die Provisionssätze angehoben. Mit dieser Anhebung der Provisionssätze war gedanklich zugleich eine pauschale Erstattung der zuvor gesondert ausgewiesenen Erstattungsbeträge verbunden (vgl. die Bewertung durch den Kläger im Erörterungstermin).

Wegen der Einzelheiten der gewährten Entgeltleistungen wird auf die von der Beigeladenen vorgelegten umfänglichen Abrechnungsunterlagen verwiesen.

Grundlage der Tätigkeit des Klägers sind schriftliche Bezirksleiter-Verträge, die dieser mit der Beigeladenen abgeschlossen hat. Den vertraglichen Vereinbarungen zufolge ist der Kläger als selbständiger Handelsvertreter tätig. Er kann seine Arbeitszeit frei einteilen.

Im Einzelnen traf der zum 1. Januar 2009 in Kraft getretene Bezirksleitervertrag von Dezember 2008 (Bl. 35 ff. VV) insbesondere folgende Regelungen (entsprechend auch der zum 1. Januar 2010 in Kraft getretene Vertrag von April 2010, Bl. 4. ff. VV; ähnlich auch der Verträge vom 27. August 2001, Bl. 65 ff. VV, 12. Juni 2002, Bl. 75 ff. VV; vgl. ferner Bezirksleiter-Vertrag vom 13. Oktober/13. November 2011, Bl. 326 ff., und Bezirksleitervertrag vom 29. Januar/1. Februar 2016, Bl. 330 ff., sowie Tätigkeitsbeschreibung für Bezirksleiter/innen, Bl. 324 ff.; ergänzend nimmt der Senat auf den Wortlaut der genannten Vereinbarungen Bezug):

§ 3 Abs. 1:

Innerhalb des Bezirks hat der Bezirksleiter alle sich aus den Unternehmenszwecken der Gesellschaft (d.h. der Beigeladenen) ergebenden Geschäfte zu besorgen, soweit die Gesellschaft sie sich nicht selbst vorbehalten oder den Verkaufsstellen (d.h. den Annahmestellen) übertragen hat.

§ 3 Abs. 2:

Dem Bezirksleiter obliegt die Interessenvertretung der Gesellschaft im Bezirk; er hat der Gesellschaft unverzüglich alle erforderlichen Nachrichten zu übermitteln.

§ 3 Abs. 3:

Dem Bezirksleiter obliegt es vorrangig, die Annahmestelle zur Einhaltung der Bekämpfung von Spielsucht einschließlich des besonderen Schutzes der Jugend anzuhalten.

§ 3 Abs. 5:

Die Tätigkeit des Bezirksleiters besteht hauptsächlich in der Sicherstellung der ordnungsgemäßen Durchführung der von der Gesellschaft durchgeführten bzw. veranstalteten Lotterien und Wetten. Um dieses Ziel zu erreichen, obliegen dem Bezirksleiter insbesondere die Aufgaben und Pflichten, die aus der "…. Geschäftsanweisung für Bezirksleiter/innen“ ersichtlich sind.

§ 3 Abs. 8:

Der Bezirksleiter ist zur Teilnahme an von der Gesellschaft veranstalteten Schulungen, Seminaren u.ä. auf eigene Kosten verpflichtet.

§ 5 Abs. 1:

Die ihm übertragenen Aufgaben hat der Bezirksleiter in eigener Verantwortung persönlich wahrzunehmen, sofern nicht eine Delegierung vorgesehen oder ausdrücklich gestattet ist, die jedoch seine persönliche Verantwortung gegenüber der Gesellschaft grundsätzlich nicht berührt.

§ 5 Abs. 2:

Der Bezirksleiter hat durch personelle Maßnahmen sicherzustellen, dass seine Aufgaben jederzeit (auch vertretungsweise) erfüllt werden. Er hat einen ständigen Vertreter zu bestellen, der für den Bezirksleiter bei dessen Verhinderung und auf dessen Kosten die Aufgaben wahrnimmt.

§ 5 Abs. 3:

Der Vertreter ist der Gesellschaft zu benennen. Diese ist berechtigt, die Bestellung abzulehnen bzw. deren Widerruf zu verlangen.

§ 9:

Auf Verlangen der Gesellschaft ist der Bezirksleiter verpflichtet, eine von ihr beauftragte Person in die Geschäftstätigkeit im Hinblick auf die Übernahme seines oder eines anderen Bezirks sorgfältig einzuarbeiten…; ein Vergütungsanspruch besteht nicht.

Als stellvertretende Bezirksleiterin hatte der Kläger bei Aufnahme seiner Bezirksleitertätigkeit im Jahr 2001 zunächst L. mit 18 Wochenstunden mit einem monatlichen Gehalt von seinerzeit 1.400 DM eingestellt.

Bei Aufnahme seiner Tätigkeit im Jahre 2001 hat der Kläger an die Beigeladene ein sog.  „Antrittsgeld“ bzw. einen sog. „Übernahmebetrag“ in Höhe von 392.000,00 DM gezahlt, wobei er diesen Betrag mit einem Darlehen finanziert hat, dass ihm im Gegenzug in gleicher Höhe von Seiten der Beigeladenen gewährt worden ist. Auf dieses Darlehen erbringt der Kläger seitdem regelmäßig Zins- und Tilgungszahlungen. Dazu hat der Kläger im Erörterungstermin Folgendes erläutert: „In der Folgezeit habe ich zwar… mehrfach den Bezirk gewechselt. Da ich jedoch jeweils Bezirke mit etwa gleichem Umsatzvolumen hatte, ist es bei dieser ursprünglichen Zahlung des Antrittsgeldes verblieben. Würde ich hingegen einen zweiten Bezirk hinzubekommen, dann müsste ich auch für den zweiten Bezirk noch ein solches weiteres Antrittsgeld bezahlen. Wenn ich eines Tages ausscheiden sollte, würde mir M. (d.h. die Beigeladene) gewissermaßen ein Austrittsgeld zahlen. Dessen Höhe steht allerdings nicht von vornherein fest. Es würde vielmehr nach dem Wert meines Bezirkes im Zeitpunkt des Ausscheidens bestimmt werden.“

Nach Aktenlage hat die Beigeladene dem Kläger am 27. März 2003 angesichts einer seinerzeit erfolgten Vergrößerung des ihm zugewiesenen Bezirks einen weiteren „Übernahmebetrag“ in Höhe von 4.504,61 € (zuzüglich Umsatzsteuer) in Rechnung gestellt (Bl. 337 GA); diesen weiteren Betrag hat der Kläger auch an die Beigeladene entrichtet.

Für die Wahrnehmung seiner Aufgaben als Bezirksleiter unterhält der Kläger auf eigene Kosten eine Geschäftsstelle. In dieser beschäftigt er als Arbeitgeber eine sozialversicherungspflichtige Angestellte mit etwa 20 Wochenstunden, zwei geringfügig beschäftigte Kräfte sowie bei Bedarf noch eine Aushilfskraft. Die Geschäftsstelle verfügt über zwei Büroräume von jeweils etwa 15 qm, einen Besprechungsraum von etwa 20 qm und einen sog. Packraum von etwa 25 qm.

Regelmäßig einmal in der Woche, im Regelfall am Dienstag, findet ein Transport von Materialien von der Bezirksstelle zu den einzelnen Lottoannahmestellen im Bezirk des Klägers statt. Damit werden den Lottoannahmestellen insbesondere Werbematerialien und Formulare für die erforderlichen Abrechnungen u.ä. übermittelt. Mit den Transporten beauftragt der Kläger jeweils fünf (aus seiner Sicht selbständig tätige) Kurierfahrer. Auf dem Rückweg bringen die Kurierfahrer sog. Posttaschen (insbesondere mit Mitteilungen, Bestellungen von Werbematerial, Abrechnungen u.ä.) von den einzelnen Annahmestellen mit. Die Auswertung bzw. Weiterleitung dieser Schriftstücke obliegt dann in den folgenden Tagen den MitarbeiterInnen der Geschäftsstelle.

Ansonsten besteht die Tätigkeit des Klägers zum einen in einer regelmäßigen Betreuung der Annahmestellen in seinem Bezirk. Nach eigenen Angaben besucht er wöchentlich etwa 15 Annahmestellen in seinem Bezirk. Dabei achtet er beispielsweise auf eine angemessene und werbewirksame Präsentation der Produkte der Beigeladenen in diesen Verkaufsstellen. Einen wesentlichen Teil seiner Tätigkeit besteht nach eigener Darstellung auch darin, dass er die Annahmestellen über die Notwendigkeit zur Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften insbesondere resultierend aus dem Staatsvertrag über das Glücksspiel informiert und deren Umsetzung im Rahmen seiner Möglichkeiten überprüft.

Darüber hinaus obliegt ihm - bezogen auf den ihm anvertrauten Bezirk - die langfristige Planung des Annahmestellennetzes. Er prüft Angebote von an der Übernahme entsprechender Geschäftsstellen interessierter Geschäftsleute, er pflegt Kontakte zu anderen Branchen und zur Immobilienwirtschaft, um Chancen zur Gewinnung neuer Geschäftsstellenbetreiber insbesondere in aus Sicht der Beigeladenen günstigen Geschäftslagen realisieren zu können. So hat der Kläger in seinem Bezirk in den drei Jahren 2014 bis 2016 insgesamt 32 neue Verträgen mit Inhabern von Annahmestellen angebahnt, wobei sich mitunter seine Tätigkeit darauf beschränkt hat, dass er im Zuge eines anderweitigen vom bisherigen Inhaber des die Annahmestelle betreibenden Unternehmens auf einen neuen Inhaber nach entsprechender Prüfung befürwortet hat, dass auch der neue Inhaber mit der Aufgabe der Führung einer Annahmestelle für die Beigeladene betraut wird.

In 16 Fällen hat der Kläger nach Angaben der Beigeladenen in dem genannten Dreijahreszeitraum die Beigeladene von dem Abschluss eines Vertrages mit einem in Betracht kommenden Interessenten für die Führung einer Annahmestelle abgeraten.

Umgekehrt berät er auch die Gesellschaft dahingehend, mit welchen Geschäftsstellenbetreibern die vertraglichen Beziehungen etwa aufgrund einer nur ungünstigen Umsatzentwicklung zu beenden sein könnten.

Im Einzelnen entwickelten sich die Einnahmen und Ausgaben des Klägers (insbesondere in Form der Personalkosten, der Raumkosten, der Kosten für die Büroausstattung, der Fahrtkosten sowie der Aufwendungen für den angesprochenen wöchentlichen Kurierverkehr) aus seiner Tätigkeit als Bezirksleiter wie folgt (vgl. wegen der Einzelheiten die von ihm erstellten Aufstellungen, Bl. 343 ff.):

Jahr   

Provisions-einnahmen

Ausgaben

Gewinn vor Steuern                                     2002    218.978 155.322 63.656 2003    207.143 141.031 66.112 2004    210.430 142.981 67.449 2005    199.944 143.761 56.183 2006    190.156 138.906 51.250 2007    181.160 107.640 73.520 2008    180.714 111.174 69.540 2009    214.924 116.084 98.840 2010    204.127 113.405 90.722 2011    203.710 117.014 86.696 2012    214.668 111.762 102.906 2013    219.748 110.491 109.257 2014    207.524 112.511 95.013 2015    213.591 109.208 104.383

Im April 2010 leiteten der Kläger und die Beigeladene ein Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV ein. Mit Bescheid vom 10. Februar 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2011 traf die Beklagte die Feststellung, dass der Kläger die Tätigkeit eines Bezirksleiters seit dem 5. November 2001 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe; „in dem Beschäftigungsverhältnis“ bestehe Versicherungspflicht in der Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung.

In den Gründen erläuterte die Beklagte insbesondere, dass von einer persönlichen Abhängigkeit des in den Betriebsablauf eingegliederten Klägers auszugehen sei. Dafür spreche bereits die Vorgabe, allgemein als Bindeglied zwischen der Gesellschaft und Annahmestellen alle sich aus dem Unternehmenszweck der Beigeladenen ergebenden Geschäfte zu besorgen. Im Ergebnis verbleibe dem Kläger praktisch kein Raum für eigenständige unternehmerische Initiativen. Der für die Einrichtung und Vorhaltung der Geschäftsstelle erforderliche „Kapitaleinsatz“ sei kalkulatorisch in der Vergütung der Bezirksleiter enthalten. Eine Entgeltsteigerung durch Kapitaleinsatz oder durch Gebietsausdehnung komme nicht in Betracht. Auch sähen die vertraglichen Vereinbarungen eine Beendigung für den Fall eines Todes des Bezirksleiters vor.

In dem zu beurteilenden Beschäftigungsverhältnis bestehe Versicherungspflicht u.a. in der Pflegeversicherung, wohingegen in Bezug auf die Krankenversicherung unter Berücksichtigung der Höhe des oberhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze liegenden Jahresentgelts von Versicherungsfreiheit auszugehen sei.

Zur Begründung der am 4. August 2011 erhobenen Klage hat der Kläger insbesondere geltend gemacht, dass die Beigeladene kein Weisungsrecht hinsichtlich seiner Arbeitszeiten ausübe. Insbesondere plane er seine Termine selbständig. Er unterhalte eine eigene und selbst finanzierte Betriebsstätte und übe im Ergebnis eine im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit selbständig aus.

Auch habe er Kapital insbesondere in Form des sog. Eintrittsgeldes aufwenden müssen. Er beschäftige eigene Arbeitnehmer. Weisungen unterliege er nur in einem Umfang, wie dies auch bei selbständigen Handelsvertretern in Betracht komme. Ein „allgemeines Weisungsrecht“ bzw. ein „produkt- und tätigkeitsbezogenes Weisungsrecht“, wie es für seine Tätigkeit als Bezirksleiter vorgesehen sei (Bl. 28 f. GA), könne letztlich schon im rechtlichen Ausgangspunkt einer selbständigen Tätigkeit niemals entgegenstehen.

Im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens hat die Beklagte in Reaktion auf eine von Seiten des Klägers abgegebene Meldung im Sinne von § 190a Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) unter dem 9. März 2015 (Bl. 106 GA) einen weiteren Bescheid an den Kläger gerichtet, mit dem sie eine Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI als selbständig Tätiger bezogen auf den Zeitraum 5. November bis 5. Dezember 2001 festgestellt hat.

Diesbezüglich hat die Beklagte ergänzend mit Schriftsatz vom 1. März 2016 mitgeteilt, dass nach ihrem Verständnis das vorliegende Verfahren „vorgreiflich“ sei (ohne dass näher erläutert worden ist, weshalb dann gleichwohl während der Anhängigkeit des „vorgreiflichen“ Verfahrens der Bescheid vom 9. März 2015 erlassen worden ist). Im Anschluss an das vorliegende Verfahren komme eine Überprüfung des Bescheides vom 9. März 2015 nach §§ 44 ff. SGB X in Betracht.

Anknüpfend an die zum 1. Februar 2016 in Kraft getretene Neufassung des Bezirksleiter-Vertrages zwischen dem Kläger und der Beigeladenen hatte der Kläger ein weiteres Statusfeststellungsverfahren eingeleitet. In diesem weiteren Verfahren hat die Beklagte mit Bescheid vom 10. April 2017 (zur Post gegeben am gleichen Tag) erneut die Feststellung getroffen, dass der Kläger seine Tätigkeit für die Beigeladene im Rahmen einer abhängigen und der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegenden Beschäftigung ausübt. In Verkennung des Umstandes, dass der Kläger tatsächlich schon seit 2001 für die Beigeladene als Bezirksleiter tätig ist, stellte die Beklagte unter Berufung auf § 7a Abs. 6 SGB IV zugleich in diesem Bescheid fest, dass die aufgeführten Versicherungspflichten erst mit Ablauf des dritten Tages nach Aufgabe des Bescheides zur Post, mithin erst am 14. April 2017, begännen.

Mit Urteil vom 30. Mai 2017, der Beklagten zugestellt am 19. Juni 2017, hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 10. Februar 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2011 aufgehoben und antragsgemäß festgestellt, dass die Tätigkeit des Klägers als Bezirksleiter für die Beigeladene ab dem 5. November 2011 nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses erfolge und dass dementsprechend keine Versicherungspflicht in der Renten- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe.

In den Gründen hat das Sozialgericht insbesondere ausgeführt, dass maßgeblich für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit die Kriterien Entgeltzahlung, Beschäftigung eigener Mitarbeiter und Kapitaleinsatz sprechen würden. Die Vergütung des Klägers erfolge rein umsatzabhängig. Damit könne er den „unternehmerischen Erfolg seiner Tätigkeit“ selbst steuern. Die Qualität seines unternehmerischen Handelns bestimme die Schwankungsbreite zwischen guten und schlechten Umsätzen maßgeblich.

Auch sei es nicht charakteristisch für eine abhängige Beschäftigung, dass sich der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz - wie hier in Form des vereinbarten sog. Antrittsgeldes von rund 400.000 DM, letztlich erkaufen müsse. Mit diesem Kapitaleinsatz habe der Kläger ein unternehmerisches Risiko übernommen.

Darüber hinaus beschäftige er als Arbeitgeber im eigenen Namen drei Angestellte.

Mit der am 30. Juni 2017 eingelegten Berufung beruft sich die Beklagte insbesondere auf das Urteil des BSG vom 17. Mai 1973 (– 12 RK 9/72 –, SozR Nr. 10 zu § 2 AVG). Das wirtschaftliche Erscheinungsbild eines Bezirksleiters der Beigeladenen entspreche nicht demjenigen eines „echten Generalvertreters“ mit eigenem Vertreterstab. Seine Aufgabe liege vielmehr in der Organisation innerhalb des Bezirks. Er sei grundsätzlich zur höchstpersönlichen Leistungserbringung verpflichtet. Eine Delegation von Arbeitsaufgaben an Dritte präge nicht die Ausübung seiner Tätigkeit. Er setze seine Arbeitskraft auch nicht mit dem Risiko eines Verlustes ein. Vielmehr stehe die Verwertung seiner Arbeitskraft im Vordergrund.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Beklagte den Bescheid vom 10. Februar 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2011 aufgehoben, soweit in diesem Bescheid eine durch die Tätigkeit des Klägers bei der Beigeladenen begründete Pflichtversicherung in der Pflegeversicherung festgestellt worden ist. Der Kläger hat dieses Teilanerkenntnis angenommen.

Die Beklagte hat zugleich den Regelungsinhalt ihres Bescheides vom 10. Februar 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2011 dahingehend klargestellt, dass sich dieser unter Berücksichtigung des nachfolgenden Bescheides vom 10. April 2017, der den sozialrechtlichen Status des Klägers bezogen auf den Zeitraum ab dem 1. Februar 2016 regelt, auf den Zeitraum bis zum 31. Januar 2016 beschränke.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 30. Mai 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen sowie die Anschlussberufungen der übrigen Beteiligten zurückzuweisen.

Der Kläger und die Beigeladene beantragen jeweils,

1. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen,

2. im Wege der Anschlussberufung den Bescheid der Beklagten vom 10. April 2017 aufzuheben.

Der Kläger weist insbesondere darauf hin, dass er Art, Umfang und Zeit seiner Arbeitsleistung völlig frei bestimmen könne. Alle Beteiligten seien bis zum Erlass des angefochtenen Bescheides vom Vorliegen einer selbständigen Handelsvertretertätigkeit ausgegangen und hätten auf dieser Basis auch entsprechende - nunmehr nicht mehr rückabwicklungsfähige - Verträge und Gestaltungsentscheidungen getroffen.

Bis 2008 habe er eine „starke Umsatzeinbuße“ in seinem damaligen Bezirk zu verzeichnen gehabt. Soweit in den Folgejahren (d.h. nach der im Jahr 2008 erfolgten Zuweisung eines neuen Bezirks) sich die Umsätze erhöht hätten, habe er dieses durch eigene Leistungen bewirkt. Er führe sein kleines „Unternehmen“ gut, frei und selbständig. Die Beratung, Schulung und Überprüfung der Geschäftsstellen erfolge sowohl in Wahrnehmung der ihn treffenden gesetzlichen Verpflichtungen als auch in seinem eigenen unternehmerischen Interesse, zumal es angesichts seiner umsatzabhängigen Vergütung auch für ihn persönlich nachteilig wäre, falls eine in seinem Bezirks gelegene Annahmestelle etwa wegen einer Missachtung der Jugendschutzvorschriften geschlossen werden müsste.

Das von ihm gezahlte Antrittsgeld habe den Wert des Bezirks widergespiegelt. Dieser Wert habe auch als Sicherheit dem Darlehen zugrunde gelegen, das ihm von Seiten der Beigeladenen zur Finanzierung des Antrittsgeldes gewährt worden sei.

Der neue Vertragstext vom 29. Januar/1. Februar 2016 sei letztlich als Reaktion auf das vom Sozialgericht Hannover in einem anderen einen weiteren Bezirksleiter betreffenden Verfahren (S 6 R 1139/11, vgl. Blatt 141 ff) erlassene Urteil vom 3. Juni 2014, in dem die Einschätzung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses vertreten worden sei, zu verstehen. Dieses Urteil sei im Berufungsrechtszug beim 9. Senat des Landessozialgerichts (L 9 R 320/14) anhängig.

Die Beigeladene hebt insbesondere hervor, dass auch selbständige Handelsvertreter namens des Prinzipals tätig würden. Der Kläger habe den übernommenen Auftrag nicht allein und höchstpersönlich ausgeführt, er verfüge vielmehr über eine Geschäftsstelle, dessen Personal er selbst als Arbeitgeber eingestellt habe. Gerade für einen selbständigen Handelsvertreter sei es typisch, dass sich dieser nach eigener unternehmerischer Entscheidung auch der Hilfe Dritter bedienen könne. Die „Einstandszahlung“ entspreche den Vorgaben des HGB. Bei Beendigung der Handelsvertretertätigkeit habe der Beigeladene einen Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB.

Im Vergleich zu dem vorausgegangenen Vertrag sei der neue Vertragstext vom 29. Januar/1. Februar 2016 etwas knapper gefasst worden, er erlaube auch ausdrücklich sonstige berufliche Tätigkeiten des Klägers. Im Übrigen sei es aber im Wesentlichen bei den alten Vereinbarungen geblieben.

Der Kläger trage ein erhebliches wirtschaftliches Risiko. Seine Vergütung sei umsatzabhängig, wohingegen die von ihm zu tragenden Aufwendungen für die Bezirksgeschäftsstelle als Fixkosten anzusehen seien.

Der Senat hat den Kläger im Erörterungstermin durch seinen Vorsitzenden informatorisch gehört.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und insbesondere auf die Protokolle des Erörterungstermins und der mündlichen Verhandlung sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet, wohingegen der Kläger und die Beigeladene mit der Anschlussberufung nicht durchzudringen vermögen.

Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens tritt der Senat der Auffassung der Beklagten bei, dass der Kläger seine Tätigkeit als Bezirksleiter der Beigeladenen im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt hat und weiterhin ausübt. Dadurch wird eine Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung begründet. Dagegen wird durch diese abhängige Beschäftigung keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung begründet, da das dem Kläger gewährte Entgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V - wovon auch die Beklagte ausgeht - im streitbetroffenen Zeitraum überschritten hat. Daraus folgt zugleich, dass durch die abhängige Beschäftigung als solche auch keine Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung begründet werden kann; eine für die gesetzliche Krankenversicherung bestehende Versicherungsfreiheit erstreckt sich auch auf die Pflegeversicherung (Peters in Kasseler Kommentar, SGB XI § 20 Rn. 23), mag in der Pflegeversicherung auch anderen - nicht von der Regelungskompetenz nach § 7a SGB IV erfassten - Gründen ggfs. eine Versicherungspflicht bestehen. Letzteres hat inzwischen auch die Beklagte anerkannt und dementsprechend in der mündlichen Verhandlung den Ausgangsbescheid vom 10. Februar 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2011 aufgehoben, soweit in diesem Bescheid eine durch die Tätigkeit des Klägers bei der Beigeladenen begründete Pflichtversicherung in der Pflegeversicherung festgestellt worden ist.

Sie hat ferner klargestellt, dass sich unter Berücksichtigung ihres nachfolgenden - nach übereinstimmender und zutreffender Einschätzung der Beteiligten gemäß § 96 SGG in das vorliegende Verfahren einzubeziehenden - Bescheides vom 10. April 2017, der den sozialrechtlichen Status des Klägers bezogen auf den Zeitraum ab dem 1. Februar 2016 regelt, der Regelungsinhalt des vorausgegangenen Bescheides vom 10. Februar 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2011 auf den Zeitraum bis zum 31. Januar 2016 beschränke.

Dementsprechend hat es bezogen auf den Zeitraum vom 1. Februar 2016 bis zum 13. April 2017 bei der in dem Bescheid vom 10. April 2017 - insoweit im Sinne des eine Versicherungspflicht grundsätzlich angreifenden Klägers - getroffenen Feststellung sein Bewenden, dass in diesem Zwischenzeitraum keine Versicherungspflicht bestanden hat. Auch wenn diese Einschätzung auf einem Fehlverständnis des Sachverhalts auf Seiten der Beklagten bei Erlass des Bescheides vom 10. April 2017 im Sinne der irrtümlichen Annahme einer Aufnahme der Tätigkeit eines Bezirksleiters erst zum 1. Februar 2016 beruhte, ist die Beklagte an ihre entsprechende - sich nach dem prozessualen Ansatz des Klägers zu seinen Gunsten auswirkende - Teilregelung gebunden.

Im Ergebnis zu überprüfen ist damit im vorliegenden Berufungsverfahren noch die Auffassung der Beklagten, dass der Kläger seine seit 2001 ausgeübte Tätigkeit als Bezirksleiter im Rahmen einer abhängigen und - insoweit mit Ausnahme des Zeitraums vom 1. Februar 2016 bis zum 13. April 2017 - der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegenden Beschäftigung verrichtet hat. Diese Einschätzung hat die Beklagte zutreffend vorgenommen. Mangels einer relevanten Veränderung in den rechtlichen oder tatsächlichen Grundlagen der von dem Kläger für die Beigeladene seit 2001 wahrgenommenen Tätigkeit eines Bezirksleiters ist eine einheitliche Bewertung des gesamten Prüfzeitraums geboten. Die angefochtenen Bescheide sind (unter Berücksichtigung des in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Teilanerkenntnisses) als rechtmäßig zu beurteilen.

Dementsprechend ist das angefochtene Urteil unter Abweisung der Klage aufzuheben; auch dringen der Kläger und die Beigeladene nicht mit ihrem im Wege der Anschlussberufung verfolgten Begehren durch, den nach § 96 SGG in das vorliegende Verfahren einbezogenen weiteren Bescheid der Beklagten vom 10. April 2017 aufzuheben.

1. Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen insbesondere in der Renten- und Arbeitslosenversicherung (vgl. § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI und § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III) der Versicherungspflicht (und Beitragspflicht).

Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung und damit einer Versicherungspflicht in den genannten Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Die Feststellung einer entsprechenden Beschäftigung richtet sich nach den Grundsätzen, die Lehre und Rechtsprechung zum Begriff des entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses in der Sozialversicherung bzw. zur Beschäftigung als "nichtselbständige Arbeit" iS des § 7 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) entwickelt haben. Arbeitnehmer ist hiernach, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Erforderlich ist insbesondere eine Eingliederung in den Betrieb und die Unterordnung unter ein Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung umfassendes Weisungsrecht des Arbeitgebers (BSG, U.v. 6. März 2003 - B 11 AL 25/02 R - SozR 4-2400 § 7 Nr. 1 mwN). Das Gesetz bringt diese Grundsätze mit der Formulierung zum Ausdruck, dass Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers sind (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein (BSG, Urteil v. 28. September 2011 - B 12 R 17/09 R -).

Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (BSG, U.v. 28. September 2011 - B 12 R 17/09 R -).

Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben letztere den Ausschlag (BSG, U.v. 22. Juni 2005 - B 12 KR 28/03 R - NZS 2006, 318 mwN).

2. Bei Handelsvertretern sind im Rahmen dieser allgemeinen Vorgaben namentlich auch die spezifischen gesetzlichen Regelungen in § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB zu berücksichtigen (vgl. zur Anknüpfung an den dort normierten Begriff der Selbstständigkeit auch für die sozialrechtliche Beurteilung einer entsprechenden Tätigkeit: BSG, Urteil vom 04. November 2009 – B 12 R 7/08 R –, SozR 4-2600 § 2 Nr. 13 mwN). Danach gilt als Handelsvertreter, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Selbständig ist (vgl. § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB), wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann.

An diese gesetzgeberische Vorgabe, wonach auch Handelsvertreter ungeachtet der mit ihrer Aufgabe im Wirtschaftsleben regelmäßig verbundenen tatsächlichen Eingliederung in die Vertriebsstruktur des Unternehmers, ihre Tätigkeit als rechtlich Selbständige ausüben können, solange sie im Wesentlichen diese Tätigkeit frei gestalten und ihre Arbeitszeit frei bestimmen können, sind die Gerichte (und natürlich auch die Rentenversicherungsträger) gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG). Bei der Abgrenzung zwischen Selbständigen und Unselbständigen ist weder isoliert auf die von den Parteien gewählte Einordnung des Vertrags oder die von diesen gewählte Bezeichnung als Angestellter oder Handelsvertreter noch allein auf die tatsächliche Durchführung des Vertrags abzustellen. Entscheidend ist im Ergebnis wiederum das Gesamtbild der Verhältnisse unter Würdigung sowohl der vertraglichen Gestaltung als auch der tatsächlichen Handhabung des Vertrages (BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2009 – VIII ZB 45/08 –, EWiR 2010, 569).

Auch freie Handelsvertreter unterliegen generellen Weisungen (vgl. § 86 Abs. 2, § 92a HGB). Da der Versicherungsvertreter nicht ein eigenes Produkt verkauft, sondern ein fremdes vermittelt, kommt eine Preisbindung durch den Versicherungsvertreter ohnehin nicht in Betracht. Demzufolge können keine Schlüsse aus der Bindung an die Preisvorgaben des Unternehmers auf die persönliche Abhängigkeit des Vermittlers gezogen werden (BAG, Urteil vom 15. Dezember 1999 – 5 AZR 566/98DB 2000, 723).

3. Die rechtlich gebotene Gesamtabwägung fällt im vorliegend zu beurteilenden Zusammenhang im Ergebnis im Sinne der Annahme abhängiger Beschäftigungsverhältnisse aus, wie dies bereits die Beklagte in ihrem angefochtenen Bescheid und im Widerspruchsbescheid einleuchtend dargelegt haben, so dass ergänzend auf die dortigen Ausführungen Bezug genommen werden kann. Mangels einer ausschlaggebenden relevanten Veränderung in den maßgeblichen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen für die Tätigkeit des Klägers erstreckt sich die Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses auf den gesamten zu überprüfenden Zeitraum von der Aufnahme der Tätigkeit als Bezirksleiter durch den Kläger im Jahr 2001 bis zum Zeitpunkt der vorliegenden mündlichen Verhandlung.

Die Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene stellt sich als eine gemischte Tätigkeit dar. Sie weist Elemente aus unterschiedlichen Vertragstypen auf. Soweit die Beigeladene ebenso wie der Kläger geltend macht, dass dieser als selbständiger Handelsvertreter im Sinne von §§ 84 ff. HGB die Tätigkeit eines Bezirksleiters wahrnehme, ist bezogen auf den vorliegenden Fall allerdings schon im Ausgangspunkt zu berücksichtigen, dass ein Schwerpunkt der vertraglich geschuldeten und tatsächlich erbrachten Tätigkeit des Klägers Aufgaben galt, die den Rahmen einer üblichen Handelsvertretertätigkeit verlässt.

Ein erheblicher Teil der Tätigkeit des Klägers galt und gilt einer Sicherstellung der organisatorischen Abläufe in dem ihm zugeteilten Bezirk. Er hat insbesondere - unter Einschluss der damit verbundenen vor- und nachbereitenden Arbeiten - für den wöchentlichen Kuriertransport von und zu den Annahmestellen Sorge zu tragen, was in der Tätigkeitsbeschreibung unter dem Gesichtspunkt einer „Ver- und Entsorgung der Annahmestellen“ (Ziffer 1.6) geregelt ist. Er hat etwa für die ordnungsgemäße und sachgerechte Verwendung der von der Gesellschaft zur Verfügung gestellten Informationsmittel und Ausstattungsgegenstände zu sorgen (Ziffer 6.1 der Tätigkeitsbeschreibung), er hat auch zu überprüfen, ob Beilagenverteilungsaufträge der Beigeladenen von den beauftragen Verlagen in seinem Bezirk ordnungsgemäß umgesetzt werden (Ziffer 6.3). Beanstandungen sind an die Beigeladene weiterzuleiten (Ziffer 1.6.6); er hat die Inhaber von Annahmestellen beispielsweise im Zuge von Umbaumaßnahmen zu beraten (Ziffer 5) und insbesondere auch, wie namentlich auch von Seiten des Klägers persönlich hervorgehoben wird, auf eine effektive Umsetzung der gebotenen Maßnahmen zur Suchtprävention und zum Jugendschutz (Ziffer 7) in den Annahmestellen seines Bezirks hinzuwirken.

Ihm obliegt ganz allgemein nicht nur die Repräsentation, sondern auch die Interessenvertretung der Beigeladenen in dem ihm zugewiesenen Bezirk (so auch weiterhin § 4 des Vertrages von 2016). Ihm obliegt - insbesondere auch nach eigenem Vortrag - die Beratung, Schulung und Überprüfung der Geschäftsstellen. Mithin weisen die ihm übertragenen Aufgaben auch deutliche Elemente eines Geschäftsbesorgungs- und Dienstleistungsvertrages auf.

Der angesprochene Teilbereich der Tätigkeit des Klägers  betrifft zu erheblichen Teilen gar nicht richtungweisend eine Vermittlung von Geschäften im Sinne des § 84 HGB. Vielmehr ist die organisatorische Abwicklung des regelmäßigen Geschäftsbetriebes der Beigeladenen betroffen. Ihm ist letztlich maßgeblich auch die Aufgabe zugewiesen, für einen reibungslosen Ablauf der Glückspielgeschäfte der Beigeladenen in seinem Bezirk Sorge zu tragen.

Der Ausgangsvertrag von 2001 hat auch ausdrücklich zum Ausdruck gebracht, dass dem Kläger insoweit für einen Handelsvertreter atypische Aufgaben zugewiesen worden waren, die mit einem „nichttypischen Verwaltungsaufwandes bei der Ver- und Entsorgung der Verkaufsstellen“ verbunden waren, aufgrund dessen bis etwa 2003 pauschale Kostenerstattungsleistungen (in Höhe von jährlich anfangs 64.747,98 DM einschließlich Umsatzsteuer) gezahlt wurden. An der wirtschaftlichen Ausgangslage hat sich in der Folgezeit nichts geändert. Nur sieht die Beigeladene inzwischen - schwerpunktmäßig aus Praktikabilitätsgründen - davon ab, entsprechende Ausgleichszahlungen für den - als solchen fortbestehenden - „nichttypischen Aufwand“ gesondert auszuweisen. Wirtschaftlich werden diese Zahlungen weiterhin in der Form erbracht, dass seit 2003 im Gegenzug für die Einstellung dieser Ausgleichszahlungen die Höhe der Provisionszahlungen pauschal erhöht worden ist.

Die Verträge mit den Kunden der Beigeladenen, d.h. mit den einzelnen Spielern und Spielerinnen, vermittelt der Kläger ohnehin nicht persönlich; diese Aufgabe obliegt vielmehr den  - ihrerseits im Rahmen von Handelsvertreterverträgen für die Beigeladene tätigen - Inhabern der einzelnen Annahmestellen und ihrem jeweiligen Personal.

Der Kläger seinerseits vermittelt nur Verträge zwischen der Beigeladenen und den Annahmestellen, soweit etwa aufgrund persönlicher Veränderungen der Inhaber der Annahmestellen oder aus wirtschaftlichen Erwägungen ein Anlass für entsprechende Veränderungen besteht. Im Laufe eines Jahres tritt eine entsprechende Fluktuation bei knapp 10 % der Annahmestellen in seinem Bezirk auf.

Dabei erhält er für den Abschluss entsprechender Verträge mit den Annahmestellen keine gesonderte Vergütung. Die Höhe seines Entgeltanspruchs bemisst sich vielmehr nach der Gesamthöhe der in allen Annahmestellen seines Bezirks erzielten Spielerlöse. Auf deren Höhe hat der Kläger nur wenig Einfluss. Die Verträge mit den Spielern und Spielerinnen werden nicht von ihm, sondern von den Inhabern der Annahmestellen vermittelt. Auch diese haben auf die Umsatzhöhe nur sehr begrenzten Einfluss, die Spielbereitschaft der Kunden und die Höhe ihrer Einsätze hängen insbesondere, wie auch die Ausführungen der Beteiligten insbesondere im Erörterungstermin verdeutlicht haben, von der allgemeinen Marktentwicklung im Segment der Glücksspiele und dem Angebot konkurrierender Marktteilnehmer ab.

Natürlich hat auch die Tätigkeit des Klägers einen - im wirtschaftlichen Ergebnis aber nur begrenzten - Einfluss auf die Umsatzentwicklung in seinem Bezirk. Eine gute Beratung der Inhaber der Annahmestellen in Verbindung mit einer geschickten Auswahl neuer Bewerber für die Annahmestellen kann sich im Laufe der Jahre natürlich durchaus positiv auswirken. Nach drei Jahren guter Führung durch einen fähigen Bezirksleiter mag beispielsweise ein Bezirk einen um 5 % höheren Umsatz aufweisen als ein schlecht geführter Bezirk. Da die Vergütung des Klägers sich nach den in seinem Bezirk jeweils erzielten Glückspielumsätzen der Beigeladenen bemisst, können entsprechende Bemühungen auch seinen persönlichen Verdienst (in einem allerdings nur begrenzten) Rahmen positiv beeinflussen.

Entsprechende Einflussmöglichkeiten sind aber auch in Bezug auf viele Tätigkeiten in abhängiger Beschäftigung festzustellen. Auch die Umsatzentwicklung einer von einem sog. Fremdgeschäftsführer geleiteten GmbH wird im Regelfall über die Jahre hinweg auch durch das Geschick dieses Geschäftsführers maßgeblich mitbestimmt, gleichwohl steht dieser regelmäßig in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 20; SozR 4-2400 § 7 Nr. 1). Daran ändert sich auch nichts, wenn im jeweiligen Einzelfall ein Zusammenhang etwa zwischen einer positiven Gehaltsentwicklung und einer erfolgreichen Geschäftsentwicklung klar aufgezeigt werden kann bzw. die Vergütung von vornherein auch deutliche erfolgsbezogene Komponenten aufweist.

Auf der Einnahmenseite bot die Bezirksleitertätigkeit dem Kläger damit keine relevanten Möglichkeiten, die Einkünfte durch eine spezifische unternehmerische Prägung aufweisende Entscheidungen nachhaltig zu verändern. Die Glückspielangebote der Beigeladenen werden seit Jahrzehnten von einem erheblichen Teil der Bevölkerung in Anspruch genommen; große und plötzliche Schwankungen sind im Jahresvergleich nicht zu verzeichnen und waren im Rahmen der Tätigkeit des Klägers auch nicht zu erwarten. Ihm standen diesbezüglich auch keine nachhaltig ins Gewicht fallenden Einflussmöglichkeiten zur Verfügung.

Andererseits bestand bei dieser Ausgangslage für ihn auch kein ernsthaft in Betracht zu ziehendes Risiko, seine Arbeitsleistung mit der Gefahr eines Verlustes einsetzen zu müssen. Die vertraglichen Grundlagen und insbesondere die Entgeltvereinbarungen waren so ausgestaltet, dass ihm auch nach Abzug der von ihm zu tragenden Kosten der Geschäftsstelle ein angemessenes Entgelt für seinen persönlichen Arbeitseinsatz verblieb. Diesbezüglich bestand bei wirtschaftlicher Betrachtung kein ernsthaftes Risiko. Tatsächlich hat der Beigeladene auch in allen Jahren seiner inzwischen mehr als 15jährigen Tätigkeit als Bezirksleiter ein gutes persönliches Einkommen erzielt.

Es oblag ihm, die Einzelheiten der Ausgestaltung der Geschäftsstelle zu regeln. Er konnte dabei in begrenztem Rahmen auch persönliche Interessen verfolgen und sich von individuellen betriebswirtschaftlichen Einschätzungen leiten lassen. Er konnte sich beispielsweise darüber entscheiden, ob er etwa einer eher knapp gehaltenen personellen Besetzung der Geschäftsstelle in der Erwartung den Vorzug geben wollte, dass er erforderlichenfalls auch persönlich bei Engpässen sonst den GeschäftsstellenmitarbeiterInnen obliegende organisatorische Tätigkeiten verrichten könne. Er konnte sich aber auch für eine etwas großzügigere personelle Ausstattung entscheiden, weil er sich davon im Gegenzug sich etwas mehr Freizeit für seine Person oder mehr zeitliche Freiräume für die mit seiner Tätigkeit verbundenen Führungsaufgaben versprach. Entsprechendes gilt für die Sachausstattung der Geschäftsstelle und die Auswahl der für Dienstfahren benötigten Kraftfahrzeuge.

Damit war ihm letztlich aber nur die Möglichkeit zur Ausgestaltung von Detailfragen eröffnet. Für den Kläger und die Beigeladene war gleichermaßen selbstverständlich, dass nur ein angemessener Anteil der Vergütung für die mit der Vorhaltung der Geschäftsstelle verbundenen Kosten aufgewandt werden sollte, während diese im Übrigen die persönliche Arbeitsleistung des Bezirksleiters honorieren sollte. Dieser hatte keine unternehmerischen Freiheiten, die wirtschaftlichen Grundzüge seiner Tätigkeit zu beeinflussen. Die im Tatbestand referierten Zahlen über die Einnahmen und Ausgaben im Rahmen der Tätigkeit des Klägers als Bezirksleiter verdeutlichen, dass diesem im Durchschnitt der Jahre 2006 bis 2015 rund 43 % der Einnahmen in Höhe von insgesamt 2,03 Millionen Euro als persönlicher Gewinn und damit als Entgelt für die von ihm persönlichen erbrachte Arbeitsleistung verblieben. Er hätte sicherlich die Ausgabenseite auch so gestalten können, dass für sein Verdienst nur ein Anteil von 40 % verblieben wäre; mutmaßlich hätte auch eine etwas höhere Quote für seinen persönlichen Gewinn erreichen können. Grundlegende Veränderungen der Relation zwischen dem für die Bestreitung der Unkosten bestimmten Anteil an der Vergütung und dem zur Honorierung seiner persönlichen Arbeitsleistung bestimmten Anteil waren jedoch angesichts der relativen Stetigkeit des Glückspielgeschäfts der Beigeladenen weder zulasten des Klägers zu befürchten, noch konnte er solche zu seinen Gunsten angesichts des Umfanges der ihm übertragenen Aufgaben effektiv herbeiführen.

Bei der beschriebenen Ausgangslage war die von Seiten der Beigeladenen regelmäßig wöchentlich gewährte Vergütung zu erheblichen Teilen dazu bestimmt, vom die von dem Kläger in eigener Person zu erbringenden Arbeitsleistungen zu honorieren. Dies stellt auch dann ein für eine abhängige Beschäftigung sprechendes Indiz dar, wenn ein weiterer Teil der Vergütung zur Abdeckung der Kosten des Geschäftsstelle und insbesondere zur Abdeckung der Lohnkosten der dort tätigen Hilfskräfte bestimmt ist.

Im Ergebnis ist damit weiterhin die vom BSG bereits in seinem Urteil vom 17. Mai 1973 zum Ausdruck gebrachte Wertung ausschlaggebend: Der Bezirksleiter trägt (in Fallgestaltungen der vorliegend zu beurteilenden Art) kein echtes Unternehmerrisiko. Ein solches läge nur dann vor, wenn eigene wirtschaftliche Mittel eingesetzt würden, um einen Unternehmergewinn zu erzielen, dessen Eintritt aber andererseits ungewiss wäre. Ein derartiges wirtschaftliches Risiko besteht für den Kläger nicht. Zwar bemisst sich seine Vergütung nach dem Umsatz der zu seinem Bezirk gehörenden Annahmestellen. Andererseits sind die Bezirksstellenleiter am Abschluss der Spiel- und Wettverträge weder unmittelbar noch maßgeblich mittelbar beteiligt, so dass sie den für ihren "Gewinn" maßgebenden Umsatz nicht durch ein eigenes Unternehmerwagnis nachhaltig und grundlegend beeinflussen können. Der wirtschaftliche Einsatz des Klägers beschränkt sich daher auf die Einrichtung und Fortführung der für die Bezirksstelle notwendigen Aufwendungen. Damit ist praktisch kein wesentliches Geschäftsrisiko verbunden, weil die Unkosten für Geschäftsräume und Hilfskräfte ohne Schwierigkeiten von den wöchentlich regelmäßig eingehenden Vergütungen bestritten werden können (vgl. BSG, Urteil vom 17. Mai 1973 – 12 RK 9/72 –, SozR Nr. 10 zu § 2 AVG nwN).

Insbesondere kann der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit als Bezirksleiter nicht in relevanter Weise seine Chancen auf dem Markt selbständig suchen (vgl. zu diesem Kriterium BAG, Beschluss vom 16. Juli 1997 – 5 AZB 29/96 –, BAGE 86, 178). Er hat keine Möglichkeiten den Umsatz der Beigeladenen in seinem Bezirk und damit die Höhe seiner an diesen Umsatz geknüpften Provisionsansprüche nachhaltig zu beeinflussen. Die Umsätze der seit Jahrzehnten in dem Marktsegment tätigen Beigeladenen weisen ohnehin im Jahresvergleich keine großen Schwankungen auf, Veränderungen sind schwerpunktmäßig durch allgemeine Veränderung im Marktgeschehen der Branche bedingt und nur zu einem relativ geringen Teil durch den persönlichen Einsatz der Inhaber der Annahmestellen (und zu einem noch geringeren Anteil durch den persönlichen Einsatz der die Annahmestelleninhaber lediglich beratenden und überwachenden Bezirksleiter und -leiterinnen) zu beeinflussen.

Als Bezirksleiter konnte der Kläger nicht einmal in eigener Verantwortung neue Verträge über die Führung von Annahmestellen für die Beigeladene abschließen bzw. bei unzureichender Eignung vorhandene Verträge beenden. Diesbezüglich oblag ihm lediglich die Aufgabe, der Beigeladenen entsprechende Vorschläge zu unterbreiten. Die Beklagte ihrerseits konnte rechtlich frei darüber entscheiden, ob sie entsprechenden Vorschlägen folgen oder andere Lösungen bevorzugen wollte, mag sie sich in der Praxis auch üblicherweise dem Votum des Klägers anschließen. Der Kläger kann nicht einmal die Strategie verfolgen, die Zahl der Annahmestellen in seinem Bezirk möglichst auszuweiten. Vielmehr gehen er und die Beigeladene, wie auch die Ausführungen im Erörterungstermin verdeutlicht haben, übereinstimmend davon aus, dass nach betriebswirtschaftlicher Erfahrung eine Vermehrung der Verkaufsstellen in einem schon gut versorgten Bezirk letztlich nicht zur Generierung weiterer Umsätze führen wird, also im wirtschaftlichen Ergebnis weder dem Kläger noch der Beigeladenen nützen würde. Dementsprechend verpflichtet § 4 des Vertrages von 2016 den Kläger, für eine „optimale“ Annahmestellenstruktur (und nicht etwa für eine möglichst große Zahl an Annahmestellen) Sorge zu tragen.

Bei der beschriebenen Ausgangslage ist auch kein Raum, die vom Kläger wahrgenommene Tätigkeit als Bezirksleiter - entsprechend dem Ansatz des BGH im Urteil vom 22. Juni 1972 (VII ZR 36/71BGHZ 59, 87) -  als eine einem  „echten Generalvertreter mit eigenem Vertreterstab“ nahe kommende Tätigkeit einzustufen.

Er war letztlich in die betriebliche Organisation der Beigeladenen eingebunden, für deren möglichst reibungslosen Ablauf in dem ihm zugewiesenen Bezirk er verantwortlich war, und hatte keine effektiv nutzbaren Möglichkeiten zu einer nachhaltigen Beeinflussung der wirtschaftlichen Grundlagen seiner geschäftlichen Tätigkeit.

Im Ergebnis wurde von ihm nach dem Kern der vertraglichen Vereinbarungen und ihrer Umsetzung im betrieblichen Alltag der Einsatz seiner persönlichen Arbeitskraft verlangt. Im Gegenzug enthielt er ein regelmäßiges Entgelt, das zwar nicht im Vorhinein exakt bemessen, seiner Größenordnung nach aber durchaus voraussehbar war.

Insbesondere war der Kläger nach den vertraglichen Vereinbarungen nicht befugt, die Kernaufgaben eines Bezirksleiters durch Dritte erledigen zu lassen. Bezeichnenderweise sollte die vertraglichen Beziehungen mit der Beigeladenen nach den getroffenen Vereinbarungen im Falle seines Todes oder des Eintritts einer Erwerbsunfähigkeit enden. Soweit § 6 der zum 1. Februar 2016 in Kraft getretenen Neufassung des Vertrages erstmals die Zulässigkeit einer Delegation von Aufgaben „auf geeignete und zuverlässige Personen“ vorsieht, ist diese Befugnis sogleich mit der Einschränkung versehen worden, dass die persönliche Verantwortung des jeweiligen Bezirksleiters dadurch grundsätzlich nicht berührt werde.

Bezeichnenderweise haben Kläger und Beigeladene auch im Erörterungstermin vor dem Senatsvorsitzenden ihre übereinstimmende Einschätzung zum Ausdruck gebracht, dass mit der Neufassung der vertraglichen Vereinbarungen zum 1. Februar 2016 in der Sache keine grundlegenden Veränderungen verbunden seien.

Gerade vor dem Hintergrund der - auch nach Abzug der anteiligen Kosten für die Geschäftsstelle - relativ hohen Vergütung für die Tätigkeit des Bezirksleiters haben die Vertragsbeteiligten die für sie selbstverständliche Erwartung zum Ausdruck gebracht, dass der Kläger als Bezirksleiter persönlich unter Einbringung seiner eigenen Persönlichkeit die maßgeblichen Aufgaben der Bezirksleitung wahrnehmen soll. Der zum 1. Februar 2016 in Kraft getretene Vertrag  ist - wie dies auch bereits bei den vorausgegangenen Verträgen festzustellen war - wiederum (nunmehr bis Ende 2018) befristet, so dass (unabhängig von der Frage nach der rechtliche Zulässigkeit einer solchen Befristung) ein erheblicher wirtschaftlicher Druck auf den Kläger ausgeübt wird, auch persönlich eine so hohe Einsatzbereitschaft zu zeigen, dass auf deren Grundlage von Seiten der Beklagten die Bereitschaft zu einem Anschlussvertrag zu erwarten ist.

Dieser wirtschaftliche Druck wird durch das vereinbarungsgemäß aufgebrachte „Antrittsgeld“ - auch „Übernahmebetrag“  bzw. „Einstandsgeld“ genannt - in Höhe von anfangs 392.000,00 DM noch nachdrücklich erhöht.

Arbeitsrechtliche Verträge sehen mitunter den Anspruch eines Arbeitsnehmers auf Zahlung eines „Antrittsgeldes“ für die Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung oder für die Aufnahme eines Dienstes an einem bestimmten Tag vor. In solchen Fällen handelt es sich um eine von Seiten des Arbeit- bzw. Auftraggebers an den Arbeit- bzw. Auftragnehmer zu erbringende Zahlung.

Im vorliegenden Fall ist aber eine Leistung des Klägers als Auftragnehmer zu beurteilen, die dieser bei Aufnahme der Tätigkeit als Bezirksleiter an die Beigeladene als Auftraggeberin entrichtet hat. Der Kläger hat dieses Entgelt an die Beigeladene in der Form gezahlt, dass er zeitgleich formal als Darlehensnehmer einen verzinslichen Darlehensvertrag mit der Beigeladenen als Darlehensgeberin geschlossen hat, der sich ebenfalls auf die Summe von 392.000,00 DM belief. Der Anspruch des Klägers auf Auszahlung des Darlehensbetrages von 392.000,00 DM ist mit dem angenommenen Anspruch der Beigeladenen auf Zahlung eines Antrittsgeldes (bzw. Übernahmebetrages) in gleicher Höhe verrechnet worden. Hieran anknüpfend erbringt der Kläger seit 2001 Zins- und Tilgungszahlungen auf ein sich anfangs auf den Betrag von 392.000,00 DM belaufendes Darlehen, wobei der Darlehensbetrag ihm jedoch niemals tatsächlich persönlich zugeflossen ist, sondern in der beschriebenen Weise mit dem angenommenen Anspruch der Beigeladenen auf Zahlung eines sog. Antritts- bzw. Einstandsgeldes verrechnet worden ist.

Von einer ausdrücklichen schriftlichen Vereinbarung dieser Verpflichtung des Klägers zur Aufbringung des genannten „Antrittsgeldes“ in Höhe von 392.000 DM haben die Beteiligten Abstand genommen. Dementsprechend lassen sich auch keine klaren vertraglichen Abreden feststellen, wie im Einzelnen dieser Betrag ermittelt worden ist und welche Gegenleistungen zugunsten des Klägers möglicherweise mit der Aufbringung des Antrittsgeldes verbunden sein sollen.

Das Handelsvertreterrecht kennt Abreden, durch die sich der Handelsvertreter zur Leistung einer "Einstandszahlung" verpflichtet, mag er mit dieser im wirtschaftlichen Ergebnis ggfs. eine im rechtlichen Ausgangspunkt dem Unternehmer obliegende Verpflichtung zur Erbringung einer Ausgleichszahlung an seinen Vorgänger in der Position des Handelsvertreters nach § 89b HGB übernehmen. Entsprechende Vereinbarungen sind allerdings auch schon im Handelsvertreterrecht nur zulässig, soweit sie den gesetzlichen Vorgaben Rechnung tragen.

Dementsprechend ist eine solche Vereinbarung schon in Bezug auf Handelsvertreter nur wirksam, wenn einer solchen Zahlung auch wirtschaftliche und rechtliche Vorteile auf Seiten des Handelsvertreters gegenüberstehen. Ein solcher Vorteil kann insbesondere darin liegen, dass der Unternehmer sich verpflichtet, bei der Berechnung eines künftigen Ausgleichsanspruches des Handelsvertreters Altkunden den vom Vertreter geworbenen Neukunden gleichzustellen ("Neukundenregelung") (OLG München, Urteil vom 04. Dezember 1996 – 7 U 3915/96 –, juris).

Entsprechende Regelungen dürften dabei nicht zu einer Umgehung des unabdingbaren gesetzlichen Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB führen; auch unter diesem Gesichtspunkt darf sich insbesondere der Übernahmepreis nicht als unangemessen hoch darstellen (BGH, Urteil vom 24. Februar 1983 – I ZR 14/81NJW 1983, 1727). Im Ergebnis sind damit entsprechende Vereinbarungen über die Erbringung von Einstandszahlungen auch im Handelsvertreterrecht nur statthaft, wenn nachvollziehbar und verlässlich aufgezeigt werden kann, dass zugleich rechtsverbindlich mit ihrer Erbringung zusätzliche - anderweitig nicht geschuldete - Ansprüche des Handelsvertreters gegenüber dem Unternehmer begründet werden, wobei der wirtschaftliche Wert dieser zusätzlichen Vorteile in einem angemessenen Verhältnis zur Höhe einer solchen Einstandszahlung stehen muss.

In Betracht kommen insbesondere rechtsverbindliche Vereinbarungen, wonach der im künftigen Fall eines Ausscheidens des Handelsvertreters von Seiten des Unternehmers zu erbringende Ausgleichsanspruch das sich aus § 89b HGB ergebende gesetzliche Mindestmaß in einem solchen Ausmaß übersteigt, dass dadurch der mit der Erbringung der Einstandszahlung verbundene Nachteil (unter Einschluss des Zinsnachteils bezogen auf den Zeitraum zwischen ihrer Erbringung und der Fälligkeit eines künftigen Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB) ausgeglichen wird.

Selbst unter der im Ergebnis nicht zu teilenden Annahme einer selbständigen Handelsvertretertätigkeit des Klägers ließe sich nach diesen zivilrechtlichen Vorgaben bezogen auf den vorliegend zu beurteilenden Fall keine Rechtfertigung für die Leistung des Antrittsgeldes bzw. der Einstandszahlung feststellen. Die Verträge zwischen dem Kläger und der Beigeladenen enthalten schon keine Regelungen, wonach bei Beendigung der Bezirksleitertätigkeit ein höherer als der - sich bei Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen ohnehin nach § 89b HGB ergebende - gesetzliche Ausgleichsanspruch von Seiten der Beigeladenen zu zahlen sein könnte. Dies gilt sowohl nach Maßgabe der bei (formaler) Erbringung der Zahlung im Jahr 2001 maßgeblichen Vereinbarungen als auch unter Berücksichtigung der seit Februar 2016 in Kraft befindlichen aktuellen Regelung. Letztere erwähnen zwar immerhin einen solchen Ausgleichsanspruch in § 2; die Einzelheiten seiner Bemessung werden aber bewusst offen gelassen. Dementsprechend ist erst recht nicht erkennbar, dass überhaupt (und noch weniger klar und verlässlich) ein Recht des Klägers als Bezirksleiter auf einen höheren als einen sich ggfs. nach § 89b HGB ergebenden Anspruch vereinbart worden sein könnte. Diesbezüglich vermochten der Kläger und die Beigeladene auch keine klaren und rechtsverbindlichen mündlichen Vereinbarungen aufzuzeigen.

Ohnehin ist zu berücksichtigen, dass beide Beteiligte sich von der Zielvorstellung einer langjährigen Zusammenarbeit haben leiten lassen, was nicht zuletzt auch durch die lange Laufzeit des bis heute nur in Teilen getilgten „Darlehens“ über 392.000 DM verdeutlich wird, welches die Beigeladene im erläuterten Zusammenhang formal dem Kläger gewährt hat. Unter Berücksichtigung der bereits angesprochenen in der Praxis zu verzeichnenden jährlichen Fluktuationsquote von knapp 10 % der Annahmestellen ist ohnehin bei regelhaftem Ablauf und dementsprechend voraussichtlich langjähriger Wahrnehmung der Tätigkeit eines Bezirksleiters nicht zu erwarten, dass der Kläger im Falle eines künftigen Ausscheidens bei der Berechnung eines Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB noch nachhaltig von „Altkunden“ - hier in Form von Alt-Annahmestellen - profitieren könnte, die bereits sein Vorgänger im Amt des Bezirksleiters gewonnen hat. Für eine solche Annahme ist umso weniger Raum, als im betrieblichen Alltag auch von einem neu beginnenden Betriebsleiter vorgefundene geschäftliche Beziehungen zu Annahmestellen der fortlaufenden Betreuung und Pflege durch den neuen Bezirksleiter insbesondere in Form regelmäßiger Besuche mit den damit verbundenen Beratungen und Kontrollen bedürfen.

Dem Arbeitsrecht sind ohnehin Leistungen eines Arbeitnehmers in Form von Antrittsgeldern bzw. Einstandszahlungen fremd. Arbeitnehmer haben vom ersten Tag ihrer Tätigkeit an Anspruch auf den vertraglich vereinbarten - den gesetzlichen Vorgaben entsprechenden - Lohn. Der Lohn vergütet ihre Arbeitsleistung, dieser Anspruch auf seine Auszahlung muss nicht etwa noch durch eine vorherige Erbringung von Einstandszahlungen im Ergebnis gewissermaßen käuflich erworben werden. Für eine entsprechende Vereinbarung ist umso weniger Raum, als diese im wirtschaftlichen Ergebnis - letztlich auch im Sinne eines Lohnwuchers im Sinne der §§ 138 BGB, 291 StGB - darauf hinauslaufen würde, dass der Arbeitnehmer solange unentgeltlich zu arbeiten hätte, bis der Lohnanspruch rechnerisch die erbrachte Einstandszahlung erreicht.

Im Ergebnis ist damit die fehlende Rechtswirksamkeit der Vereinbarungen über eine von Seiten des Klägers bei Aufnahme der Tätigkeit als Bezirksleiter zu erbringende (und in dem beschriebenen Rahmen auch erbrachte) Einstandszahlung von 392.000 DM festzuhalten. Diese verdeutlicht letztlich nur die wirtschaftliche Abhängigkeit des Klägers von der Beigeladenen. Mit dieser Zahlung hat der Kläger keine konkret fassbare Gegenleistung erworben. Bezeichnenderweise hat der (anwaltlich vertretene) Kläger selbst in der mündlichen Verhandlung dem Senat erläutert, dass er nach seinem Verständnis mit dieser Zahlung das Recht erworben habe, in dem ihm zugewiesenen Bezirk (als Bezirksleiter und damit aus seiner Sicht als Handelsvertreter) „zu arbeiten“. Die Erbringungen von Arbeitsleistungen im Interesse eines anderen Unternehmers wie hier als Bezirksleiter zugunsten der Beigeladenen begründet aber im rechtlichen Ausgangspunkt regelmäßig (wie dies auch im Ausgangspunkt in Form der erläuterten Provisionsvereinbarungen vereinbart worden ist) einen Anspruch auf eine Vergütung dieser Arbeitstätigkeit; dieser Anspruch muss nicht seinerseits noch durch finanzielle Leistungen des Arbeitenden „erworben“ werden. Vielmehr stehen die Arbeitsleistungen auf der einen und der Lohnanspruch auf der anderen Seite ihrerseits bereits in einem synallagmatischen Leistungs- und Austauschverhältnis.

Schon mangels fassbarer Gegenleistung kann die Aufbringung des sog. Antritts- bzw. Einstandsgeldes durch den Kläger nicht als unternehmerische Investition oder anderweitig als Ausdruck eines „unternehmerischen Risikos“ verstanden werden, welches für eine selbständige Tätigkeit sprechen könnte. Die Auferlegung einer solchen Zahlung durch die Klägerin ist vielmehr letztlich als Ausdruck einer sittenwidrigen Knebelung (im Sinne des § 138 BGB) des Klägers durch diese zu werten. Die sehr beträchtliche Höhe des Antritts- bzw. Einstandsgeldes in Kombination mit dem Fehlen klarer vertraglicher Vereinbarungen über die Höhe eines bei einem Ausscheiden des Klägers aus der Tätigkeit eines Bezirksleiters von Seiten der Beklagten zu erbringenden „Austrittsgeldes“ war nach der wirtschaftlichen Zielsetzung darauf gerichtet, den Kläger im Ergebnis nachhaltig in seiner verfassungsrechtlich durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Freiheit zu beeinträchtigen, sich auf Wunsch auch anderweitig beruflich orientieren zu können. Das Risiko, dass er bei einer Beendigung seiner Tätigkeit als Bezirksleiter weiterhin zur Erbringung erheblicher Leistungen auf das im Zuge der Finanzierung des Antrittsgeldes aufgenommene Darlehen verpflichtet sein könnte, ohne dadurch durch angemessene Ausgleichsleistungen der Beklagten entschädigt zu werden, sollte den Kläger zu einer möglichst dauerhaften Tätigkeit für die Beigeladene bestimmen.

In diesem Zusammenhang kann entgegen dem Vortrag des Klägers in der mündlicher Verhandlung auch nicht entscheidend darauf abgestellt werden, dass bereits die gesetzlichen Vorgaben des § 89b HGB ihrerseits eine verlässliche Grundlage für angemessen hohe und das aufgezeigte Risiko hinreichend ausgleichende Ansprüche des ausscheidenden Bezirksleiters sicherstellen würden. Schon die gesetzliche Ausformung des Tatbestandes in dieser Norm, die insbesondere sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach einen solchen Anspruch nur nach dem Maßstab der Billigkeit und Angemessenheit begründet, weist durchgreifende Risiken auf (vgl. auch zum tatrichterlichen Schätzungsermessen BGH, Urteil vom 15. Juli 2009 – VIII ZR 171/08 –, juris). Darüber hinaus knüpft der Tatbestand des § 89b HGB an eine auf die Vermittlung und den Abschluss von Geschäften im Sinne des § 84 Abs. 1 HGB ausgerichtete Tätigkeit eines Handelsvertreters an. Die Tätigkeit eines Bezirksleiters weist aber, wie dargelegt, schon im Ausgangspunkt schon schwerpunktmäßig eine deutlich andere Zielrichtung auf. Darüber hinaus stellt sich der gesetzlich vorgeschriebene Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB als Ausgleich für die Leistung des Handelsvertreters in Form der Werbung neuer Kunden dar; diese Leistung ist nach den gesetzlichen Vorgaben als solche und damit insbesondere auch dann von Seiten des Auftraggebers mit dem Ausgleichsanspruch zusätzlich zu honorieren, wenn der Vertreter bei Antritt seiner Tätigkeit kein Einstands- bzw. Antrittsgeld aufgebracht hat.

Mit der Auferlegung zur Zahlung des Antritts- bzw. Einstandsgeldes in Höhe von anfänglich 392.000 DM sind dem Kläger zusätzliche Risiken auferlegt worden. Ihm sind jedoch dadurch keine unternehmerischen Spielräume eröffnet worden. Allein die Belastung eines Erwerbstätigen, der im Übrigen nach der tatsächlichen Gestaltung des gegenseitigen Verhältnisses als abhängig Beschäftigter anzusehen ist, mit zusätzlichen Risiken rechtfertigt gerade nicht die Annahme von Selbständigkeit (vgl. etwa BSG, Urteil vom 25. Januar 2001 - B 12 KR 17/00 R - SozVers 2001, 329). Mit der Aufbringung des Antrittsgeldes hat der Kläger insbesondere keine werthaltigen Ansprüche, Güter und Vermögenswerte erworben, wie dies bei unternehmerischen Investitionen (etwa in Form der Anschaffung von Maschinen, Betriebsgebäuden oder Patenten) regelmäßig der Fall wäre. Vielmehr machte gerade die durch das Antrittsgeld bewirkte langfristig ausgerichtete Bindung des Klägers an das Glücksspielunternehmen der Beigeladenen deutlich, dass auch diese vom Kläger abverlangte Leistung gerade innerhalb des Rahmens einer dienenden Teilhabe an den arbeitsteiligen Geschäftsprozessen der Beigeladenen zu verorten ist. Mit diesem Antrittsgeld hat der Kläger gerade keine Gegenleistung erworben, die er insbesondere eigennützig zur Steigerung seiner Verdienstchancen hätte einsetzen können (vgl. zu den vorstehenden Kriterien auch BSG, Urteil vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R –, BSGE 120, 99, Rn. 31). Gerade angesichts der Unbestimmtheit und fehlenden Abschätzbarkeit der ihm im Falle eines Ausscheidens ggfs. zustehenden Ansprüche etwa nach § 89b HGB ist der Kläger mit der Leistung des Antrittsgeldes letztlich schwerpunktmäßig im wirtschaftlichen Ergebnis das - nicht durch korrespondierende Chancen angemessen ausgeglichene - Risiko einer Schmälerung des Entgelts für seine Arbeitsleistungen als Bezirksleiter eingegangen.

Bezeichnenderweise betrug die Höhe dieses sog. Antrittsgeldes rund das Dreifache desjenigen Entgelts, das dem Kläger (nach Maßgabe der bei Aufnahme der Tätigkeit als Bezirksleiter absehbaren Provisionseinnahmen nach Abzug der aus Teilen dieser zu bestreitenden voraussichtlichen Kosten der Geschäftsstelle) als persönlicher Verdienst im Jahr verbleiben sollte. Damit korrespondierende klar normierte Gegenleistungsansprüche des Klägers waren, wie dargelegt, mit dieser schwer wiegenden wirtschaftlichen Belastung nicht verbunden. Es bestand letztlich allenfalls eine tatsächliche Hoffnung auf eine gewisse Großzügigkeit auf Seiten der Beigeladenen für den Fall eines künftigen Ausscheidens des Klägers aus der Tätigkeit eines Bezirksleiters. Eine solche weist aber keine ernsthafte wirtschaftliche Werthaltigkeit auf, zumal deren Realisierung angesichts des Fehlens klarer vertraglicher oder gesetzlicher Grundlagen insbesondere auch (neben namentlich einer positiven Geschäftsentwicklung im Unternehmen der Beigeladenen in den der Aufbringung des Antrittsgeldes nachfolgenden Jahren und Jahrzehnten) ein entsprechendes Wohlwollen auf Seiten der Beigeladenen voraussetzen würde. An Letzterem könnte es insbesondere im möglichen Fall eines künftigen Zerwürfnisses nachhaltig fehlen.

Auch einem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien, keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung begründen zu wollen, kommt nach der Rechtsprechung des BSG eine auch nur indizielle Bedeutung lediglich dann zu, wenn dieser Wille durch weitere Aspekte gestützt wird und den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht; Relevanz erlangt er mithin nur in Fallgestaltungen, in denen die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für eine Beschäftigung sprechen.  Nur unter diesen Voraussetzungen ist selbst in Fallgestaltungen eines entsprechenden in einem Vertrag dokumentierten Parteiwillens dieser überhaupt als ein auf Selbstständigkeit deutendes Indiz in die Gesamtabwägung einzustellen; hierdurch wird eine Selbstständigkeit jedoch nicht vorfestgelegt. Dabei ist das Gewicht dieses Indizes umso geringer, je uneindeutiger die Vertragsgestaltung ist und je stärker die Widersprüche zu den tatsächlichen Verhältnissen sind. Zugleich schwächt es die indizielle Wirkung ab, wenn wegen eines - wie auch gerade im vorliegenden Fall zu konstatierenden - erheblichen Ungleichgewichts der Verhandlungspositionen nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden kann, dass alle Vertragsparteien in gleicher Weise die Möglichkeit hatten, ihre Wünsche bezüglich der Ausgestaltung des sozialversicherungsrechtlichen Status durchzusetzen (vgl. im Einzelnen BSG, Urteil vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R –, BSGE 120, 99 mwN).

Im vorliegenden Zusammenhang sprechen bereits die sonstigen Umstände, insbesondere die Eingliederung des Klägers in den arbeitsteiligen Ablauf der Organisation des von der Beigeladenen betriebenen Glückspielgeschäfts, das Fehlen eines relevanten unternehmerischen Risikos im erläuterten Sinne und die regelmäßige Gewährung eines der Größenordnung nach vorhersehbaren Entgelts für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung.

Auch eine etwaige Überbürdung des Risikos, bei krankheitsbedingten Ausfällen kein Entgelt zu erhalten, spricht nach der Rechtsprechung des BSG nur dann für Selbständigkeit, wenn dem auch eine größere Unabhängigkeit oder höhere Verdienstchancen gegenüberstehen. Allein die Belastung eines Erwerbstätigen, der im Übrigen nach der tatsächlichen Gestaltung des gegenseitigen Verhältnisses als abhängig Beschäftigter anzusehen ist, mit zusätzlichen Risiken rechtfertigt hingegen auch in diesem Zusammenhang nicht die Annahme von Selbständigkeit (vgl. etwa BSG, Urteil vom 25. Januar 2001 - B 12 KR 17/00 R -, SozVers 2001, 329). Im vorliegenden Fall floss die ihm zugesicherte Vergütung dem Kläger allerdings ohnehin unabhängig davon zu, ob er in der jeweiligen Spielwoche persönlich arbeitsfähig oder erkrankt gewesen sein mag, er war und ist ohnehin zur dauerhaften Beschäftigung einer bei Bedarf die Aufgabe seiner Vertretung übernehmenden Arbeitskraft verpflichtet. Im Ergebnis kommt es aus Sicht der Beigeladenen darauf an, dass der Kläger im Gesamtergebnis über das Jahr hinweg ein gutes Leistungsniveau erreichte. Wie er seine persönliche Arbeit einteilte, inwieweit er dabei etwa Urlaubswünschen oder krankheitsbedingten vorübergehenden Ausfallzeiten in seiner Person Rechnung tragen wollte bzw. musste, fällt in seine Verantwortung.

Auch diese Ausgangslage ist jedoch auch im Rahmen abhängiger Beschäftigungen nicht selten anzutreffen. So steht es der Annahme einer abhängigen Beschäftigung bei Geschäftsführern von Kapitalgesellschaft insbesondere nicht entgegen, dass diese im täglichen Dienstbetrieb im Wesentlichen frei  walten und schalten und, was Ort, Zeit und Dauer seiner Arbeitsleistung  betrifft, weitgehend weisungsfrei agieren können (BSG, U.v. 18. Dezember 2001 - B 12 KR 10/01 R - SozR 3-2400 § 7 Nr. 20).

Allein weit reichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten" machen diesen nicht schon zum Selbstständigen, solange er in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem verfeinerten Weisungsrecht unterliegt. Eigenverantwortlichkeit und inhaltliche Freiheiten bei der Aufgabenerfüllung sind erst dann ein aussagekräftiges Indiz für Selbstständigkeit, wenn sie nicht mehr innerhalb des Rahmens dienender Teilhabe am Arbeitsprozess zu verorten sind und insbesondere eigennützig durch den Auftragnehmer zur Steigerung seiner Verdienstchancen eingesetzt werden können (vgl. BSG, Urteil vom 31.03.2015 - B 12 KR 17/13 R - Die Beiträge Beilage 2016, 445).

Im vorliegenden Fall oblag dem Kläger aus den erläuterten Gründen jedoch gerade eine dienende Teilnahme, wie sie ihrer Funktion nach mit dem Einsatz eines leitenden Angestellten vergleichbar war und ist, an dem arbeitsteiligen Arbeitsprozess, in dem die Beigeladene wöchentlich Millionen von Glückspielverträgen abschließt und ausführt.

4. Der Bescheid vom 9. März 2015 (Bl. 106 GA), mit dem die Beklagte eine Versicherungspflicht des Klägers nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI als selbständig Tätiger bezogen auf den Zeitraum 5. November bis 5. Dezember 2001 festgestellt hat, ist nur hinsichtlich seines Tenors in Bestandskraft erwachsen. Die ihm als Begründung zugrunde liegende bzw. offenbar versehentlich zugrunde gelegte Einschätzung, dass der Kläger seinerzeit einer selbständigen Tätigkeit nachgegangen sei, wird von der Bestandskraft nicht erfasst, so dass dieser Bescheid der vorstehend erläuterten Einschätzung auch bezogen auf seinen nur einmonatigen Regelungszeitraum nicht entgegenzustehen vermag.

5. Der Zulässigkeit des Feststellungsbegehrens, dem das angefochtene Urteil entsprochen hat, steht überdies bereits der auch im sozialgerichtlichen Verfahren ausgehend von der entsprechend anzuwendenden Regelung des § 43 Abs. 2 VwGO maßgebliche Grundsatz der Subsidiarität einer Feststellungsklage gegenüber einer Verpflichtungsklage (BSG, Urteil vom 11. Dezember 2002 – B 10 LW 6/00 R –, BSGE 90, 215; BSG, Urteil vom 14. Dezember 2011 – B 6 KA 29/10 R –, BSGE 110, 20) entgegen. Feststellungsklagen dürfen nicht auf eine Feststellung ausgerichtet sein, die auch - wie im vorliegenden Zusammenhang gerade durch den angefochtenen Bescheid - durch einen Verwaltungsakt geregelt wurde oder geregelt werden kann (BSG, Urteil vom 25. Januar 2012 – B 14 AS 65/11 R –, BSGE 110, 75).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht gegeben.