LG Hannover, Urteil vom 14.08.2017 - 74 O 27/17
Fundstelle
openJur 2020, 8963
  • Rkr:
Tenor

Die einstweilige Verfügung vom 10.05.2017 wird aufrechterhalten.

Die weiteren Kosten des Rechtsstreits trägt die Verfügungsbeklagte.

Tatbestand

Die Verfügungsklägerin ist ein gemeinnütziger Verbraucherschutzverein, der in die Liste qualifizierter Einrichtungen gem. § 4 UKlaG aufgenommen ist. Zu seinen satzungsgemäßen Aufgaben gehört es, Interessen der Verbraucher geltend zu machen.

Die Verfügungsbeklagte ist eine Versicherungsgesellschaft, diel Lebensversicherungen anbietet.

Die Verfügungsbeklagte hat einen Antrag des xxx vom 14.05.2016 zurückgewiesen, mit dem dieser verlangt hat, seinen Lebensversicherungsvertrag, der einen jährlichen Beitrag von 31,75 € und eine prognostizierte Ablaufleistung von 2.342,01 € im Jahr 2030 besitzt in eine pfändungsgeschützte Lebensversicherung nach § 851 c Abs. 1 ZPO umzuwandeln (vgl. Anlage ASt1 und 2). Mit Beschluss vom 10.05.2017 ist auf Antrag der Verfügungsklägerin der Verfügungsbeklagten im einstweiligen Verfügungsverfahren untersagt worden, Anträge von Verbrauchern auf Umwandlung eines bestehenden Lebensversicherungsvertrages in einen den Anforderungen des § 851 c ZPO genügenden Rentenversicherungsvertrag mit der Begründung abzulehnen, dass die sich für den neuen Vertrag ergebende Rentenleistung zu niedrig sei oder aus sonstigen Gründen auf den neuen Vertrag kein Rentenversicherungsvertragsmodell der Verfügungsbeklagten passe. Gegen die einstweilige Verfügung hat die Verfügungsbeklagte Widerspruch eingelegt.

Die Verfügungsklägerin beantragt nunmehr,

die einstweilige Verfügung aufrechtzuerhalten.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

die einstweilige Verfügung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die in § 167 VVG enthaltene gesetzliche Regelung sei auf Kapitallebensversicherungsverträge nicht anzuwenden, deren laufende Leistung 1 % der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des 4. Buches des Sozialgesetzbuches nicht übersteige (Stand 2017: 29,75 € monatlich). Die Anwendung der gesetzlichen Regelung auf derartige Verträge widerspreche der Gesetzesbegründung, weshalb systematische und teleologische Gründe dafür sprächen, entsprechende Verträge aus dem Anwendungsbereich des § 167 VVG herauszunehmen.

Ferner verfüge sie nicht über entsprechende Vertragsmodelle.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die einstweilige Verfügung vom 10.05.2017 war aufrechtzuerhalten. Die Verfügungsklägerin kann von der Verfügungsbeklagten gemäß § 12 Abs. 2 UWG im Wege der einstweiligen Verfügung verlangen, dass sie es unterlässt, die Umwandlung von Lebensversicherungen gem. §§ 167 VVG, 851 c ZPO mit der Begründung abzulehnen, die sich für den neuen Vertrag ergebende Rentenleistung sei zu niedrig oder sie besitze kein Rentenversicherungsmodell für die entsprechenden Verträge.

Die Ablehnung der Umwandlung verstößt gegen §§ 3 Abs. 1, 3 a UWG. § 167 VVG sieht vor, dass Versicherungsnehmer einer Lebensversicherung jederzeit für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode die Umwandlung der Versicherung in eine Versicherung verlangen kann, die den Anforderungen des § 851 c Abs. 1 der Zivilprozessordnung entspricht. Dabei hat die Kosten der Umwandlung der Versicherungsnehmer zu tragen.

Es handelt sich hier um eine verbraucherschützende, das Marktverhalten regelnde Bestimmung i.S.d. § 3 a UWG. Die Verfügungsbeklagte begeht einen Rechtsbruch, in dem sie sich entgegen der Bestimmung weigert, diese auf alle Versicherungsverträge anzuwenden.

Die für steuerlich geförderte und versicherungsrechtlich besonders geschützte Altersvorsorgeverträge vorgesehenen Sonderregelungen, die für laufende Leistungen unterhalb von 1 % der Bezugsgröße greifen, sind hier nicht übertragbar. Bei Riesterrenten und betriebliche Altersversorgungen sind zwar Verwaltungs- und Aufwandserleichterungen sowie Ausnahmen von Abfindungsverbot vorgesehen (vgl. beispielhaft § 3 Abs. 2 und 3 BetrAVG), nicht aber in § 167 VVG für Lebensversicherungen. Die Regelung des § 167 VVG zielt aber auf die Herbeiführung des Pfändungsschutzes nach § 851 c Abs. 2 ZPO ab, den die anderen, o.g. Rentenansprüche i.d.R. bereits besitzen. Der Schutz vor möglichen Pfändungsmaßnahmen ist unabhängig von Kosten und Praktikabilitätserwägungen auch bei kleinen Beträgen, die z.B. mit anderen Verträgen zusammen in die Nähe der Pfändungsfreigrenzen rücken können,  von Bedeutung. § 167 VVG selbst sieht deshalb keinerlei Einschränkungen vor, die unterhalb bestimmter Versicherungssummen eine Umwandlung ausschließen und ist daher uneingeschränkt anwendbar (vgl. Brambach in Hofer-Halber-Schimikowski, VVG, 3. Aufl. 2015, § 167 Rn. 11). Auch verhältnismäßig geringe Versicherungssummen können in der Alterssicherung dienen und fallen nach der Gesetzesbegründung unter die Regelung.

Die Verfügungsbeklagte wird daher der gesetzlichen Regelung entsprechende Vertragsmodelle künftig entwickeln und bei Nachfrage einrichten müssen. Sie kann sich der klaren gesetzlichen Regelung nicht dadurch entziehen, dass sie keine passenden, dem Gesetz entsprechenden Vertragsmodelle vorhält.

Die einstweilige Verfügung war daher mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO aufrechtzuerhalten.

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