OLG Hamburg, Urteil vom 12.12.2019 - 3 U 14/19
Fundstelle
openJur 2020, 8824
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung der Antragstellerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 3 für Handelssachen, vom 10.01.2019, (Az. 403 HKO 197/18) abgeändert.

Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, verboten,

zu Zwecken des Wettbewerbs in Deutschland

das Produkt R...® mit den folgenden Wirkaussagen zu belegen und/oder belegen zu lassen:

„Zur unterstützenden Behandlung von Übergewicht, Adipositas und zur Gewichtskontrolle im Rahmen einer kalorienarmen Ernährung“

wenn dies geschieht, wie aus der Anlage ASt1 ersichtlich

und/oder

„R...® wird im Rahmen einer kalorienarmen Ernährung von Erwachsenen angewendet zur

- Behandlung von Übergewicht (BMI ≥ 25)

- Behandlung von Adipositas (BMI ≥ 30)

- Gewichtskontrolle“

wenn dies geschieht, wie aus der Anlage ASt2 ersichtlich.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist vollstreckbar.

Gründe

I.

Der Antragsteller, ein Verein zur Förderung des Wettbewerbs, wendet sich gegen Angaben, welche die Antragsgegnerin auf der Umverpackung sowie in den Gebrauchsinformationen des von ihr hergestellten Medizinproduktes „R...“ tätigt.

Das oral einzunehmende Produkt „R...“ enthält (neben M..., kolloidalem S... und S...) einen sog. „K...“-Komplex, welcher sich aus den Wirkstoffen G... und C... zusammensetzt. „K...“ ist ausweislich der Anlage AG 6 von der Fa. E... (Zertifizierungsgesellschaft für Medizinprodukte in Europa mbH) am 24.10.2016 zertifiziert worden. Zum Prüfungsumfang und zum Regelungsgehalt dieses Zertifikates finden sich in dem Dokument selbst die folgenden Angaben:

„E..., ..., notified to EC under ... hereby declares that an examination of the under metioned quality assurance system has been carried out following the requirements of annex II excluding (4) of the Directive 93/42/EEC. (...) E... certfies that the full quality assurance system under which the products listed in annex I to this certificate are manufactured conforms with the requirements of annex II excluding (4) of the Directive 93/42/EEC on medical devices.“

„R...“ wird laut Angabe auf der Umverpackung eingesetzt „Zur unterstützenden Behandlung von Übergewicht, Adipositas und zur Gewichtskontrolle im Rahmen einer kalorienarmen Ernährung“ (Anlage ASt 1).

In der Gebrauchsinformation (Anlage ASt 2) heißt es

„R...® wird im Rahmen einer kalorienarmen Ernährung von Erwachsenen angewendet zur

- Behandlung von Übergewicht (BMI ≥ 25)- Behandlung von Adipositas (BMI ≥ 30)- Gewichtskontrolle“

Mit Schreiben vom 16.11.2018 (Anlage AST 4) mahnte der Antragsteller die Antragsgegnerin wegen dieser Angaben ab, wobei er die Auffassung vertrat, diese Angaben zur Zweckbestimmung seien irreführend, weil sie den Eindruck erweckten, dass die der Behandlung zugeschriebene Wirkung wissenschaftlich abgesichert sei. Das sei nicht der Fall und werde auch durch die Studie von S... et al. nicht gestützt, weil diese aufgrund gravierender methodischer Mängel nicht die Kriterien der Rechtsprechung zum Heilmittelwerberecht erfülle.

Diese im Jahr 2018 in der Zeitschrift für Phytotherapie veröffentlichte Studie (nachfolgend auch: „BEFORE“ – Studie), in deren Rahmen die gewichtsreduzierenden Auswirkungen einer Wirkstoffkombination aus P... und G... ohne Änderung der Lebens- und Essgewohnheiten untersucht worden sind, war von dem deutschen Vertreiber von „R...“, der H... GmbH, finanziert worden, nachdem der Antragsteller im Jahr 2017 gegen dieses Unternehmen wegen verschiedener Angaben zu „R...“ wettbewerbsrechtlich vorgegangen war, und zwar unter anderem wegen der Angaben „Zur unterstützenden Behandlung von Übergewicht und zur Gewichtsabnahme“ sowie

„Das Medizinprodukt wird unterstützend angewendet bei: -Behandlung von Übergewicht (Gewichtsverlust) -Gewichtskontrolle (...)“.

Der Antragsteller hatte damals gegen die H... GmbH eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Berlin (Az. 97 O 15/17) erwirkt. Im Zuge der daraufhin geführten außergerichtlichen Verhandlungen kam die als Anlage AG 37 eingereichte Vereinbarung zwischen dem Antragsteller und der H... GmbH zustande. Im Vorwege dieser Einigung hatte die H... GmbH mit Schreiben vom 24.3.2017 (Anlage AG 34) die Ansicht vertreten, bezüglich der zitierten Angaben liege der Kerngehalt der im Rahmen des Vergleiches abzugebenden Unterlassungsverpflichtungserklärung darin, dass durch diese Angaben der Eindruck entstehen könnte, dass allein die Verwendung von „R...“ zu einem Gewichtsverlust führe; Angaben, die den Charakter der Unterstützung im Sinne einer kalorienreduzierten bzw. kalorienarmen Ernährung zum Ausdruck klar zum Ausdruck brächten, lägen somit außerhalb des Kernbereichs. Der Antragsteller hatte daraufhin mit Schreiben vom 12.04.2017 erklärt, er sei grundsätzlich der Ansicht, es fehle an dem erforderlichen wissenschaftlichen Nachweis für die beanspruchten Wirkungen von „R...“. Die H.... GmbH möge abwägen, ob sie eine derartige Umstellung der Umverpackung und der Gebrauchsinformationen vornehmen wolle bei einer entsprechenden Beschwerde werde man weiter dagegen vorgehen, falls eine derartige Werbung ohne Vorlage entsprechender Studien erfolgen sollte. Im Nachgang zu dieser außergerichtlichen Vereinbarung, in welcher der H... GmbH eine Umstellungs- und Aufbrauchfrist bis zum 30.06.2017 eingeräumt worden war, sind die Verpackung sowie die Gebrauchsinformationen von „R...“ u.a. dahingehend geändert worden, dass sie die nunmehr streitgegenständlichen Angaben enthalten.

Der Antragsteller hat zur Begründung seines am 7.12.2018 bei Gericht eingegangenen Antrags geltend gemacht:

Die Angabe

„Zur unterstützenden Behandlung von Übergewicht, Adipositas und zur Gewichtskontrolle im Rahmen einer kalorienarmen Ernährung“

auf der „R...“ - Umverpackung sowie die Angabe in der Gebrauchsinformation

„R...® wird im Rahmen einer kalorienarmen Ernährung von Erwachsenen angewendet zur Behandlung von Übergewicht (BMI ≥ 25) / Behandlung von Adipositas (BMI ≥ 30) / Gewichtskontrolle“.

seien irreführend mangels hinreichender wissenschaftlicher Absicherung, welche der Verkehr aber erwarte.

Es seien die strengen Vorgaben der gesundheitsbezogenen Werbung anzuwenden. Die BEFORE-Studie von S... et al. könne nicht nachweisen, dass im Rahmen der Behandlung von Übergewicht oder Adipositas „R...“ eine Veränderung des Körpergewichts bewirke. Mittels dieser Studie, welche zahlreiche Durchführungs- und Auswertungsmängel aufweise, könne noch nicht einmal die Eignung zur Gewichtskontrolle nachgewiesen werden, da ein signifikanter therapeutischer Erfolg bei nicht übergewichtigen Menschen nach der Studie gar nicht eintrete.

Die übrigen Studien, welche sich jeweils separat mit den beiden Wirkstoffen befassten, könnten in Bezug auf die in Rede stehenden Aussagen zu einem Kombinationsprodukt nicht herangezogen werden. Im Übrigen komme aber auch den Einzelkomponenten keine nachweisbar gewichtsreduzierende Wirkung zu. Diejenigen Studien, welche zu einem entsprechenden Ergebnis gekommen seien, seien überholt bzw. widerlegt. Hinzu komme, dass im Rahmen dieser Studien die Kalorienaufnahme teilweise drastisch reduziert worden sei, beispielsweise auf 1.000 kcal/Tag der Verkehr rechne angesichts der hier in Rede stehenden Angaben nicht damit, dass eine so drastische Diät Voraussetzung für den Eintritt der Wirkung sei.

Zur Frage der Dringlichkeit hat der Antragsteller erstinstanzlich vorgetragen: Er habe im Oktober 2018 durch die Beschwerde eines Mitglieds Kenntnis von den jetzt angegriffenen Angaben erlangt. Eine Marktbeobachtungspflicht gebe es nicht. Ihm könne auch nicht vorgehalten werden, dass er von seinem Recht, die Einhaltung der im Rahmen des Vergleichs geregelten Aufbrauchfrist zu überprüfen, keinen Gebrauch gemacht habe. Eine Pflicht zur Überwachung derartiger Fristen bestehe nicht, ein solches Vorgehen sei ihm aufgrund der Vielzahl der Titel und Verträge auch gar nicht möglich. Er hätte eine Überprüfung nur auf die Beschwerde eines Mitglieds hin vorgenommen, eine solche sei jedoch nicht eingegangen. Eine begrenzte Beobachtungspflicht könne grundsätzlich allenfalls einem Wettbewerber angelastet werden, nicht aber einem auf Beschwerden hin tätig werdenden Verband. Verschlossen habe er sich dem Wettbewerbsverstoß nicht.

Die Antragsgegnerin hat vorgetragen:

Es fehle an der Dringlichkeit angesichts der zuvor zwischen den Parteien geführten Auseinandersetzung, in deren Rahmen sie bereits zum Ausdruck gebracht habe, dass sie sich das Recht vorbehalte, die jetzt in Rede stehenden Angaben zu verwenden.

Mit Blick auf den zertifizierten Verwendungszweck komme der CE-Kennzeichnung und der zugrundeliegenden Überprüfung durch die Benannte Stelle eine Indiz- und Tatbestandswirkung zu; ihr als Herstellerin könne nicht über den UWG/HWG-Hebel ein Verhalten untersagt werden, das ihr nach dem zugrundeliegenden höherrangigen EU-Recht und den Vorgaben des Medizinproduktgesetzes positiv erlaubt sei. Da sie auf die Zweckbestimmung des Produktes hinweisen müsse (Art. 1 Abs. 2 lit. g Medizinproduktrichtlinie 93/42/EWG i.V.m. Anhang I Ziffer 13.4), greife das Verbot der Behinderung des Vertriebs zertifizierter Medizinprodukte nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie. Eine überschießende (d.h. über das Prüfprogramm der CE-Zertifizierung hinausgehende) Wirkungsaussage habe sie hier nicht getroffen. Bestünden im Hinblick auf die Erfüllung einer zertifizierten Zweckbestimmung bei einem Medizinprodukt Zweifel, gebe es ein spezielles medizinprodukterechtliches Regime, welches abschließende Regelungen vorsehe (§ 18 MPG, Art 8 93/42/EWG). Die hier streitgegenständlichen Angaben verfolgten nicht den Zweck der Absatzförderung, weil Maßnahmen der Absatzförderung durch das Element der Freiwilligkeit gekennzeichnet seien, die Wiedergabe der zertifizierten Zweckbestimmung zwingend. Auch sei im Zertifizierungsverfahren nicht nur die Sicherheit, sondern auch die Wirksamkeit des Produkts geprüft worden. Würde das Wettbewerbsgericht hier die Frage der Wirksamkeit/Funktionstauglichkeit eigenständig überprüfen wollen, liefe dies auf eine systemwidrige Wiederholung der Konformitätsbewertung hinaus, das Wettbewerbsgericht würde dann faktisch die Funktion einer „übergeordneten benannten Stelle“ einnehmen im Sinne einer „Superrevisionsinstanz“. Der Zertifizierung komme auch ohne Verwaltungsaktcharakter Tatbestands- und Bindungswirkung zu.

Die angegriffenen, sehr restriktiv gefassten Aussagen seien unabhängig davon wissenschaftlich belegt, insbesondere durch die BEFORE-Studie.

Unabhängig davon bedürfe es einer Kombinationsstudie für „R...“ gar nicht, weil es sich nicht um ein Arzneimittel handele. Hinsichtlich des Nachweises der Wirksamkeit einer Wirkstoffkombination genüge es bei einem Medizinprodukt, dass es eine hinreichende Evidenz für die einzelnen Wirkstoffe gebe und keine greifbaren Anhaltspunkte dafür existierten, dass diese sich in antagonistischer Weise wechselseitig behinderten. Bei „R...“ gebe es keinerlei wissenschaftliche Anhaltspunkte für eine antagonistische Wirkung von G... und C.... Vielmehr sei durch die BEFORE-Studie sowie die Studie von W... et. al. sowie auch durch in-Vitro-Untersuchungen und durch Tierversuche sogar einer synergistischer Effekt bestätigt worden.

Das eilgerichtliche Verfahren sei für die Durchsetzung der in Rede stehenden Ansprüche ungeeignet, weil durch die Durchsetzung nicht lediglich eine vorläufige Regelung getroffen, sondern die im Zertifizierungsverfahren nach tatsächlicher Prüfung anerkannte Verkehrsfähigkeit faktisch beseitigt werden würde. Auch in tatsächlicher Hinsicht sei das EV-Verfahren hier nicht geeignet, da, auch wenn nach den Studien noch Restzweifel verbleiben sollten, nicht in einem summarischen Verfahren die von der EFSA anerkannte unterstützende Wirkung von G... zur Herbeiführung eines Sättigungseffektes tatsächlich widerlegt werden könne. Außerdem gehe es um das zertifizierte Anwendungsgebiet, ein Verbot würde de facto zu einem Vertriebsstopp führen.

Schließlich sei das begehrte Verbot zu weit gefasst, es beziehe auch Herstellungshandlungen ein, die nicht auf den deutschen Markt gerichtet seien.

Das Landgericht, Kammer 3 für Handelssachen, hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Urteil vom 10.01.2019 (Az. 403 HKO 197/18) zurückgewiesen. Auf das Urteil wird wegen der Einzelheiten der Begründung ebenso verwiesen wie auf die dortigen tatsächlichen Feststellungen und die Anträge erster Instanz.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Antragstellers, der seinen erstinstanzlichen Vortrag wiederholt und vertieft. Er macht insbesondere geltend:

Das Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Angelegenheit für ihn nicht mehr dringend sei. Die Dringlichkeitsvermutung sei nicht widerlegt. Er habe, wie die eidesstattliche Versicherung seiner Geschäftsführerin belege, erst im Oktober 2018 positive Kenntnis von den streitgegenständlichen wettbewerbswidrigen Handlungen erlangt. Ferner habe er sich der Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände, nämlich der Änderung der Umverpackung und der Gebrauchsanweisung, auch nicht verschlossen. Zu berücksichtigen sei, dass er ein kleinerer Wettbewerbsverein sei, seine Ressourcen zur Überprüfung und Überwachung seien daher beschränkt. Auch sei seine übliche Arbeitsweise zu berücksichtigen: er werde grundsätzlich nicht auf eigene Veranlassung tätig, sondern spreche Abmahnungen nur auf Beschwerden von Mitgliedern hin aus. Im weiteren Verlauf überprüfe er auch nicht in allen Fällen selbständig, ob Unterlassungstitel oder -verträge eingehalten würden. Vielmehr informiere er den jeweiligen Beschwerdeführer über den Ausgang des Verfahrens und werde wieder tätig, wenn eine erneute Eingabe erfolge oder er aufgrund anderer Umstände Kenntnis erlange. Die Grenze des zumutbaren Tuns sei bei einem Verein wie ihm anders zu beurteilen als bei einem im Eigeninteresse tätigen Wettbewerber.

Soweit die H... GmbH damals erklärt habe, dass sie eine geänderte Wirkaussage, welche auf eine kalorienreduzierte Ernährung abstelle, als zulässig ansehe, habe das keinen hinreichenden Anlass dafür geboten anzunehmen, dies werde auch tatsächlich umgesetzt. Die H... GmbH sei lediglich die Vertreiberin, der die Entscheidung über Umverpackung und Gebrauchsinformation nicht obliege. Zudem habe er gehofft, das damals noch junge Unternehmen werde die Einigung zum Anlass nehmen, die Wirkaussagen zu überdenken und/oder durch entsprechende Studien belegen.

Schließlich sei zu sehen, dass ein Testkauf nicht ausgereicht hätte, um ein Vorgehen gegen die Antragsgegnerin zu ermöglichen. Der Zusatz, dass die unterstützende Wirkung nur bei einer kalorienarmen Ernährung eintrete, sei eine maßgebliche Abweichung von der vorherigen Aussage. Er habe nicht ohne Beauftragung eines Sachverständigen darlegen können, dass es keinen Nachweis für diese Aussage gebe. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens ohne Vorlage einer Beschwerde widerspreche jedoch seinem Satzungszweck.

Der Sache nach stehe die CE-Zertifizierung einer Untersagung der Wirkaussage nicht entgegen. Der Antragsgegnerin werde nicht per se verboten, diese in Anspruch zu nehmen, dies solle ihr nur für den Fall untersagt werden, dass sie weiterhin nicht in der Lage sei, diese durch dem Goldstandard entsprechende Studien zu belegen. Auch verschließe die Antragsgegnerin vehement die Augen vor den unterschiedlichen Zielen des Konformitätsverfahrens und der vorliegenden wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzung. Während das Konformitätsverfahren lediglich bestätige, dass kein Sicherheitsrisiko bestehe, werde im vorliegenden Verfahren überprüft, ob die beanspruchte Wirkaussage zutreffend sei. Unabhängig von der Gewährung des freien Warenverkehrs durch die CE-Kennzeichnung müsse jeder Händler auch bei wörtlicher Übernahme der Zweckbestimmung und Auslobung sicherstellen, dass er über valide klinische Daten zum Beleg der wissenschaftlichen Wirksamkeit verfüge. Schließlich bestehe keine Verpflichtung, die nicht nachweisbare Zweckbestimmung aus dem Konformitätsverfahren auf der Umverpackung anzubringen. Der Begriff „Zweckbestimmung“ im Anhang I Ziffer 13.4 der Richtlinie entspreche nicht zwangsläufig dem zertifizierten Verwendungszweck. Im Übrigen lasse sich dem vorgelegten Zertifikat nicht entnehmen, welche Zweckbestimmung gegenüber der Benannten Stelle E... angegeben worden sei.

Der Antragsteller beantragt,

unter Abänderung des am 10.1.2019 verkündeten Urteils des LG Hamburg (Az. 403 HKO 197/18) wird es der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, verboten, zu Zwecken des Wettbewerbs das Produkt R...® mit den folgenden Wirkaussagen zu belegen und/oder belegen zu lassen:

„Zur unterstützenden Behandlung von Übergewicht, Adipositas und zur Gewichtskontrolle im Rahmen einer kalorienarmen Ernährung“

wenn dies geschieht, wie aus der Anlage ASt1 ersichtlich

und/oder

„R...® wird im Rahmen einer kalorienarmen Ernährung von Erwachsenen angewendet zur

- Behandlung von Übergewicht (BMI ≥ 25)- Behandlung von Adipositas (BMI ≥ 30)- Gewichtskontrolle“

wenn dies geschieht, wie aus der Anlage ASt 2 ersichtlich.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Berufung des Verfügungsklägers und Berufungsklägers gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 10.1.2019 (Az. 406 HKO 197/18) zurückzuweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil unter Wiederholung/Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und macht insbesondere geltend:

Der Antragsteller habe, wie das Landgericht zutreffend festgestellt habe, zu erkennen gegeben, dass ihm die Durchsetzung seiner Ansprüche wegen der vermeintlich rechtswidrigen Kennzeichnung des Produkts „R...“ im Rechtsverhältnis zu ihr, der Antragsgegnerin, nicht eilbedürftig sei. Zwar weiche die hier streitgegenständliche Kennzeichnung von der seinerzeit gegenüber der H... GmbH verwendeten ab, jedoch handele es sich dabei lediglich um eine Abschwächung. Jedenfalls aber habe der Antragsteller aufgrund der Rechtsberühmung der H... GmbH damit gerechnet oder jedenfalls damit rechnen müssen, dass das Produkt „R...“ nach dem 1.7.2017 mit einem Hinweis auf eine kalorienarme Ernährung weiter vertrieben werden würde.

Jedenfalls stehe dem Antragsteller kein Verfügungsanspruch zu. Im Rahmen der CE-Zertifizierung sei auch die Funktionstauglichkeit von „R...“ im Rahmen der beanspruchten Zweckbestimmung geprüft worden; dies beinhalte nicht lediglich eine Plausibilitätsprüfung, sondern einen Nachweis auf der Grundlage einer klinischen Bewertung. Die CE-Zertifizierung gebe ihr das Recht, „R...“ mit den hier in Rede stehenden Angaben in den Verkehr zu bringen. Dieses Recht werde durch das Behinderungsverbot des Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie abgesichert. Genau zu einer solchen unzulässigen Behinderung würde es jedoch kommen, wenn dem Unterlassungsbegehren des Antragstellers stattgegeben würde. Kennzeichnende Angaben zur Zweckbestimmung von zertifizierten Medizinprodukten könnten daher nicht im Wettbewerbsprozess von interessierten Dritten mit der Begründung angegriffen werden, sie seien nicht hinreichend belegt.

Unabhängig davon sei die Eignung von „R...“ zur unterstützenden Behandlung von Übergewicht, Adipositas und zur Gewichtskontrolle im Rahmen einer kalorienarmen Ernährung auch nach den im Verfahren des UWG/HWG geltenden Anforderungen auf der Basis der von ihr eingereichten Studien hinreichend nachgewiesen. Sowohl der Quelleffekt von G... als auch die Fettbindungswirkung von C... seien durch valide Humanstudien nach dem Goldstandard belegt. Im Übrigen seien in Bezug auf „R...“ ohnehin auf der Basis der Rechtsprechung des Senats die Voraussetzungen für eine Absenkung der Evidenzschwelle gegeben, weil die Wirkung von G... und C... durch subjektiv messbare Ergebnisse nachgewiesen sei und nicht die Gefahr von Verzerrungen durch subjektive Empfindungen bestehe. Dass keinerlei Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die Quellwirkung von G... und die Fettbindungswirkung von C... sich behinderten, habe sie ausführlich dargelegt und glaubhaft gemacht.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der Berufungsverhandlung vom 25.09.2019 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung des Antragstellers erweist sich als begründet. Die Sache ist zunächst dringlich (hierzu nachfolgend unter A.) Der Antragsteller ist auch aktivlegitimiert (hierzu nachfolgend unter B.). Ihm steht gegen die Antragsgegnerin zudem ein Unterlassungsanspruch zu (hierzu nachfolgend unter C.)

A.

Es besteht ein Verfügungsgrund, weil die Sache dringlich ist.

§12 Abs.2 UWG begründet eine tatsächliche Vermutung der Dringlichkeit. Diese Vermutung ist jedoch widerlegt, wenn der Antragsteller längere Zeit zuwartet, obwohl er den Wettbewerbsverstoß und die Person des Verantwortlichen kennt oder grob fahrlässig nicht kennt und dadurch zu erkennen gibt, dass es ihm nicht eilig ist (BGH, Beschluss vom 1.7.1999, I ZB 7/99, GRUR 2000, 151, 152 - Späte Urteilsbegründung Senat, Urteil vom 29.1.2009, GRUR-RR 2010, 57 - EMEA). Der positiven Kenntnis steht die grob fahrlässige Unkenntnis gleich. Sie liegt vor, wenn sich der Antragsteller bewusst der Kenntnis verschließt oder ihm nach Lage der Dinge (insbesondere aufgrund der Unternehmensgröße und -aktivitäten) der Wettbewerbsverstoß nicht verborgen geblieben sein kann. Eine allgemeine Marktbeobachtungspflicht besteht aber nicht (OLG Köln, Urteil vom 15.7.2011, 6 U 34/11, Magazindienst 2011, 810 - E-Postbrief; OLG Köln, Urteil vom 29.6.2012, 6 U 19/12, MMR 2013, 43- proconcept-werbung.de; Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl. 2019, § 12 Rn. 3.15a; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, § 54 Rn. 29 Büscher/Schmidt, UWG, § 12 Rn. 174). Es zählt in erster Linie positive Kenntnis, bloßes “Kennenmüssen”, also nur (leicht) “fahrlässige” Unkenntnis (vgl. § 122 Abs. 2 BGB), genügt nicht (vgl. KG Berlin, Urteil vom 02. Juni 2017, 5 U 196/16, juris; Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, a.a.O., § 12 Rn. 3.15a Büscher/Schmidt, a.a.O., § 12 Rn. 172). Der Senat hat dementsprechend entschieden, dass auch bei mehrjährigem Vertrieb des beanstandeten Produkts daher nicht ohne Weiteres davon auszugehen ist, dass Wettbewerbern nicht offensichtliche Wettbewerbsverstöße aufgefallen seien (Urteil vom 25.2.1999, 3 U 272/98, NJWE-WettbR 1999, 264 - Schoko/Prinzenrolle). Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend von einer Dringlichkeit auszugehen.

Unschädlich ist unter Dringlichkeitsgesichtspunkten, dass es zwischen dem Antragsteller und H... GmbH bereits zu einer wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzung bezüglich der Angaben auf der vorherigen Umverpackung/in den vorherigen Gebrauchsinformationen gekommen ist. Die seinerzeit beanstandeten Angaben unterscheiden sich von den vorliegend streitgegenständlichen dadurch, dass nunmehr auf den Einsatz des Produkts im Rahmen einer kalorienarmen Ernährung abgestellt wird. Mithin ist eine neue Bewertung der Frage, ob es einen hinreichenden wissenschaftlichen Nachweis für diese Behauptungen gibt, erforderlich.

Allerdings hat die Vertreiberin, die H... GmbH, sich im Rahmen der nach Erlass der durch den Antragsteller gegen sie beim Landgericht Berlin erwirkten einstweiligen Verfügung geführten außergerichtlichen Verhandlungen im Jahr 2017 vorbehalten, die Umverpackung und die die Gebrauchsinformation dahingehend zu ändern, dass „R...“ einen unterstützenden Beitrag im Rahmen einer „kalorienarme Ernährung“ leiste. Mangels näherer Erkenntnisse in Bezug auf die zukünftige Gestaltung und die wissenschaftliche Absicherung der geänderten Zweckbestimmungsbeschreibung war der Antragsteller jedoch nicht gehalten, unter Verweis auf eine Erstbegehungsgefahr eine entsprechende Verbotsverfügung zu erwirken, zumal er davon ausgehen durfte, dass die Entscheidung über die künftige Packungsgestaltung und die Neufassung der Gebrauchsinformation nicht bei der H... GmbH als bloßer Vertreiberin lag. Da er nichts Näheres über die von der Antragsgegnerin zu veranlassenden Änderungen und die künftige Nachweissituation wusste, hat er sich dadurch, dass er die Einhaltung der Aufbrauchfrist nicht kontrolliert hat, der möglichen Kenntnisnahme auch nicht bewusst entzogen. Eine Konstellation, in der sich die Rechtsverletzung aufgrund konkreter Umstände nach der Lebenserfahrung geradezu aufdrängte, liegt nicht vor. Würde man in einer Situation wie der vorliegenden eine Nichtüberprüfung der Neugestaltung aufgrund einer Diskussion über den Kernbereich der Unterlassungsverpflichtung für dringlichkeitsschädlich ansehen, wären Wettbewerber und Vereine regelmäßig gezwungen, im Nachgang zu einem Vorgehen gegen Wettbewerbsverstöße das weitere werbliche Vorgehen des Angegriffenen umfassend zu kontrollieren, um sich nicht der Möglichkeit eines erneuten Vorgehens im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu begeben. Dies wiederum würde im Ergebnis auf eine weitreichende Marktbeobachtungspflicht hinauslaufen, die es – wie angeführt – nicht gibt.

Dafür, dass der Antragsteller die geänderte Verpackung und die geänderten Informationen entgegen der eidesstattlichen Versicherung von Frau H... (Anlage ASt 7) zeitnah nach der Änderung wahrgenommen hat, liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte vor. Soweit das LG Berlin in dem Parallelverfahren zum Az. 101 O 146/18 ausgeführt hat, die Lebenswahrscheinlichkeit spreche für eine frühere Kenntnisnahme, genügt dies aus Sicht des Senats unter Berücksichtigung der eidesstattlichen Versicherung nicht für eine Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung, zumal es sich bei dem Antragsteller nicht etwa um einen direkten Konkurrenten mit Branchenkenntnissen handelt, sondern um einen Verein, der für seine Mitglieder auf diversen Gebieten wettbewerbsrechtlich tätig ist.

B.

Der Antragsteller ist als eingetragener Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder gehört, gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG zur Verfolgung des Unterlassungsanspruchs berechtigt. Dass zu den Mitgliedern des Antragstellers Anbieter von Mitteln wie beispielsweise Appetitzüglern, Fettbindern und Diätshakes gehören, welche mit der Antragsgegnerin in einem Wettbewerbsverhältnis stehen, ist unstreitig.

C.

Der Unterlassungsanspruch des Antragstellers ergibt sich aus §§ 8, 3, 3a UWG i.V.m. § 3 HWG.

1. §3 HWG ist eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG. Sie findet vorliegend Anwendung: Für die Bewerbung von Medizinprodukten sind die Vorgaben des HWG neben den allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Vorschriften des UWG maßgeblich; beide Gesetze finden nebeneinander Anwendung (§ 17 HWG).

2. Nach § 3 S. 2 Nr. 1 HWG liegt eine Irreführung dann vor, wenn Medizinprodukten eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben.

a. Unstreitig handelt es sich bei „R...“ um ein Medizinprodukt im Sinne der §§ 3 MPG, 1 Abs. 1 Nr. 1a, 3 S. 2 Nr. 1 HWG.

b. Die angegriffenen Angaben legen dem Medizinprodukt eine therapeutische Wirkung dahingehend bei, dass es im Rahmen einer kalorienarmen Ernährung die Gewichtsabnahme bzw. das längerfristige Halten eines bestimmten Gewichts fördert.

Der Verkehr erwartet von einem Produkt, welches oral eingenommen wird und dem in der streitgegenständlichen Art und Weise ein unterstützender Beitrag bei der Behandlung von Übergewicht, Adipositas und der Gewichtskontrolle im Rahmen einer kalorienarmen Ernährung zugeschrieben wird, dass es in irgendeiner Weise zu einer negativen oder jedenfalls ausgeglichenen Energiebilanz beiträgt. Dies beispielsweise dadurch, dass es das Hungergefühl drosselt, die Fettverbrennung erhöht oder in irgendeiner Form die Umwandlung der aufgenommenen Nahrung in Energie beeinflusst und dass davon ausgehend zwar nicht mit Sicherheit, aber doch mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit von „R...“ selbst im Rahmen einer kalorienarmen Ernährung positive Wirkungen in Bezug auf einen Gewichtsabbau bzw. das längerfristige Halten eines bestimmten Gewichts („Gewichtskontrolle“) erwartet werden können und dass dies wissenschaftlich abgesichert ist. Der Verkehr geht nicht davon aus, dass insoweit allein andere Maßnahmen, wie eben die kalorienarme Ernährung oder eine sportliche Betätigung, Einfluss auf das Gewicht haben.

Soweit die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang einwendet, die Gewichtsreduktion sei nur ein Teilaspekt eines umfassenden Therapiemanagements für Adipositas und Übergewicht, eine gleichermaßen wichtige Rolle könnten Gewichtskontrolle, Compliance und eine Änderung des Lebenswandels spielen, ist bereits nicht erkennbar, dass und inwieweit das Produkt in Bezug auf diese Aspekte eine unterstützende Rolle spielen könnte. Unabhängig davon erwartet der Verkehr aber, wie dargelegt, eine Einflussnahme auf die Energiebilanz und positive Wirkungen in Bezug auf einen Gewichtsabbau bzw. das längerfristige Halten eines bestimmten Gewichts.

c. Für eine derartige Wirkung von „R...“ fehlt es an hinreichenden wissenschaftlichen Nachweisen.

(aa) Die Beweislast für die Richtigkeit der angegriffenen Angaben liegt bei der Antragsgegnerin.

Auch bei gesundheitsbezogenen Werbeangaben gilt zwar im Ausgangspunkt der allgemeine Grundsatz, dass den Kläger die Darlegungs- und Beweislast für die Unrichtigkeit der von ihm angegriffenen Werbebehauptung trifft. Trägt der Kläger in einem Streit über die tatsächlichen Wirkungen beworbener Arzneimittel das Fehlen einer wissenschaftlichen Grundlage substantiiert vor, so ist es jedoch Aufgabe des Beklagten, die wissenschaftliche Absicherung einer gesundheitsbezogenen Werbeangabe zu beweisen (vgl. OLG Frankfurt GRUR-RR 2003, 295 die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 18.12.2003 (Az. I ZR 159/03) zurückgewiesen.

Diese Grundsätze sind auf Medizinprodukte übertragen (OLG München, Urteil vom 19. April 2012, 6 U 2576/11, juris).

(bb) Die Antragsgegnerin genügt ihrer Darlegungs- und Beweislast nicht durch den Verweis auf die CE-Zertifizierung für den „R...“-Wirkkomplex „K...“.

Einer solchen Bindungs- bzw. Feststellungswirkung eines positiven Konformitätsbewertungsverfahrens steht bereits § 6 Abs. 4 MPG entgegen, wonach die Durchführung des Konformitätsbewertungsverfahrens die zivilrechtliche Verantwortlichkeit des Herstellers und damit auch etwaige Ansprüche nach dem UWG unberührt lässt (vgl. OLG München, Urteil vom 15.03.2001, 6 U 5005/00, Magazindienst 2001, 887, 888f. Braun, MPR 2014, 193, 196). Ein Verstoß gegen eine das Marktverhalten regelnde Vorschrift kann zudem nur dann verneint werden, wenn das Marktverhalten durch einen Verwaltungsakt der zuständigen Behörde ausdrücklich erlaubt worden ist und dieser Verwaltungsakt nicht nichtig ist (BGH, GRUR 2005, 778, 779 - Atemtest). Bei dem von einer benannten Stelle durchgeführten Konformitätsbewertungsverfahren handelt es sich aber nicht um ein behördliches Zulassungsverfahren. Die Zertifizierung durch die benannte Stelle hat nicht den Charakter eines Verwaltungsakts, denn die benannten Stellen sind private, nicht beliehene Unternehmen (Braun, aaO.).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 93/42/EWG über Medizinprodukte, wonach es den Mitgliedstaaten verboten ist, das Inverkehrbringen von Produkten zu behindern, welche die CE-Kennzeichnung nach Artikel 17 tragen, aus der hervorgeht, dass sie einer Konformitätsbewertung nach Artikel 11 unterzogen worden sind. Dieses Behinderungsverbot führt nicht dazu, dass die Verantwortlichen davon entbunden wären, den Nachweis der Richtigkeit von Werbeaussagen in Bezug auf die Zweckbestimmung des CE-zertifizierten Produkts zu führen.

Vorliegend ist angesichts der Vorgaben der Richtlinie 93/42/EWG sowie unter Berücksichtigung des Vortrag zu der Zertifizierung von „R...“ bzw. dem darin enthaltenen „K...“ nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Benannte Stelle geprüft hat, ob das Produkt bei der Behandlung von Übergewicht, Adipositas sowie der Gewichtskontrolle im Rahmen einer kalorienarmen Ernährung einen unterstützenden Beitrag leistet (hierzu nachfolgend unter Ziff. (1)). Schon vor diesem Hintergrund greift das Behinderungsverbot nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie nicht zu Gunsten der Antragsgegnerin ein, weil dieses lediglich solche Einschränkungen verbietet, welche sich auf diejenigen Produkteigenschaften beziehen, die bereits im Konformitätsverfahren Berücksichtigung gefunden haben (hierzu nachfolgend unter Ziff. (2)) Selbst wenn man dem nicht folgen würde, fehlte es an hinreichendem Vortrag dazu, dass im Rahmen des Zertifizierungsverfahrens die konkret in Rede stehenden Angaben Gegenstand der Prüfung der Benannten Stelle waren und in die Zertifizierung eingeflossen sind (hierzu nachfolgend unter Ziff. (3)).

(1) Die Antragsgegnerin legt als Anlage AG 6 ein Zertifikat der Fa. E... vom 24.10.2016 nebst zugehöriger Anlage vor, mit dem der Nachweis der Zertifizierung des streitgegenständlichen Produkts auch bezogen auf die angegriffenen Anlagen geführt werden soll. Danach hat die Fa. E... ein vollständiges Qualitätsmanagementsystem nach Anlage II der Richtlinie 93/42 EWG zertifiziert. Dabei geht es in erster Linie um eine technische Sicherheitsprüfung und -überwachung; demgegenüber ist eine Überprüfung der Wirkungen bzw. der therapeutischen Wirksamkeit regelmäßig weder das Ziel der Zertifizierung noch ein Prüfungspunkt. Es ist überwiegend wahrscheinlich, dass auch bei „R...“ bzw. „K...“ von der Fa. E... lediglich die Produktsicherheit im Rahmen der Prüfung des vollständigen Qualitätssicherungssystems untersucht worden ist.

„R...“ ist ein Medizinprodukt, welches nach der Richtlinie 93/42/EWG als Medizinprodukt der Klasse IIa einzustufen sein dürfte. Derartige Medizinprodukte dürfen nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Medizinproduktegesetz nur in den Verkehr gebracht werden, wenn unter anderem ein Konformitätsbewertungsverfahren nach § 37 Abs. 1 MPG, (vormals § 6) Medizinprodukte-Verordnung (MPV) durchgeführt worden ist. Nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 MPV i.V. mit § 7 Abs. 2 Nr. 1 MPV hat der Hersteller die Möglichkeit, für Medizinprodukte der Klasse IIa das Verfahren der EG-Konformitätserklärung (vollständiges Qualitätssicherungssystem) nach Anhang II der Richtlinie 93/42/EWG mit Ausnahme der Nummer 4 zu wählen. Das entspricht Art. 11 Abs. 2 S. 2 der Richtlinie 93/42/EWG. Davon hat die Antragsgegnerin ausweislich des Zertifikats gemäß der Anlage AG 6 offensichtlich Gebrauch gemacht. Bestandteil dieses Konformitätsbewertungsverfahrens ist das Qualitätssicherungssystem und dessen Überwachung (Nr. 3 und 5 Anhang II der Richtlinie 93/42/EWG). Es wird von einer sogenannten Benannten Stelle durchgeführt, die der Hersteller zu beauftragen hat. Die Produktauslegung wird – wie angeführt – nicht geprüft (Anhang II Nr. 4 der Richtlinie 93/42/EWG) und ist ausweislich der Anlage AG 6 auch nicht geprüft worden (vgl. auch Senat, Urteil vom 23.10.2003, 5 U 70/02, Magazindienst 2003, 52) Dementsprechend hat vorliegend die Benannte Stelle in dem Zertifikat vom 24.10.2016 auch (lediglich) ausgeführt, sie habe eine Untersuchung des Qualitätssicherungssystems der Beklagten durchgeführt und zertifiziere, dass das gesamte Qualitätssicherungssystem, unter dessen Geltung die zertifizierten Produkte hergestellt würden, den Vorgaben des Annex II der Richtlinie 93/42/EWG entsprächen.

(2) Angesichts des mit der Richtlinie verfolgten Ziels einer Verbesserung des Gesundheitsschutzes lässt sich das Behinderungsverbot des Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 93/42/EWG nicht dahingehend auszulegen, dass es den Verantwortlichen erlaubt, für ein Medizinprodukt, bei dem im Rahmen des Zertifizierungsverfahrens lediglich das Qualitätssicherungssystem untersucht und zertifiziert worden ist, mit nicht hinreichend gesicherten Zweckbestimmungsangaben zu werben, welche im Rahmen des Zertifizierungsverfahrens nicht überprüft worden sind.

Mit der Richtlinie wird das Ziel eines verbesserten Gesundheitsschutzes verfolgt. Dies ergibt sich bereits aus Erwägungsgrund 5, welcher lautet: „Medizinprodukte müssen für Patienten, Anwender und Dritte einen hochgradigen Schutz bieten und die vom Hersteller angegebenen Leistungen erreichen. Die Aufrechterhaltung bzw. Verbesserung des in den Mitgliedstaaten erreichten Schutzniveaus ist eines der wesentlichen Ziele dieser Richtlinie.“

Dementsprechend hat der EuGH hinsichtlich des Behinderungsverbotes gemäß Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie ausgeführt, es handele sich um „das gegenüber den Mitgliedstaaten ausgesprochene Verbot, eine neue Konformitätsbewertung zu verlangen“ (EuGH, Urteil vom 13. Oktober 2016, C-277/15, Rn. 37). Folgerichtig geht es auch in dem Verfahren gemäß Art. 8 der Richtlinie, auf welches die Antragsgegnerin wiederholt hinweist, lediglich darum, die Vermutung der Konformität der Medizinprodukte zu widerlegen, falls festgestellt wird, dass bestimmte Medizinprodukte, die die CE- Kennzeichnung tragen, gleichwohl Patienten oder Anwender gefährden können. Der EuGH hat hierzu in seinem Urteil vom 14. Juni 2007 (C-6/05, Rn. 53) ausgeführt: „Wenn angebotene Produkte beim öffentlichen Auftraggeber trotz CE-Kennzeichnung Bedenken hinsichtlich der Gesundheit oder Sicherheit der Patienten wecken, verwehren es überdies der Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter und die Pflicht zur Transparenz, die unabhängig davon gelten, ob die Richtlinie 93/36 anwendbar ist, zur Verhinderung von Willkür dem betreffenden öffentlichen Auftraggeber, selbst das fragliche Angebot direkt abzulehnen, und verpflichten ihn dazu, ein Verfahren wie das Schutzverfahren nach Art. 8 der Richtlinie 93/42 einzuhalten, das eine objektive und unabhängige Beurteilung und Kontrolle der geltend gemachten Risiken gewährleistet.“

Auf dieser Basis hat das OLG Stuttgart (Urteil vom 08. Juni 2017, 2 U 154/16 , GRUR RR 2017, 448, juris Rn. 74ff.) unter Verweis darauf, dass der Wortlaut der Richtlinie 93/42/EWG zeige, dass es im Rahmen der CE-Zertifizierung vorrangig um die Qualitätssicherung gehe und eine Überprüfung der Wirkungen bzw. der therapeutischen Wirksamkeit gerade nicht Ziel der Zertifizierung sei, die Bindungs- bzw. Feststellungswirkung eines positiven Konformitätsbewertungsverfahrens auch für die zweckbestimmungsmäßigen Wirk- und Leistungsaussagen verneint die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 22.2.2018 (Az. I ZR 119/17) zurückgewiesen.

Der Senat verkennt nicht, dass das OLG Stuttgart sich in seiner Entscheidung in diesem Zusammenhang auch mit dem Bericht der benannten Stelle auseinandergesetzt und angeführt hat, die benannte Stelle habe die Studien, die von der Beklagten als Beleg für die Wirksamkeit der Produkte vorgelegt wurden, lediglich mit Formulierungen wie „Die Schlussfolgerung ist nachvollziehbar“ oder „Die Aussagen sind plausibel“ bewertet, was zeige, dass eine tatsächliche Überprüfung durch die benannte Stelle gerade nicht stattgefunden habe. Auch im vorliegenden Fall ist jedoch, wie oben dargelegt, nicht erkennbar, dass die Benannte Stelle in Bezug auf „K...“ über die zertifizierte Prüfung des Qualitätssicherungssystems hinaus eine Überprüfung der therapeutischen Wirksamkeit vorgenommen hat.

Soweit die Antragsgegnerin demgegenüber auf die Entscheidung des EuGH (Urteil vom 14. Juni 2007, C-6/05) verweist und geltend macht, daraus ergebe sich, dass ein Vorgehen gegen Angaben der Kennzeichnung zur Zweckbestimmung von zertifizierten Medizinprodukte nur im Rahmen des Verfahrens gemäß Art. 8 und 13 der Richtlinie 93/42 möglich sei, überzeugt dies nicht. Der EuGH kam in diesem Verfahren zu dem Ergebnis, dass es einem öffentlichen Auftraggeber, welcher ein Vergabeverfahren für die Lieferung von Medizinprodukten an ein öffentliches Krankenhaus eingeleitet und bestimmt habe, dass die Produkte dem Europäischen Arzneibuch entsprechen und mit der CE-Kennzeichnung versehen sein müssten, verwehrt sei, angebotenes Material, das diese technische Voraussetzung erfülle, direkt und außerhalb des Schutzverfahrens nach den Art. 8 und 18 der Richtlinie 93/42 aus Gründen des Schutzes der öffentlichen Gesundheit abzulehnen (Ls. 1). In dem dortigen Verfahren ging es nicht, wie hier, um irreführende Wirkaussagen, sondern darum, dass der öffentliche Auftraggeber Zweifel an der technischen Zuverlässigkeit des dort streitgegenständlichen Nahtmaterials hatte, obgleich durch die CE-Zertifizierung die Übereinstimmung mit den von der Richtlinie 93/42 bei derartigen Materialen vorgegebenen technischen Eigenschaften bestätigt worden war.

(3) Selbst wenn man aber, wie nicht, von einer hinreichenden Prüfung der therapeutischen Wirksamkeit durch die Benannte Stelle ausgehen würde, könnte dies kein der Antragsgegnerin günstigeres Ergebnis rechtfertigen. Es ist nämlich nicht dargetan, dass die Benannte Stelle im vorliegenden Fall diese Prüfung und davon ausgehend die Zertifizierung gerade im Hinblick auf die vorliegend streitgegenständlichen Angaben zum Anwendungsbereich bzw. zur Zweckbestimmung vorgenommen hat.

Hinsichtlich des Zertifizierungsverfahrens hat die Antragsgegnerin neben dem Zertifikat selbst, welches, wie dargelegt, ohnehin nur auf die Prüfung und Zertifizierung des Qualitätssicherungssystems verweist, lediglich eine von ihr im Rahmen des Zertifizierungsverfahrens getätigte Stellungnahme eingereicht (Anlage AG 5) sowie als Anlage AG 4 ein weitgehend geschwärztes Dokument des Unternehmens „BSI Group“ (zu dessen Rolle im Rahmen des Zertifizierungsverfahrens die Antragsgegnerin nicht näher vorträgt), dem sich (soweit nicht geschwärzt) Antworten der Beklagten auf Fragen der Fa. B...zu „K...“ bzw. einer C.../G...-Kombination entnehmen lassen sowie auch die Reaktion der Fa. B... hierzu; teilweise heißt es insoweit „The question is closed“, teilweise aber auch „The question remains open“. Dem allen lässt sich nicht entnehmen, dass die Benannte Stelle E... die Eignung von „R...“ zur unterstützenden Behandlung von Übergewicht, Adipositas sowie zur Gewichtskontrolle im Rahmen einer kalorienarmen Ernährung untersucht hat und sodann zu einem für die Antragsgegnerin positiven Ergebnis gelangt ist.

Weiter ist auch zu sehen, dass das Zertifizierungsverfahren im Zeitraum 2015/2016 durchgeführt worden ist; das Zertifikat wurde am 24.10.2016 erteilt. Die streitgegenständlichen Angaben verwendet die Antragsgegnerin jedoch erst seit Mitte 2017, sie können mithin von der Benannten Stelle im Rahmen des Zertifizierungsverfahrens nicht berücksichtigt worden sein.

Allerdings hat der Antragsgegnervertreter in der mündlichen Verhandlung angegeben, die im Streit stehenden Angaben auf der Produktverpackung und in der Gebrauchsanweisung seien der benannten Stelle nachgemeldet worden, woraufhin diese keine Einwendungen erhoben habe. Das hat die Antragstellerin bestritten. Belege für ihre Behauptung hat die Antragsgegnerin nicht vorgelegt. Im Gegenteil. Sie hat mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 15.10.2019 eingeräumt, dass eine solche Notifizierung der Benannten Stelle nicht erfolgt sei. Insoweit vertritt die Antragsgegnerin die Ansicht, es handele sich um eine unwesentliche und daher nicht mitteilungspflichtige Änderung. Dies ist aus Sicht des Senats nicht zutreffend, weshalb schon deshalb eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht in Betracht kam.

Entgegen der Einschätzung der Antragsgegnerin macht es einen erheblichen Unterschied, ob ein Produkt, welches die Behandlung von Übergewicht und Adipositas unterstützen soll, hierzu auch im Rahmen einer kalorienarmen Ernährung geeignet ist oder – nach seiner bis 2017 verwendeten Zweckbestimmung – unabhängig von einer kalorienarmen Ernährung. Insoweit lässt sich, da eine kalorienarme Ernährung regelmäßig Auswirkungen auf den Stoffwechsel, das Körperempfinden und die Psyche des Diäthaltenden hat, auch nicht pauschal im Wege eines Erst-Recht-Schlusses sagen, dass ein Produkt, welches ohne Kalorienreduktion die Behandlung von Übergewicht und Adipositas unterstützt, einen solchen unterstützenden Beitrag auch (erst recht) im Rahmen einer kalorienarme Ernährung leistet.

Zwar macht die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang geltend, es sei Aufgabe der Benannten Stelle, sich im Rahmen der Routineüberwachung nach Anhang II Ziffer 5.3 davon zu überzeugen, dass der Hersteller das im Zertifizierungsverfahren genehmigte Qualitätssicherungssystem auch so anwende; sollte sich dabei ergeben, dass der Zertifikatsinhaber eine wesentliche Änderung vorgenommen habe, ohne dies mitzuteilen, werde dies festgehalten und beanstandet. Insoweit fehlt es aber an jedwedem konkreten Vortrag dazu, dass, wann und mit welchem Ergebnis die Benannte Stelle in Bezug auf das streitgegenständliche Produkt eine solche Inspektion durchgeführt hat. Dass es im Rahmen der Aktualisierung des Zertifikates zum 6.9.2017 zu einer (insoweit beanstandungsfreien) Inspektionsprüfung gekommen wäre, behauptet die Antragsgegnerin nicht.

(4) Angesichts des Vorstehenden kommt es nicht darauf an, dass das Zertifikat gemäß der Anlage AG 6 nicht das streitige Produkt, sondern dessen Bestandteil „K...“ betrifft.

bb. Die Antragsgegnerin hat schließlich mit den von ihr vorgelegten Unterlagen nicht hinreichend glaubhaft zu machen vermocht, dass „R...“ im Rahmen einer kalorienarmen Ernährung von Erwachsenen einen unterstützenden Beitrag zur Behandlung von Übergewicht und/oder Adipositas oder zur Gewichtskontrolle leistet.

(1) Zwar genügt nach dem im einstweiligen Verfügungsverfahren geltenden herabgesetzten Beweismaßstab insoweit für die Glaubhaftmachung die überwiegende Wahrscheinlichkeit (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Februar 1998, II ZB 15/97, NJW 1998, 1870, Ls. und juris Rn. 1). Auch lässt sich die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Erforderlichkeit einer randomisierten, placebo-kontrollierten Doppelblindstudie nach dem sog. Goldstandard, welche nach der Rechtsprechung zum Beleg für eine auf Arzneimittel bezogene werbliche Äußerung im Regelfall erforderlich ist (vgl. BGH, Urteil vom 06. Februar 2013, I ZR 62/11, GRUR 2013, 649 Rn. 19 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil), nicht einschränkungslos auf Medizinprodukte übertragen. Jedenfalls dann, wenn der Wirknachweis anhand objektiv messbarer Ergebnisse geführt werden kann und nicht die Gefahr der Verzerrung der Studienergebnisse durch subjektive Empfindungen der Teilnehmer besteht, hat eine Einzelfallprüfung bezüglich des Nachweises der wissenschaftlichen Absicherung anhand vorgelegter Studien und weiterer Umstände zu erfolgen (OLG Celle, Beschluss vom 27. März 2017, 13 U 199/16, Magazindienst 2017, 606, juris Rn. 42 vgl. auch OLG München, Urteil vom 19. April 2012, 6 U 2576/11, Magazindienst 2012, 759, juris Rn. 38)

Selbst wenn man hier zu Gunsten der Antragsgegnerin davon ausgeht, dass in Bezug auf „R...“ die Einhaltung des Goldstandards nicht erforderlich ist und dass eine Einzelfallprüfung anhand vorgelegter Studien sowie weiterer Umstände vorzunehmen ist, fehlt es überwiegend wahrscheinlich an einer wissenschaftliche Absicherung des Wirkungsnachweises.

(2) Dass der in „R...“ enthaltene „K...“-Komplex im Rahmen einer kalorienarmen Ernährung einen unterstützenden Beitrag zur Behandlung von Übergewicht oder Adipositas oder zur Gewichtskontrolle leistet, ist zunächst nicht durch die von der Antragsgegnerin in Bezug genommenen Untersuchungen zu Kombinationen aus G... und C... hinreichend belegt.

Eine konkret auf die gewichtsreduzierenden Auswirkungen von „R...“ bzw. den darin enthaltenen „K...“-Komplex bezogene Untersuchung stellt die von der H... GmbH finanzierte sog. BEFORE-Studie (ASt 8) dar. Jedoch ist im Rahmen dieser Studie gerade nicht die (unterstützende) Wirkung von „K...“ im Rahmen einer kalorienarmen Ernährung, welche aber Gegenstand der angegriffenen Werbeaussagen ist, untersucht worden. Die Teilnehmer sollten ihren Lebensstil und ihre Ernährungsgewohnheiten nämlich gerade nicht ändern. Wie oben dargelegt, ist es nicht zulässig, einen „Erst-Recht-Schluss“ dergestalt zu ziehen, dass ein Mittel, welches bei Beibehaltung der Ess- und Lebensgewohnheiten einen unterstützenden Beitrag zur Gewichtsreduktion leistet, ohne Weiteres auch im Rahmen einer kalorienarmen Ernährung eine ebensolche Wirksamkeit entfaltet.

Die als Anlage AG 16 eingereichten Ausführungen zu einem „K...“ - Benutzertest ist für die hier in Rede stehenden Fragen nicht hinreichend aussagekräftig. Im Rahmen des Benutzertests ist „K...“ nicht mit einem Placebo, sondern lediglich mit einem anderen G...-basierten Produkt verglichen worden ist. Zudem wurden im Rahmen des Benutzertests lediglich die Auswirkungen auf den „Global Appetit Score“ untersucht; die diesbezüglichen Ergebnisse vermögen die hier in Rede stehenden Angaben daher nicht zu rechtfertigen.

Auch auf die Studie von W... et al. (Anlage ASt 11) zu den Wirkungen einer Kombination aus den beiden Wirkstoffen kann sich die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang nicht mit Erfolg berufen. Im Rahmen dieser Studie aus dem Jahr 2003 mit (am Ende) 22 adipösen Patienten haben 11 Patienten ein Präparat eingenommen, welches G... und C..., aber auch Vitamin ..., B... und G... enthielt die anderen 11 erhielten ein Placebo. Zwar macht die Antragsgegnerin unter Verweis auf die Ausführungen von Dr. M... geltend, aus wissenschaftlicher Sicht spreche viel dafür, dass die signifikanten Ergebnisse dieser Studie auf die Funktionen von G... und C... zurückzuführen seien. Dies genügt indes nicht. Maßgeblich ist, dass im Rahmen der Studie die Wirkungen eines Präparates mit weiteren Wirkstoffen untersucht worden sind und dass die Studienersteller der Ansicht waren, dass gerade diese zusätzlichen Stoffe das Ergebnis möglicherweise beeinflusst hätten (so ihre Ausführungen auf S. 257f). Auch Dr. M... räumt ein, dass die direkte Übertragbarkeit dieser Studienergebnisse auf „R...“ bzw. „K...“ im Hinblick auf die zusätzlichen Inhaltsstoffe limitiert sei.

(3) Soweit die Antragsgegnerin sich auf Studien beruft, welche die Wirkung der Stoffe G... bzw. C... für sich genommen untersucht haben, genügt dies nicht. Ein Wirksamkeitsnachweis für ein Präparat wie das hier fragliche, welches zwei Wirkstoffe enthält, ist auf der Basis von zu den einzelnen Bestandteilen erzielten Feststellungen ohne hinreichende Erkenntnisse über Wechselwirkungen der kombinierten Stoffe nicht möglich. Auf die Untersuchung solcher Wechselwirkungen kann nicht verzichtet werden, weil die Verwendung mehrerer oder zusätzlicher Inhaltsstoffe mit einer Verschlechterung der Wirksamkeit einhergehen und sich die Wirkung einzelner Bestandteile im Körper neutralisieren kann (vgl. zu einer als diätetisches Lebensmittel vertriebenen Nährstoff-Kombination BGH, Urteil vom 15. März 2012, I ZR 44/11, GRUR 2012, 1164 – Artrostar).

Zwar verweist die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang auf die als Anlagen AG 55 und AG 61 eingereichten Stellungnahmen von Frau C... und Dr. M..., in denen die Ansicht vertreten wird, dass aus wissenschaftlicher Sicht keine Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass die Kombination von G... durch C... negative Auswirkungen auf die jeweiligen Funktionen der beiden Einzelsubstanzen habe. Insoweit fehlt es jedoch an einer hinreichenden wissenschaftlichen Erkenntnisgrundlage für diese Einschätzung, da lediglich auf In-vitro-Untersuchungen sowie Tests an Ratten verwiesen wird dies vermag eine hinreichende Untersuchung der Wechselwirkungen von G... und C... im Rahmen des Einnahme eines für die Behandlung von Menschen bestimmten Kombinationspräparates nicht zu ersetzen. Vor diesem Hintergrund können auf der Basis des derzeitigen Sach- und Streitstands Studien, die zu den Wirkstoffen G... und C... als Einzelkomponenten erstellt worden sind, für den hier in Rede stehenden Wirkungsnachweis von „R...“ bzw. „K...“ nicht herangezogen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO soweit der Senat das Verbot auf Deutschland beschränkt hat, geschah dies lediglich klarstellend. Der Ausspruch zur Vollstreckbarkeit beruht auf § 713 ZPO.